Unterwerfungstheorie

Allgemeine politikwissenschaftliche Diskussionen

Moderator: Barbarossa

Aneri

Unterwerfungstheorie. Aus WIKI (http://de.wikipedia.org/wiki/Unterwerfungstheorie):
Es gilt als gut belegt, dass die Auflösung jeder akephalen, herrschaftsfreien Gesellschaftsstruktur mit und durch Gewalt erfolgte.
Die Unterwerfungstheorie geht davon aus, dass der Staat in einem Prozess der Unterwerfung friedlicher Bauernvölker durch kriegerische Hirtenvölker entstanden ist: Einer anfänglichen Phase ungeordneter Plünderungen folge eine Institutionalisierung der Abgaben der Unterworfenen, aus der sich in weiteren Phasen die Staatlichkeit entwickelt habe. Dies ist laut Uwe Wesel eine der ethnologisch am besten gesicherten Erkenntnisse.
Wie sieht ihr es?

Meine Kritik liegt daran, dass es ethnologisch gesicherte Erkenntnisse sind. Es werden Völker in der vorstaatlichen Stadium untersucht. Mein Vorwurf wäre in dem, was mir hier von manchen (m. E. unbegründet) vorgeworfen wird. Nämlich – in der Vorstellung der linearen Evolution. Als ob jede Gemeinschaft sich bei der genügend viel Zeit zur den staatlichen Struktur entwickeln müsste. Es ist aber nicht so. Nur ein kleiner Teil der neolithischen Bevölkerung gründete Staaten. Die Analyse der vorstaatlichen Kulturen ist zwar hilfreich uns die damalige Verhältnisse kennenlernen, dennoch wage ich zu behaupten, dass es gerade die notwendige Merkmale sein könnten, die untersuchte Ethnien NICHT HATTEN.

Auf der Stelle möchte ich etwas ansprechen, was auch Beppe in den Beitrag http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... 935#p16935schrieb. Es geht um die Rolle der Religion. Die monumentalen religiösen Bauten sind viel früher entstanden als die ersten Städte. Es spiegelt auch die Rolle der Religion in der Gesellschaft. Auch ihre vereinigende Kraft, die verschiedene Stämme unter einem Hut umfasst. Die Bauernvölker als eine Schafherde anzusehen, ist meines Erachtens völlig falsch.

Keiner bestreitet die Spannungen, die zwischen der sesshaften Völkern und der Nomaden entstehen, wenn die Bauern ein Teil der Boden in Besitz nehmen und es auch verteidigen wollen. Die Nomaden haben zwar durch ihre Bewegungsfreiheit einen Vorteil, dennoch darf man die Sesshaftigkeit nicht unterschätzen. Die Nomaden müssen um die Informationen austauschen vorherige Absprache zu treffen. Z.B. wann und wo muss der Bote ankommen. In sesshafter Gesellschaft ist es anders. Ihre vermeintliche Schwäche wird zu ihrer Stärke. Man weiß, dass an bestimmten Ort man den Adressat immer findet.

Wenn ich die damalige Gesellschaft als Wechselwirkungsnetz betrachte, in dessen Kanälen die Information fließt, dann seßhafte Wechselwirkungsnetz einen geregelten Informationsaustausch zwischen der Gemeinschaften ermöglicht. Die Information bedeutet die Erfahrung, das Wissen, die in vermehrte Weise (in Vergleich mit den Nomaden) auf einander trifft, wird beurteilt, mit vorhandenem Wissen fusioniert um ein qualitativ neues Erkenntnis zu erzeugen. Auch eine Entwicklung (der Sternkörperbewegung, die Natur) in der Zeit zu beobachten und die Zusammenhänge zu entdecken, wird von der seßhaften Lebensweise mehr unterstützt.

