Wer ist "Deutscher"?

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Moderator: Barbarossa

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Barbarossa
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Ruaidhri hat geschrieben:...
Ich finde es, mit Verlaub, ungeheuer peinlich, wenn fließend Deutsch sprechende, hier lebende Afrikaner oder Türken immer wieder gefragt werden, warum sie so gut Deutsch sprechen und woher sie kommen...
Das finde ich auch absolut penetrant und ich würde mir ein solches Verhalten niemals erlauben - zumindest, wenn man die Person nicht schon einige Zeit kennt.
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Paul
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Barbarossa hat geschrieben: Das finde ich auch absolut penetrant und ich würde mir ein solches Verhalten niemals erlauben - zumindest, wenn man die Person nicht schon einige Zeit kennt.
Wenn man jemanden kennenlernt z.B. einen neuen Arbeitskollegen, dann kommt man natürlich dazu, nach persönlichen Hintergründen zu fragen z.B. um sich unterhalten zu können und um zu wissen, wo Fettnäpfchen sein können. Dazu ist es wichtig zu wissen, welcher Volkszugehörigkeit sich jemand zuordnet. Bei türkischen Staatsangehörigen ist es ein riesen Unterschied, ob jemand ein echter Türke ist, o. von einer Minderheit stammt.
Ich habe es auch schon erlebt, das jemand in meiner Gegenwart Dinge gesagt hat, bei denen er bei mir unten durch war. Öffentlich hat z.B. Lafontaine solche Dinge gesagt, die nicht mehr reparabel waren und mit denen er die Wahl verloren hat.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
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Barbarossa
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Paul hat geschrieben:
Barbarossa hat geschrieben: Das finde ich auch absolut penetrant und ich würde mir ein solches Verhalten niemals erlauben - zumindest, wenn man die Person nicht schon einige Zeit kennt.
Wenn man jemanden kennenlernt z.B. einen neuen Arbeitskollegen, dann kommt man natürlich dazu, nach persönlichen Hintergründen zu fragen z.B. um sich unterhalten zu können und um zu wissen, wo Fettnäpfchen sein können. Dazu ist es wichtig zu wissen, welcher Volkszugehörigkeit sich jemand zuordnet...
Nun ja - Fettnäpfchen hin oder her, aber würde dennoch nicht schon gleich beim kennenlernen nach solchen Dingen fragen.
Was anderes wäre, man unterhält ganz ungezwungen und derjenige fängt selbst an, über seine ethnischen bzw. kulturellen Wurzeln zu erzählen. Auf keinen Fall würde ich jemanden damit überfahren.
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Coult1984
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Es bleibt doch vor allem die Frage, in welcher Art und Weise man diese Themen anspricht. Wenn man das freundlich macht, ist es für niemanden ein Problem, nur wenn man auf irgendeine Weise forsch und unhöflich wird, wird es unangenehm
Ruaidhri
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Dazu ist es wichtig zu wissen, welcher Volkszugehörigkeit sich jemand zuordnet. Bei türkischen Staatsangehörigen ist es ein riesen Unterschied, ob jemand ein echter Türke ist, o. von einer Minderheit stammt.
Ähm, nein. Ich habe zu oft die Taktlosigkeit hinter solchen Fragen erlebt, wenn die gleich zu Anfang gestellt wurden und als Antwort kam: "Ich bin Deutscher!" Die Gesichter der Fragenden können Bände sprechen- "Wieso, stark pigmentiert oder nur dunkelhaarig/ südländisch orientalisch wirkend, kann doch kein Deutscher sein!"
Doch, und viele sind so verflixt preußisch, dass mir unwohl wird! :)
Wenn man im Laufe der Zeit, wenn man sich besser kennt, durch Zuhören wie dann auch vielleicht mal Fragen mehr erfährt, ist ja gut.
Grundschule: "Dein Vater ist Türke?"
"Nein, der ist Deutscher!"
"Warum heißt Du dann nicht Deutsch?"
"Weil Sami Khedira auch nicht Otto Müller heißt und trotzdem für Deutschland spielt!"
Hm, 1954 gab es ähnliche Diskussionen um die "Polen", ( Turek, Posispal)die es in weniger fernen Zeiten noch um Miro Klose oder Podolski immer mal zu lesen gab. Keine "Deutschen" eben.
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LG Ruaidhri
Coult1984
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Für mich wäre das auch völlig egal, welchen Hintergrund jemand hat. Meistens kommen die Leute doch von alleine auf das Thema, wenn man sich kennenlernt. Einfache und unverfängliche Frage, beispielsweise nach der Geburtsstadt, können da auch helfen, die Konversation in Gang zu bringen
Ruaidhri
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Coult1984 hat geschrieben:Für mich wäre das auch völlig egal, welchen Hintergrund jemand hat. Meistens kommen die Leute doch von alleine auf das Thema, wenn man sich kennenlernt. Einfache und unverfängliche Frage, beispielsweise nach der Geburtsstadt, können da auch helfen, die Konversation in Gang zu bringen
Soweit o.k. Aber warum fragen, wenn Vater, die bio-deutsche Mutter und Kinder perfektes Deutsch mit ganz leiser regionaler Klangfärbung sprechen? :mrgreen:
Geburtsort: Großstadt im Ruhrgebiet... Abi, Studium, Zivildienst, ist heute viel normaler als viele es sehen.
Bei einem Mädel, das schantalle oder schiara heißt, fragt man auch nicht nach der Herkunft. So wenig wie bei Jordan Pascal .
Nur bei der kleinen Ena, deren Vater dunkel pigmentierter Deutscher ist, da wird gefragt.
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LG Ruaidhri
Ruaidhri
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Mit stillem Schmunzen eben in der Zeit gelesen:
Kommen die Bayern aus dem Orient?
Zur Frage, was denn Deutsch eigentlich war, gewesen sein soll ist.
http://www.zeit.de/2015/44/deutsche-abs ... ettansicht
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Ruaidhri
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Es passt hier- und es passt wieder nicht, was ich eben im Nordschleswiger las. Schließlich sind die Angehörigen der deutschen Minderheit in Dänemark am Ende ja Dänen.
Quelle:

