Burn out, Sucht, Überarbeitung

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Moderator: Barbarossa

Aneri

Renegat hat geschrieben:Nö Aneri, sehe ich naturgemäß anders, ich denke nicht, dass wir alle die gleiche Mentalität haben. Allerdings glaube ich nicht an gottgegebene Hierarchien.
Früher hatte ich mich auch geärgert über ähnliche Verallgemeinerungen, die ich eben gemacht habe. Mathematik, die Mädchen angeblich nicht mögen, war mein Lieblingsfach. Räumliche Denken, der Männern zugeschrieben wird, da kann ich viele in Sack stecken. Die seriöse Tests aber zeigen eindeutig diese Resultate. Bis mir einmal klar wurde, wie es funktioniert. Man spricht über ein Durchschnitt. Durchschnitt einer Gruppe sagt uns aber gar nicht über den Einzelnen dieser Gruppe. Eine Frau in dieser Testgruppe könnte besser als alle Männer sein. Durchschnitt zählt. Stellst dir vor ein Schema, in der Resultate des Tests durch ein farbigen Punkt markiert wurden. Rote für Frauen, grüne für Männer. Die grüne Wolke ist leicht versetz zu der rote. Nach außen von der Wolke die Punkte auftreten nicht so dicht, dennoch trotzdem mischen sich die beide Farben. So in der nicht überlagerten grünen teil tauchen rote Punkte und umgekehrt.

Sicher haben wir bzw. die Deutsche (als einzelne Menschen) nicht die gleiche Mentalität. Dennoch gibt es etwas, was Deutsche als Nation von anderen unterscheidet. Es mag sein, dass ihr selbst den Unterschied nicht sieht. Dennoch "in Test"(= durch die Wahrnehmung anderer Kulturen) gibt es. Es bedeutete nicht, dass jeder Einzelner dieser Mentalität entspricht.
WDPG
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dieter hat geschrieben:Aber egal bei wen von den beiden, Burn Out ist etwas, was auf jedem Fall verhindert werden sollte.
Lieber WDPG,
Du sagst es. Burn Out ist eine Volkskrankheit geworden. Schuld daran haben unsere hektischen Zeiten, welche den einzelnen Menschen überfordern. Natürlich kann sich ein Reicher dagegen besser helfen als eine Kassiererin, die auf ihren Job angewiesen ist. :roll:[/quote]

Das Burn Out zur Volkskrankheit geworden ist, kann ich leider bestätigen. In den letzten Jahren habe ich bei vielen Bekannten aus komplett unterschiedlichen Job-Bereichen mit komplett unterschiedlichen Persönlichkeiten erlebt das sie ins Burn-Out rutschen. Das ist auch ein Grund warum ich dieses Thema sehr interessant finde.

Ich denke die Ursachen sind sehr komplex, ein paar Faktoren:

-In der Arbeitswelt wird immer mehr verlangt, ein Job darf bei vielen Arbeitgebern nicht nur ein Job sein, es muss mehr sein (etwas was selbst bei Übergangsjobs verlang wird), der Druck steigt von allen Seiten (also nicht nur Arbeitgeber, sondern auch Kunden usw.) und die Sicherheit die in vielen Jobs früher mehr gegeben war gibt es fast nirgends mehr.

-Das ständige Erreichbar sein, ständige berieselt werden, also immer in einer Vollgaswelt leben und nie im Hier und jetzt macht sicherlich viel aus. Und mit Erreichbar meine ich keineswegs unbedingt für den Arbeitgeber. Wenn man früher Ausflug, Urlaub oder was auch immer gemacht hat, war das oft mal eine sorgenfreie Zeit für alle. Heute kommen ständig Anrufe, SMS, E-Mails, Facebookpostings oder was auch immer, die dann insgesamt oft belastet werden. Etwas was natürlich auch Medien und Werbung machen, ständig muss uns was berieseln - Höhepunkte verlieren dadurch ihren Wert, denn schon am 24.12 muss auf Silvester hingewiesen werden - ja nicht im Hier und Jetzt sein und das genießen können.

