Friedliche Revolution in der DDR keine echte Revolution?

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Moderator: Barbarossa

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Barbarossa
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In einem anderen Thema (Facharbeit Untergang der Sowjetunion) hast du behauptet, Aneri, u. a. auch die Friedliche Revolution in der DDR sei keine echte Revolution gewesen. Damit triffst du bei mir einen ziemlich sensiblen Nerv, da ich noch heute sehr stolz darauf bin, dabei gewesen zu sein. Aber hier zunächst die Zitate aus dem anderen Thema:
Aneri hat geschrieben:Hm-m, was meinst Du mit Revolutionen?! Wo solche stattgefunden?

Irgendwie ist in Mode gekommen, alles Mögliche als Revolutionen zu benennen... Z.B. friedliche Revolution der DDR :crazy:
Aneri hat geschrieben:... zu Begriff Revolution (Seite 603):
Vor allem im Hinblick auf zweihundertjährige Jubiläum von 1789 schien es ganz selbstverständlich, die Umbrüche in den Jahren 1989 und 1990 als osteuropäische Revolutionen darzustellen. Zwar wirkt dieser Begriff durchaus angemessen, da Ereignisse, die zum endgültigen Sturz von Regimen führen, revolutionär sind, aber er ist irreführend. Denn keines der osteuropäischen Regime wurde gesturzt. Außer in Polen hatte es in keinem Land eine organisierte oder auch nur nichtorganisierte interne Kraft gegeben, die eine ernsthafte Bedrohung dargestellt hätte; und in Polen hatte die Existenz der mächtigen politischen Opposition in Wirklichkeit dafür gesorgt, daß das System nicht von einem Tag auf anderen zerstört werden könnte, sondern erst in Verlauf eines langen, aus Kompromissen und Reformen bestehenden Verhandlungsprozesses ausgewechselt wurde - auf ähnliche Weise also, wie in Spanien nach dem Tod von General Franco 1975 die Transition zur Demokratie gelungen war. Die Unmittelbartste Bedrohung der Regime im sowjetischen Orbit war Moskau selbst....Dieser Rückzug der Sowjetunion hat den Regimen ihren Bankrott noch deutlicher vor Augen geführt....Die Mehrheit der Bürger hatte die Dinge akzeptiert, wie sie waren, weil sie keine Alternative hatte
Frabig von mir hervorgehoben. Ich meine damit, dass wenn geschene was geschehen müsste, wenn man keine Alternative hatte - wie kann man dann von Revolution sprechen?!
Ich möchte hier mal beim Beispiel der DDR bleiben, denn in der SU ist das alles tatsächlich ganz anders abgelaufen.
Also in der DDR war das ja so, dass Honecker durchaus durch die Demonstrationen gestürzt wurde, da er seine harte Gangart innerhalb des Politbüros nicht mehr durchsetzen konnte. Er trat zurück - dies führte in dieser Situation zwar nicht zum sofortigen Ende der SED-Herrschaft, denn Nachfolger wurde Krenz (SED), der knapp zwei Monate später durch Modrow (immer noch SED) abgelöst wurde. Das heißt aber auch, dass in der Zeit zwischen Oktober 1989 und März 1990 gleich mehrere Regierungen zurücktreten mussten. Und auch der verfassungsmäßig festgeschriebene "Führungsanspruch der SED" wurde in dieser Zeit gestrichen.
Aber durch die Demonstrationen wurden noch unter der SED wichtige Bürgerrechte (Meinungs- und Pressefreiheit z. B.) durchgesetzt, der Mauerfall fiel in diese Zeit und es wurden für den 18. März 1990 freie Wahlen durchgesetzt, durch die Modrow abgewählt wurde. In der Zeit der friedlichen Revolution begann auch die Transformation der ehemaligen Blockparteien, die in der Folge der vorherigen Politik völlig entgegengesetzte Standpunkte vertraten.