Dennoch das wesentliche Merkmal war die Religionsart. Hat die Religion in sich konsolidierende Kraft, dann könnten die religiösen Institutionen entstehen. Die Priester erlangen eine Macht, die auch von Stammesführern berücksichtigt werden müsste. Ich sehe die Religion als wesentliches Merkmal in der Gründung der ersten Hochkulturen. Sie war es, die zur Konsolidierung führte. Und gerade dieser Aspekt fehlt m. E. von den Unterwerfungstheorie als Paradebeispiele dargestellten ethnischen Untersuchungen.

Irgendwie führt die Gotverneinung auch zur der Verneinung der Bedeutung der Religion in zivilisatorischen Entwicklung. Ein Beispiel, wenn die Weltanschauung einem blinden Fleck entstehen lässt.

Man kann sicher jetzt fragen: warum die untersuchte Völker, die unter der räuberischen Nomaden Stämmen leiden, hatten nicht die konsolidierende Religion erfunden. Nach meiner Auffassung, der Gleichgewicht war in dem FAll schon gebrochen. Eine Sache ist eine anfängliche Situation, wenn die Bauern und Nomaden in einer allmählich wachsende Gegenwehr sich in rückkoppelnde Wirkung entwickelten. Andere Sache ist, wenn die schon kulturell fortgeschrittenen Nomaden ziehen sich weiter und machen ihren räuberischen Werk auf „jungfreulichen“ Bauern. Diese schon von Anfang an unverhältnis große Druck der Nomaden gerade bremste die Entwicklung der Bauern. Die Hochkulturen, deren "Nebenprodukt" waren diese kriegerische Nomaden, wurden zum harten Nuß. Man zog sich weiter. Denn allmählich bekräftigte sich und könnte den Hochkulturen angreifen. Dennoch sehen sie als Gründer der Hochkulturen ist m. E. falsch. Höchsten als Mitgründer, die die Gründung der Hochkulturen beschleunigten.
Renegat
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Aneri, vorerst nur ein kurzer Einwurf, ohne deine gesamten Ausführungen zu übersehen.
Im frühen Neolithikum gab es den Konflikt zwischen den Hirtennomaden und seßhaften Bauern so noch nicht. Die Hirtennomaden haben sich aus der frühen Landwirtschaft heraus spezialisiert. Es gab immer Austausch zwischen beiden Gruppen.
Deine Skepsis bzgl. der ethnisch gesicherten Erkenntnisse teile ich, sie entspricht mE einem bestimmten Zeitgeist/Zeitfenster, in dem die Gefahr aus den östlichen Steppen kam.
ehemaliger Autor K.

Ich habe das Buch von Oppenheimer, dem Erfinder der Unterwerfungstheorie, einmal gelesen, es ist ja auch bereits zu Beginn des 20.Jahrhunderts geschrieben worden und löste eine langwierige Diskussion aus, die bis heute nicht beendet ist, nämlich: Entstehung von Klassen und Staaten, endogen oder exogen? Der Haupteinwand gegen Oppenheimer lautet: Nomaden, wandernde Völker oder wie auch immer, schaffen in der Regel keine Staaten, sondern erobern Gesellschaften, die bereits staatliche Strukturen aufwiesen. Natürlich gibt es diverse Eroberungen, aber vorgelagert sei normalerweise ein Stadium endogener Klassen-und Staatsentwicklung.
Die Argumentation der Anhänger der endogenen Entwicklung lautet normalerweise wie folgt:
Ein Staat hat folgende drei Aufgaben. 1.) Schutz nach innen (Rechtspflege) 2.) Schutz nach außen 3.) Übernahme allgemeiner Aufgaben (Infrastruktur, etwa Bewässerunsgbauten, Wege-und Schutzbau, Organisation des religiösen Kultes etc.)
Vorbedingung für einen Staat ist eine hinreichende Produktivität der Landwirtschaft, eine halbwegs entwickelte Arbeitsteilung und eine gewisse Größe der Bevölkerung. Die oben genannten Aufgaben können dann nicht mehr nur von einer kleinen Dorfgemeinde wahrgenommen werden. Es entsteht dann eine exklusive Schicht, die diese drei Funktionen permanent wahrnimmt, eben eine primitive, erste Form der Staatsbildung. Entstanden sind solche Strukturen meistens am Ufer großer Ströme. Die potentielle Fruchtbarkeit solcher Regionen erschließt sich nur durch das Zusammenwirken vieler Menschen in einer Kooperation, der Bau von Deichen, Bewässerungsanlagen ist anders nicht möglich. Es ist sicher kein Zufall, dass gerade in solchen Gebieten die ersten Staaten entstehen.
Es gibt sicherlich auch noch andere Entstehungsmöglichkeiten. Aber entscheidend ist der Gedanke, dass die Bildung von Klassen und Staaten primär endogen erfolgt. Ich persönlich neige eher zu der endogen Theorie.
Aneri