-Etwas was die Arbeitgeber nicht aus ihrer Verantwortung nehmen sollte. Ich habe bei Leute mit Burn-Out oft gemerkt das oft auch zumindest zusätzlich private Probleme des einzelnen dahinter stecken.

-Ob das Burn-Out auch einfach gesellschaftsfähiger geworden ist als früher, ist schwer zu sagen. Vor ein paar Jahren hätte ich gesagt "Ja, das wird so sein". Aber viele der Leute aus meinem Bekanntenkreis die das erlebt haben sind eigentlich nicht die Typen die sowas als "seht her ich habe mich überarbeitet, bin ich nicht gut" nutzen. Und denen gings wirklich mies.
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Aneri hat geschrieben:Übertreibt ihr die existentielle Druck auf Kassiererin nicht? Sie verdient nicht viel mehr als sie als Arbeitslose von dem Staatshilfe aufgefangen wäre. Gerade deswegen ist dieser Job nicht unbedingt beliebt. Sehr viele Migranten und besonders Frauen sind hier beschäftigt.

Ich sah die Kassiererin auch nur als ein Beispiel und möchte sagen: Sicher sind die unter Druck, hohen Arbeitsdruck und dadurch das sie nicht wirklich gut verdienen ist auch noch der finanzielle Druck gegeben. Zum Glück gibts viele Leute die sich nicht auf die Staatshilfe verlassen. Außerdem ist das eben dann noch ein bisschen weniger und dann oft wohl zu wenig um das bisherige Leben weiterzuführen.
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Aneri hat geschrieben:
Renegat hat geschrieben: Oder meinst du, dass Migranten und Frauen nicht so Burn out anfällig sind? Ich verstehe nämlich nicht, warum du diese beiden Gruppen im Zusammenhang mit Niedriglöhnen und Burn out extra erwähnst, Aneri.
Aber bestimmt nicht. Erwähnt habe, weil es noch sehr frischer Bezug zu dem Thread, wo wir Migranten-Aspekt diskutieren.

In dieser Diskussion fällt mir auf, dass alle denken an "arme Kassiererin" und runterspielen die Situation des gefallenen Managers. Die Kassierer hat Druck nur von oben. Der Manager wird von beiden Seiten "gerieben": von oben und von unten. Die Fehler bei falschen Entscheidung betrifft nicht einfach ein Minus in Kasse (dagegen haben sie auch ihren Tricks), es betrifft ganze Belegschaft. Die Verantwortung, die auf ihn lastet, ist unvergleichlich größer. Der Fall ist viel höher. Und fallen nicht alle so weich, wie Karlheinz.

Ich erlaube mir zu bemerken, dass hier eure deutsche Mentalität heraus kommt: beschuldigen alle, der oben steht, Regierung, Politiker, Reicher, Manager, Chefs etc. Nur die unten, die leiden.
Also eine Deutsche Mentalität kann ich nicht wirklich haben, komme aus Österreich. Und mir ging es nie darum zu sagen: Hey der Manager kommt ja sowieso gut davon, nein absolut nicht. Aber es ist schon wichtig zu erwähnen, das Burn-Out und die damit verbundenen Probleme bei weitem nicht nur Manager treffen. Andere treffen sie auch und oft sogar mehr. Eben weil der Manager der gut verdiente oft die Chance hat über eine Auszeit wieder zu Klarheit zu kommen - andere haben die Chance für diese wohl oft wichtige Auszeit leider nicht.

