Die Globalisierung im Kontext der menschlichen Evolution

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Moderator: Barbarossa

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Peppone
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Aneri hat geschrieben:[Dabei übersiehst du die Tatsache, dass die Kultur auf die genetische Ausstattung zurückkoppelte, diente s.z. als selbsterzeugte selektive Umwelt.
Es geht noch weiter:
Globale Ereignisse beeinflussten die Evolution einzelner Arten natürlich auch.
Als Beispiel kann man wieder den Homo sapiens nehmen:
Vermutlich durch den Ausbruch des Toba auf Sumatra wurde eine globale Katastrophe ausgelöst, durch die der Mensch vor etwa 70.000 Jahren in einen genetischen Flaschenhals geriet. Daher auch die heute relativ gleichförmige menschliche DNA.

Man kann noch früher ansetzen - danke an Dr.Hans-Joachim Gregor für diese Auskunft. Als nämlich in der Karibik der Asteroid runterkrachte, der nach gängiger Lehrmeinung die Dinosaurier auslöschte (nicht aber Vögel, Schildkröten und Krokodiel und auch nicht Säugetiere), lebten in Europa/Afrika frühe Primaten auf Palmen. Nirgendwo in der Fossilstatistik lässt sich hier ein Einbruch feststellen: Weder die kälteempfindlichen Palmen Europas noch die auf sie angewiesenen Primaten erlebten offenbar eine wesentliche Einschränkung ihrer Fortpflanzungsfähigkeit.
Das würde bedeuten, dass die Asteroiden-Katastrophe, die angeblich weltweit alles Leben für einige Jahre oder sogar Jahrzehnte in einem "globalen Winter" versinken ließ (den auch die Palmen nicht überlebt hätten), "nur" auf dem amerikanischen Doppelkontinent wirklich eine Katastrophe war. Die anschließende Radiation der Vögel und Säuger müsste dann von Regionen ausgegangen sein, auf die die Katastrophe eben nicht solche Auswirkungen hatte wie auf Nordamerika (von wo die meisten Wissenschaftler stammen, die die These der globalen Auslöschung durch die KT-Katastrophe vertreten...)
Dann wäre das KT-Ereignis tatsächlich auch wieder ein globales Ereignis gewesen, aber anders, als weithin postuliert...

Beppe
Aneri

Hallo Beppe,
ich möchte doch beim Thema bleiben. Den Einfluss globaler Ereignisse auf die Evolution will, denke ich, keiner bestreiten. Es ist wissenschaftlich belegt, dass jeder dieser Massenaussterben hatte zur Folge eine Artenexplosion. Wenn man über solche Dinge nachdenkt, dann gewinnt man wirklich den Eindruck, dass ganze kosmische Welt unser Planet mit ihrer Biodiversität gestaltet hat. Auch Hominiden-Variabilität. Es ist ein interessantes Thema, aber entfernt uns vom Thema dieses Threads.
Ich vermute, dass hier sind meistens Geschichteinterressierte, die nach meiner Erfahrung oft Probleme mit Mathematik haben. Ich im Gegenteil liebte Mathematik, obwohl sie nicht zum meinem Beruf gewählt habe. Daher auch andere Herangehensweise. Um diskutieren zu können, müssen wir den Titel des Threads klären: „Die Globalisierung im Kontext der menschlichen Evolution“. Da nicht ich der Autor des Titel bin, wiederhole ich meine Fragen vom 15.07.2012:
Diese Globalisierung würde ich nicht in Kontext einer biologischen Evolution betrachten. Man muss es in Kontext der kulturellen Evolution betrachten. Dafür muss man aber wesentliche Dinge klären. Was versteht man unter der Evolution allgemein und unter der kulturellen Evolution konkret. Was ist ihre Einheiten?
Ich nehme an, dass unter menschliche Evolution im Titel die kulturelle Evolution gemeint ist. Der Begriff „kulturelle Evolution“ ist nicht analog der biologischen Evolution!!! Sie ist aber analog der genetischen Evolution. Die Einheiten der biologischen Evolution sind nicht die Gene. Es sind die Arten, deren eigene Spezifik in Genen ablesbar ist. Analog der biologischen Evolution ist zivilisatorische Evolution und deren Einheit ist eine Gemeinschaft, in der die Kultur und der Mensch zu einer Ganzheit verschmolzen sind.
Nach meiner Auffassung, werden wir nicht dem evolutiven Ursprung der Globalisierung nachgehen können, bis wir uns selbst in Mittelpunkt der evolutiven Geschehens stellen. Man muss die Perspektive der Betrachtung ändern, sich als interner Teil einer evolutiven zivilisatorischen Einheit betrachten.
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Peppone
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Aneri hat geschrieben:Ich nehme an, dass unter menschliche Evolution im Titel die kulturelle Evolution gemeint ist. Der Begriff „kulturelle Evolution“ ist nicht analog der biologischen Evolution!!! Sie ist aber analog der genetischen Evolution. Die Einheiten der biologischen Evolution sind nicht die Gene. Es sind die Arten, deren eigene Spezifik in Genen ablesbar ist. Analog der biologischen Evolution ist zivilisatorische Evolution und deren Einheit ist eine Gemeinschaft, in der die Kultur und der Mensch zu einer Ganzheit verschmolzen sind.
Dann will ich mal meine Meinung dazu aufdröseln:
Biologische Evolution betrifft den Menschen als Art, also als Hominid, der den evolutiven Grundregeln genauso unterliegt wie alle anderen Arten auch. Diese Grundregeln sind gegeben durch den Lebensraum bzw. seine Veränderung (u.a. durch geologische Ereignisse wie die Plattentekotnik oder durch klimatische Ereignisse wie z.B. Eiszeiten) und durch die Arten, mit denen er seinen Lebensraum teilt (Predatoren, Beutetiere, Nahrungspflanzen, Ökologie...). Die biologische Evolution verändert die genetische Ausstattung einer Art, ist also auch als genetische Evolution bezeichenbar.

