Braucht der Mensch eine Autorität?

Allgemeine politikwissenschaftliche Diskussionen

Moderator: Barbarossa

Noswell
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Hallo Forengemeinde,

in letzter Zeit stelle ich mir die Frage, ob ein Mensch wirklich eine Autorität braucht.
Im Grunde genommen besteht unser ganzes System aus Autoritäten, da wäre der Chef bei der Arbeit,
das Parlament für die Politik, die Polizei bei der Justiz oder auch die Eltern bei der Erziehung, usw.
All diese Personen zeichnet die Eigenschaft aus, dass wir deren Anweisungen befolgen, ohne
die Notwendigkeit zu hinterfragen, aber selbst wenn wir dies tun dann sind wir vermutlich trotzdem so gestrickt
diese zu befolgen, weil wir uns im klaren sind, dass wir u.a. für den Ursprung der Tätigkeit keine Verantwortung tragen müssen, oder die person in der Hierachie über uns eingeordnet ist und somit über mehr Kompetenzen verfügt.
Um mal ein konkreteres beispiel nennen zu wollen, ohne die Diskussion in eine falsche Richtung leiten zu wollen:
Wenn der General seinen Truppen befiehlt auf Leute zu scheißen und dieses es dann befolgen, obwohl sie den Umstand selbst nicht für richtig betrachten, warum handeln sie dann trotzdem dementsprechend?
Oder wenn man sich Rat von Freunden einholt, dann fungieren diese doch auch als Autoritäten?
Genauso könnte man hier sagen, dass ihr Autoritäten seid, die mir helfen meine Frage zu beantworten...
Es mag durchaus Gegenbeispiele geben und auch die im Bsp genannten Truppen könnten sich verweigern, aber schafft es der Mensch wirklich sich ohne Autoritäten zu entwickeln oder sind diese Notwendig für unser Dasein?

Gruß
Renegat
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Naja, mit den Autoritäten ist das so eine Sache. Jeder Mensch ist für sich und sein Handeln selbst verantwortlich. Ok, am Arbeitsplatz gibt es Weisungsbefugnisse, die sich allerdings nur auf betriebliche Anforderungen beschränken. Selbst dabei kann es Weisungen geben, die ein Arbeitnehmer nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, genauso wie im Krieg.
Man handelt sicher vernünftig, wenn man sich den Rat von Eltern, Lehrern und anderen sog. Autoritäten oder Fachleuten anhört. 2-3 Meinungen sind dabei besser als immer nur eine, aber dann muß man schon selber denken, kritisch hinterfragen und eine Entscheidung in eigener Verantwortung treffen. Jedenfalls wenn man über 18 Jahre alt ist und damit voll verantwortlich für sein Tun.
Spartaner
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Beiträge: 1649
Registriert: 25.12.2013, 23:36

Natürlich braucht der Mensch immer eine Autorität. Das ist in aller erster Linie auch evollutionsbedingt. Auch bei unseren nächsten Verwandten den Affen gibt es Hierarchien ohne die, die Gruppe auseinanderbricht. Beim Millitär ist eine Autorität wichtig, allein schon für den Erfolg von militärischen Operationen und Gefechten. Aber auch hier gibt es ein "äquivalent" Guerilliakämpfer z. B. agieren auch selbstständig ohne direkte Autorität.
Nach den isalmischen Revolutionen, die mehrere nordafrikanische Länder erfasst hatten, wird ebenfalls deutlich ,dass einige Länder besser eine klare Autorität haben müssen, ohne der sonst nichts in geordneten Bahnen läuft. Die Diktatur darf aber dabei nur eine Übergangslösung sein, die den Weg ebnet zu einer demokratisch gewählten Autorität.
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Marek1964
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Hallo Noswell,

die Frage ist natürlich, was eine Autorität ist. Man hat ja im Leben fast immer Vorgesetzte. Dann gibt es den Begriff Autorität als jemand, der zu einem Thema "etwas" (also viel) zu sagen hat und schliesslich Vorbilder.

Gar kein Zweifel, von alledem brauch jeder Mensch etwas, ich erinnere mich immer gern an meine zwei Besten Chefs im Leben, das waren einmal eine klare Autorität, ein ander Mal ein fantastischer Zuhörer und Motivator.

Die anderen Chefs taugten leider nicht allzu viel, bis noch auf eine Ausnahme.

Die bedeutendste Autorität meines Lebens war zweifellos mein Vater, schätzen lernte ich die positiven Seiten leider erst nach seinem Tod so richtig (war 39), aber so ist es bei vielen; für mich selbst würde ich heute sagen, teils begründet, teils ungerecht.

Vielleicht formulierst Du noch etwas genauer, was Du von Autoriäten erwartest. Ganz wichtig sind die persönlichen Werte dabei.

Jedenfall, Noswell, es schadet im Leben nie, Autoritäten schon ein wenig zu hinterfragen. Das hat ja auch schon die Geschichte gezeigt. Kann man durch geschicktes Fragen unauffällig machen. Aber Respekt, wem Respekt gebührt. Nicht zuviel und nicht zuwenig erwarten.