Aber wie gesagt sollte weder gegen Karl-Heinz noch gegen Manager an sich gerichtet sein. Für wichtiger halte ich sowieso die Frage nach den Ursachen gesamt und natürlich die nach Lösungen, damit die Volkskrankheit Burn-Out eben wieder zu einer Seltenheit wird.
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Renegat hat geschrieben:Verstehe, noch dazu wenn man bedenkt, dass Manager meist nur Angestellte des Firmeneigners sind. Diese Firmeneigner (sharehoulder) geben im Prinzip die Richtung vor, die angestellten Führungskräfte müssen deren Ziele umsetzen und stecken damit oft in der von dir beschriebenen Zwickmühle.
Trotzdem ist es richtig, dass sie idR weich fallen, jedenfalls finanziell. Du wirst wenige ehemalige Führungskräfte bei Aldi an der Kasse treffen oder als Taxifahrer. Trotzdem nimmt es sie psychisch mit, völlig klar und damit sind wir wieder beim Thema. Es kommt hinzu, dass sie sich während ihrer Karriere arg verbiegen mußten, vielleicht vergleichbar mit den Stasihelfern, aber das weiß ich nicht. Sie hatten Vorteile, ja, aber die großen Bestimmer, die keinen über sich hatten, waren sie auch nicht.
Finde das ist eine ganz gute Analyse der Lage und Zwickmühle der Manager.
Renegat
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Wir sollten die Mentalitäten im anderen Thread diskutieren, Aneri. Mit dem Thema Burn out hat es mE nichts zu tun.
Noch dazu weil der Begriff aus den USA stammt, damit wurden die psychischen Beeinträchtigungen bei Menschen in Pflegeberufen schon in den 70ern beschrieben.
Es gibt außerdem die Meinung, dass Burn out nicht die eigentliche Krankheit ist, sondern dass es sich um eine gesellschaftlich akzeptierte Umschreibung für Depressionen und andere schwerwiegende psychische Erkrankungen handelt.
Da der Begriff aus den USA stammt, könnte man überlegen, ob Burn out eine Krankheit des Kapitalismus ist.
So rein theoretisch ist der Gedanke gar nicht unlogisch, denn im Kapitalismus geht Gewinnmaximierung über den effektivsten Einsatz von Arbeit. Der Sozialismus verteilt sie gleichmäßig auf alle.

Eine steile These, ich weiß. :evil:
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Titus Feuerfuchs
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Renegat hat geschrieben: [...]So rein theoretisch ist der Gedanke gar nicht unlogisch, denn im Kapitalismus geht Gewinnmaximierung über den effektivsten Einsatz von Arbeit. Der Sozialismus verteilt sie gleichmäßig auf alle. [..]
Das geht doch völlig an der Realität vorbei.

1) Es gibt realpolitisch kein so elitäres System, wie den Sozialismus. Eine riesiger Anteil der Menschen hat wenig bis nichts (und das ist keineswegs nur auf den materiellen Aspekt reduziert), während eine winzige elitäre Führungsschicht der Partei in aberwitzigem Reichtum lebt.

2) Kein vernünftiger Kapitalist beutet seine Arbeitnehmer so aus, dass sie kaputt gehen. Das ist rein betriebswirtschaftlich äußerst kontraproduktiv. Kein Milchbauer schlachtet seine Milchkühe. Haben halt bis heute einige der sog. "Kapitlalisten" nicht kapiert.

3) Sieht man anhand der Entwicklung der beider deutschen Staaten von 1949 bis bis 1990 sehr gut, welche Ergebnisse die beiden Systeme unter vergleichbaren Ausgangsbedingungen bringen. Das Ergebnis lässt an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig.

4) Ist die Diskussion der beiden Wirtschaftssysteme längst durch. Nur verblendete Ideologen und ewig Gestrige finden nach wie vor Gefallen am Sozialismus.

5) Das Problem an der z.T. durchaus berechtigten Kapitalismuskritik ist, dass es eben keine systemischen Alternativen gibt.

