Macht Krieg Spaß?

Kommunalwahlen, Meinungsumfragen, Konflikte, Religionen, Ereignisse

Moderator: Barbarossa

ehemaliger Autor K.

Ich habe bei Ralph gelesen, dass man über eigene Erlebnisse berichten soll, Erfahrungen aus der jüngsten Zeitgeschichte. Und da habe ich noch einmal in meinen Notizen gewälzt, da ist eine Menge Stoff drin erhalten und manches interessiert vielleicht den einen oder anderen.

Ich möchte nicht immer mit meinen Reisen protzen, aber in den siebziger und achtziger Jahren bin ich nun einmal viel in der Welt herumgekommen, und wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Sagt man jedenfalls, stimmt auch gelegentlich.

Ich hatte an anderer Stelle bereits berichtet, dass ich, hauptsächlich aus eigener Dummheit, kurzfristig in die Wirren des libanesischen Bürgerkriegs während der siebziger Jahre geriet. Ich wollte nur, von der Türkei aus kommend, durch das Land nach Beirut und von dort über die gut ausgebaute Straße weiter nach Damaskus fahren. Es wurde mir berichtet, dies wäre ungefährlich. Leider stimmte die Information nicht. In einem Bürgerkrieg bricht die staatliche Ordnung komplett zusammen, es gab keine Polizei mehr, auch keine Armee, alles hatte sich aufgelöst. Die Milizen hatten die Waffenarsenale des Militärs geplündert und verfügten nun über schwere Waffen. Das Gesetz war jetzt der, der ein Gewehr in der Hand hielt. Und das waren die Milizen und davon gab es unzählige. Nicht nur die Christen und die Moslems hatten welche, diese Konfessionen zerfielen zudem noch in Untergruppen, die sich gegenseitig blutig befehdeten. Dazwischen die Palästinenser, die Drusen und und… Kein Mensch blickte hier noch durch, auch die Libanesen hatten den Überblick verloren, da sich die Milizen öfters bekämpften, dann wieder verbündeten, dann wieder bekämpften.

Nun gut, ich landete glücklich in dem christlichen Ostteil der Stadt, quer durch Beirut hatte sich in der Innenstadt eine sogenannte „Grüne Linie“ gebildet, die den christlichen Osten vom westlichen, moslemischen Beirut trennte. Hier fanden häufig Kämpfe statt. Und dann gab es noch im Nordwesten der Stadt an der Strandpromenade das Hotelviertel, das ständig abwechselnd von den unterschiedlichsten Milizen erobert wurde. Dort fanden die heftigsten Auseinandersetzungen statt, aus einigen Hoteltürmen quollen dichte Rauchwolken. Außerhalb der eigentlichen Kampfzonen war es verhältnismäßig ruhig, es gab aber Heckenschützen, die öfters wahllos auf Passanten schossen. Deshalb bewegten sich alle Menschen auf den Straßen immer sehr schnell, um keine Zielscheibe zu bieten.

Die Straße nach Damaskus war blockiert. Irgendwann würde sie wieder frei werden, aber wann, das wusste natürlich niemand. Ich kam in einer kleinen Pension im christlichen Ostteil unter, die einer maronitischen Familie gehörte. Der Hotelbesitzer, ein älterer, würdiger Herr, erklärte mir: „Der Libanon ist ein primitives Land. Das ist hier kein Religionskrieg, seit Jahrhunderten herrschen hier eine Reihe mächtiger Familienclans, die sich immer wieder bekriegen. Im Moment ist es gerade wieder einmal der Fall, aber sie vertragen sich auch wieder und dann herrscht erneut Frieden. Bis zum nächsten Mal. So ist das hier seit Menschengedenken.“ Der Mann war außerordentlich klug. Über der Stadt kreisten immer wieder Flugzeuge. „Israelis“, erklärte mir der Hotelier, „ sie beobachten den Krieg. Gar nicht beachten.“