Für mich war die friedliche Revolution eine echte Revolution.
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dieter
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Eine Revolution muß nicht immer blutig ablaufen. Ich habe den größten Respekt vor der Bevölkerung der DDR, die beharrlich mit ihren Montagsdemos das kommunistische Regime zum Einsturz gebracht hat.
Ganz besonders will ich die Demonstranten vom 9. Oktober 1989 in Leipzig hervorheben, wo 70.000 Menschen, die immer damit rechnen mußten zusammengeschossen zu werden ihre Demo gemacht haben. Das sind für mich die Helden. :D :)
Entschuldigt bitte, ich als gläubiger Mensch, gehe davon aus, dass ohne Gottes Hilfe dies hätte nicht passieren können. Die Demos in Leipzig hätte ohne die Mithilfe der beiden ev. Kirchen in Leipzig nicht passieren können. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Aneri

Vielleicht gerade, weil du sehr emotional an Thema angehst, wird schwierig mit der Diskussion auf sachliche rein rationale Ebene führen. :wink:
Ich bin eigentlich zu bescheiden, um solche Behauptungen zu erstellen. Für mich Bezeichnung friedliche Revolution war eher eine plakative Bezeichnung, der ich keine große Rolle schenkte. Bist du glücklich in einer Revolution teil zu nehmen? - o´key, meinetwegen (ich bin auch total stolz in Unabhängigkeits-Bewegung teilgenommen).
Nur später verstand ich, dass damit werden tatsächliche Gründe maskiert und das Geschehen verzerrt. Aus Sicht der Geschichtswissenschaft ist es nicht unbedingt erstrebenswert. Wobei ich nehme an, dass dieser nicht weit in Vergangenheit liegende Geschehen, der viele Historiker emotional (und ideologisch) prägt, von anderen Historikern auch anders gedeutet wird. Ich weis es nicht. Wie gesagt ich "nähre" mich von einer Quelle, deren Beschreibung , nehme ich an, auch weltweit eine Bedeutung hat.

Ich hab zu Lektüre Hobsbaws Geschichte des 20 Jhd. und die Geschichte des 19.Jhd. von Osterhammel, wo er auch mit Begriff Revolution sich auseinandersetzt. Hobsbawms Gedankenweg kann ich nachvollziehen und ihm zustimme. In dem Sinne, dass Moskauer Macht hat sich zurückgezogen und ist entstanden ein politischer Vakuum. Ein Vakuum zu füllen - soll es eine Revolution sein?! Ich stimme 100% seinen Wortern, dass es gab keine Alternative. Neben der "friedlichen Revolution" kann man zugleich schreiben "friedliche Niedergang" ein Systems. Wenn es friedlich eingeschlaffen ist, wo ist dann Revolution?
...Die etwas jüngeren Parteimitglieder waren wahrscheinlich kaum noch Kommunisten im alten Sinn, sondern eher Männer und Frauen ..., die ihre Karrieren in Staaten gemacht hatten, die zufällig unter kommunistischen Herrschaft standen. Und sie waren vom einen Augenblick zum Anderem bereit, ihr Mäntelchen zu wenden, sobald der Wind sich drehen sollte und sofern sie überhaupt eine Möglichkeit dazu bekammen. Mit eine, Wort, die Personen, dir die sojetischen Satellitenregime zuletzt regierten, hatten den Glauben an ihr eigenes System verloren oder gar nicht erst gehabt. Solange Systeme betriebssicher gewesen waren, hatten sie sie getrieben. Aber als dann klargeworden war, daß sie sogar die Sowjetunion ihrem Schicksal überlassen würde, versuchten die Reformer (wie in Polen und Ungarn) eine friedliche Transition zu verhandeln, und die Hardliner (wie in Tschechoslowakei und der DDR) blieben so lange hartnäckig, bis auch ihnen nicht mehr entgehen könnte, daß die bürger ihnen die Gefolgschaft verweigerten, obwohl Armee und Polizei noch immer dazu bereit gewesen sein mögen. In beiden Fällen traten sie still zurück, als sie realisiert hatten, daß ihre Zeit abgelaufen war.
Aneri