6) Der Kapitalismus ist die schlechteste aller Wirtschaftsformen, ausgenommen alle anderen.
MfG,
Titus Feuerfuchs
Aneri

Titus Feuerfuchs hat geschrieben: 2) Kein vernünftiger Kapitalist beutet seine Arbeitnehmer so aus, dass sie kaputt gehen. Das ist rein betriebswirtschaftlich äußerst kontraproduktiv. Kein Milchbauer schlachtet seine Milchkühe. Haben halt bis heute einige der sog. "Kapitlalisten" nicht kapiert.
Vernünftiger - ja. Leider der Prozent unvernünftiger zwischen Kapitalisten ist etwa gleich wie in übrigen Bevölkerung.

Zum Anderem gibt es die Kapitalisten als Eigentümer nur in mittleren Sektor. Große Unternehmen werden von Manager geführt. Ein Kapitalist in dem Fall bist auch du, wenn du Aktien besitzt. Du hast kein Bezug zum Unternehmen. Fallen Aktien, willst du nur schnell los werden und verstärkst damit den Fall. Anders beim Kapitalisten, der das Unternehmen selbst aufgebaut hat. Er hat emotionale Verbindung. Er kämpft für die Erhaltung.

Manager sind auf Zeit gestellt. Daher der Gewinn als Resultat ihrer bewertender Leistung koppelt ihn von Belegschaft ab. Er denkt nicht wie Eigentümer, der gut funktionierendes Betrieb seinen Kindern überlassen will. Ihn wichtiger der Erfolg und zwar jetzt. Da kann man auch und "Kühe schlachten".
6) Der Kapitalismus ist die schlechteste aller Wirtschaftsformen, ausgenommen alle anderen.
Wenn man als Einzige nach Abzug anderen bleibt, kann es doch nicht die schlechteste sein :P .

Auch Kapitalismus längst nicht der Kapitalismus, der die marxistische Ideen hervogerufen hat. Ähnlich dem Sozialismus (da hatten wir schon Diskussion) auch Kapitalismus hat viele Gesichte, so dass viele Wissenschaftler wollen derzeitige Wirtschaftsform nicht als kapitalistisch bezeichnen.
Renegat
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Das war ja klar, Titus, dass du die bekannten Thesen auf´s Stichwort lieferst. Nur hast du das Stichwort nicht komplett gelesen und vom Ansatz her nicht verstanden, obwohl du es sogar mit zitiert hast.
Renegat hat geschrieben: [...]So rein theoretisch ist der Gedanke gar nicht unlogisch, denn im Kapitalismus geht Gewinnmaximierung über den effektivsten Einsatz von Arbeit. Der Sozialismus verteilt sie gleichmäßig auf alle.
Titus Feuerfuchs hat geschrieben: Das geht doch völlig an der Realität vorbei.

1) Es gibt realpolitisch kein so elitäres System, wie den Sozialismus. Eine riesiger Anteil der Menschen hat wenig bis nichts (und das ist keineswegs nur auf den materiellen Aspekt reduziert), während eine winzige elitäre Führungsschicht der Partei in aberwitzigem Reichtum lebt.
Klar, ich sprach von einem theoretischen Ansatz.
Trotzdem könnte man darüber nachdenken, ob die gleichmäßige Verteilung von Arbeit nicht vielleicht doch mit dem Kapitalismus vereinbar ist. Systeme können voneinander lernen, das haben sie immer getan.
Titus Feuerfuchs hat geschrieben: 2) Kein vernünftiger Kapitalist beutet seine Arbeitnehmer so aus, dass sie kaputt gehen. Das ist rein betriebswirtschaftlich äußerst kontraproduktiv. Kein Milchbauer schlachtet seine Milchkühe. Haben halt bis heute einige der sog. "Kapitlalisten" nicht kapiert.
Das Argument kommt aus der Sklavenhaltung, die Milchkühe sind wie Sklaven eine einmalige Investition.
Ein profitorientierter Kapitalist beutet den Arbeitnehmer effektiv aus, solange es geht und heuert dann den nächsten an. Überspitzt formuliert und ohne Berücksichtigung von gesellschaftlichen Konventionen. Das Humankapital der Personaler lasse ich dabei ebenso unberücksichtigt, trifft sowieso nur bestimmte Bereiche.