Die Tage verstrichen zäh und waren langweilig. Der Besitzer hatte mehrere Söhne, die ganze Familie war, wie alle hier, schwer bewaffnet und verfügte über ein buntes Arsenal von Schusswaffen, alles geplünderte Armeebestände. Der älteste fragte mich, ob ich Lust hätte, ein wenig zu schießen, er würde es mir beibringen. Ich als überzeugter Kriegsdienstverweigerer wollte zunächst abwinken, doch dies würde unhöflich wirken. Also gingen wir auf den Innenhof des Hotels, er unterwies mich im Gebrauch mehrerer Gewehre und ich schoss auf Blechdosen. Ich traf sogar ganz gut, musste mich aber zunächst an den Rückstoß der Waffen gewöhnen. Die Munition war echt, in den nächsten Tagen hatte ich richtig Spaß daran.

Nach fünf Tagen erklärte er mir. „Und nun musst du lernen, auf Menschen zu zielen. Wir schießen natürlich nicht richtig. Nur üben.“ Wir gingen in den zweiten Stock des Hotels, die Fenster besaßen keine Scheiben, sondern nur eine geschlossene Jalousie. Man konnte einen Gewehrlauf hindurchschieben und niemand auf der Straße konnte ihn sehen. Der Gedanke, dass es hier, anders als auf dem Hamburger Vergnügungsdom, nicht um Luftgewehre und Pappfiguren ging, sondern um richtige Gewehre mit richtiger Munition, um richtige Menschen, die nach einem Treffer auch richtig tot waren, dieser Gedanke erregte mich plötzlich. Ich fand es unglaublich spannend und aufregend.

In dem Zimmer schob ich langsam das Gewehr durch die Jalousie. Es verfügte über ein Zielfernrohr mit vierfacher Vergrößerung. Auf der Straße befanden sich viele Menschen, hauptsächlich Frauen und Kinder, auch einige Männer, aber sie bewegten sich alle viel zu schnell, es war unmöglich, sie genau zu fixieren. Aber dann fiel mir ein alter Mann auf, ich sah ihn nur von hinten, er bewegte sich nur langsam, konnte wohl schlecht gehen. Plötzlich blieb er stehen und starrte auf etwas, das auf der Straße lag. „Beweg dich doch, du dummer Narr!“ Dieser Gedanke schoss mir durch den Kopf. „Merkst du nicht, dass du eine ideale Zielscheibe für mich bist?“ Im Fadenkreuz konnte ich ganz genau seinen Hinterkopf erkennen. Das Gewehr war geladen und nicht gesichert. Ich brauchte jetzt nur noch den Abzugshahn durchzuziehen und dann… Plötzlich durchströmte mich ein ungeheures Glücksgefühl, ich wurde geradezu euphorisch, fühlte mich omnipotent. Sein Leben war in meiner Hand, ein Schuss und in der nächsten Sekunde würde meine Kugel seinen Hinterkopf treffen, seine Schädeldecke zertrümmern, der Mann würde zu Boden fallen und war tot. Dieses Gefühl war nicht beängstigend, im Gegenteil, ich bekam irrsinnige Lust, es wirklich zu tun, es würde Spaß bringen, dieses Leben einfach auszulöschen. Einen Menschen zu töten, dies war kinderleicht und außerdem bereitete es ein Vergnügen.

Der Sohn nahm mir das Gewehr aus der Hand. Die Euphorie verschwand sofort. Später sagte er zu mir: „Du hättest diesen alten Mann gerne erschossen, nicht wahr? Ich sah das Leuchten in deinen Augen, deinen glücklichen Gesichtsausdruck. Das kenne ich nur zu gut. Bei uns in der Miliz gibt es auch solche. Es sind längst nicht alle so, aber einige haben Spaß am Töten und bei dir ist das anscheinend auch so.“ Ich war noch immer innerlich völlig aufgewühlt, aber er hatte Recht, es hätte mir Spaß gemacht, andere Menschen zu töten.

Ich kam später aus dem Inferno von Beirut heraus und viele Jahre später erzählte ich einem Psychiater von diesem Erlebnis. Ich, als ehemaliger, überzeugter Kriegsdienstverweigerer, der deswegen sogar längere Zeit im Gefängnis gesessen hatte, war in Wirklichkeit ein verkappter Soldat mit Freude am Töten anderer Menschen? Diesen Widerspruch musste ich auflösen. Viele Jahre hatte ich ihn in mich hineingefressen, aber ich wollte Klarheit bekommen.