In jedem evolutiven Stadium seit der Trennung von den gemeinsamen Vorfahren der Menschenaffen (= vor ca. 7 Millionen Jahren) durchlief der Mensch auch eine kulturelle Evolution. Er entwickelte Werlzeuge, zuerst wohl aus vergänglichem Material, dann aus Stein und erschloss sich so neue Nahrungsquellen, was wiederum seine biologische Evolution mit beeinflusste.

Ab einer gewissen kulturellen Stufe, die ich spätestens in der Mittelsteinzeit ansetzen würde, kann man auch von Zivilisation sprechen. Das ist dann quasi eine höhere Form von Kultur, mit Arbeitsteilung, Siedlungsbau (und wenn´s nur Hütten sind), Hierarchie, Religion und relativ (= für die damalige Zeit) hochstehender Technik. Die kulturelle Evolution mündet also in einer zivilsatorischen Evolution, wobei ich hier nicht mehr von Evolution sprechen würde, sondern von Entwicklung, denn Evolution ist für mich ein Begriff aus der Biologie und nicht aus den Kulturwissenschaften.

Bei den folgenden Aussagen von dir hab ich ein bisschen Verständnisprobleme:
Aneri hat geschrieben:Nach meiner Auffassung, werden wir nicht dem evolutiven Ursprung der Globalisierung nachgehen können, bis wir uns selbst in Mittelpunkt der evolutiven Geschehens stellen.
Nach zweimaligem Lesen klingt´s dann doch logisch.
Aber das hier ist missverständlich:
Aneri hat geschrieben:Man muss die Perspektive der Betrachtung ändern, sich als interner Teil einer evolutiven zivilisatorischen Einheit betrachten.
Ist der von mir fett wieder gegeben Teil deiner Aussage so gemeint, dass es das ist, was wir ändern müssen, oder ist es das, WOHIN wir uns ändern müssen?

