Altenmord bei Naturvölkern

Kommunalwahlen, Meinungsumfragen, Konflikte, Religionen, Ereignisse

Moderator: Barbarossa

ehemaliger Autor K.

Bei einer Reihe von Naturvölkern gibt es keine Altersversorgung, weil diese Gesellschaften die alten Menschen töten, wenn sie scheinbar keinen erkennbaren Nutzen mehr für die Gruppe haben und ihre Versorgung als zu kostspielig erscheint. Jared Diamond gibt in seinem Buch „Vermächtnis“ folgende Gründe an:

1. Diese Praxis finden wir bei nomadisierenden Jägern und Sammlern, die häufiger ihren Lagerplatz wechseln müssen. Sie tragen alle Werkzeuge, Nahrungsmittel und Kinder mit sich und können sich nicht um schwache und gebrechliche Gruppenmitglieder kümmern.

2. Altentötung gibt es bei Völkern in Wüsten und arktischen Regionen, in denen es immer wieder zu Nahrungsknappheit kommt und in denen man keinen Vorrat anlegen kann. Man opfert die unproduktivsten Mitglieder, um nicht die Gemeinschaft zu gefährden.

Der Autor nennt anschließend fünf verschiedene Praktiken, mit denen die alten Menschen beseitigt werden.

a.) Die alten Menschen werden ignoriert, erhalten nichts mehr zu essen, man lässt sie verhungern. Beobachtet bei einigen Inuit-Stämmen in der Arktis, den Hopi in Nordamerika, den Wihoto im tropischen Südamerika, einigen Aborigines-Gruppen in Australien.

b.) Alte Menschen werden ausgesetzt oder man lässt sie zurück. Beobachtet bei den San in der Kalahariwüste, den nordamerikanischen Omaha- und Kutenai-Indianern, den Ache-Indianern in Südamerika.

c.) Die ältere Person wird zum Selbstmord aufgefordert. Berichtet von den Tschuktschen und Jakuten in Sibirien, den Crow-Indianern in Nordamerika, bei einigen Inuit Stämmen.

d.) Die Älteren werden von ihren Kindern erdrosselt oder erstochen nach vorheriger Vereinbarung und im Einverständnis. Berichtet von einigen Südseevölkern z.B. den Kaulong.

e.) Die Älteren werden von anderen Gruppenmitgliedern getötet ohne deren Einverständnis. Beobachtet bei den Ache- Indianern und anderen Völkern.

Nicht alle Völker, die in einer schwierigen Umwelt leben, praktizieren Altenmord. Der beste Weg, um diesem Schicksal zu entgehen, besteht in der Arbeitsteilung. Die Alten übernehmen Arbeiten, die für alle nützlich sind. Hier einige Beispiele:

a.) Bei den !Kung in Südafrika stellen die Männer Tierfallen her, sammeln Pflanzen, haben sich Spezialwissen angeeignet über das Auffinden von Pflanzen oder Jagdtieren, das sie unentbehrlich macht.

b.) Die Alten, vor allem die Frauen, sorgen für die Kinder, damit die anderen Jagen und Sammeln können. Ob dies möglich ist, hängt ab von der Umwelt. (an vielen Orten beobachtet)

c.) Die Alten spezialisieren sich auf Werkzeugbau und können Techniken, die schwer zu erlernen sind. Bei den Semang in Malaysia stellen beispielsweise die Alten Blasrohre her und Töpfe.

d.) Die Alten werden Magier und Zauberer. Sie hüten das „Heilige Wissen“. Auf diese Weise bekommen sie sogar eine sehr mächtige und beherrschende Rolle in ihrer Sippe. Dies ist der beste Schutz, um einer Tötung zu entgehen.

e.) Die Alten sind eine Art Lexikon. Aufgrund ihres langen Lebens wissen sie in vielen Dingen Rat und werden oft gefragt in schwierigen Situationen.

Ob Gesellschaften sich um ihre alten Menschen kümmern oder nicht, hängt also zu einem großen Teil davon ab, wie nützlich die alten Menschen sind.