Der Arzt war nicht überrascht und fragte mich: „Haben sie das Gesicht von dem alten Mann gesehen?“
Ich verneinte. „Nun, hätten sie ihm in die Augen geguckt, hätten sie wahrscheinlich Hemmungen gehabt. Sie hätten ihn dann als Person wahrgenommen und dann vermutlich keine Freude am Töten gehabt. So war er aber für sie nur eine lebendige Pappfigur. Es stimmt aber, es gibt Leute, die haben Spaß am Töten und am Krieg, aber ich glaube nicht, dass sie dazu gehören. Dieses euphorische Gefühl, sie glauben vielleicht, das in ihnen dunkle Dämonen schlummern? Es kommt aber wahrscheinlich daher, dass sie glaubten, einen Job jetzt besonders gut erledigen zu können. Aber deswegen sind sie kein Psychopath. Wenn jemand früher im Krieg eine feindliche Stellung vernichtete und dabei viele Menschen tötete, fühlte er sich auch gut, weil er glaubte, einen Job nun hervorragend erledigt zu haben. Machen sie sich keine Sorgen. Sie sind nicht anormal.“

Soweit, so gut. Ich will das nun nicht weiter erörtern. Aber es gibt offensichtlich im Krieg auch einen gewissen „Spaßfaktor“, so grausam das auch klingt. Aber ich habe es selber gespürt.


RedScorpion

Wow.

Manche Leute sollte vllt besser nicht verreisen.


Also, ich garantiere, dass es den meisten Leuten nicht so geht, auch nicht den meisten Soldaten.
Hätte man ggf. eine auch nur rudimentäre militärische Ausbildung, wär' einem beschriebene Erfahrung wahrscheinlich auch erspart geblieben;

denn auch Krieg hat eine gewisse Logik (sogar asymmetrische Konflikte vom Kaliber des Libanon), welche auf Rationalität und Vernunftempfinden beruht.

Z.B. "Schiess ich nicht, bekomme ich Aerger.", "Schiess ich nicht, schiesst der nicht Beschossene viel wahrscheinlicher." oder "Schiess ich, weiss er wo ich bin und schiesst zurück" usw. und so fort.


P.S. Ein Scharfschütze hätte beide Kategorien leichtens treffen können, die, die sich langsam bewegen, und die Schnellen auch. Für ihn hätte also kein "moralischer" Unterschied bestanden, sondern einzig die Kriegslogik als bestimmender Faktor.




LG
ehemaliger Autor K.

RedScorpion
Keine Angst, ich werde in der nächsten Zeit nicht mehr verreisen. Vielleicht in die Schweiz, aber wahrscheinlich dann ohne Gewehr.

Die gesamte Situation war damals extrem unwirklich. Ein Land, in dem die normalen Maßstäbe nicht mehr gelten, wo ein Menschenleben überhaupt nicht zählt und Tote sah ich dort häufiger, da gerät die menschliche Psyche durcheinander, zumal ich in keiner Weise darauf vorbereitet war. Das man auf die Idee kommt, einen anderen Menschen zu erschießen, ist nicht ungewöhnlich, denn das war dort seinerzeit vollkommen normal.

Ob mir eine militärische Ausbildung geholfen hätte, diese Lage besser zu verstehen und besser damit klarzukommen, kann ich nicht sagen. Ein Soldat hat zumindest noch seine Kameraden und seine Vorgesetzten, den ganzen militärischen Apparat hinter sich. Im Libanon machte aber jeder mehr oder weniger, was er wollte. Ich war Tourist, der in eine dumme Lage geraten war.

Es ist schwierig für andere Menschen, die so etwas nicht kennen, sich in diese Situation hineinzufühlen. Rational sind diese Dinge kaum zu bewältigen und jeder reagiert ganz unterschiedlich. Ich habe mit meinem Arzt auch häufiger darüber gesprochen. Einige werden traumatisiert, andere empfinden kaum etwas, es ist wirklich sehr schwierig.
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Barbarossa
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Ein erschütternder Bericht.