Beppe
Aneri

Aneri hat geschrieben:Man muss die Perspektive der Betrachtung ändern, sich als interner Teil einer evolutiven zivilisatorischen Einheit betrachten.
Ist der von mir fett wieder gegeben Teil deiner Aussage so gemeint, dass es das ist, was wir ändern müssen, oder ist es das, WOHIN wir uns ändern müssen?
Weder noch... Wir sind interner Teil einer evolutiven zivilisatorischen Einheit, ohne es bewusst zu tun. Da diese Einheit mit unseren Sinnen nicht wahrnehmbar ist, ist für uns quasi diffus, müssen wir es mit uns evolutiv vorgegebenen Werkzeug - dem Denken - nachvollziehen können. Diese evolutive Einheit ist eine Gemeinschaft, wobei die Bedeutung dieses Begriffes weicht z.B. von WIKI ab, da hier die emotionale Bindung sekundär ist. Es genug etwas gemein zu haben. Z.B. die Interessen, die Beschäftigung etc. Somit ist ein Unternehmen auch eine Gemeinschaft in o. g. Sinne. Elementarste und ursprünglichste Form der Gemeinschaft ist eine Familie.
Ich meinte mit meiner Aussage, dass wir Perspektive der Betrachtung ändern müssen. Es bedeutet, wir müssen gedanklich aus der Perspektive betrachten, aus der die zivilisatorische evolutive Einheit "sichtbar" wäre. Mit unseren mentalen Fähigkeiten sind wir dazu in der Lage.
Bei den folgenden Aussagen von dir hab ich ein bisschen Verständnisprobleme:
Aneri hat geschrieben:Nach meiner Auffassung, werden wir nicht dem evolutiven Ursprung der Globalisierung nachgehen können, bis wir uns selbst in Mittelpunkt der evolutiven Geschehens stellen.
Nach zweimaligem Lesen klingt´s dann doch logisch.
Es ist das Gleiche, was ich in dem letzten Satz geschrieben habe. Zurzeit sind wir zu egozentrisch. Der Mensch steht in Mittelpunkt: der Mensch ändert das Geschehen, er ist die treibende Kraft. Obwohl wird immer lauter die Gegenforderung: das Tun des Menschen ist nur eine kausale Konsequenz, auf die er keinen Einfluss hat. Vielleicht klingt es widersprüchlich, aber beide haben recht. Nur muss der Mensch als interne Teil der zivilisatorischen Einheit betrachtet werden, in der der Mensch und seine Kultur zur einer Ganzheit verschmolzen sind. Der Mensch nach Geburt ist ein leeres Gefäß, dem zwar die Genetik eine gewisse Stabilität gewährt, jedoch die Form des Gefäßes wird erst von der Umwelt gestaltet. Wenn die Gene die Umweltgestaltung in gewisse Richtung (eingeborene Temperament etc.) lenken, gibt es noch genügend Freiheit, so dass auf gleiche genetische Grundlage ein Testpilot werden kann oder ein Krimineller. Mit seinem Tun verändert der Mensch die Umwelt, die dann auf die nächste Generation anders auswirkt. In einer Wechselwirkung Umwelt (Kultur) - Mensch werden anderen Ideen, andere Werte, andere Ansichten gewonnen und dadurch wieder die Umwelt verändert u. s. w.
In jedem evolutiven Stadium seit der Trennung von den gemeinsamen Vorfahren der Menschenaffen (= vor ca. 7 Millionen Jahren) durchlief der Mensch auch eine kulturelle Evolution. Er entwickelte Werlzeuge, zuerst wohl aus vergänglichem Material, dann aus Stein und erschloss sich so neue Nahrungsquellen, was wiederum seine biologische Evolution mit beeinflusste.
Es ist eben das, was ich meine. Die kulturelle Evolution war im Gange schon vor der zivilisatorischen Evolution. Es beschränkt sich nicht nur auf Hominiden. Daher kulturelle Evolution ist nicht mit der zivilisatorischen Evolution gleichzusetzen, obwohl wir die zivilisatorische Evolution aus deren Kultur "ablesen" können.
Ähnlich fand die genetische Evolution statt, bevor die ersten Lebewesen die Welt "erblickten". In dem Sinne ist auch genetische Evolution ist nicht gleich die biologische, obwohl sie ein essentieller Teil der biologischen Evolution ist. Wie auch kulturelle ein essentieller Teil der zivilisatorischen Evolution ist.
Der Hauptgrund, warum ich denke, dass wir die kulturelle- zivilisatorische und genetische-biologische Evolutionen unterscheiden müssen, ist das Erkenntniss, dass mit der Betrachtung eines Poles des Ganzen (also Kultur und Gene) wird das Ganze aus den Augen verloren. Die jeweilige Evolution erfolgt in Spannungsfeld zwischen beiden Polen. Man liest die Kultur, bzw. Gene, die auf den anderen Pol des Ganzen eine kausale Wirkung ausüben und übersieht dabei die Tatsache, dass die Kultur/Gene werden von aktivenTeilnehmern des Ganzen (Menschen, Proteine) verändert, dass das Ganze nur im Ganzen funktioniert. Ich finde die Vorstellung einer frisch genähten Kravatte, deren eine Ende in innere des Schlauches geschoben wird, hilfreich. Es geben gleichzeitig zwei Richtungen: die innere Teil bewegt sich zu einem Ende (Pol), außere zum anderen, obwohl nur eine aktiv betätigt wird.
Peppone hat geschrieben:Die biologische Evolution verändert die genetische Ausstattung einer Art, ist also auch als genetische Evolution bezeichenbar.
Wie schon gesagt, genetische Evolution ein notwendige Teil der biologischen Evolution ist, ist aber nicht auf sie beschränkt. Die biologische Evolution hat auf die Erde stattgefunden. Die präbiotische nicht unbedingt. Es könnte der Material, die präbiotische Evolution zum Leben vollbrachte auch wo anders in kosmischen Weiten entstehen. Biologische Evolution beginnt mit dem Lebewesen, in dem chemischen Reaktionen ein auf andere auf die Weise abgestimmt, dass das Ganze - die Zelle - erhalten bleibt. Ähnlich beginnt die zivilisatorische Evolution mit der Entstehung einer Gemeinschaft, in der biologische Triebe nicht abgeschafft werden (wie die Naturgesetze sind nicht in einer Zelle abgeschafft). Sie werden aber kanalisiert, es werden Regeln geschafft, die in moralischen Werten münden, mit den Ritualen befestigt wurden. Insegesamt entsteht eine qualitativ neue Einheit auf die Evolutionsbühne - eine Gemeinschaft. Im Unterschied zum anderen tierischen Genossen, die sozialen Gruppen bilden, könnte die biologische Evolution innerhalb dieser evolutiven Einheit (realtiv) gezähmt werden. Die Menschen-Art als biologische Einheit evolviert nicht genetisch (auch hier eine Wandlung und Differenzierung erfolgt, aber innerhalb einer Art, ohne es in biologische Variationen abzuspalten). Sie evolviert kulturell und dadurch die genetische Veränderungen werden in Schach gehalten.
Es wichtig zu verstehen, dass hier eine neue evolutive Einheit - die Gemeinschaft - entsteht, ähnlich wie Anfang des Lebens begann mit einer Zelle. Daher ist die Gemeinschaft ein Teil des Lebens, die aber innerhalb Lebens eigene Evolutionsebene gegründet hat. Auch das Leben ist ein Teil der stofflichen Materie, die innerhalb deren eigene Evolution begann.
... wobei ich hier nicht mehr von Evolution sprechen würde, sondern von Entwicklung, denn Evolution ist für mich ein Begriff aus der Biologie und nicht aus den Kulturwissenschaften.
Es ist eine Absprachensache. In allgemein wird dieser Begriff für biologische Evolution benutzt. Aber durchaus für andere Evolutionsformen. Nur eine der letzten Autoren zu erwähnen: Gerhard Schurz "Evolution in Natur und Kultur - Die Einführung in verallgemeinerte Evolutionstheorie". Wobei ich betrachte dieses Buch eher kritisch, da hier m. E. aus einem Sammelsurium keine allgemeine Evolutionstheorie entstanden ist. Sehr erwähnenswert zu dem Thema ist ein Buch von Erich Jantsch "Selbstorganisation des Universums". Dennoch denke ich, dass die Selbstorganisation ist eher ein Mechanismus, nicht ein Phänomen.
Ich betrachte die Evolution als ein Phänomen der ständigen Entstehung des qualitativ Neuen. Die Entstehung eines Sterns war mal etwas qualitativ Neues in der Entwicklung Universums. Die Entstehung eines Individuums ist immer etwas qualitativ Neues - aber innerhalb einer Art. Hier bildet sich die Variationen, so wie jede Stern ist eine Variation der Kategorie Stern. Daher wichtig ist richtige Kategorisierung, Anordnung die analysierenden Einheiten. Wenn man es richtig anordnet, dann wird man überrascht, wie ähnlich sich die Evolution in verschiedenen Materieformen verläuft.