Die Rolle der Alten verbessert sich erheblich in Gesellschaften, in denen das Privateigentum verbreitet ist und zwar aus dem einfachen Grund, weil ihnen das Eigentum gehört und den Jungen nicht. In den antiken, orientalischen und feudalen Gesellschaften werden die Alten außerordentlich verehrt. Ihre Verfügung über Eigentum gibt ihnen eine außerordentlich starke Stellung bis hin zur Tyrannisierung der Jungen. Warum lassen die sich das gefallen? Aus dem gleichen Grund, weshalb die Jungen auch heute nicht die Alten töten. Die Gesellschaft, ihre Werte und Regulatoren verhindern dies.
Die Rolle der Alten hat sich in der heutigen Gesellschaft wieder etwas verschlechtert. Viele haben kein nennenswertes Privateigentum mehr, mit dem sie die Jungen unter Druck setzen können. Diese können selber schon im jungen Alter etwas erreichen und sind nicht vom Erbe abhängig. Gewonnene Berufserfahrung hat heute nicht mehr den Wert wie früher, da sich das Wissen zu schnell ändert und die Jungen manchmal mehr können als die Alten. Viele weitere Gründe könnte man nennen.

Die Tötung von Alten konnte mit der Entstehung der Staaten auch bei den Naturvölkern unterbunden werden. Diese Völker zeigen uns aber auch den Weg, wie ein Konflikt zwischen Alt und Jung verhindert werden kann. Auch die Alten müssen sich offensichtlich in irgendeiner Form für die Gesellschaft als nützlich erweisen, damit nicht der oft beschworene Generationskonflikt ausbricht und man sie nicht eines Tages für überflüssig hält.

Angaben aus: Jared Diamond, Vermächtnis, Frankfurt am Main 2012, s.246 ff.
Aneri

Der Tod der Alten nicht nur in Naturvölker zu finden ist. Ich erinnere an sehr guten japanischen Film, in dem ähnliche (etwa mittelalterliche Japan entsprechendes Zeitalter) Geschichte dargestellt wurde. Es war sehr schwierige Verhältnisse in dem Gebirge, so dass diese Praxis war auch gängig. Man opferte Alten, um den Rest durch Winter zu bringen. In Film ging es um einer Familie, die ihre Großmutter sehr liebte, und obwohl war Hungerzeit und Nahrung fehlte, könnten sie nicht sie in Berg bringen, wo traditionsmäßig die Alten im Not geliefert wurden - um zu erfrieren und einem der Jüngeren eine Chance zum Überleben geben. Der Film endete mit der Szene, wo die Alte selbst zu dem Berg aufstieg.
Die alten Menschen werden ignoriert, erhalten nichts mehr zu essen, man lässt sie verhungern. Beobachtet bei einigen Inuit-Stämmen in der Arktis, den Hopi in Nordamerika, den Wihoto im tropischen Südamerika, einigen Aborigines-Gruppen in Australien.
und bei uns in Europa allenfalls (nicht getötet bzw. in seltensten Fällen, aber auf die Weise mit den Alten umgegangen). habe viel darüber gelesen. Aber auch ein konkreter Fall, der auch Rückschlüsse erlaubt. Ein Kindermädchen hat mir erzählt, wie in der Familie, wo sie lebte, Hausfrau den Kühlschrank unter Verschluss hielt. Es war 90-er Jahre! Was meinst du unter solchen Umständen unbeliebte Schwiegermutter erleben würde?!
Die Rolle der Alten verbessert sich erheblich in Gesellschaften, in denen das Privateigentum verbreitet ist und zwar aus dem einfachen Grund, weil ihnen das Eigentum gehört und den Jungen nicht.
Ich denke, es liegt nicht an Privateigentum. Es liegt an die Tatsachen, dass die Gesellschaften mit dem Privateigentum produzieren ein Mehrwert, durch den sie staatliche Apparat erhalten können (die Rechte des Eigentümers bewahren) und auch das Eigentum eines Besitzers wachsen lassen. Durch die höhere Produktion die existentielle Probleme anders ausfallen.