Und ja, in Extremsituationen reagiert wahrscheinlich jeder Mensch unterschiedlich. Obwohl auch ich Zivildienstleistender war, war ich in der DDR aber auch 8 Jahre lang im Sportschießen und habe dort außer mit Luftgewehren auch mit Kleinkaliberwaffen geschossen. Der Umgang mit Waffen und das Schießen ansich ist mir also nicht fremd. Gelegentlich gehe ich noch heute auf dem Rummel an einen Luftgewehrschießstand, um dort ein paar Figuren oder Stäbchen zu schießen. Das macht mir dann auch heute noch Spaß, obwohl ich seit 1988 kein Sportschütze mehr bin.
Aber ich könnte mir nicht vorstellen, überhaupt auf einen Menschen anzulegen. Da würden bei mir ziemlich sicher alle Alarmglocken schrillen.
Anders wäre das eventuell bei Gefahren für mein eigenes Leben - das will ich jetzt nicht grundsätzlich ausschließen. Aber das ist wieder eine andere Situation, als die von dir beschriebene. Hier springt ja dann auch der Selbsterhaltungstrieb an. Allerdings bin ich auch ein Mensch, der instinktiv Gefahrensituationen meidet.

Aber einen Menschen zu töten, einfach aus "Spaß" am Töten - ich kann es mir für mich selbst nicht vorstellen.
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RedScorpion

Barbarossa hat geschrieben: ...
Und ja, in Extremsituationen reagiert wahrscheinlich jeder Mensch unterschiedlich.
...
Gute Frage; aber genau da setzt ja militärisches Training nicht ohne Grund an.

Barbarossa hat geschrieben: ...
Aber einen Menschen zu töten, einfach aus "Spaß" am Töten - ich kann es mir für mich selbst nicht vorstellen.
Nu sagt KH das so in der Form nicht. Ich denke, es geht da eher um Allmachtsphantasien eines damals +- Halbstarken. Es hat schon einen Grund, warum man Teenies - wenn überhaupt - nicht ohne Beaufsichtigung 'n Schiesseisen in die Hand drücken sollte.


Karlheinz hat geschrieben: ...
Keine Angst, ich werde in der nächsten Zeit nicht mehr verreisen. Vielleicht in die Schweiz, aber wahrscheinlich dann ohne Gewehr.
..
Sehr gut. :mrgreen:


Karlheinz hat geschrieben: ...
Die gesamte Situation war damals extrem unwirklich. Ein Land, in dem die normalen Maßstäbe nicht mehr gelten, wo ein Menschenleben überhaupt nicht zählt und Tote sah ich dort häufiger, da gerät die menschliche Psyche durcheinander, zumal ich in keiner Weise darauf vorbereitet war.
...
Eben, und das ist der grosse Unterschied.
Und wahrscheinlich auch der Zshang Schusswaffenopfer-Waffe in der Hand. Denn wenn man's genau nimmt, ist jedes Auto neben einen Trottoir eine mindestens ebenso effektive Waffe wie ein Gewehr im Hinterhalt.


Karlheinz hat geschrieben: ...
Ob mir eine militärische Ausbildung geholfen hätte, diese Lage besser zu verstehen und besser damit klarzukommen, kann ich nicht sagen. Ein Soldat hat zumindest noch seine Kameraden und seine Vorgesetzten, den ganzen militärischen Apparat hinter sich. Im Libanon machte aber jeder mehr oder weniger, was er wollte.
...
Dann war's eben die Familie, der Clan oder der Pfarrer, die als Autoritäten herhielten. Allein, dass es verworren ist, heisst noch nicht, dass es total irrational wäre.