Die Frage mit dem General und den Soldaten - ja eine wichtige Frage, sehr schwierig, morgen dann mehr davon.
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dieter
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Lieber Noswell,
wir brauchen keine Autoritäten sondern Vorbilder, die uns beeinflussen können. Die Autorität kommt dann von ganz alleine. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
maleku
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Natuerlich braucht es Autoritaeten, damit wir lernen koennen.
Kinder etwa brauchen Autoritaeten. Keinen Vater als „besten Freund“, keine Mutter als „beste Freundin“ , sondern als Autoritaet der dem Kind zeigt, wo Grenzen sind, damit dieses Kind einen aeusserlichen und innerlichen Halt in der Welt findet, eine Stabilitaet. Vorbild ist das „Fuellmaterial“, das Geruest aber ist die Autoritaet. Zumindest bin ich da einig mit allen Erkenntnissen der Paedagogik, aber auch mit den privaten.
Ich erinnere an die 68er Bewegung und die Anti-autoritaere Eriehung. 20-30 Jahre danach haben viele dieser fruehern Kinder ihren Eltern den schweren Vorwurf gemacht , nicht auatoritaer gewesen zu sein als sie es gebraucht haben.
Und so setzt es sich bis ans Lebensende fort. Am Ende steht der Arzt an meinem Bett und sagt mit dem Gewicht seiner Autoritaet: es geht zu Ende.Ich glaube nicht dass ich mit ihm diskutieren wollte....
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Marek1964
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maleku hat geschrieben: Ich erinnere an die 68er Bewegung und die Anti-autoritaere Eriehung. 20-30 Jahre danach haben viele dieser fruehern Kinder ihren Eltern den schweren Vorwurf gemacht , nicht auatoritaer gewesen zu sein als sie es gebraucht haben.
Und so setzt es sich bis ans Lebensende fort. Am Ende steht der Arzt an meinem Bett und sagt mit dem Gewicht seiner Autoritaet: es geht zu Ende.Ich glaube nicht dass ich mit ihm diskutieren wollte....


Sehr interessant Dein Beitrag, Maleku. Wir hatten da eine Diskussion über den Werteverfall, auch in Zusammenhang mit der 68er Bewegung

http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... =26&t=4068

http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... hilit=68er
Lia

Sicherlich braucht der Mensch Autorität, die allerdings für immer auch Kompetenz bedeutet- auf allen erdenklichen Eebenen, wobei Irren immer menschlich bleibt. Autorität gleichgesetzt mit Befehl und blindem, absoluten Gehorsam wieder: Nein!
Autorität in gegenseitiger Verantwortung, nicht von oben nach unten, wobei ich auch die Notwendigkeit von Hierarchien bejahe, die nur keinen Anspruch auf unhinterfragte Ewigkeit haben.
Erziehung zur Reflektion und Verantwortung, eigene Grenzen zu erkennen und die anderer zu respektieren muss sein- oder sollte sein.
Und just auf dem Weg dahin bedarf der Autorität, der Erfahrung und ja: Auch mal der klaren Worte:"Bis hierhin und nicht weiter!"
Der Mensch ist fähig zur Erkenntnis- im Prinzip jedenfalls sollte er es sein. Steht so in vielen klugen Büchern, nur ist die Realität anders. Der Mensch ist mit Vernunft begabt, erkenntnisfähig. Doch setzt jeder Mensch in jeder Situation die Fähigekeiten immer ein?
Nein.
Für mich bleibt es ein Teil der Evolution, dass es in jeder Form des sozialen Zusammenlebens in Rudeln, Meuten, Horden, Firmen und Staaten der Autorität und Autoritäten bedarf. Die Tünche der Zivilisation beim Menschen ist dünn, der Mensch wird immer ein Egoist bleiben- und noch egoistischer werden.
Autorität bedeutet (für mich) dennoch nicht Absolutimus.
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Marek1964
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Sehr gut geschrieben, Lia. So sollte es sein, leider missbrauchen Autoritäten ihr Macht oft, aber das war auch schon immer so.

Obwohl mir bisweilen vorgeworfen wird ein Pessimist zu sein, und ich in diesem forum den Werteverfall schon thematisiert habe, bin ich nicht so pessimistisch wie Du, dass ich sagen würde, dass der Mensch immer egoistischer wird. In der Geschichte wie in vielen anderen Bereichen verläuft vieles in Sinuskurven, in Auf und Abs. Der Mensch ist schon lernfähig und irgendwann wird man schon merken, dass Egoismus halt schadet.

Aber wann das soweit sein wird, da traue ich mir kein Urteil zu. Nur: Dass wir es hoffentlich erleben.
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Marek1964
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Was hat Dich, Conzaliss, denn von der Sekte - aufgrund Deiner früheren Einlassungen hier gehe ich davon aus, Du meinst die Zeugen Jehovas - deren Werte und Autoritäten zu akzeptieren, nachdem Du vorher kritisch gegenüber Autoritäten warst?