Gruß
Aneri
Aneri

Karlheinz:
Dein Beitrag ist nur schwer verständlich, wahrscheinlich, weil dir viele Dinge selber noch nicht klar sind.
Schwerverständlich aus zweierlei Gründen. Erstens ist Deutsch eine Fremdsprache für mich, zweitens - die Komplexität des Sachverhalts und die Notwendigkeit die vorhanden Begriffe in etwas anderen Zusammenhang anwenden als es man gewöhnt hat. Sicher nicht alle Dinge ganz klar sind. Würde ich hier nicht diskutieren. Dennoch würde ich wagen zu behaupten, dass es mir schon genug viel klar ist, damit ich in Erwägung ziehen könnte, dass meine Theorie hat eine Zukunft.
Aber zu deinem Ansatz lässt sich folgendes sagen: Es macht keinen Sinn, Abläufe in der Natur auf die menschliche Gesellschaft zu übertragen. Die Evolution stellarer Systeme etwa folgt völlig anderen Gesetzmäßigkeiten als die Evolution der Menschheit. Formale Ähnlichkeiten sagen nichts über das Wesen der Dinge aus.
Ich übertrage die Abläufe Natur nicht und ich versuche nicht über das Wesen der Dinge eine Aussage zu machen. Es geht um ein Muster. Man spricht über die Chaostheorie und Synergetik, Selbstorganisation. Ich möchte es mir, „einer Sterblichen“ ohne tiefere mathematische Kenntnisse, die chaotische Entwicklung verständlich zu machen. Man spricht über die Spiegelung, Symmetrie, Fraktalen, Fluktuation etc. Das alles mache ich zu einem abstrakten Bild – einem Muster, dem Selbstorganisation der Natur folgt, bzw. wird von ihr gebildet.
Der Untergang des Römischen Imperiums ist nicht durch physikalisch-chemische Prozesse zu erklären, weder mit der Quantentheorie, noch durch Gravitation oder elektromagnetische Abläufe in Atomen.
Gerade der Sinn meiner Arbeit ist das zu verdeutlichen. Mindestens ich verkehre mich mehr in den naturwissenschaftlich geprägten Kreisen, die alles durch Quantenmechanische Prozesse erklären wollen. Anschaulich würde ich so darstellen. Man guckt ein Text und um ihn zu verstehen, geht immer näher, um dann Buchstaben aufzulösen zu sehen. Sie denken hartnäckig, dass hier sie eine Antwort finden. Ich sage dagegen, wir müssen weiter gehen und ganzen Text in Auge behalten. Dann vielleicht (?!) verstehen wir auch den Sinn des Geschriebenen.
Es gibt deshalb auch keinen ernsthaften Wissenschaftler, der einen solchen Ansatz verfolgt.
Auch die biologischen Gesetze der Evolution gelten allenfalls nur für die Frühgeschichte des Menschen, danach spielen sie keine entscheidende Rolle mehr. Alle anderen Überlegungen führen schnell in finstere Rassentheorien mit Schädelmessung und Theorien von Untermenschen und dergleichen.
Auch in Biologie ist ähnliche Haltung wie mit der Physik. Man versucht den Mensch auf seine Biologie zu reduzieren. Leider. Man meint, wenn man die Biologie versteht, dann versteht man die Menschenwelt mit ihre Ideen, Leidenschaften etc.
Keinesfalls will ich die Biologie auf zivilisatorische Entwicklung übernehmen. Das Muster der biologischen Evolution wird nicht durch ihre Gesetze (Stoffwechsel, Fortpflanzung, Mutation) beschrieben. Sehr wohl aber über Expansion, Differenzierung, Sozialisierung/Verdichtung, Zentralisierung, Entstehung der neuen qualitativen Einheiten, Verhältnis Einheit-Umwelt und anderes, was das Muster bildet.
Nach dem Frühstadium der Entwicklung ist es die Kultur, die den weiteren Fortgang der Zivilisation bestimmt. Es gibt keine genetische Programmierung für den Menschen, die besagt: Organisiere dich so und nicht anders. Dies unterscheidet uns von Bienen- oder Ameisen Staaten, bei denen die staatliche Struktur biologisch vorgegeben wird. Warum wir uns als Steinzeitgesellschaften, feudale Bauerngemeinschaften, faschistische oder kommunistische Diktaturen, oder als parlamentarische Demokratie organisieren, das können wir nicht durch Naturgesetze erklären, da hilft uns nur das Studium kultureller Entwicklungen.
Da bin ich ganz mit Ihnen.
Gesetze in der Kultur wirken aber nicht direkt unmittelbar und berechenbar wie Naturgesetze, sie wirken allenfalls als Tendenzen und sind deshalb auch nur schwer zu analysieren. Einige bestreiten daher, dass es sie gibt.
Ich würde es nicht Kulturgesetze nennen. Wir sprechen in der Biologie auch nicht über genetische Gesetze. Ich sehe eine Gemeinschaft wie eine Ganzheit. Z.B. ein Einzeller agiert als eine Ganzheit (oder auch ein Stern)aus Menschen und ihre Kultur, sowohl materielle als ideelle. Das essentielle Merkmal einer Ganzheit ist ihr Trieb zur Selbsterhaltung. Gerade die zivilisatorische Entwicklung zeigt uns, dass neben dem Kampf um Ressourcen (Natur, Menschen, Information) gibt es immer die Kooperation. Daher eine Evolution nur als eine Konkurrenz, ein Kampf darstellen ist einseitig. Es verzerrt das wirkliche Geschehen. Auch in der biologischen Evolution.
Das Gravitationsgesetz können wir überall durch Experimente nachweisen, kulturelle Gesetze können aber nicht experimentell bewiesen werden. Das macht die Untersuchung auch so schwierig.
Es gibt aber sehr viele Wissenschaftler, die sich mit der Entwicklung der Menschheit und ihrer kulturellen Evolution beschäftigt haben. Hegel, Marx, Weber, Toynbee, Wittfogel, um nur einige wenige zu nennen. Bevor du selber etwas konzipierst, solltest du erst einmal nachprüfen, was auf diesem Gebiet schon geleistet wurde und ob du überhaupt etwas Neues bringen kannst. In der Regel wiederholt man nämlich nur Dinge, die andere schon längst vorher gedacht und meistens auch viel besser beschrieben haben.
Soweit es mein Anliegen betrifft, habe ich mit den Ergebnissen Anderer beschäftigt, klar. Marx gehörte zum Grundstudium und ich denke, dass in irgendwelche Weise hat er auf mich auswirkt. Es ist aber schon eine Weile hier. Ich bin der Meinung, dass wirklich bleibenden Ideen haben ihrerzeit große Wellen ausgelöst und mindestens sekundär (z.B. durch viele Bücher, die ich gelesen habe)auf mich ausgewirkt. Einer der interessantesten für mich in Züge der Beschäftigung mit meiner Theorie war Luhmann. Es war meine Entdeckung.