Karlheinz hat geschrieben: ...
Es ist schwierig für andere Menschen, die so etwas nicht kennen, sich in diese Situation hineinzufühlen. Rational sind diese Dinge kaum zu bewältigen und jeder reagiert ganz unterschiedlich. Ich habe mit meinem Arzt auch häufiger darüber gesprochen. Einige werden traumatisiert, andere empfinden kaum etwas, es ist wirklich sehr schwierig.
Ist schon klar. Ich wollte Dich oben auch nicht vergackeiern (ausnahmsweise :wink: ), es ging mir nur darum, dass auch das von Dir geschilderte Empfinden, wenn auch vllt nicht grad' die Norm, so doch zumindest etwas ist, wovor auch und nicht zuletzt die Armee selbst Angst hat. Und der Logik und "Professionalität" des Krieges zuwiderläuft.


LG
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Balduin
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Danke für deinen Bericht Karlheinz! Das war sehr interessant zu lesen. Ich habe noch nie in meinem Leben eine scharfe Waffe in der Hand gehabt, geschweige denn geschossen, deshalb kann ich nicht aus eigenen Erfahrungen sprechen.

Soldaten lernen kontrolliert und emotionslos ihre Befehle auszuführen. Man kennt ja die unzähligen Spielfilme, in denen der Held seine Gefühle nicht mehr kontrollieren kann und durch einen Alleingang die gesamte Truppe in Gefahr bringt.

Mich würde auch interessieren, wie das Handeln des US-Soldaten in Afghanistan erklärt wird, der nachts ein halbes Dorf auslöschte.
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He has called on the best that was in us. There was no such thing as half-trying. Whether it was running a race or catching a football, competing in school—we were to try. And we were to try harder than anyone else. We might not be the best, and none of us were, but we were to make the effort to be the best. "After you have done the best you can", he used to say, "the hell with it". Robert F. Kennedy - Tribute to his father
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Triton
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Diese Zielen auf Personen aus dem bequemen Wohnzimmer heraus ist nicht Krieg. Das ist der gleiche Spaß, warum viele gerne in PC-Spielen rumballern. Das ist ganz normal, den meisten hat das Schießen auf Zielscheiben bei der Bundeswehr Spaß gemacht. Man spürt die Wucht, mit der so eine Kugel den Lauf verlässt, der Krach, der Rückstoß, der Geruch - das Ganze treibt wohl das Adrenalin hoch.

Krieg ist was ganz anderes. Dabei wird man selbst auch ganz fix zur Zielscheibe und das weiß auch jeder mittelprächtig intelligente Soldat. Dazu kommen noch die anderen Minuspunkte, die ehemalige Soldaten alle kennen. Im Dreck liegen, frieren, nichts Gescheites zu beißen, die elende Warterei etc. Nein, Krieg ist der letzte Mist und das war auch nie anders.

Ich halte ehemalige Soldaten für die überzeugtesten und überzeugendsten Pazifisten.

Hitler, der im ersten Weltkrieg fast nur Etappenschwein war, regte sich immer über seine zögerlichen und viel zu humanen Generäle auf.

Beste Grüße
Joerg
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
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Vergobret
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Widerspricht dann aber dem vorherigen Satz, Triton, oder?


Davon ab: Es gibt Leute denen macht die Jagd Spaß, natürlich gibt es auch Menschen, denen die Menschenjagd Spaß macht und nichts anderes ist was Du schilderst. Denn Du selbst warst ja nicht in Gefahr.
„In all den Jahren habe ich so viele junge Männer gesehen,
die der Meinung waren, auf andere junge Männer zuzulaufen.
Aber das stimmt nicht.
Sie liefen alle zu mir.“
so sprach der Tod

Aus „Die Bücherdiebin“
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Triton
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Die Jagd befriedigt den Ur-Instinkt in uns, sich Nahrung zu verschaffen. Der Mensch ist Jäger und Sammler.
Die Menschenjagd widerspricht unseren Instinkten. Im Gegenteil, es ist in der Psyche des Menschen angelegt, anderen Menschen zu helfen, wenn sie in Gefahr sind. Geistig Kranke ausgenommen.

Du meinst, Kriegsgegner können keine Generäle sein? Erstens ist das ein Handwerk, das lange gelernt werden muss und man nicht einfach so aufgibt. Zweitens können sich Generäle ja vornehmen, es "besser" zu machen.