http://www.nordschleswiger.dk/news.4460 ... chleswiger

Anmerkungen* kursiv.
Der Verfasser eines Kultur-Kommentars, jüngeren Jahrgangs, befasst sich mit der Frage, welches Led die deutsche Minderheit zu welchen Anlässen singt oder singen soll.
Bei offiziellen Anlässen ist die 3.Strophe des Deutschlandliedes. Der Verfasser ist zwiespältig, einerseits ja, denn das bezeugt die Dankbarkeit für die finanzielle Unterstützung der deutschen Minderheit in Nordschleswig, zeigt auch die Verbundenheit mit dem Mutterland.
*Mutterland! Ganz sicher mit Bedacht gewähltes Wort.
Er meint, das Singen einer Hymne sage zumeist auch etwas über die Identität des Singenden aus. Hinzufügend, dass er deutsche Hymne eben nicht als Identitätsmerkmal für die Nordschleswiger sieht.
Also das Schleswig-Holstein Lied? Hat keine Tradition, meint er.
*Wäre auch in Teilen nun nicht so wirklich freundlich gegenüber Dänemark bzw. träfe nicht das, was inzwischen gewachsen ist.
So denkt er, solle man bei der Tradition bleiben-Einigkeit und Recht und Freiheit. Wer darüber verwundert ist, den möge man aufklären,warum die Hymne.
* Durchaus manchem Insel-Dänen vielleicht weit entrückt, dass es überhaupt die beiden Minderheiten gibt.
2016 gibt es den Fußball-Cup der europäischen Minderheiten.
Die Angehörigen der dänischen Minderheit= deutsche Staatsbürger, werden gewiss die dänische Hymne singen.
Für die Nordschleswiger vermutet er dann eben nicht das Deutschlandlied,3.Strophe, sondern "Klein sind Deine Berge", weil das eher mehr Minderheiten-Sinn ergibt.
_____
Höre ich etwa den Aufschrei, man sei nicht Deutsch genug? Vaterlandsverrat? Warum zahlt die BRD dann noch, wenn nicht Gesamtdeutschland Identifikationsmasse ist, sondern eben diese so ganz historisch- spezifisch von beiden Nationen geprägte Ecke?

Dürfen die überhaupt noch das Adjektiv "deutsch" benutzen, geht es um die Nordschleswiger "Volksgruppe"?
Die haben tatsächlich einen dänischen Akzent, nicht nur in der Klangfärbung der deutschen Sprache.
Ging mir so spontan im Zusammenhang mit anderen Diskussionen um Deutschland, deutsch, Kultur etc. durch den Kopf.
Partielle Identität, darf es das geben?
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Paul
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Es gibt mehrere Bezugsgrößen:
- Die Staatsangehörigkeit ist leicht feststellbar. Wenn es mehrere deutsche Staaten gibt, dann gibt es wohl auch mehrere deutsche Staatsangehörigkeiten, auch wenn sie anders heißen.
- Die Muttersprache wird vom Sprecher definiert.
- Die Selbstidentifikation, welche sich auf objektive Bezüge stützt. Der Mensch definiert seine Volkszugehörigkeit/Nationalität selbst.
viele Grüße

Paul

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Ruaidhri
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Staatsangehörigkeit: Hie dänisch in Nordschleswig, dort deutsch in Südschleswig.
Mit allen Rechten und Pflichten.
Irgendwie ist das doch nicht ganz so einfach, oder es geht auch heute anders als nach den althergebrachten Mustern, mal gerade eben im Grenzraum der alten Herzogtümer, wo längst nicht alle Deutschen zu Preußen/ Großdeutschland wollten.
Und nicht alle Flensburger Dänen unter die dänische Krone,aber auch nicht zu Preußen. :mrgreen:
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Barbarossa
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Ruaidhri hat geschrieben:...
Warum zahlt die BRD dann noch, wenn nicht Gesamtdeutschland Identifikationsmasse ist, sondern eben diese so ganz historisch- spezifisch von beiden Nationen geprägte Ecke?