Auch Religion spielt hier eine nicht unerhebliche Rolle. Sie lässt keinen Gedanken zu, dass man auf die Weise seine existentielle Problem lösen kann. Dies war von Reichen unterstützt. Da der, der den Alten umbringt um überleben, der wird bestimmt nicht scheuen vorher einen Fremden umzubringen und durch seine Vorräte überleben.
Ob Gesellschaften sich um ihre alten Menschen kümmern oder nicht, hängt also zu einem großen Teil davon ab, wie nützlich die alten Menschen sind.
Ich möchte in der Gesellschaft nicht leben, wo alten nach ihren Nutzen beurteil werden. Ich ahbe jetzt beruflich viel mit dem Problem des Altsein zu tun. Auch selbst bin in dem Alter, wenn man nachdenkt.

Gerade die östliche Kultur zeigt, dass die Verehrung der Alten nicht mit seinem Reichtum zu tun hat. Es hat mit den Werten zu tun. Wir schätzen das Alter nicht. Wir fürchten davon. Wir lassen uns Haare und Bärte färben, wir spritzen uns Falten weg, strafen die Haut. Wir sehen es al Kompliment, wenn man den jüngeren Alter bescheinigt als man ist.

In unserer Gesellschaft mit kleinen Familien oder die Familien ohne Kinder wächst die Vereinsamung der Alten. Früher war das Alter die Sache der Familie. Eigentlich nur in Moderne entwickelt es sich zur Sache der Gesellschaft. Familien werden kleiner, leben separat, haben keine Zeit und/oder keine Wille um Alten zu kümmern. Viele haben keine Kinder. Die Vereinsamung - das ist ein Problem.
ehemaliger Autor K.

Karlheinz
Die Rolle der Alten verbessert sich erheblich in Gesellschaften, in denen das Privateigentum verbreitet ist und zwar aus dem einfachen Grund, weil ihnen das Eigentum gehört und den Jungen nicht.
Aneri:
Ich denke, es liegt nicht an Privateigentum. Es liegt an die Tatsachen, dass die Gesellschaften mit dem Privateigentum produzieren ein Mehrwert, durch den sie staatliche Apparat erhalten können (die Rechte des Eigentümers bewahren) und auch das Eigentum eines Besitzers wachsen lassen. Durch die höhere Produktion die existentielle Probleme anders ausfallen.
Die Erzeugung eines Mehrprodukts ist wohl die Voraussetzung, das überhaupt Privateigentum entstehen kann, denn wo nichts an Wert vorhanden ist, kann man auch nichts besitzen. In den Gesellschaften in denen Privateigentum entsteht an Haus und Hof, bei Bauern, Handwerkern, Kaufleuten usw. wird dies Eigentum im Erbgang von den Alten auf die Jungen weitergegeben. Die Familien sind zumeist patriarchalisch aufgebaut, die Kinder lange von den Eltern abhängig. Die Stellung der Alten sehr stark. Das erklärt auch den engen Zusammenhalt von Großfamilien in vielen Gesellschaften, denn außerhalb von diesen kann man oft nur schwer überleben. Im Kapitalismus mit der Auflösung der Großfamilien wird auch die Stellung der Alten schwächer, weil das alte Privateigentum der Bauern, Handwerker etc. sich auflöst und überall durch Lohnarbeit ersetzt wird. Die Jungen können auch außerhalb der Familie Karriere machen und Geld verdienen. Das dadurch die Stellung der Alten erheblich geschwächt wird, konnte ich in einigen asiatischen Gesellschaften gut beobachten.
Karlheinz
Ob Gesellschaften sich um ihre alten Menschen kümmern oder nicht, hängt also zu einem großen Teil davon ab, wie nützlich die alten Menschen sind.
Aneri:
Ich möchte in der Gesellschaft nicht leben, wo alten nach ihren Nutzen beurteil werden. Ich ahbe jetzt beruflich viel mit dem Problem des Altsein zu tun. Auch selbst bin in dem Alter, wenn man nachdenkt.
Ich auch nicht. Ich habe die Entwicklung in Japan und Singapur über Jahrzehnte beobachtet, weil ich dort häufig gewesen bin. In Japan arbeitet jeder zweite Rentner bis weit ins hohe Alter hinein, in Singapur ist es ähnlich. Die Altersgrenzen für die Renten sind in Japan etwas niedriger als bei uns, aber sie werden in der Praxis kaum beachtet, weil fast jeder länger arbeiten möchte und auch kann. Für Senioren gibt es extra Arbeitsämter. Auch in Singapur sieht man überall die alten Leute arbeiten. Das liegt natürlich vor allem an den nicht gerade üppigen Renten, aber auch an der dort verbreiteten Arbeitsmoral, die besagt, das ein Mensch nichts wert ist, der nicht arbeitet und das nach Auflösung der Großfamilien die Alten aus ihrer Isolation ausbrechen wollen. Alte Menschen stehen dort in dem Zwang, ständig der Gesellschaft ihre Nützlichkeit beweisen zu müssen. Das könnte bei uns auch eintreten.
Aneri