Auf die Punkte 3-6 möchte ich nicht eingehen, da sie die bekannten Thesen darstellen und sich auf die Realität beziehen. Mir ging es nur um den Denkansatz.
Renegat hat geschrieben: Eine steile These, ich weiß. :evil:
ehemaliger Autor K.

Bevor jetzt eine Systemdebatte beginnt, sollten wir noch einmal zum Thema zurückkehren, dem Burn out.
In unserem System ist die Grundformel ganz einfach: Gewinn = Erlöse – Kosten. Ein Wirtschaftsbetrieb ist kein karitatives Unternehmen, der Gewinn muss möglichst hoch sein. Kann man die Erlöse kurzfristig nicht erhöhen, weil der Markt gesättigt ist, die Konkurrenz zu stark oder wie auch immer, muss man die Kosten senken. Der von mir beschrittene Weg der Kostenreduzierung war strukturell vorgegeben und wird überall ähnlich beschritten.

Die Auflösung der Buchhaltung war konsequent. Ein Unternehmen mit 30 Filialen braucht nicht in jeder davon eine eigene Buchhaltung. So war das in den sechziger Jahren, als ich Lehrling war. Im Zeitalter der Digitalisierung können sie die Daten aber zentral sammeln und bearbeiten. Sie brauchen dafür nur einen Standort und können die anderen auflösen. Die frei gewordenen Büroräume haben wir an andere Firmen verpachtet.

Man benötigt kein eigenes Materiallager mit 20 Leuten, wenn es für solche Auslieferungen Spezialisten mit hochentwickelter Technik gibt, die dies viel billiger machen können. Es schien mir richtig zu sein, das Personal zu entlassen. Die Halle brauchten wir nicht mehr, aus dem Verkauf der Immobilie konnten wir die Abfindungen bezahlen und hatten sogar noch einen Überschuss.

Man benötigt keine eigene Werbung, man bezahlt eine Agentur und zahlt nur deren Leistung. Man braucht keine vier Mitarbeiter mit regelmäßigem Gehalt, bezahlten Urlaubs- und Feiertagen und Sozialabgaben dafür. Auch die Auflösung dieser Abteilung schien mir vernünftig zu sein.

Die von mir eingeleitete Rosskur zeigte auch durchaus Erfolg. Die Kosten konnten nicht unerheblich gesenkt werden. Aber mich machte das alles selber krank. Anscheinend war ich zu alt geworden, ich hatte die 55 weit überschritten, irgendwie war die Luft raus. Es kam zu dem beschriebenen Burn out.