Übrigens so große Unterschied war bei uns nicht. Gerade wenn er beschreibt die damalige Kommunisten, trifft es zu 100%. Man könnte keine echte Karriere machen, wenn nicht Mitglied Partei war. Auch mein Onkel, Medizin-Professor, Dekan in Uni war in Partei und ich erinnere, dass wir als Kinder waren gelernt, niemanden zu erzählen über Heiligabend bei meine gläubige Großmutter. Weihnachten hatten wir nie gefeiert...
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Barbarossa
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Aneri hat geschrieben:Übrigens so große Unterschied war bei uns nicht. Gerade wenn er beschreibt die damalige Kommunisten, trifft es zu 100%. Man könnte keine echte Karriere machen, wenn nicht Mitglied Partei war. Auch mein Onkel, Medizin-Professor, Dekan in Uni war in Partei und ich erinnere, dass wir als Kinder waren gelernt, niemanden zu erzählen über Heiligabend bei meine gläubige Großmutter. Weihnachten hatten wir nie gefeiert...
Und da ist schon ein Unterschied da. Wir feierten Weihnachten und Ostern (auch wenn der Ostermontag als Feiertag gestichen wurde) und sogar den "Herrentag" konnte die SED trotz offizieller Abschaffung nicht totkriegen. Er wurde von der Bevölkerung trotzdem gefeiert - allerdings weniger als kirchlicher Feiertag, sondern eher als tatsächlicher "Männertag" mit Sauftouren und allem, was dazugehört...
Aneri hat geschrieben:Vielleicht gerade, weil du sehr emotional an Thema angehst, wird schwierig mit der Diskussion auf sachliche rein rationale Ebene führen. :wink:
Ich versuche es dennoch, schließlich habe ich ja auch ein Buch darüber geschrieben. :wink:
Aneri hat geschrieben:Ich hab zu Lektüre Hobsbaws Geschichte des 20 Jhd. und die Geschichte des 19.Jhd. von Osterhammel, wo er auch mit Begriff Revolution sich auseinandersetzt. Hobsbawms Gedankenweg kann ich nachvollziehen und ihm zustimme. In dem Sinne, dass Moskauer Macht hat sich zurückgezogen und ist entstanden ein politischer Vakuum. Ein Vakuum zu füllen - soll es eine Revolution sein?! Ich stimme 100% seinen Wortern, dass es gab keine Alternative. Neben der "friedlichen Revolution" kann man zugleich schreiben "friedliche Niedergang" ein Systems. Wenn es friedlich eingeschlaffen ist, wo ist dann Revolution?
...Die etwas jüngeren Parteimitglieder waren wahrscheinlich kaum noch Kommunisten im alten Sinn, sondern eher Männer und Frauen ..., die ihre Karrieren in Staaten gemacht hatten, die zufällig unter kommunistischen Herrschaft standen. Und sie waren vom einen Augenblick zum Anderem bereit, ihr Mäntelchen zu wenden, sobald der Wind sich drehen sollte und sofern sie überhaupt eine Möglichkeit dazu bekammen. Mit eine, Wort, die Personen, dir die sojetischen Satellitenregime zuletzt regierten, hatten den Glauben an ihr eigenes System