[KarlHeinz,

in deiner (und Diamonds) Analyse stört mich zu naturalistisches Vorgehen. Es ist zu einsetig anders gesagt zu reduktionistisch. Eine Halbwahrheit ist eine verzerrte Wahrheit.

Vielleicht ist meine Ansicht zu viel durch eigene Persönlichkeit geprägt. Eine Abhängigkeit fühlte ich immer als etwas, gegen ich kämpfen muss (beginnend vom Kindesalter, wenn ich gegen Abhängigkeit von meinen Eltern gekämpft habe :-)). Daher denke ich, dass die Abhängigkeit, die du in dem Privateigentum siehst, kein ausreichendes Fundament für den Erhalt einer Großfamilie bildet. Es gibt viel Möglichkeit die natürliche Tod des Alten vortäuschen und so zu seiner Erbe gelangen. Viel mehr sind es die Werte (hier überschneide ich thematisch mit anderem Thread). Die Familie selbst - samt ALLE Angehörigen wurde zu einem Wert.

In deiner Analyse gehen die Gefühle unter. Mitleid, Liebe die in Hilfsbereitschaft sich äußern, stehen entgegen den Neid, Haß, also der Aggression. Alles das wird durch Überzeugung zusammengehalten, dass wir sind eine Familie. Die Ganzheit der Familie zu bewahren, es war die erste Aufgabe. Wenn man denkt an die Großfamilien die als Pächter nur zu eigenem Überleben erwirtschafteten, wo hier ist das Privateigentum, das angeblich den Alten überleben hilft? Es war doch viel viel mehr solche Großfamilien als die Gutshöfe, die du vor Augen hältst.
Karlheinz
Alte Menschen stehen dort in dem Zwang, ständig der Gesellschaft ihre Nützlichkeit beweisen zu müssen. Das könnte bei uns auch eintreten.
Wenn dieser Zwang von INNEN entsteht (also von dem Mensch selbst ausgeht), dann ist es in Ordnung. Sicher politisch und nach sozialen Gegebenheiten werden Menschen gezwungen länger arbeiten. Es ist auch notwendig nach demografische Entwicklung.
Es geht aber nicht so sehr um aktive, relativ gesunde alte Menschen. Es geht um Alten, die auf Hilfe angewiesen sind. Auch hier technologische Fortschritt hat eingegriffen. Der kranke hilflose Mensch lebt länger und er braucht zusätzlich Finanz- und Human-Ressourcen für dieses Lebensabschnitt. Die Ressourcen, die wir immer weniger haben.

bei uns vielleicht das Alter hat kein besonderes Ansehen (außer negatives), dennoch der Mensch allgemein (und der Alter fällt unter dieser Kategorie) hat großes Wert.
Renegat
Mitglied
Beiträge: 2045
Registriert: 29.04.2012, 19:42

Vorab, ich habe einige Probleme mit deinem Eröffnungsbeitrag, Karlheinz. Liest du gerade Diamond?