Renegat hat geschrieben:Im frühen Neolithikum gab es den Konflikt zwischen den Hirtennomaden und seßhaften Bauern so noch nicht.
Wenn ich mir die Entwicklung logisch vorstellen versuche, dann gab es am Anfang noch nicht den Konfliktsituation. Zu dem Stadium müsste die Situation noch hineinreifen. Mit der Ausbreitung der Landwirtschaft aber müsste die Spannungen entstehen und sich verstärken, weil Interessen durch die Nutzung der Boden sich überschneideten. Gerade diese Spannungen müssten den vorigen überwiegend friedlichen Zusammenleben stören. Beim nomadischen lebensweise könnte man beim Bedrängung einfach ausweichen, brauchte man nicht konfrontieren. Vorausgesetzt der Raum war noch nicht durch andere Sippen revierähnlich besetzt.

Wenn man aber einen Störer ausgemacht war, könnte man Allianzen bilden, die vorher auch nicht nötig war. Die Konfrontationskurs ist vorgezeichnet. Der Konflikt, der in kriegerischen Auseinandersetzung endet, ist nur Frage der Zeit.
Aneri

Karlheinz hat geschrieben:Ich habe das Buch von Oppenheimer, dem Erfinder der Unterwerfungstheorie, einmal gelesen, es ist ja auch bereits zu Beginn des 20.Jahrhunderts geschrieben worden ...
In Wiki steht diese Theorie als allgemein anerkannt: http://de.wikipedia.org/wiki/Staatsentstehung
Während der erste Schritt der Staatsentstehung als gut belegt gilt, ist der weitere Prozess der Entwicklung staatlicher Herrschaft stark umstritten.
Also betrachtet jemand es als gut belegt. Und bis jetzt noch nicht widersprochen ist.
Aber entscheidend ist der Gedanke, dass die Bildung von Klassen und Staaten primär endogen erfolgt. Ich persönlich neige eher zu der endogen Theorie.
Ich denke, dass es Zusammenspiel der Beiden sind. Man kann innere Eigenschaften besitzen. Wenn es von der Umwelt nicht unterstützt wird, gar gemildert wird, dann können sie sich nicht in der notwendigen Maße entfalten.
DAs Problem ist, dass man verhält sich so, als man wählen müsste. Die beide Sichtweise haben ihre Berechtigung. Sie müssen nur zusammen betrachtet werden.
ehemaliger Autor K.

Man muss nicht alles glauben, was in Wikipedia steht. Glaube mir, die Theorie ist strittig. Ich bin Dozent für Sozialwissenschaften an der Hamburger Universität. Wir haben uns oft mit dieser Theorie beschäftigt. Wenn du möchtest, kann ich dir eine lange Liste von Veröffentlichungen geben, in denen sich mit Oppenheimer auseinander gesetzt wird. Ich habe dir ja auch die Gegenargumente genannt.
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dieter
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Das könnte für die Indogermanen zutreffen. Die Streitaxthirten aus Osteuropa und Westasien unterwarfen die Bauernvölker in West- und Nordeuropa und durch die Verschmelzungen enstanden die Germanen, Kelten, Italiker, Griechen und Slawen. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Aneri

Karlheinz hat geschrieben:Man muss nicht alles glauben, was in Wikipedia steht.
Ich glaube dir. Sehr nützlich finde ich Diskussionen in Hintergrund des Hauptartikels. Der Artikel ist relativ neu und keine begleitende Diskussion.