verloren oder gar nicht erst gehabt. Solange Systeme betriebssicher gewesen waren, hatten sie sie getrieben. Aber als dann klargeworden war, daß sie sogar die Sowjetunion ihrem Schicksal überlassen würde, versuchten die Reformer (wie in Polen und Ungarn) eine friedliche Transition zu verhandeln, und die Hardliner (wie in Tschechoslowakei und der DDR) blieben so lange hartnäckig, bis auch ihnen nicht mehr entgehen könnte, daß die bürger ihnen die Gefolgschaft verweigerten, obwohl Armee und Polizei noch immer dazu bereit gewesen sein mögen. In beiden Fällen traten sie still zurück, als sie realisiert hatten, daß ihre Zeit abgelaufen war.
Da möchte ich tatsächlich widersprechen und die Situation in der SU wirklich von der Situation in der DDR trennen.
In der SU mag ein Machtvakuum entstanden sein, in das dann vor allem Oligarchen und so stießen.
In der DDR war das anders.
Hier wurde jedes einzelne Bürgerrecht durch den Druck der Straße und der Bürgerrechtsbewegungen erkämpft. Es gab nichts, was die SED von sich aus einführte - auch nach dem Sturz Honeckers, unter Krenz und Modrow nicht. Stets war die SED getrieben von den Forderungen der Bürgerechtler - ab Dezember 1989 dann durch Beschlüsse des Runden Tisches, der auch erst eingefordert werden musste. Und bis zum Schluss versuchte die SED/PDS auch den Prozess zu bremsen und durch Falschdarstellungen zu verfälschen - wie z. B beim Runden Tisch. Insbesondere die Auflösung der Stasi, die erst noch in AFNS ("Amt für Nationale Sicherheit") umbenannt wurde, ging das mit dem Bremsen soweit, dass die Stasi-Zentrale in Berlin von den Bürgerrechtlern gestürmt wurde, weil die Akten-Reißwölfe heiß liefen. Und auch bei der Erstürmung stellte sich später heraus, dass die Stasi-Leute ihre eigene Zentrale selbst verwüsteten, um die restlichen Akten zu vernichten und die Bürgerrechtler in ein schlechtes Licht zu rücken.
Das nur, um an konkreten Beispielen zu zeigen, dass die Veränderungen nicht freiwillig von der SED umgesetzt wurden. Hätten die Bürger und Bürgerrechtler nicht ständig weiter Druck gemacht (auch wenn es fast immer friedlich blieb), dann hätte es keine Veränderungen gegeben. Von "sillem zurücktreten" oder dass "sie realisiert hatten, daß ihre Zeit abgelaufen war", habe ich nicht viel gemerkt.
Im Gegenteil: Wenige Wochen vor der einzigen demokratischen Volkskammerwahl am 18. März 1990 habe ich erlebt, dass die Grenzkontrollen nach West-Berlin auf Beschluss der Modrow-Regierung noch eimal verschärft wurden!
Nach der Wahl entfielen die Grenzkontrollen ganz - die Kontrollpunkte waren dann gar nicht mehr besetzt.
Soviel zu "stillem und freiwilligem Zurücktreten" der SED/PDS.
Wer sowas äußert, hat sich nicht ausreichend kundig gemacht.
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Aneri