Wie gesagt, es interessiert mich aber weniger selbst das Wesen/treibende Kraft der zivilisatorischen Entwicklung. Mich interessiert das Muster. Aus dieser Perspektive hat keiner noch das Geschehen betrachtet. Der Fachwissenschaftler guckt nicht außer seinem Tellerrand. Der, wer es wagt, ist trotzdem zu viel in seinem Fachwissen gefangen, um eine „unabhängige“ Perspektive anzunehmen. Beppe hat schon richtig bemerkt. Es geht hier um das philosophisches Anliegen. Es geht um unser Weltbild.

Gruß
Aneri

Hallo Beppe
Freu mich auf konstruktive Kritik.
Ne, keine Kritik. Wie ich sehe, es gibt einfach Verständigungsprobleme.
Hm. Auf den ersten Blick bestechend. Geht eine Hochkultur unter, bleibt ein kulturelles Erbe zurück, das die nachfolgenden Zivilisationen nutzen. Dieses Erbe wäre dann das Schwarze Loch deiner Analogie, das die Nachfolgesterne in seinem Bann hält.
Nicht ganz so. In deinem Beispiel kann man nicht über die „Haltung in der Bahn“ sprechen. Sehr wohl aber über eine Inspiration die eine Kultur auslöst. Teile von ihr können mit dem Vorhandenen fusionieren und erzeugen etwas ganz Neues. Z. B. Bibel hat vieles aus alten Überlieferungen übernommen und zum ihren Eigenem gemacht.
Schwarze Löcher bleiben auch bestehen, so wie wir heute noch kulturelles Erbe z.B. der Babylonier haben, obwohl aus den "Atomen" Babylons mittlerweile mehrere weitere Sterne entstanden sind, die ihrerseits wieder zu Schwarzen Löchern geworden sind.
In meiner Analogie würde ich nicht das kulturelle Erbe des Babylons mit dem SL assoziieren. Sehr wohl aber mit den schweren Elementen, die in dem Stern entstehen und schon während der Existenz des Sterns, aber hauptsächlich durch eine Supernova in den All geschleudert werden. Somit ist der Stoff (=kulturelle Erbe des Babylons), aus dem jeder spätere Stern (Staat) entsteht, immer reicher an die Variation der Elemente (die Komplexität der Kultur).

Der Hauptgedanke ist die Periode der Hochkulturen von späterer Periode, die in der Neuzeit mündet, zu unterscheiden. Das Wesentliche zur diesen Unterscheidung liefert m. E. die Ideenwelt, allen voran die Weltanschauung. Zu der Zeit war es Religion. Um meine Kriterien zu erfüllen, müsste die Nachfolge-, bzw. in Nachbarschaft entstandene Staaten die Religion des Babyloniens übernehmen. War das der Fall? Meines Wissens nicht. Daher sprechen wir zwar über einen Kulturraum, aber nicht im Sinne des Musters. Da hier sollte eine Religion ausschlaggebend sein.

Sicher hat jede Analogie ihre Grenzen. In makrokosmischer Welt der Hochkulturen-entsprechender-Evolutionsabschnitt beginnt mit dem ersten Stern der ersten Generation und der erster Niedergang des Sterns erster Generation bedeutet den Abschluss dieses Abschnitts. In der Zivilisation haben wir dagegen eine Sequenz der Hochkulturen. In dieser Hinsicht ähnelt er dem Leben, die durch Fortpflanzung und Mutation sequentiert seine Evolution.

Ich habe schon die fortwährende Änderung der Sterne mal beschrieben. Ein Stern verändert seine Umwelt. Die Umwelt hervorbringt die nächsten Sterne, die schon aufgrund der bereicherten Umwelt, werden sich von der Vorgängen unterscheiden. Das Gleiche haben wir in Leben. Die ersten Lebewesen haben die Umwelt mit giftigem Sauerstoff angereicht, auf dem im nächsten Evolutionsschritt müssten sie anpassen. Die selektive Umwelt des Lebens ist größtenteils von ihm selbst geschafft, da jede Mutation bedeutet für andere Lebewesen veränderte Umwelt. Auch in Zivilisation ist nicht anders. Jede Kultur „strahlt“ in Umfeld und verändert ihn. Dann muss die Kultur sich auf die veränderte Umstände anpassen. Ist sie nicht im Stande es tun, geht sie unter und lässt die Evolution von den Kulturen vorantreiben, die sie ihrerseits inspiriert hat.
Nur - ein Schwarzes Loch ist ein Schwarzes Loch. Seine Schwerkraft nimmt immer mehr zu und wird nicht schwächer. Genau da hakt aber deine Analogie: Die "Schwerkraftwirkung" z.B. Babylons wird mit dem zeitlichen Abstand immer schwächer oder sie wird überdeckt durch die Schwerkraft "näherer" Schwarzer Löcher wie z.B. des "römischen Schwarzen Lochs". Im Weltall ist ebenfalls der Abstand zu einem Schwarzen Loch entscheidend dafür, welchen Einfluss das Schwarze Loch auf einen Stern hat. Man kann nur nicht davon ausgehen, dass das jüngste Schwarze Loch aus das ist, das am nächsten zu einem jüngeren Stern liegt.
Ich hoffe, dass von oben beschriebenen ist klar, dass Babylon kann nicht als SL verstanden werden. Seine Religion hat noch nicht die Kraft, den Kulturraum zu bilden.

