Das Schicksal von Sprachen

Allgemeine politikwissenschaftliche Diskussionen

Moderator: Barbarossa

Paul
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Dietrich hat geschrieben:
Paul hat geschrieben: Die "Juden" hatten keine eigne Sprache.
Das ist aber eine merkwürdige und zudem unzutreffende Behauptung. Hebräisch ist eine der alten kanaanitischen Sprachen, zu denen neben dem Hebräischen das Phönizische, Ammonitische und Moabitische zählen. Alle diese Sprachen gehören zur Gruppe der nordwestsemitischen Sprachen, die auch Aramäisch und Ugaritisch umfassen.

Hebräisch ist also ganz unstrittig die Sprache der Israeliten/Juden und damit eng verwandt mit den anderen kanaanitischen Sprachen.
Die Juden waren Teil der Kanaanitischen Sprachnation. Auch die Menschen, welche dem Baalglauben und dann immer mehr auch dem Christentum angehörten sprachen Hebräisch/Kanaanitisch. Sie lebten auch direkt in Israel und Juda, nicht nur im Libanon. Ihre Sprache entwickelte sich zum Aramäischen und breitete sich aus. Auch in Südslawien wird Serbokroatisch von Serben, Kroaten und Bosniern gesprochen. So gesehen haben diese Gruppen keine Sprache, die nur eine Gruppe sprucht.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
Paul
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Dietrich hat geschrieben:Das trifft sicher zu. Inwieweit die Juden des Babylonischen Exils weiterhin hebräisch sprachen, wissen wir nicht. Auf jeden Fall überlebte es im alten Restgebiet des Staates Juda, wurde aber dennoch bald vom Aramäischen verdrängt.
Bedeutet Weiterentwicklung für dich immer Verdrängung? Der Begriff Weiterentwicklung ist doch zutreffender.
Auch die germanische Sprache hat sich zum Deutschen weiterentwickelt. Warum sollte man sagen, das das Germanische vom Deutschen verdrängt wurde?
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
Renegat
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james hat geschrieben:Interessante Diskussion mit vielen Meinungen und Gegenmeinungen.
Aber kleine Umfrage dazu, wie seht ihr die Sprachzukunft Europas?
Gute Frage, lässt sich wohl nur mit Blick in die Glaskugel beantworten.
Gerade aktuell stelle ich bei Kontakt mit Flüchtlingen fest, dass ich immer erleichtert bin, wenn sie wenigstens rudimentär englisch sprechen. Menschen, die wie ich englisch nur als Verkehrssprache zur Not nutzen, verstehen einander meist besser als ein Englisch-Muttersprachler und ein Fremdsprachler. Viele Flüchtlinge aus Afrika sprechen englisch, auch die aus der arabischen Welt ein bißchen. Zeichensprache ist schon mühsam und muß man auch üben.