Was beschreibt Hobsbawm anders?!
Wie gesagt, es ist Interpretation der Geschehnisse und ich würde behaupten - eine wissenschaftliche, keine journalistische oder politische. Ich kann sehr wohl nachvollziehen, wenn bei uns gerade Aspekt der Revolution akzentuiert wird. Wir wollen den Menschen zu zeigen, sie zu erziehen, dass sie nicht unmündig sind, dass sie eine Stimme haben und diese Stimme kann Welt verändern. Es ist eine Idee, die auch das Verhalten des Menschen verändert. Es wird sicher in Analen der nationalen Bewusstseins verankert, ähnlich dem Sturm der Bastilie in Frankreich, der so sich nicht stattgefunden hat. Es muss jemand sein, der ein gewissen Abstand - emotionalen, geographischen, zeitlichen - zum Geschehen hat.
Und da ist schon ein Unterschied da.
Aber sicher ist ein Unterschied. Das Problem ist, welche Unterschiede du als wesentlich betrachtest und welche Ähnlichkeiten. Ich kann ein gelben Kubus zu Roten beziehen, wenn ich Form vergleichen will. Wenn du mir sagst, dass die Farbe unterscheidet sich, ist es in Fall des Vergleichs der Form unbedeutend.

So etwa die Unterschiede in Republiken (gerade baltischen) sind nur quantitativ zu unterscheiden. So hätten wir viel mehr Grund über Revolution zu reden, da Widerstand kräftiger war (es gab auch Toten). In WIKI habe ich gefunden es unter "singende Revolution". Die Bezeichnung wurde aber damals nicht verwendet. Auch jetzt meines Wissens wird es nicht so politisch benutzt wie hier. Zu bezeichnend ist, dass Artikel in litauisch sehr viel kürzer ist und die Quelle von 2011(!).
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Barbarossa
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Du willst eine Definition für Revolution?
Ok, ich liefere dir gleich zwei aus unterschiedlichen Quellen:
Revolution
[lat.] R. bezeichnet eine schnelle, radikale (i. d. R. gewaltsame) Veränderung der gegebenen (politischen, sozialen, ökonomischen) Bedingungen. Politische R. zielen i. d. R. auf die Beseitigung der bisherigen politischen Führer und die Schaffung grundsätzlich neuer Institutionen, verbunden mit einem Führungs- und Machtwechsel. Ziel der bewusst herbeigeführten, tief greifenden Veränderungen ist es, mit einem politischen Neuanfang die bisherigen Probleme und Machtstrukturen zu beseitigen und radikal Neues an ihre Stelle zu setzen (z. B. neue Machtstrukturen, neue Eliten, neue Eigentumsverhältnisse, eine neue [Verfassungs-]Ordnung etc.).
Quelle: http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/18147/revolution
1.) auf radikale Veränderung der bestehenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse ausgerichteter, gewaltsamer Umsturz[versuch]
2.) umwälzende, bisher Gültiges, Bestehendes o. Ä. verdrängende, grundlegende Neuerung, tief greifende Wandlung
Quelle: http://www.duden.de/rechtschreibung/Rev ... Bedeutung1

Danach waren die Umwälzungen im Ostblock echte Revolutionen.
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Aneri

Mit Begriff Revolution ist es wie mit fast allen Begriffen. Sie lassen sich nicht scharf abgrenzen. Gerade in historischen Bereich wandelt auch die Bedeutung eines Begriffes wie man etwa auf der Nation sehr deutlich nachvollziehen kann. So nutzt man den gleiche Begriff in verschiedenen Bereichen, zu verschiedenen Zeiten abweichende, sogar ganz unterschiedliche Bedeutung.
Osterhammel schreibt dazu (Hervorhebung von mir!) S. 737:
" Eine geschichtsphilosophische Auffassung von "Revolution bevorzugt den Singular, eine strukturelle den Plural...Durch die Proklamation der Unabhängigkeit der dreizehn Kolonien von der britischen Krone und durch die spontane Bildung einer verfassunggebenden Nationalversammlung in Frankreich schien die Geschichte in einen neuen Aggregatzustand versetzt worden zu sein. Hatten frühere gewaltsame Umwälzungen doch immer wieder nur zu den bloß äußerlich modifizierten früheren Zuständen zurückgeführt, so sprengten amerikanischen und französischen Revolutionäre den Horizont der Zeit, öffneten eine Bahn linearen Fortschritts.... Mit diesen beiden Revolutionen, so unterschiedlich sei gemeint gewesen waren, begann die politische Moderne."
Diese Deutung eine Revolution (ihre Bedeutung s. z. in Weltmaßstab) hat auch Hobsbawm. So lässt sich Oktober Revolution als Bruchstelle in der Geschichtsentwicklung deuten, der den Umwälzungen in ganze Welt folgten bzw. ihre folgen prägten die weitere Weltentwicklung.