Das wäre interessant zu erfahren. Irgendwie könnte das ja auch eine Paralelle zu den erzogenen 68er-Kindern, die dann eines Tages ihren Eltern vorwerfen "zu weich" gewesen zu sein und damit nicht genug fürs Leben vorbereitet gewesen zu sein, wie es maleku ansprach.

Aber vielleicht waren Sekten deshalb nach 1968 so attraktiv?
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dieter
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Ihr Lieben,
nochmal Autorität ohne Vorbild kann es nicht geben. Wer glaubt Autorität beanspruchen zu können, ohne sich vorbildhaft zu benehmen, der ist auf dem Holzweg. Ich weiß nicht, ob ich eine Autorität bin, aber unser Sohn hat das Abi und im Jahre 2000 neben sein Diplom als Ing. den ersten Preis der FH Frankfurt/M. bekommen, weil er die beste Note hatte. Er ist heute für eine Fa. zuständig, die Brennöfen baut und war schon in Frankreich, Russland und an der Mandschurei an der Grenze zu Nordkorea.
Ich bin eigentlich nur mit sehr beschränkter Autorität aufgewachsen, da mein Vater am 10.12.1941 vor Moskau gefallen ist, meine Mutter das Geld für uns verdienen mußte, ich bei der Oma war und mit 11 Jahren einen Siefvater bekam. Angemaßte Autorität ist Kappes. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Lia

Frage, über dieich gestern Abend nachgedacht habe und die mal weiterreiche
Ist das Nomen "Autorität" für Euch durchgehend negativ belegt?
Wie ist die Konnation des Adjektives "autoritär"?

Autorität muss man sich erarbeiten, sollte man sich erarbeiten müssen. Qua Vitamin B oder Parteibuch ohne menschliche und fachliche Kompetenzen auf einem Posten als Vorgesetzter zu landen, macht noch keine Autorität.
Die" echte" muss man sich erarbeiten, was wieder gar nicht an autoritäres Gebaren geknüpft ist.
Um es mit meiner Physiklehrerin zu sagen: " Autorität ist, wenn man keine hat, brüllt man los!"
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Marek1964
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Liebe Lia,

für mich ist Autorität sicher nicht nur negativ belegt. Natürliche, fähige Autoritäten haben meine volle Anerkennung. Solche, die nicht die Fähigkeiten zu deren Ausübung haben oder sie gar noch missbrauchen, gehört meine Verachtung und ich kämpfe, wenn ich die Mittel dazu habe, auch dagegen an.

Interessant dann aber das adjektiv "autoritär". Das dürfte in der Tat im heutigen Sprachgebrauch meist negativ belegt sein, muss aber auch nicht in allen Fällen so sein.

Einer meiner fähigsten Chefs war überaus autoritär, aber er liess Diskussionen in der Sache zu. Er konnte auch "nach oben" tough sein, und das war toll unter ihm zu arbeiten, weil er seine Linie hatte.

Ein weitere der fähigen war ein offener Charismatiker in einer Studentenorganisation, als doch einiges anders als in einem Unternehmen, der war einge gewinnende Persönlichkeit.

Schlimm kann es sein, wenn ein Chef keine Autorität hat, dann wird es mühsam. Eine meiner Lieblingsfragen lautet: Wenn sich zwei gleichgestellte Angestellte dauernd streiten, wer ist schuld?

DIe Anwort: Der Chef.

Vielfach aber haben die Chefs dann keine Autorität, um Ordnung zu schaffen, geben dann oft dem aggressiveren Element nach, was aber meist nicht im Interesse des Unternehmens ist.

Zusammenfassend: Autorität ist nicht negativ belegt, autoritär villeicht eher, aber auch nicht ausschliesslich.

Und zur Ausgangsfrage: Ja, zweifellos, der Mensch braucht Autoritäten. Aber natürlich diejenigen, die Ihrer Aufgabe gerecht werden. Und das sieht man leider oft erst im Nachhinein...
Lia

Eine Autorität ist- souverän. :)
Noswell
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Entschuldigt die verspätete Antwort, aber die Abiturprüfungen machen es mir gerade schwer mir eine fundierte Meinung über das Thema anzueignen.
Im Grunde genommen kann ich den aufgeführten Meinungen zustimmen, jedoch bin ich der Meinung, dass kein Mensch an sich Autorität sein kann. Wie wir wissen ist der Mensch charakterisiert durch das unaufhörliche Streben und die Eigenschaft sich unnachgiebig verbessern zu wollen. Allerdings besitzt jeder Mensch Unzulänglichkeiten, weswegen auch eine Autorität Eigenschaften oder Verhaltensweisen aufweist, die für mich persönlich nicht erstrebenswert sind. Somit können maximal bestimmte Ansichten oder Werte für mich zur Autorität werden und nicht gleich der 'ganze Chef'.

Gruß
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