Beste Grüße
Joerg
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demark
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Ich kann für meine Person nur dankbar und froh sein, dass ich einen Ernstfall nicht erleben musste.
Krieg ist mit nichts zu vergleichen.
Auch ich habe mein Taschengeld als Jugendlicher Ende der 60er Jahre an der Luftgewehrschießbude freudig verschossen.
Dann Schießen als Schulveranstaltung mit einem Kleinkalibergewehr - ging auch noch.
Dann kam die vormilitärische Ausbildung, ein Zwang, der schon gewöhnungsbedürftig war.
Bei der Musterung zur NVA ( NVA = Armee der DDR) stand ich nackt vor einem Agitpropoffizier und einer Ärztin. Ich ließ mich breitschlagen und verpflichtete mich für 3 Jahre als Funker, weil die Funktechnik nun mal mein Steckenpferd war.
Zum Glück konnten meine Eltern diesen Verspruch wieder rückgängig machen, weil ich zu dem Zeitpunkt noch keine 18 Jahre zählte.
Ich wurde eingezogen und kam zur Infanterie als Grundwehrdienst.
Meine Waffe war die Panzerbüchse. Oft habe ich damit schießen müssen. Selten aber mit scharfer Munition.
Aber wenn wir mit scharfen Granaten schossen, da hatte man schon eine leise Vorstellung, wie es sein muss, wenn es ringsumher derartig und mehr rummst.
Da ist Rummelplatz nur ein Säuseln.

Und noch mehr glücklich bin ich, dass man mich nicht an die Grenze mit diesem verdammten Schießbefehl einbezog - das war doch Krieg im Kleinen gegen das eigene Volk. Dadurch wurde mir manche Gewissensentscheidung abgenommen.


Wem Krieg Spaß macht, der gehe zur Bundeswehr, da gibt es ja die Verschickung in Kampfgebiete. Der erwarte aber auch kein Mitleid mit seinem Schicksal. Er macht es ja aus Spaß und freiwillig.
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dieter
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Ihr Lieben,
Krieg kann keinen Spaß machen. Ich habe durch den Krieg meinen Vater, den 2. Ehemann meiner Mutter und meine Großväter verloren. Wuchs bis zu meinen 11.Lebensjahr ohne Vaterbezug auf, ging mit meiner Mutter 1945 auf die Flucht von Pommern und habe Kassel erlebt, wo 1945 nach den Bombenangriffen von 200.000 Einwohnern nur 40.000 lebten.
Krieg ist Sch.... :evil: :twisted:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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Nachtrag

Vielen Dank für eure verständnisvollen Beiträge. Mich hatte viele Jahre lang die Frage gequält, wieso ich in der Lage gewesen wäre, einfach so einen Menschen zu erschießen und deswegen später einen Psychiater aufgesucht. Hier noch eine Ergänzung des damaligen Gesprächs. Er sagte zu mir:

„Wissen sie, es macht einen großen Unterschied, ob man auf einen Menschen nur zielt oder auch wirklich schießt. Sie haben ja nur gezielt, sonst nichts. Das ist aber so ähnlich, wie früher bei den Indianerspielen. Man zeigt mit der Wasserpistole auf einen anderen Jungen, sagt: ‚Peng, du bist tot‘, er fällt um und die Sache ist ein Heidenspaß. Das hat aber nichts mit der Wirklichkeit zu tun.“

Vorher hatte ich ihm erzählt, dass ich etwa 10 Tage nach dem Ereignis in der Pension tatsächlich eine Leiche mit Kopfschuss gesehen hatte. Die Kugel hatte den jungen Mann in die linke Schläfe getroffen. Dort klaffte eine tiefe Wunde, aus der das Gehirn herausgelaufen war. Mir wurde übel, aber ich zwang mich dazu, ihn mir näher anzusehen. Der Mann lag mit dem Gesicht auf der Straße, mit meinen Füßen stieß ich ihn an und drehte ihn so herum, dass ich ihn mir ansehen konnte. Sein Antlitz war noch gut zu erkennen. Er war noch jung, vielleicht Mitte Zwanzig, die Augen weit geöffnet und sahen irgendwie quallig aus. Aus ihnen tropfte bereits das Augenwasser und es sah aus, als würde er weinen. Auch der Mund war weit geöffnet, wie zu einem letzten Schrei, das aus ihm ausgelaufene Blut schon vertrocknet. Völlig erschüttert ging ich fort. Keiner kümmerte sich um die Leiche, alle gingen einfach daran vorbei.