Jedenfalls suggeriert die Zusammenfassung eine Praxisdurchgängigkeit, die man z.B. aus der Archäologie nicht ableiten kann. Je weiter man zurückgeht, desto häufiger werden Jäger und Sammlergesellschaften.
Du stellst mit deinen Naturvölkern nur ein paar beispielhafte Spitzen dar, sind die überhaupt statistisch relevant?

Karlheinz hat geschrieben: Für Senioren gibt es extra Arbeitsämter. Auch in Singapur sieht man überall die alten Leute arbeiten. Das liegt natürlich vor allem an den nicht gerade üppigen Renten, aber auch an der dort verbreiteten Arbeitsmoral, die besagt, das ein Mensch nichts wert ist, der nicht arbeitet und das nach Auflösung der Großfamilien die Alten aus ihrer Isolation ausbrechen wollen. Alte Menschen stehen dort in dem Zwang, ständig der Gesellschaft ihre Nützlichkeit beweisen zu müssen. Das könnte bei uns auch eintreten.
Das ist doch schon eingetreten, die Extraarbeitsämter heißen Ehrenamtvermittlungsstellen oder 450,-€-Jobbörsen. Es gibt weitere Modelle, gefördert von den Kommunen zu Vernetzung, Kümmerer etc. Was spricht dagegen?
Dem Durchschnittsrentner dürften Seniorenbusreisen und Mallorcamandelblüte schnell langweilig werden, also sucht er sich was nützliches, erhöht doch auch das Selbstwertgefühl, noch gebraucht zu werden.
ehemaliger Autor K.

Renegat
Vorab, ich habe einige Probleme mit deinem Eröffnungsbeitrag, Karlheinz. Liest du gerade Diamond?
Jetzt nicht mehr. Bin fertig.
Jedenfalls suggeriert die Zusammenfassung eine Praxisdurchgängigkeit, die man z.B. aus der Archäologie nicht ableiten kann. Je weiter man zurückgeht, desto häufiger werden Jäger und Sammlergesellschaften.
Da es von den frühen Jäger- und Sammlergesellschaften fast keine Überreste gibt, ist es schwer zu sagen, ob es früher Altentötungen gab. Vermutlich aber ja.
Du stellst mit deinen Naturvölkern nur ein paar beispielhafte Spitzen dar, sind die überhaupt statistisch relevant?
Ja.
Das ist doch schon eingetreten, die Extraarbeitsämter heißen Ehrenamtvermittlungsstellen oder 450,-€-Jobbörsen. Es gibt weitere Modelle, gefördert von den Kommunen zu Vernetzung, Kümmerer etc. Was spricht dagegen?
Gar nichts.
ehemaliger Autor K.

Aneri.
Es steht außer Zweifel, dass die Tötung alter Menschen eine enorme psychische Belastung darstellt, auch in Naturgesellschaften und deshalb teilweise nur widerwillig vorgenommen wird. Trotzdem wird sie praktiziert aus Gründen der Notwendigkeit.

Eine Großfamilie im Laufe der Historie wird wohl nicht nur durch das Privateigentum zusammengehalten, auch wenn dies erfahrungsgemäß die beste Möglichkeit, sie zusammenzuhalten. Sie ist auch sinnvoll einfach h als Arbeits- und Konsumgemeinschaft. Die Familienmitglieder ziehen durch das Land, verdingen sich mal hier und dann mal dort. Zusammen kommen sie besser durchs Leben, als wenn sie sich trennen würden. Allerdings sind Großfamilien ohne Privateigentum nicht sehr stabil, die Familienmitglieder werden leichter auseinandergerissen und verstreuen sich.