Die Zentralisierung und die Nähe zum Zentrum sind hier nicht wesentlich. Wesentlich ist die Senke, die das SL in Gravitationsfeld bildet und die entstehenden Sterne diese Senke nicht verlassen können. Die Religion bildet auch so ein „Feld“, der in allgemeinem kulturellem Feld der Zivilisation eine Senke entstehen lässt, in die geraten die neu entstehende Sterne oder durch das Wachstum der Senke (Expansion ist ein essentieller Merkmal der Evolution) in ihre Wirkungsraum eingezogen
Nächster Haken: Fast alle Geschichtsphilosophen gehen davon aus, dass die Geschichte eine Weiterentwicklung bedeutet. Jede Nachfolgekultur sollte schon allein dadurch, dass sie aufgrund der "Vorarbeiten" der Vorgängerkulturen einen gewissen Startvorteil hat, einen Entwicklungsschritt weiter gehen können als die Vorgängerkultur, eine gewisse "Überlebenszeit" der Kultur vorausgesetzt.
Genau das habe ich oben beschrieben. Man verändert die Umwelt, die die nächste Generation der Hochkulturen hervorbringt.

Ich würde nicht über Startvorteil und Entwicklungsschritt reden. Ich finde ein Anekdote sehr weise: ein reicher Tourist spricht an Bord seines Bootes schlafenden Fischer, warum gehst du nicht fischen, du könntest Geld verdienen, investieren, noch mehr bekommen. Wozu, fragt den Fischer. Dann kannst du sich zu Ruhe setzen, Sonnenbad nehmen. Ha, sagt, der Fischer, das mache ich jetzt schon.
Bei Sternen ist das aber anders. Abgesehen von der Urgeneration, die sehr kurz existierte (was bei den allerersten Hochkulturen auch nicht so ist - die ägyptische Kultur überlebte ähnlich wie die chinesische sehr lang, auch die sumerische Kultur existierte im Grunde bis zum Ende des Neubabylonischen Reichs; sie ging also nicht in einer Supernova zugrunde, sondern maximal in einer Nova), hängt die Lebensdauer eines Sterns von seiner Größe ab - je größer, desto kürzer; auch hier eine Analogie zu Hochkulturen bzw. eher zu den Reichen, die auf Basis von Kulturen entstehen.
Mit der Zeit hast du recht. Es zwar passt – auf andere Weise – in das Muster, dennoch möchte ich jetzt nicht noch das angehen. Schon das Einfachere bereitet Schwierigkeiten. Wie ich sehe, nimmst du die Analogie s. z. buchstäblich. Der Staat ist kein Stern. Die Staaten bewegen sich auch nicht in dem Raum. Die Analogie müsste das Gemeinsame in dem Schema der Entwicklung und Zusammenhängen zeigen. Mit dem Muster, das auf die Ähnlichkeiten in den Evolutionen/Entwicklungen zeigt, gibt es auch das Steigerungsmuster. Die Entwicklung wird fraktalisiert: in den Perioden bzw. Sequenzen unterteil, von der jeder die „Form“ des ganzen spiegelt, dennoch fügen sie sich zusammen auf die Weise, dass auch das Ganze (hier: Evolutionsabschnitt) die analysierende „Form“ behält. Es gibt die Steigerung der evolutiven Ebenen. Also eine gewisse Abstraktionsfähigkeit hier ist schon nötig. Sonst kann man sich leicht verlieren.
Die Zusammensetzung eines Sterns jedoch (= Qualität einer Kultur, gemessen an ihren innovativen Leistungen) ändert sich jedoch von Sterngeneration zu Sterngeneration nicht so doll. Es gibt die Elemente, die es gibt. Die sind in Sternen "ausgebrütet", aber es werden nicht mehr. Kulturen jedoch erfinden ständig Neues, fügen also dem "Periodensystem" ständig neue "Elemente" hinzu.
Das sehe ich bisschen anders. Ich würde die Kulturen-„Funktionalität“ nicht mit Periodensystem vergleichen. Sie sind „Reaktionsräume“ in denen ständig neue Stoffe erzeugt werden. Oder sagen wir so: die Hochkulturen hatten die „Periodensystem“ geschafft, spätere - hatten die Bildung der Stoffen übernommen.
Wenn du jetzt Philosophen zitierst, die von einem - charakterlichen - Niedergang des Menschen in seiner Entwicklungsgeschichte ausgehen (solche Gedanken waren Anfang des 19.Jhs. en vogue und führten zur Legende vom "edlen Wilden", der dem zivilisierten Menschen charakterlich überlegen sei), dann passt deine Analogie auch wieder nicht, denn, wie gesagt, "qualitativ" unterscheiden sich die Sterne gleicher Größe nicht unbedingt voneinander, auch wenn man verschiedene Sterngenerationen nimmt.
Diesen Absatz habe ich nicht verstanden. Ich habe nirgendwo über den Niedergang des Menschen gesprochen. Ich spreche in der zivilisatorischen Evolution gar nicht von Menschen. Es geht um das W-W-Netz der Menschen, in den die Kultur spielt eine wesentliche Rolle.
"qualitativ" unterscheiden sich die Sterne gleicher Größe nicht unbedingt voneinander, auch wenn man verschiedene Sterngenerationen nimmt.
O´key, auch die Staaten fallen alle unter einer Kategorie“ Staat“, egal ob Hochkulturen oder neuzeitliche Staaten.
Von einem Stillstand in der Entwicklung geht m.W. kein Philosoph aus...
Ich bin zwar kein Philosoph. Fühle mich eher der Naturwissenschaften verbunden, dennoch mein Muster hebt sehr viel Fragen und auch Antworten philosophischer Natur. Auch wegen der weiteren möglichen Entwicklung... Aber es wäre schon wieder das Ausweichen von Thema.
Ich hoffe, dass das durch meine Erläuterung wäre manche Verständigungsprobleme beseitigt. Dennoch vermute ich noch Einwände deinerseits. Freue mich, wenn du weiter die Zeit findest würdest mit mir zu diskutieren.