Es ist schon richtig, wenn man tiefer in den Stoff vertiefen will, muss man auf Literatur zurückgreifen. Dennoch erste kennenlernen durch WIKI ist sehr hilfreich. gerade wenn man nicht von Fach ist und für bestimmte Themen sich interessiert. Es gibt spezialisierte Homepage, dennoch bevorzuge ich WIKI, weil es gemeinschaftliches Projekt ist, wo ein auf anderen aufpasst.

Na gut. Nicht immer. Aber immer öfter :wink:

Für lange Liste danke. Aber vorerst - nein. will mir erst schon vorher von dir vorgeschlagenen Stoff verdauen.
Renegat
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Aneri hat geschrieben:Wenn ich mir die Entwicklung logisch vorstellen versuche, dann gab es am Anfang noch nicht den Konfliktsituation. Zu dem Stadium müsste die Situation noch hineinreifen. Mit der Ausbreitung der Landwirtschaft aber müsste die Spannungen entstehen und sich verstärken, weil Interessen durch die Nutzung der Boden sich überschneideten. Gerade diese Spannungen müssten den vorigen überwiegend friedlichen Zusammenleben stören. Beim nomadischen lebensweise könnte man beim Bedrängung einfach ausweichen, brauchte man nicht konfrontieren. Vorausgesetzt der Raum war noch nicht durch andere Sippen revierähnlich besetzt.
Da die Hirtennomaden als Spezialisierung aus der Landwirtschaft hervorgingen, bestand oft eine Abhängigkeit von den Gütern des jeweils anderen. Die Hirtennomaden bewohnten die Gebiete, die nicht so gut für LW geeignet waren. Außerdem erfolgen ihre Wanderungen nach jahreszeitlichen Bedingungen. So einfach ist das Ausweichen dann doch nicht.
Darüberhinaus gibt es auch unter seßhaften Bauern Konflikte um das Land. Ackerflächen sind nicht alle gleich fruchtbar, haben unterschiedlichen Zugang zu Wasser usw. Konfliktfrei und friedlich wird das Leben im Neolithikum auch nicht immer gewesen sein. Deshalb denke ich auch, dass es in den Dorfgemeinschaften eine Form von Herrschaft, vielleicht eines Häuptlings, big man gegeben hat. Ob die schon erblich war oder ob jeweils ein geeigneter Schlichter als primus inter pares gewählt/bestimmt wurde, könnte von Fall zu Fall verschieden gewesen sein.
Aneri hat geschrieben:Wenn man aber einen Störer ausgemacht war, könnte man Allianzen bilden, die vorher auch nicht nötig war. Die Konfrontationskurs ist vorgezeichnet. Der Konflikt, der in kriegerischen Auseinandersetzung endet, ist nur Frage der Zeit.
Ja, schon wegen der steigenden Besiedlungsdichte.
Aneri