Dürfen die überhaupt noch das Adjektiv "deutsch" benutzen, geht es um die Nordschleswiger "Volksgruppe"?
Die haben tatsächlich einen dänischen Akzent, nicht nur in der Klangfärbung der deutschen Sprache.
Ging mir so spontan im Zusammenhang mit anderen Diskussionen um Deutschland, deutsch, Kultur etc. durch den Kopf.
Partielle Identität, darf es das geben?
Vermutlich wirst du jetzt einen Schreck bekommen, aber meine Antwort auf deine Frage lautet "ja".
Es gehört einfach zur Geschichte Deutschlands dazu, dass gerade auch die regionale Identität stark betont wird. Viel eher, als man von "Deutschland" sprach, sprach man von den "deutschen Landen". Und die Gesamtheit dieser Länder bildet Deutschland. Und darum finde ich es nicht schlimm, wenn die regionale Zugehörigkeit besonders betont wird - gerade in Schleswig-Holstein scheint auch die Zusammengehörigkeit besonders stark zu sein ("Up ewig ungedeelt") und da gehörten neben deutschsprachiger Bewohner auch immer dänischsprachige Bewohner dazu.
Man muss nicht dort anfangen zu spalten, wo es nichts zu spalten gibt.
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Ruaidhri
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@ Barbarossa:
Trifft es schon ganz gut. Aber nicht, dass Bayern und Sachsen nun Separationsbestrebungen nachgeben... :mrgreen:
gerade in Schleswig-Holstein scheint auch die Zusammengehörigkeit besonders stark zu sein ("Up ewig ungedeelt") und da gehörten neben deutschsprachiger Bewohner auch immer dänischsprachige Bewohner dazu.
Phasenweise hat man das auf beiden Seiten anders gesehen und von- sorry, gerade von deutscher Seite auch immens befördert.
Nicht im Sinne aller Deutsch gesinnten im Grenzland, die die Köller-Politik ablehnten. Gerade die aber hinterließ tiefe Gräben- noch in den nächsten Generationen.

http://www.geschichte-s-h.de/nordschleswig-1840-1920/
Aber genau die hat man ja mit viel Arbeit überwunden, abgesehen davon, dass "up ewig ungedeelt" mal näher betrachtet werden muss, aus unmittelbaren zeitlich-historischen Zusammenhängen 1460 und aus dem, was im Zuge der der Geschichte daraus gemacht wurde.
Die Formel "ewich tosamende ungedelt" in den Ripener Verträgen beinhaltete von Anfang nicht den Anspruch auf einer Unteilbarkeit der Herzogtümer.
Die Verkürzung des 19. Jahrhunderts " up ewig ungedeelt" ist denn eine glatte Verfälschung.
Hängen geblieben ist aber doch schon, bei allen Unterschieden zwischen Schleswig und Holstein und dann Nordschleswig, dass Schleswig-Holstein und Dänemark doch binational geprägt sind.
Man kann ganz gut mit Wurzeln leben, die aus unterschiedlichen "nationalen und kulturellen " Nährstoffen gespeist werden, die sich untereinander letztlich vertragen, ohne das einer dominieren muss.
Jenseits eines überbordenden Nationalisms/ Rassismus in der gegenwärtigen Situation sind sich die meisten Europäer schon sehr einig, dass sie wegen irgendwelcher vorgeblichen besseren Tugenden keinen Krieg untereinander wollen.
Europäer mit Migrationshintergrund eingeschlossen.
Muttersprache: Deutsch Vaterland: Keins. Heimat: Europa
LG Ruaidhri
Dietrich
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Paul hat geschrieben:Es gibt mehrere Bezugsgrößen:
- Die Staatsangehörigkeit ist leicht feststellbar. Wenn es mehrere deutsche Staaten gibt, dann gibt es wohl auch mehrere deutsche Staatsangehörigkeiten, auch wenn sie anders heißen.
De jure sind alle Personen Deutsche, welche die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (§ 1 StAG).

Einigen geht es hier allerdings um die Frage, wer ethnisch ein Deutscher ist. Da wird es schon problematischer, denn da spielen, Kultur, Sprache, Identität und Abstammung eine Rolle.
Ruaidhri
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Einigen geht es hier allerdings um die Frage, wer ethnisch ein Deutscher ist. Da wird es schon problematischer, denn da spielen, Kultur, Sprache, Identität und Abstammung eine Rolle.
Oder auch nicht- oder nicht alle Faktoren zugleich.
Das Abstammungskriterium könnte man gern auf die Müllhalde werfen. Überflüssig und fern der Realität, zumal in Folgegenerationen, wo ohne Wenn und Aber die Leute sich als Deutsche bezeichnen und das Leben konfrontionsfrei so leben wie Bio-Germanen auch.
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LG Ruaidhri
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