Nicht nur für mich, auch für die verbliebenden Mitarbeiter stieg die Belastung, weil wir dauernd neu organisieren mussten. Jeder wurde gefordert und musste im Endeffekt mehr leisten als früher. Natürlich ist es unsinnig, Arbeitskräfte bis zur totalen Erschöpfung auszubeuten und so ist es ja auch nicht. Die Tendenz geht aber dahin, man versucht aus ihnen ein Maximum herauszuholen und wenn man merkt, mehr ist nicht drin und sie haben jetzt alles gegeben, was in ihnen steckt, versucht man, sie loszuwerden. Und da gibt es viele Tricks, um so etwas zu erreichen. Davon habe ich genug mitbekommen. Burn out wird zu einer Volkskrankheit werden, davon bin ich überzeugt.
Babylon5
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An dieser Stelle möchte ich einfach mal eine Passage aus einem Buch zitieren, die ich heute zufälligerweise gelesen habe.
"... Große Firmen lassen heute eindeutig eine gewisse Strategie erkennen, ihre Manager ihren Familien zu entfremden. Gegen Gehaltserhörung wird ein Auslandsaufenthalt anberaumt- zunächst auf zwei jahre. In dieser zeit arbeitet der Wochendvater auf Höchstlesitung. Abends , unter der Woche wartet auf ihn ja doch nur das leere Hotelzimmer, also warum nicht die Zahlen für den nächsten tag gleich noch durchgehen? Viel mehr zeit als üblich investiert der unfreiwillig familienlose auf dise Weise, denn auch ein neuer Freundeskreis hat sich noch nicht gefundenm die neuen Kollegen sind mit ihm noch nicht warm geworden.
nach zwei Jahren besteht immerhin die Gefahr, daß der Manager einige neuen Freunden unter den Kollegen gefunden hat, mit denen er abends essen geht, statt über dne zahlen zu brüten. Es wird daher für den zweifellos tüchtigen mitarbeiter ein neuer Wirkungsbereich- ein anderes Land, eine andere Umgebung- ins Auge gefaßt, natürlich verbunden mit einer Gehaltserhöhung. So wird die Maßnahme der Familie schmackhaft gemacht, die weitere zwei jahre auf den Vater verzichten soll. Sie leidet zwar zunehmend unter dessen Abewsenheit, hat sich aber an das höhere gehalt bereits gewöhnt. Ein Ausstieg ist für den Familienernäherer nur mehr schwer vorstellbar.
In abermals neuer Umgebung beginnt für den Manager das Spiel von neunem, wieder sind die Abende ausschließlich zum Arbeiten da. nach vier bis sechs jahren und zwei bis drei solchen Wechseln besteht gute Chance, daß die Familie abgesprungen ist und sich der freundeskreis zerstreut hat. Nun kann der Manager wieder nach hause geholt und mit den wertvollen Erfahrungen, die er in der fremde gewonnen hat, daheim so richtig punkten..." (Aus Barbara Schweder: Mutterliebe).

Klingt überspitzt?
Ist aber tatsächlich so. Mein Kollege wurde gezielt in Köln für eine Tätigkeit in Frankfurt angeworben. Man ihm eine Wohnung gesucht, die so weit außerhalb lag, daß es seiner Frau nicht möglich war, arbeiten zu gehen und rechtzeitig die Kinder von der Kita abzuholen. Nach drei jahren ist sie zurück gezogen nach Köln. Alleine mit ihren Kindern....

Man muss das ganze ja nicht mitmachen, oder...?