Renegat hat geschrieben:Da die Hirtennomaden als Spezialisierung aus der Landwirtschaft hervorgingen...
Meinst du? Ich denke, die Domestizierung der Tiere war erster Schritt in Richtung der Landwirtschaft. Die seßhafte Lebensweise entwickelte später.
Die Hauptsache ist aber die Differenzierung in nomadische und seßhafte Lebensweise. Sicher das Wachstum einer Population bringt bei jeder Lebensweise zum Wachstum der Rate der Wechselwirkungen (analog dem steigendem Druck in dem Gas :P ), dennoch die seßhafte Lebensweise bringt mehr Störungen in sonst relativ homogenen Feld der Wechselwirkungen.
Renegat
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Aneri hat geschrieben:
Renegat hat geschrieben:Da die Hirtennomaden als Spezialisierung aus der Landwirtschaft hervorgingen...
Meinst du? Ich denke, die Domestizierung der Tiere war erster Schritt in Richtung der Landwirtschaft. Die seßhafte Lebensweise entwickelte später.
Nein, das neolithische Paket bestand aus Nutzpflanzenanbau und Domestizierung von Ziegen, Schafen, Rindern, jedenfalls in Eurasien und Afrika. Fast parallel, Pflanzen evtl. etwas früher. In Amerika war der Garten-/Ackerbau dominierender, deshalb gab es dort mangels geeigneter Tiere kein Hirtennomadentum.
Die Übergänge waren jeweils fließend. Ackerbau und Viehzucht führte zu Seßhaftigkeit, oft gut an Keramik zu erkennen. Tontöpfe sind für Jäger und Sammler nicht so gut geeignet, obwohl es auch dafür beispielhafte Ausnahmen gibt.
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Peppone
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Nun sind aber die ältesten Städte (bzw. eher "Großsiedlungen", wie z.B. Göbekli Tepe, zum Teil auch Catal Hüyük) von Jägern und Sammlern (!) erbaut. D.h. doch, dass es im damaligen Anatolien (und auch in Syrien) einen Druck gegeben haben muss, der die Jäger dazu brachte, zumindest ihre religiösen Rituale an einem zentralen Ort zu "erledigen" und dort auch zu wohnen. Gleichzeitig musste es ein Jagdangebot gegeben haben, die diese großen Jägersiedlungen ernähren konnten.
Die "Wüstendrachen" genannten Bauwerke in Syrien, die dazu dienten, ganze Gazellenherden auf einmal zu fangen, sind ein Hinweis darauf, dass dies auch tatsächlich so war. Nur waren die Gazellenherden irgendwann überjagd und verschwanden. Als Folge davon mussten sich die Menschen auf die Landwirtschaft spezialisieren, die zuvor als "Nebenerwerb" schon bekannt war.

Die historischen Erkenntnisse legen auch noch etwas anderes nahe:
Es waren nicht die Jäger, die die Bauern beherrschten. Eher war es andersrum. Denn die Jäger hatten nicht genügend Kapazitäten, die man braucht, um eine feindliches Volk das ganze Jahr über zu beherrschen. Die Bauern hatten diese Kapazitäten. Denn die Nahrungsbeschaffung verbraucht bei den Jägern viel mehr Zeit als bei den Bauern, die eine Zeit haben, in der sie von Vorräten leben können und die diese Vorräte auch als Proviant auf Kriegszügen mitnehmen können.
Auch braucht man für eine effektive Landwirtschaft ein Kollektiv, das wiederum einer gewissen, wenn auch primitiven Verwaltung bedarf - Ursprünge des Staates. Bewässerung, Erntezeiten, Aufgabenteilung - das alles sind Verwaltungsaufgaben, die man in einem Jägerkollektiv nur in Ausnahmefällen braucht (etwa wenn man plötzlich ganze Herden fangen muss, weil sonst der Jagderfolg nicht mehr ausreichend ist für die Ernährung größerer Bevölkerungen).

Im Normalfall verdrängen die Bauern die Jäger und Sammler in für die Landwirtschaft nicht geeignete "Restgebiete" bzw. Rückzugsgebiete (genau dort finden sich heute noch Jäger und Sammler).
Die Jäer mögen sich wehren, mögen auch für kurzfristige Erfolge genügend militärische Durchschlagskraft haben (schließlich ist Jagd nichts anderes als Kampf, wenn auch nicht gegen Menschen), aber Staatengründungen und Eroberungen, das sind Sache von Bauern. Auch Nomaden als Zwischenform von Jägern und Bauern errichten normalerweise keine Staaten. Tun sie es doch, wie in Nordchina und der Mongolei, oder in Arabien oder in den Steppen Südrusslands und Ungarns, dann wandeln sich diese Nomaden recht schnell in Bauernvölker (vgl. die Skythen) oder sie nutzen die Fähigkeiten der ansässigen - unterworfenen - Bauern und behalten ihren alten Lebensstil zwar bei, "schmarotzen" aber quasi bei den Bauern, was wiederum bedeutet: Ein reiner Nomadenstaat ist kaum denkbar, schon gar nicht auf lange Sicht. Dazu sind Nomaden nämlich viel zu sehr auf ihre Herden angewiesen, die dauernde Wanderschaft der Hirten bedingen, was wiederum einem stabilen Staatswesen nicht zuträglich ist. Auf Wanderschaft sind die Herden mit ihren Hirten auch recht angreifbar..