„Sehen sie“, erklärte mir der Arzt, „ das ist der Unterschied. Hätten sie wirklich auf den Mann geschossen, dann hätten sie gesehen, wie sein Schädel von ihrer Kugel zerrissen worden wäre. Das Gehirn und das Blut wären nach allen Seiten gespritzt und glauben sie mir, dann hätten sie gemerkt, was sie angerichtet hätten. Dieser Anblick hätte sich in ihr Gehirn eingefressen. So etwas können nur wenige wirklich vertragen. Und sie bestimmt nicht, so schätze ich sie ein. Sie hätten ein schweres Traumata gehabt.“

Kürzlich habe ich in einer Zeitung gelesen, dass bei Rentnern, die früher im Krieg dabei waren, erst jetzt, nach vielen Jahren, die frühen Erlebnisse plötzlich wieder präsent werden. Über 60 Jahre lang hatten sie alles verdrängt, jetzt brechen die Traumata plötzlich mit voller Wucht über sie herein.
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Titus Feuerfuchs
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Registriert: 07.05.2012, 21:42

Karlheinz hat geschrieben:Ich habe bei Ralph gelesen, dass man über eigene Erlebnisse berichten soll, Erfahrungen aus der jüngsten Zeitgeschichte. Und da habe ich noch einmal in meinen Notizen gewälzt, da ist eine Menge Stoff drin erhalten und manches interessiert vielleicht den einen oder anderen.
[...]

Nein, Krieg macht keinen Spaß.

Meine Zeit beim Militär hat mich erst mal zu einem radikalen Pazifisten gemacht. Mit den Jahren wird man klüger; mittlerweile bin ich realistischer. Manchmal ist Gewalt leider nötig.


Außerdem ist es so, dass die grundsätzlich vorhandene Hemmung des Menschen, andere Menschen zu töten, auch bei Kriegen zum Tragen kommt.

Im amerikanischen Bürgerkrieg z.B. wurde nicht selten absichtlich daneben geschossen oder auch gar nicht geschossen, was durch wissenschaftliche Untersuchungen nachgewiesen werden konnte. Man fand z.B.auf den Schlachtfeldern zig-fach mehrfach geladene Vorderlader; dh. es wurde nur geladen, aber nicht geschossen....
MfG,
Titus Feuerfuchs
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dieter
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Lieber Titus,
schlimmer als ein Krieg ist ein Bürgerkrieg. Da schoss ein Bruder auf den anderen Bruder. :evil:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
ehemaliger Autor K.

Titus & Dieter

Ich weiß nicht, wie oft in den beiden Weltkriegen die Soldaten absichtlich danebengeschossen haben oder auch gar nicht. Die Regel wird es sicherlich nicht gewesen sein. Es ist auch keine sinnvolle Verhaltensweise, denn ich kann ja nicht damit rechnen, dass sich der Gegner auch so verhält. Er wird höchstwahrscheinlich seine Chance nutzen und mich dann erschießen. In einem regulären Gefecht wird man schon aus Gründen der Selbsterhaltung die feindlichen Soldaten töten, denn sonst werden sie einen selber umbringen. Von mir kann ich sagen: würde ich in einer Schlacht kämpfen müssen, ich würde versuchen, so viele feindliche Soldaten zu töten, wie nur möglich, schon um mich selbst und meine Kameraden zu schützen. Und aus vielen Berichten ehemaliger Kriegsteilnehmer ist bekannt, dass sie sich so ähnlich verhalten haben. Bei Erich Remarque habe ich einmal gelesen, dass er in einer Schlacht keine Skrupel gehabt hätte, seinen eigenen Vater zu töten, wenn der zu den Angreifern gehört hätte.
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