Gruß
Aneri
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dieter
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Aneri hat geschrieben:
Peppone hat geschrieben: Also MÜSSEN die Konkurrenten auch zusammenarbeiten, um existieren zu können.
Die Theorie der Machtkämpfe war im Einklang mit dem Überleben des Stärksten - der damaligen Interpretation der Evolution. Seit dem Biologen haben gefunden, dass nicht nur die Spannungen, Auseinandersetzungen lassen die Evolution fortschreiten. Die Symbiosen, die Partnerschaften sind nicht weniger wichtig.

Ich bin der Meinung, dass die Wirtschaft, die für die Kriege, Eroberungen, Ausbeutungen verantwortlich ist, wird in Zukunft immer mehr für die Ausgeglichenheit in dem zwischenstaatlichen Wechselwirkungsnetz sorgen. Man beschimpft oft die Globalisierung und übersieht, dass, wenn unsere Welt als eine Einheit funktionieren wird, die negativen Entwicklungen in einem Staat durch alle andere Staaten "schmerzhaft" empfunden werden und durch die globale Ganzheit werden die Maßnahmen ergriffen um diese Entwicklungen reversibel zu machen oder sie auf die Weise zu lenken, dass die Folge das globales Netz nicht gefährdet. Man wird global nicht nur durch die Wirtschaft. Die Medien, der Internet lassen auf Ereignisse auf andere Seite der Planet in Echtzeit zu reagieren.
Lieber Aneri,
hoffen wir, dass im Laufe der Globalisierung des Welthandels, die Gegensätze zwischen den Völkern und Kulturen abnehmen werden. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
ehemaliger Autor K.

Zu Aneri:
Ich wollte auf die Analogie mit den Sternen und den Schwarzen Löchern nicht weiter eingehen, weil sie uns meiner Ansicht nach nicht viel weiter bringt.
Noch einmal zum Ausgangspunkt: Es wäre toll, wenn wir eine „Große Theorie“ hätten, eine Theorie, die Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften vereinigt, die uns alles erklärt, das Universum, die Menschheit, eben alles. Davon sind wir aber weit entfernt.
Natürlich gibt es diese biologischen Grundbedürfnisse wie Essen, Trinken, Wohnen, Fortpflanzen usw. das ganze menschliche Handeln ist ja darauf bedacht, diese Bedürfnisse zu befriedigen. Wie sie allerdings befriedigt werden, ob durch eine Steinzeitgesellschaft, durch Sklavenarbeit wie in Rom, durch leibeigene Bauern wie im Mittelalter, durch Lohnarbeit wie heute, das ist abhängig von der jeweiligen Kultur. Um die Entwicklung von Kulturen zu verstehen, ist es meines Erachtens immer noch am besten, auf soziologische Schichten- und Klassentheorien, wie sie z.B. von Marx, Max Weber und anderen entwickelt wurden, zurückzugreifen.
Nämlich: dass die Gesellschaften fast alle in Schichten und Klassen aufgeteilt sind, das diese unterschiedliche Positionen im Gesellschaftsgefüge einnehmen und daher spezifische Interessen besitzen und unterschiedliche Handlungen vollziehen. Das mit- und oftmals Gegeneinander der sozialen Interaktionen der verschiedenen Schichten produziert dann Geschichte und die verschiedensten Entwicklungsstränge.
Vergleichen wir England und das Osmanische Reich: In England gab es ein Bürgertum, das sich frei entfalten konnte. Aufgrund seiner sozialen Position war das Bürgertum gezwungen, soziale Handlungen zu vollziehen, die darauf hinausliefen, ständig innovativ zu sein, Technik und Wissenschaft fortwährend weiter zu entwickeln. Das hatte Auswirkungen auf die damit verlinkten Systeme, schuf eine ungeheure Dynamik, die letztendlich zu der sogenannten Modernisierung führte.
Warum konnte sich im Osmanischen Reich kein Bürgertum entwickeln bzw. sich nicht richtig entfalten? Welche sozialen Schichten gab es stattdessen im Osmanischen Reich? Warum waren diese Gruppen aufgrund ihrer sozialen Position nicht in der Lage, Handlungen zu vollziehen, die eine Modernisierung im westlichen Sinne auslösten?
Erfahrungsgemäß liefern uns diese schichtenspezifischen Ansätze immer die besten und überzeugendsten Erklärungen. Ich kenne keine naturwissenschaftliche Theorie, die den Untergang des Osmanischen Reiches erklären könnte. Die Biologen glaubten damals, dies sei verursacht worden durch schlechte Rasseneigenschaften der Türken, durch ihre Vermischung mit primitiven Völkern, dadurch entstanden zu kleine Gehirne etc. Die Geographen dachten, das Klima hätte die Türken faul und träge gemacht. Ich erspare mir jetzt weitere „Erklärungen“ dieser Art. Man erkennt sofort, wie lächerlich diese Theorien sind. Naturwissenschaftliche Theorien zur Erklärung gesellschaftlicher Prozesse führten in der Vergangenheit fast immer zu absurden Ergebnissen.
Wenn es dir gelingt, eine adäquate Theorie zu entwickeln, dann meine Hochachtung.
Aneri

dieter hat geschrieben:Lieber Aneri,
hoffen wir, dass im Laufe der Globalisierung des Welthandels, die Gegensätze zwischen den Völkern und Kulturen abnehmen werden. :wink:
Guter Ansatz, meine Theorie (ansatzweise) zu erklären. Es gibt Nationalstaaten. Sie bilden ein zwischenstaatliches W-W-netz bilden. Nationalstaat sondert sich von der Umwelt ab. Man könnte sagen, die nationale Identität ist die Kraft, die nach Innen wirkt.
Die Wirtschaft ist ein außerstaatliches W-W-Netz, der ist nicht identisch mit dem zwischenstaatlichen W-W-Netz. Dieses Netz überspannt den zwischenstaatliches W-W-Netz und wirkt gegen der nach innen wirkenden Kraft des Nationalstaates.
weiterhin stellen wir fest, dass die Nation entsteht in der Zeit der Industrialisierung und der Wirtschaftsexpansion. Man könnte behaupten sie sind komplementär. Die Entstehung des eines bedingte die Entstehung des anderen.
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Lieber Aneri,
so wird sich alles weiter entwickeln, bis wir zu einer gemeinsamen irdischen Gesellschaft kommen. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
ehemaliger Autor K.