Nun, ich habe es nicht mitgemacht. Ich sollte abgeordnet werden, Asessment in den Vereinigten Staaten für mindestnes sechs Monate. Ich konnte aus familiären Gründen nicht und habe abgelehnt. Eine Woche später wurde mein Aufgabenbereich beschnitten. Immer mehr. Irgendwann mußte ich um 9.00 Uhr an meinem Arbeitsplatz sitzen und Berichte schreiben- mit zahlen, die ich erst nach 15.00 Uhr bekam. Und ndatürlich kam fast täglich um 19.00 Uhr, wenn ich gehen wollte. noch mein Chef oder sein Stellvertret und wollte unbedingt für ein furchtbar wichtiges Meeting am nächsten Morgen noch unbedingt eine aktuelle Präsntation, weswegen ich da saß bis 21.00 (Und im Arbeitsvertrag hieß es: Überstunden sind mit dem normalen Gehalt abgegolten.)
Die Meetings fielen dann natürlich immer aus- nach drei Monaten und mittlerweile Schlaftabletten jede Nacht habe ich dann gekündigt... und mir eine Auszeit genommen.
Konnte ich nur deshalb, weil ich von meinen Eltern etwas geerbt hatte. Beim Arbeitsamt hieß es nämlich, da ich selsbt gekündigt hatte, unterläge ich der Sperrfrist...
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Titus Feuerfuchs
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Babylon5 hat geschrieben:An dieser Stelle möchte ich einfach mal eine Passage aus einem Buch zitieren, die ich heute zufälligerweise gelesen habe.
"... Große Firmen lassen heute eindeutig eine gewisse Strategie erkennen, ihre Manager ihren Familien zu entfremden. Gegen Gehaltserhörung wird ein Auslandsaufenthalt anberaumt- zunächst auf zwei jahre. In dieser zeit arbeitet der Wochendvater auf Höchstlesitung. Abends , unter der Woche wartet auf ihn ja doch nur das leere Hotelzimmer, also warum nicht die Zahlen für den nächsten tag gleich noch durchgehen? Viel mehr zeit als üblich investiert der unfreiwillig familienlose auf dise Weise, denn auch ein neuer Freundeskreis hat sich noch nicht gefundenm die neuen Kollegen sind mit ihm noch nicht warm geworden.
nach zwei Jahren besteht immerhin die Gefahr, daß der Manager einige neuen Freunden unter den Kollegen gefunden hat, mit denen er abends essen geht, statt über dne zahlen zu brüten. Es wird daher für den zweifellos tüchtigen mitarbeiter ein neuer Wirkungsbereich- ein anderes Land, eine andere Umgebung- ins Auge gefaßt, natürlich verbunden mit einer Gehaltserhöhung. So wird die Maßnahme der Familie schmackhaft gemacht, die weitere zwei jahre auf den Vater verzichten soll. Sie leidet zwar zunehmend unter dessen Abewsenheit, hat sich aber an das höhere gehalt bereits gewöhnt. Ein Ausstieg ist für den Familienernäherer nur mehr schwer vorstellbar.
In abermals neuer Umgebung beginnt für den Manager das Spiel von neunem, wieder sind die Abende ausschließlich zum Arbeiten da. nach vier bis sechs jahren und zwei bis drei solchen Wechseln besteht gute Chance, daß die Familie abgesprungen ist und sich der freundeskreis zerstreut hat. Nun kann der Manager wieder nach hause geholt und mit den wertvollen Erfahrungen, die er in der fremde gewonnen hat, daheim so richtig punkten..." (Aus Barbara Schweder: Mutterliebe).

Klingt überspitzt?
Ist aber tatsächlich so. Mein Kollege wurde gezielt in Köln für eine Tätigkeit in Frankfurt angeworben. Man ihm eine Wohnung gesucht, die so weit außerhalb lag, daß es seiner Frau nicht möglich war, arbeiten zu gehen und rechtzeitig die Kinder von der Kita abzuholen. Nach drei jahren ist sie zurück gezogen nach Köln. Alleine mit ihren Kindern....

Man muss das ganze ja nicht mitmachen, oder...?

Nun, ich habe es nicht mitgemacht. Ich sollte abgeordnet werden, Asessment in den Vereinigten Staaten für mindestnes sechs Monate. Ich konnte aus familiären Gründen nicht und habe abgelehnt. Eine Woche später wurde mein Aufgabenbereich beschnitten. Immer mehr. Irgendwann mußte ich um 9.00 Uhr an meinem Arbeitsplatz sitzen und Berichte schreiben- mit zahlen, die ich erst nach 15.00 Uhr bekam. Und ndatürlich kam fast täglich um 19.00 Uhr, wenn ich gehen wollte. noch mein Chef oder sein Stellvertret und wollte unbedingt für ein furchtbar wichtiges Meeting am nächsten Morgen noch unbedingt eine aktuelle Präsntation, weswegen ich da saß bis 21.00 (Und im Arbeitsvertrag hieß es: Überstunden sind mit dem normalen Gehalt abgegolten.)
Die Meetings fielen dann natürlich immer aus- nach drei Monaten und mittlerweile Schlaftabletten jede Nacht habe ich dann gekündigt... und mir eine Auszeit genommen.
Konnte ich nur deshalb, weil ich von meinen Eltern etwas geerbt hatte. Beim Arbeitsamt hieß es nämlich, da ich selsbt gekündigt hatte, unterläge ich der Sperrfrist...