Weiter beschreibt Osterhammel die Bedeutung als strukturelles Wandeln (Hervorhebungen in Original):
"Hier ist nicht über einen geschichtsphilosophischen Augenblick gesagt, das Pathos der Modernität verflüchtigt sich. Revolutionen in dieser Bedeutung kann nahezu überall und in jeder Epoche geben. In der gesamten dokumentierten Geschichte ist es tatsächlich immer wieder zu radikalen Einschnitten gekommen, auch solchen, bei denen viele Menschen glaubten , alles Gewohnet auf den kopf gestellt oder gar zerstört worden. Gäbe es eine Statistik über solche Umbrüche, würde sie Wahrscheinlich zeigen, dass besonders tiefe Zäsuren öfter noch als Revolutionen auf militärische Eroberungen zurückzuführen sind... Koloniale Eroberung war daher, von Auswirkungen hier betrachtet, in einem ganz konkreten, gar nicht übertragenem Sinne oft "revolutionär"... Die Machtübernahme durch landfremde Kolonialherren als Folge militärischen Invasion, seltener als Ergebnis von Verhandlungen, hatte also in vielen Fällen für Afrikaner, Asiaten oder Südseeinsulaner durchaus den Charakter einer Revolution. Man könnte diesen Gedanken noch einen Schritt weiter Ausspinnen: Auf längere Sicht war der Kolonialismus vor allem dadurch revolutionär, dass er nach der Eroberung Spielräume für den Aufstieg neuer Gruppen in der indigenen Gesellschaft schuf und dadurch eine zweite Welle von Revolutionen vorbereitete...Revolutionäre Diskontinuität steht am Anfang und am Ende der Kolonialzeit."
Es gibt "Revolutionen von oben". So könnte man Napoleon und Stalin zu Revolutionären dieses Typus zuordnen. Auch würde hier "Meiji-Renovation" passen, wenn sie auch sich legitimierte nicht als etwas Neues sonderns eine Wiedeherstellung frühere Zustände...

Wie gesagt, ich hoffe, man hat Eindruck gewinnen können, dass schon In Geschichtsschreibung gibt es verschiedene Auffassungen. Konkret in Fall der friedlichen Revolution fällt für mich der Widerstand des vorh. Systems. Schon allein Begriff "friedliche" macht den Begriff zunichte. Wenn man überfliesst in einem in anderen Zustand friedlich, wo ist denn die Revolution, unter der man vermuten muss eine abrupten gesellschaftlichen "Wasserfall". Für mich, die die Geschichte in der Ganzheit betrachten will fehlt auch das Neue, um überhaupt Revolution sich zu nennen (egal ob friedliche oder gewaltsame). Ausweitet man Begriff auf alles Mögliche, verliert es die Schärfe. Ich meine - in Betrachtung der Geschichte, man wird s. z. kurzsichtig.
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dieter
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Barbarossa hat geschrieben:
Revolution
[lat.] R. bezeichnet eine schnelle, radikale (i. d. R. gewaltsame) Veränderung der gegebenen (politischen, sozialen, ökonomischen) Bedingungen. Politische R. zielen i. d. R. auf die Beseitigung der bisherigen politischen Führer und die Schaffung grundsätzlich neuer Institutionen, verbunden mit einem Führungs- und Machtwechsel. Ziel der bewusst herbeigeführten, tief greifenden Veränderungen ist es, mit einem politischen Neuanfang die bisherigen Probleme und Machtstrukturen zu beseitigen und radikal Neues an ihre Stelle zu setzen (z. B. neue Machtstrukturen, neue Eliten, neue Eigentumsverhältnisse, eine neue [Verfassungs-]Ordnung etc.).
Quelle: http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/18147/revolution
1.) auf radikale Veränderung der bestehenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse ausgerichteter, gewaltsamer Umsturz[versuch]
2.) umwälzende, bisher Gültiges, Bestehendes o. Ä. verdrängende, grundlegende Neuerung, tief greifende Wandlung
Quelle: http://www.duden.de/rechtschreibung/Rev ... Bedeutung1

Danach waren die Umwälzungen im Ostblock echte Revolutionen.
Die Umwälzungen im Ostblock waren echte Revolutionen, weil sie das kommunistische System zum Umsturz brachten.
Putin betrachtet die Revolutionen als größte Katastrophe für Russland im 20. Jahrhundert. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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Mit Putin ist klar. Der war ja selbst noch ein Aparatschik aus Sowjetzeiten

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