Wenn ich selber ins Ausland fahre, versuche ich es daher auch immer mit englisch, nach ein paar Brocken Landessprache zum Eisbrechen. Bei den kleinen, europäischen Nachbarn wie NL ist englisch sehr geläufig, die lernen das u.a. durch nicht synchronisierte Spielfilme.
Also wahrscheinlich wird und ist bereits in Teilen, englisch die Verkehrssprache der EU.
Ob deshalb die anderen Sprachen aussterben?
Schwer zu sagen, kommt darauf an, wieviele Sprecher es jeweils noch in Muttersprachenqualität gibt. Denn nur dann kann man tiefsinnigere Gespräche, Scherze, Ironie entspannt verstehen, nur dann macht Kommunikation Spaß.
Paul
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Renegat hat geschrieben: Wenn ich selber ins Ausland fahre, versuche ich es daher auch immer mit englisch, nach ein paar Brocken Landessprache zum Eisbrechen. Bei den kleinen, europäischen Nachbarn wie NL ist englisch sehr geläufig, die lernen das u.a. durch nicht synchronisierte Spielfilme.
Also wahrscheinlich wird und ist bereits in Teilen, englisch die Verkehrssprache der EU.
Ob deshalb die anderen Sprachen aussterben?
Schwer zu sagen, kommt darauf an, wieviele Sprecher es jeweils noch in Muttersprachenqualität gibt. Denn nur dann kann man tiefsinnigere Gespräche, Scherze, Ironie entspannt verstehen, nur dann macht Kommunikation Spaß.
Wenn ich nach Polen fahre, frage ich die Leute, ob sie deutsch sprechen, wenn nicht spreche ich eben mit meinem schlechten polnisch. Wenn ich nach Niederlande komme, spreche ich deutsch und verstehe auch, wenn sie mir langsam Niederländisch antworten. Ich habe es noch nicht erlebt, das ein Niederländer gesagt hätte, er würde lieber englisch sprechen. Die Leute aus Limburg sehen deutsch eigentlich auch als Muttersprache, da ihr Dialekt zwischen hochdeutsch und Niederländisch angesiedelt ist. Ich käme mir blöd vor mit ihnen englisch zu sprechen, was auch nicht besser funktionieren würde, als hochdeutsch-holländisch. Fast alle Niederländer sprechen auch gut bis perfekt hochdeutsch, selbst wenn sie es nicht in der Schule gelernt haben. Da es für sie sehr leicht ist hochdeutsch zu lernen, wenn sie z.B. ein bischen deutsch fernsehen und Kontakt im Urlaub haben, verzichten viele auf deutschen Schulunterricht.
In anderen europäischen Regionen spreche ich englisch, wenn mir nicht ausdrücklich deutsch angeboten wird.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
Ruaidhri
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Paul hat geschrieben:Wenn ich nach Niederlande komme, spreche ich deutsch und verstehe auch, wenn sie mir langsam Niederländisch antworten. Ich habe es noch nicht erlebt, das ein Niederländer gesagt hätte, er würde lieber englisch sprechen.
Das war vor nicht so langer Zeit mal anders, ab Mitte der 70er dann aber kein Thema mehr im grenznahen Raum.
Vermutlich wird Englisch in Europa neben der jeweiligen Muttersprache zweite Verkehrssprache, mal abgesehen von von Grenzgebieten,
siehe NL oder auch Nordschleswig, wo noch Deutsch auf dänischer Seite durchaus üblich ist, in anderen Landesteilen, so auf Seeland, allerdings ist Englisch vorrangig.
Wie eigentlich in Skandinavien üblich.
Deutsche und Franzosen: Kann mich ärgern, wenn die, statt sich in der jeweiligen Fremdsprache zu bemühen, auf Englisch Konversation machen. Die Frage stellt sich für mich nicht, in Frankreich Französisch und mit Franzosen in Deutschland auch.
Gemeinsame Wissenschafts-Sprache ist Englisch längst in allen Bereichen.
Drum: Ohne Englisch als früh gelernte Sprache wird es in Zukunft nicht mehr gehen, zumindest nicht in Technik, Wissenschaft und Forschung, im Handel und in der Industrie.
Sprache allein ist aber nicht alles, um sich zu verstehen und zu verständigen. Interkulturelles Lernen unterschiedlicher Kommunikationsstrategien wie auch Arbeitsweisen gehört dazu- und ist oft sehr lustig!
Schwer zu sagen, kommt darauf an, wieviele Sprecher es jeweils noch in Muttersprachenqualität gibt. Denn nur dann kann man tiefsinnigere Gespräche, Scherze, Ironie entspannt verstehen, nur dann macht Kommunikation Spaß.
Schon richtig. Wobei ich merke, dass auch die Sprachbeherrschung von eigentlich Muttersprachlern entweder im Wandel ist oder abnimmt. Viele Bilder, Metaphern, Redewendungen stellen die jüngere Generation vor Rätsel, beklagen sich aber gebildete Franzosen und Briten genauso drüber wie Deutsche. :mrgreen:
Die Gunst des echten zweisprachigen Aufwachsens als Selbstverständlichkeit wird wahrscheinlich, wenn überhaupt, erst späteren Generationen durchgehend zuteil.
So ein wenig voraus sind uns die Niederländer und Skandinavier da schon, die Kinder wachsen nebenbei mit Englisch im TV auf, beginnen auch mit gezieltem, konsequenten Englischlernen sehr früh.
Das Geradebreche in deutschen Kitas kann man sich schenken, die allerwenigstens Erzieherinnen können den tatsächlichen Spracherziehungsunterricht weder fachlich noch überhaupt gar nicht leisten, die haben schon genug zu tun, korrektes Deutsch zu vermitteln.
Grundschule ähnlich...
Ausnahme: Tatsächlich bilinguale Einrichtungen mit native speakers unter den Erziehern, später Lehrern. Oder mindestens dem gleichkommenden Englisch.
Gibt es zunehmend, und nicht nur als private Einrichtungen "für Reiche" in den Großstädten.
Muttersprache: Deutsch Vaterland: Keins. Heimat: Europa
LG Ruaidhri
Dietrich
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Paul hat geschrieben:
Dietrich hat geschrieben:Das trifft sicher zu. Inwieweit die Juden des Babylonischen Exils weiterhin hebräisch sprachen, wissen wir nicht. Auf jeden Fall überlebte es im alten Restgebiet des Staates Juda, wurde aber dennoch bald vom Aramäischen verdrängt.
Bedeutet Weiterentwicklung für dich immer Verdrängung? Der Begriff Weiterentwicklung ist doch zutreffender.
Auch die germanische Sprache hat sich zum Deutschen weiterentwickelt. Warum sollte man sagen, das das Germanische vom Deutschen verdrängt wurde?
Aramäisch ist keine Weiterentwicklung des Hebräischen, sondern ein eigenständiger Sprachzweig der nordwestsemitischen Sprachfamilie. Das Volk der Aramäer bildete sich in Syrien und NW-Mesopotamien. Beide Sprachen sind also miteinander verwandt, aber keine Fortsetzer der einen oder anderen Sprache.

Vom Aramäischen verdrängt wurde nicht nur das Hebräische, sondern auch das Akkadische der Babylonier und Assyrer.
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