Über das Gefühlsleben in solchen Familien lässt sich nicht soviel aussagen, da wir wenige Dokumente haben. Auch wird dies von Kultur zu Kultur und von Zeitabschnitt zu Zeitabschnltt unterschiedlich gewesen sein.
Benutzeravatar
dieter
Mitglied
Beiträge: 10152
Registriert: 29.04.2012, 09:48
Wohnort: Frankfurt/M.

Aneri hat geschrieben:[
bei uns vielleicht das Alter hat kein besonderes Ansehen (außer negatives), dennoch der Mensch allgemein (und der Alter fällt unter dieser Kategorie) hat großes Wert.
Liebe Aneri,
mir ist es völlig egal, wie wir angesehen werden. Wir haben das Geld und unser Sohn kann es gebrauchen, drei Kinder und ein neues Haus zum Abbezahlen. Ich habe in einer Erbschaftstreitigkeit 8000,-- Euro herausbekommen und die hat unser Sohn als Schenkung erhalten. Im Mai wird das dritte Enkelkind getauft, das bekommt wie die beiden anderen Enkelkinder 500,--Euro auf sein Konto und monatlich 30,-- Euro. Wir leben in unseren Kindern und Enkelkindern weiter und sind die Einzigen, die Südhessen diesen Namen tragen. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Benutzeravatar
Barbarossa
Mitglied
Beiträge: 15507
Registriert: 09.07.2008, 16:46
Wohnort: Mark Brandenburg

Bei diesem Thema fällt mir eine Redewendung ein, die mal jemand verwendet hat: "sozialverträgliches Frühableben".
Es hagelte zwar Kritik, zeigt aber, dass Alte auch hierzulande nicht von allen geachtet werden.

[ Post made via Android ] Bild
Die Diskussion ist eröffnet!

Jedes Forum lebt erst, wenn Viele mitdiskutieren.
Schreib auch du deine Meinung! Nur kurz registrieren und los gehts! ;-)
Renegat
Mitglied
Beiträge: 2045
Registriert: 29.04.2012, 19:42

Karlheinz hat geschrieben:
Renegat
Vorab, ich habe einige Probleme mit deinem Eröffnungsbeitrag, Karlheinz. Liest du gerade Diamond?
Jetzt nicht mehr. Bin fertig.
Jedenfalls suggeriert die Zusammenfassung eine Praxisdurchgängigkeit, die man z.B. aus der Archäologie nicht ableiten kann. Je weiter man zurückgeht, desto häufiger werden Jäger und Sammlergesellschaften.
Da es von den frühen Jäger- und Sammlergesellschaften fast keine Überreste gibt, ist es schwer zu sagen, ob es früher Altentötungen gab. Vermutlich aber ja.
Du stellst mit deinen Naturvölkern nur ein paar beispielhafte Spitzen dar, sind die überhaupt statistisch relevant?
Ja.
Das ist doch schon eingetreten, die Extraarbeitsämter heißen Ehrenamtvermittlungsstellen oder 450,-€-Jobbörsen. Es gibt weitere Modelle, gefördert von den Kommunen zu Vernetzung, Kümmerer etc. Was spricht dagegen?
Gar nichts.
Es ist zwar erfrischend, mal kurze Antworten von dir zu lesen, Karlheinz. Die sind mir denn doch zu kurz.
Du kannst doch nicht ernsthaft behaupten, dass bei Jäger- Sammlergesellschaften, die Alten regelmäßig als unnützer Ballast abgemurkst wurden. Vielleicht mal in Extremsituationen. Außerdem schützte schon die Religiösität die Alten vor ihren blutrünstigen Kindern, denn die hätten sich als Ahnen bitter gerächt. Die frühesten Religionen sind häufig Ahnenkulte. Gibt es heute auch noch.
Um statistisch belegbare Relevanz zu erhalten, bräuchte es viel mehr alte Knochen. Deine These habe ich noch nirgends gelesen.
Außerdem was soll die bahnbrechende Darstellung, Großfamilie und Eigentum hätten vor Altenmord geschützt? Der Mensch ist ein soziales Wesen, er lebte immer in Gruppen, die ersten waren wahrscheinlich sowas wie Großfamilien, also altersgemischt. Diese Gruppen fungierten gleichzeitig als Arbeitsgemeinschaften. Denk mal an die mittelalterlichen Handwerkerhaushalte oder Bauernsippen, da gehörten alle zu einem Haushalt, auch Diener, Knechte usw.
Das hat sehr lange funktioniert und tut es in vielen Weltgegenden noch heute. Nur in industriealisierten Gesellschaften löst es sich auf.
ehemaliger Autor K.