Ich halte die Unterwerfungstheorie für nicht haltbar, schon gar nicht in der im Wiki-Artikel dargestellten Absolutheit.

Beppe
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Barbarossa
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Peppone hat geschrieben:...Ich halte die Unterwerfungstheorie für nicht haltbar, schon gar nicht in der im Wiki-Artikel dargestellten Absolutheit.

Beppe
Ja gut, Bauern sind natürlich "bodenständiger", wie der Begriff schon zeigt.
Insgesamt sind deine Argumente schon schlüssig, aber was, wenn (wie du ja auch geschrieben hast) sich die Jäger dauerhaft über die Bauern erheben - sie abgabenpflichtig machen und fortan eine Art gesellschaftliche Oberschicht (Stammesadel) bilden? Ein solches Szenario wird ja für die Indoeuropäer vielfach vermutet. Gerade auch für die Germanen wird das häufig so vermutet, wobei man auch die mythologische Verschmelzung der Wanen und Asen heranzieht.
Die Diskussion ist eröffnet!

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Peppone
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Barbarossa hat geschrieben: aber was, wenn (wie du ja auch geschrieben hast) sich die Jäger dauerhaft über die Bauern erheben - sie abgabenpflichtig machen und fortan eine Art gesellschaftliche Oberschicht (Stammesadel) bilden? Ein solches Szenario wird ja für die Indoeuropäer vielfach vermutet.
Gerade bei den Indoeuropäern zieht das Argument nicht. Das waren ja keine Jägervölker, sondern die hatten auch schon ihre Landwirtschaft! Nur waren ihre Waffen halt überlegen - die Streitaxtleute (die meistens mit den Indoeuropäern identifizert werden) tauchen relativ rasch in den archäologischen Fundsortimenten auf. Allerdings haben sich die Indoeuropäer nicht nur militärisch ausgebreitet, öfter muss das Ganze friedlich abgelaufen sein.

Beppe
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Peppone hat geschrieben:
Barbarossa hat geschrieben: aber was, wenn (wie du ja auch geschrieben hast) sich die Jäger dauerhaft über die Bauern erheben - sie abgabenpflichtig machen und fortan eine Art gesellschaftliche Oberschicht (Stammesadel) bilden? Ein solches Szenario wird ja für die Indoeuropäer vielfach vermutet.
Gerade bei den Indoeuropäern zieht das Argument nicht. Das waren ja keine Jägervölker, sondern die hatten auch schon ihre Landwirtschaft! Nur waren ihre Waffen halt überlegen - die Streitaxtleute (die meistens mit den Indoeuropäern identifizert werden) tauchen relativ rasch in den archäologischen Fundsortimenten auf. Allerdings haben sich die Indoeuropäer nicht nur militärisch ausgebreitet, öfter muss das Ganze friedlich abgelaufen sein.

Beppe
Lieber Beppe,
sie waren auch Hirten. Pörtner beschreibt in seinem Buch, "Bevor die Römer kamen", dass man zuerst Gräber fanden, wo langschädelige Streitaxthirten und breitflächige Megalthbauern gesondert bestattet wurden und später gemeinsame Gräber der beiden Bevölkerungsgruppen. Es kann also durchaus ein friedliches Zusammenleben in der Folgezeit gegeben haben. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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