Aneri:
weiterhin stellen wir fest, dass die Nation entsteht in der Zeit der Industrialisierung und der Wirtschaftsexpansion. Man könnte behaupten sie sind komplementär. Die Entstehung des eines bedingte die Entstehung des anderen.
All diese Dinge sind schon sehr, sehr lange bekannt. Bereits die Wissenschaftler des 19.Jahrhunderts haben sich ausführlich über den Zusammenhang von Wirtschaftsentwicklung und der Bildung von Nationalstaaten beschäftigt. Auch über die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Staaten und deren Auswirkungen auf Politik und Gesellschaft füllen die Werke riesige Bibliotheken in aller Welt. Und die Hoffnung, dass durch Handel die Beziehungen friedlicher werden, das kann man schon bei Kant nachlesen in seiner Schrift über den „Ewigen Frieden“. Ich frag mich jetzt wirklich, wo ist das Neue, wo ist das Originelle an deiner Theorie? Ich kann nichts erkennen. Alles schon längst da.
Aneri

Karlheinz hat geschrieben: All diese Dinge sind schon sehr, sehr lange bekannt.
Ach Karlheinz, auf Ihrer Stelle würde ich vielleicht auch so reagieren. Es gibt so viele, die leichtwertig hantieren mit dem Wort Theorie. Am Ende zeigt sich nur ein Pfusch.

Sie können eigentlich über meine Theorie reden, weil Sie sie nicht wissen. Da möchte ich schon meine Uhrheberrechte sichern und es erst offiziell, wenn es auch der Homepage sein sollte, veröffentlichen. Es ist aber noch nicht fertig. Und wie es sieht, wird es nicht bald passieren, da ich meine Brötchen mit Anderem verdiene. Es bleibt nicht viel Zeit, sich selbst gestellten Anforderungen gerecht zu werden. Können Sie mir glauben, ich bin die strengste Kritikerin mich selbst. Aber wenn man zu lange in eigenem Saft kocht, verliert man Objektivität. Daher solche Diskussionen finde ich nützlich, da sie zeigen andere Perspektive und lassen eigenen Standpunkt prüfen. Man oder selbst die eigene Überlegungen korrigiert oder sucht einen Weg, den eigenen Standpunkt anderen verständlicher zu machen.

Das was ich/wir hiermachen, versuchen die Geschichte aus der Perspektive meiner Theorie darstellen. Ich kann nur ansatzweise greifen auf sie zurück, um mein Sichtpunkt zu verteidigen.
Alles schon längst da
Das Alles mus man erst kennen um endgültige Schlüsse zu ziehen.
ehemaliger Autor K.

Aneri:
Sie können eigentlich über meine Theorie reden, weil Sie sie nicht wissen. Da möchte ich schon meine Urheberrechte sichern und es erst offiziell, wenn es auch der Homepage sein sollte, veröffentlichen. Es ist aber noch nicht fertig.
Das ist alles völlig korrekt. Also warten wir ab, bis die Theorie fertig ist. Vorher macht es keinen Sinn, darüber zu diskutieren.
Das Alles muss man erst kennen um endgültige Schlüsse zu ziehen.
Ebenfalls völlig korrekt. Sie werden sicherlich die nächste Zeit nutzen, um sich mit diesen Dingen bekannt zu machen.
Aneri

Karlheinz hat geschrieben:
Aneri:
Das Alles muss man erst kennen um endgültige Schlüsse zu ziehen.
Ebenfalls völlig korrekt. Sie werden sicherlich die nächste Zeit nutzen, um sich mit diesen Dingen bekannt zu machen.
Sie haben mich falsch verstanden, aber egal. Ergänzend: ist es nicht toll, wenn man völlig aus anderer Perpektive kommt zu gleichen Schlüßen?! Ich sehe mich noch mal bestätigt, dass ich auf richtigen Weg bin.
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Karlheinz hat geschrieben:Das ist alles völlig korrekt. Also warten wir ab, bis die Theorie fertig ist. Vorher macht es keinen Sinn, darüber zu diskutieren.
Sinn macht es schon. Man kann sich auch über einzelne Denkansätze austauschen. Dazu muß die Theorie nicht notwendigerweise fertig ausgearbeitet sein.
:wink:

Ich habe das nun ein wenig verfolgt und mitgelesen. Inzwischen ging das ganze noch weiter und es wurde versucht, Zusammenhänge zwischen kulturellen Entwicklungen und physikalischen Gegebenheiten ("Schwarze Löcher" z. B.) herzustellen.
Mein Gedanke dazu ganz kurz:
Die Existenz von Schwarzen Löchern gilt ja als sicher. Allerdings weiß man darüber nur wenig. Man weiß eigentlich nur ungefähr, wie sie entstehen und daß sie eine sehr hohe Dichte und Masse besitzen. Und sicher liegen hier phsikalische Gesetzmäßigkeiten zugrunde.
Wobei ich allerdings einige "Bauchschmerzen" bekomme ist, wenn ich höre, daß die Entwicklung einer Kultur, einer Gesellschaft in eine Richtung ebenfalls bestimmten Gesetzmäßigkeiten unterliegen soll. Da sind wir dann tatsächlich bei Marx, Engels oder Hegel. Da glaube ich einfach nicht dran.
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