Renegat:
Es ist zwar erfrischend, mal kurze Antworten von dir zu lesen, Karlheinz. Die sind mir denn doch zu kurz.
Du kannst doch nicht ernsthaft behaupten, dass bei Jäger- Sammlergesellschaften, die Alten regelmäßig als unnützer Ballast abgemurkst wurden. Vielleicht mal in Extremsituationen. Außerdem schützte schon die Religiösität die Alten vor ihren blutrünstigen Kindern, denn die hätten sich als Ahnen bitter gerächt. Die frühesten Religionen sind häufig Ahnenkulte. Gibt es heute auch noch.
Um statistisch belegbare Relevanz zu erhalten, bräuchte es viel mehr alte Knochen. Deine These habe ich noch nirgends gelesen.
Der Altenmord wird nur unter bestimmten Bedingungen und Voraussetzungen praktiziert. Diese wurden von Diamond genannt und ich habe sie skizziert.
Es geht nicht um alte Knochen, ich sagte bereits, dass wir nicht ausreichend Funde haben. Es geht um Fälle aus der Gegenwart. Ich würde vorschlagen, du liest das Buch einmal selbst, dort wird alles ausführlich beschrieben. Ich konnte ja nur eine Kurzfassung liefern, die aber eigentlich ausreichend sein sollte für einen kurzen Einstieg..
Benutzeravatar
dieter
Mitglied
Beiträge: 10152
Registriert: 29.04.2012, 09:48
Wohnort: Frankfurt/M.

Barbarossa hat geschrieben:Bei diesem Thema fällt mir eine Redewendung ein, die mal jemand verwendet hat: "sozialverträgliches Frühableben".
Es hagelte zwar Kritik, zeigt aber, dass Alte auch hierzulande nicht von allen geachtet werden.

[ Post made via Android ] Bild
Lieber Barbarossa,
nochmal mir ist es egal ob oder wie wir geachtet werden, wie haben genügend Selbstachtung auch ohne diese sog. "Achtung" auszukommen. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Renegat
Mitglied
Beiträge: 2045
Registriert: 29.04.2012, 19:42

Karlheinz hat geschrieben:
Renegat:
Es ist zwar erfrischend, mal kurze Antworten von dir zu lesen, Karlheinz. Die sind mir denn doch zu kurz.
Du kannst doch nicht ernsthaft behaupten, dass bei Jäger- Sammlergesellschaften, die Alten regelmäßig als unnützer Ballast abgemurkst wurden. Vielleicht mal in Extremsituationen. Außerdem schützte schon die Religiösität die Alten vor ihren blutrünstigen Kindern, denn die hätten sich als Ahnen bitter gerächt. Die frühesten Religionen sind häufig Ahnenkulte. Gibt es heute auch noch.
Um statistisch belegbare Relevanz zu erhalten, bräuchte es viel mehr alte Knochen. Deine These habe ich noch nirgends gelesen.
Der Altenmord wird nur unter bestimmten Bedingungen und Voraussetzungen praktiziert. Diese wurden von Diamond genannt und ich habe sie skizziert.
Es geht nicht um alte Knochen, ich sagte bereits, dass wir nicht ausreichend Funde haben. Es geht um Fälle aus der Gegenwart. Ich würde vorschlagen, du liest das Buch einmal selbst, dort wird alles ausführlich beschrieben. Ich konnte ja nur eine Kurzfassung liefern, die aber eigentlich ausreichend sein sollte für einen kurzen Einstieg..
Ja, werde das Buch lesen, wird auch nicht mein erstes von Diamond sein. Manche seiner Thesen aus den älteren Büchern waren für mich nachvollziehbar, andere hingegen nicht.