Hätte dein Kollege die Tätigkeit in Frankfurt annehmen müssen?
Wohl nicht er tat es freiwillig.
MfG,
Titus Feuerfuchs
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Die Systemdebatte war als Denkansatz gemeint. Es besteht doch Konsens, dass betriebswirtschaftliche Optimierungsziele sich nicht mit den Erfordernissen der gesamten Volkswirtschaft decken müssen. Eine Volkswirtschaft besteht aus Menschen, betriebswirtschaftlich wird es zunehmend effektiver die menschliche Arbeitskraft durch Maschinen und Computersysteme zu ersetzen.
Einige der Maßnahmen wie z.B. die Buchhaltung, über die Karlheinz berichtet hat, resultieren aus der zunehmenden Vernetzung.
Dass menschliche Arbeitskraft durch Maschinen ersetzt wird, ich keine neue Entwicklung und einerseits ein Fortschritttreiber. Auf der anderen Seite hat die EDV seit den 90ern Einzug in die Büros gehalten. Zu den Einsparpotentialen kommt bei den EDV-Arbeitsplätzen noch ein anderes Phänomen hinzu, die Aufgaben werden immer komplexer, da die Routinen von der EDV erledigt werden. Fast alle Aufgaben erfordern höchste Konzentration, die den ganzen Tag durchzuhalten, ist Stress pur. Die entspannenden Routinejobs, Ablage etc, die man früher zwischendurch erledigen konnte, sind weggefallen. Während der Routinen konnte das Gehirn nachladen, einen schwierigen Prozeß überdenken. Heute jagt ein schwieriger Prozeß den anderen. Desweiteren ist es kein gutes Gefühl jeden Abend nach Hause zu gehen mit der Erkenntnis, wieder nicht alles geschafft zu haben, was man selbst oder die Timelines als Tagesaufgabe gesetzt hat, also bleibt man länger. Die bekannte Hamsterradspirale nicht nur bei den Führungskräften.
Aneri

Babylon5 hat geschrieben: Und ndatürlich kam fast täglich um 19.00 Uhr, wenn ich gehen wollte. noch mein Chef oder sein Stellvertret und wollte unbedingt für ein furchtbar wichtiges Meeting am nächsten Morgen noch unbedingt eine aktuelle Präsntation, weswegen ich da saß bis 21.00
Kommt mir sehr bekannt. Mein Chef hatte auch Angewohnheit kommen kurz vor Schluss mit eine dringende Aufgabe. So etwa brach er ein fax, der ganzen Tag auf sein Tisch gelegt hatte. Es brach mich auf die Palme. Ich bin verantwortlicher Mensch und habe nichts dagegen mehr arbeiten, wann nötig ist. Diese künstliche Arbeitsverlängerungen betrachte ich aber wie eine Respektlosigkeit für mich bzw. meine Zeit. Es hat übrigens die Folge, dass man seine Zeit (im Sinne: mein Arbeitstag, den ich s. z. an den Arbeitgeber verkauft habe, daher gehört es ihm) auch behandelt entsprechend. Man arbeitet nicht mit der Motivation, die eigentlich sein müsste.

Übrigens ich sehe allgemein solche Tendenz für Büro-Angestellte. Mein Mann arbeitet in Büro. Handwerker machen Schluss minutios pünktlich. Büroarbeiter kommen mindestens 20 Minuten später raus. Immer. Wie das zu erklären?
Babylon5
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Titus Feuerfuchs hat geschrieben: Hätte dein Kollege die Tätigkeit in Frankfurt annehmen müssen?
Wohl nicht er tat es freiwillig.
Nicht ganz. In Köln wurde in seiner Firma rationalisiert. Er hat den Job in Frankfurt erst angenommen, als klar war, daß er der erste war, der gehen mußte...
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