Um auf den Altenmord zu zurückzukommen, ich will seine/deine Beispiele gar nicht bestreiten, sondern nur zu bedenken geben, dass man nicht von heutigen "Naturvölkern" auf die Vergangenheit und Gegenwart schließen kann. Solche ethnologischen Vergleiche berücksichtigen mE nicht ausreichend, dass Gruppen, die heute als Jäger/Sammler leben, das in absoluten Ungunstlagen tun. Sie sind in landwirtschaftlich nicht nutzbare Gebiete abgedrängt worden oder haben sich dorthin zurückgezogen. Sie sind entweder eine Restethnie oder eine neuere Anpassung auf schwierigste Umweltbedingungen.
Unter schwierigsten Bedingungen kann es sogar zu Kannibalismus kommen, siehe südamerikanischen Fligzeugabsturz vor einigen Jahrzehnten. Dazu gab es auch ein Thema.

Man kann deshalb Reaktionen auf schwierigste Umweltbedingungen nicht übertragen. Wie du ja auch selbst sagt, schützte die Gruppe in der Regel die Alten, Kranken, Schwachen, Kinder. Und Menschen lebten immer in Gruppen, Ausschluß aus der Gruppe war eine schwere Strafe.

Vielleicht habe ich deine Intention nicht verstanden. Du hast das Thema doch im Hinblick auf aktuelle Entwicklungen eröffnet, oder nicht? Da helfen ethnologische Vergleiche nicht wirklich weiter, weil die Auflösung von Familienstrukturen nur ein neueres Phänomen seit der Industriealisierung ist.
Das Thema demographischer Wandel treibt mich auch um, ich hatte schon mal versucht, damit eine breitere Diskussion zu eröffnen http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... =26&t=3966 hat leider nicht geklappt.
Aneri

Ich denke, dass Naturvölker kann uns Ausschluss über die "Kindheit" der Zivilisation geben. Altentötung ist bestimmt ein Relikt aus vergangener Zeit. Es gibt zwei Aspekte, die müssen geklärt werden. Zum Einem ist es die Frage, ob es eine gängige Praxis der früheren Völkern war. Zum Anderem, wie plausibel die Annahme des Privateigentums als Ursache für die Verdrängung dieser Sitte ist, falls sie einmal dominant war.

Zu Ersten bin ich überzeugt, dass um Menschen von Tierwelt s. z. "abschnüren" indem die Zivilisation geboren wurde, müsste man erst von der tierischen Sitten sich ablösen. Durch Tabus, durch die Werte, die angehende Gemeinschaft bildete. In Tierreich ist üblich, dass ein nichtfortpflanzungsfähiges und nicht aus eigener Kraft überlebensfähiges Tier würde zum Tode verurteilt. Viele höhere Säugetiere trauen ihren Artgenossen, nur sind sie nicht in der Lage praktische Hilfe leisten. Es kann nur ein Mensch. Daher denke ich, dass in Wurzeln der Zivilisation war zuerst ein Verbot der Tötung der Alten und der Kinder von anderen sexuellen Partnern. Mit diesen Tabus würde die Brücke zum Tier endgültig abgeschafft.
In weiterer Entwicklung könnte das Tabu gelockert werden. Vor allem die Wurzeln des Stammes in einem Tier, der selbst ähnliches Verhalten hat, hat erlaubt bei bestimmten Bedingungen die Tötung.

Mit dem Aspekt des Privateigentums hatte ich schon geäußert und habe nichts hinzufügen.
Renegat
Mitglied
Beiträge: 2045
Registriert: 29.04.2012, 19:42

Mmh Aneri, wann war denn die Kindheit des Menschen? Vor 6 Mio Jahren? Vor 3 Mio zu Zeiten Lucys? Vor 1,5 bei Homo erectus?

Töten Gorillas und Schimpansen ihre Alten?
Antworten

Zurück zu „Gesellschaft“