Was ist ,,jüdisches Leben''?

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Moderator: Barbarossa

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Barbarossa
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Die Frage in der Themenüberschrift ist durchaus ernst gemeint.
Mir fällt da zunehmend etwas auf: Gerade in der Gegenwart, in der offenbar wieder zunehmend Gewalt gegen jüdische Mitbürger verübt wird und Antisemitismus verstärkt auch unverblümt von bestimmten Bevölkerungsteilen zum Ausdruck gebracht wird, wird in den Medien und von Politikern immer häufiger vom ,,jüdischen Leben'' gesprochen.
Da frage ich mich: Was soll das sein?

Es wird dagegen nicht von christlichem Leben, muslimischem Leben oder von atheistischem Leben gesprochen.
Natürlich kann ich mir vorstellen, dass mit ,,jüdischem Leben'' das Judentum als Religion mit seinen Vorstellungen und Ritualen gemeint ist.
Aber warum stellt man das auf diese Weise so hervor und ich muss tatsächlich die Frage in den Raum stellen, ob damit nicht sogar eine unzulässige Hervorhebung einer bestimmten Religionsgemeinschaft vorliegt.

Jegliche Diskriminierung ist natürlich indiskutabel und zu ächten. Aber was ich meine ist (einfach mal laut nachgedacht), wenn man eine bestimmte Religion gegenüber anderen Gruppen häufig besonders hervorhebt - könnten sich alle anderen Gruppen dann nicht zurückgesetzt fühlen? Und könnte eine solche spezielle Heraushebung (ich nannte sie in diesem Beitrag unzulässig) nicht auch einen gewissen Antisemitismus noch befördern, selbst wenn er sich nur aus einem subjektiven Gefühl der Vernachlässigung heraus entwickelt?

Darüber sollte vielleicht auch einmal diskutiert werden.
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Marianne E.
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Meine Überlegungen zu diesem komplexen Thema ist, dass man mit einer einfachen Antwort auf diese Fragestellung keiner befriedigenden Lösung näher kommt.
Warum die Wortwahl "Jüdisches Leben"?
Die Bezeichnung "Du Christ", "Du Moslem", "Du Orthodoxer" "Du Buddhist" usw. wie niemals als Beschimpfung oder Beleidigung verwendet.
Die Bezeichnung "Du Jude" wird immer als Schimpfwort, als Verunglimpfung verwendet.
Deshalb die Spracheregelung vom "jüdischen Leben". Es ist schade und befremdlich, dass so etwas überhaupt nötig ist.
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Barbarossa
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Ich kenne den Begriff ,,Jude'' nicht als Schimpfwort und benutze ihn deswegen auch nicht so. Darum habe ich mit dieser Erklärung auch nicht gerechnet. Aber wenn das so ist, dann erklärt das natürlich einiges. Ich würde aber wahrscheinlich dennoch eine andere Formulierung finden, wie etwa jüdische Menschen oder jüdische Bürger bzw. wenn es um den Glauben geht, dann jüdische Religion.
,,Jüdisches Leben'' klingt in meinen Ohren eher wie eine besondere Form biologischen Lebens, was ja irgendwie auch schon wieder nach einer Rassentheorie klingt. Das sollte man ja ganz besonders strikt vermeiden.
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Balduin
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Deine Kritik an dem Ausdruck „Jüdisches Leben“ teile ich nicht.

Zum einen sehe ich darin keine ungerechtfertigte Bevorzugung beziehungsweise Heraushebung einer Religion, sondern einen Ausdruck, der eng mit der deutschen Geschichte verbunden ist und daher darauf zurückzuführen ist. Denn im Nationalsozialismus wurde das jüdische Leben vernichtet - es gibt ja in der Fläche heute kaum mehr jüdische Gemeinden. Männer, die eine Kippa tragen, sind eine Seltenheit und die jüdischen Traditionen und Riten sind der breiten Bevölkerung völlig unbekannt. Warum sollte man das nicht besonders betonen?

Die Bezeichnung Jude wird leider auch in unserer Gegend als Beleidigung verwendet. Mein Professor im Verfassungsrecht hat bereits vor 10 Jahren statt Juden den Ausdruck „Menschen jüdischen Glaubens“ verwendet. Ich fand und finde das eine richtige und angemessene Ausdrucksweise. 
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Barbarossa
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Ja, mit deinem Professor würde ich mitgehen.
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Kunjing
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Es wird immer schlimmer mit diesen Eingriffen und Ausschreitungen der Menschen um das Thema Jude, Judentum usw. wenn man z.B. die heiligen Schriften vergleicht, soll bzw. ist das Alte Testament identisch. Selbst bei den Afrikanern gibt es ja diverse Schimpfwörter, so ist es mir selbst passiert, das ein türkischer Landsmann ein Nazi nannte, nur weil mir der Name nicht einfiel der Person und sagte: der Afrikaner da... darauf sagte er, ich sei ein Nazi und er meinte, er hat einen Namen, warum sagst du ihn nicht? Und selbst in Kiel gibt es ein Restaurant zum Mohrenkopf, das wird von einem Afrikaner geführt. Auch das Wort Zigeuner ist Verboten, wobei die Tziganes sich selbst nicht Sinti und Roma bezeichnen, da sie nicht zu dieser schwindend geringen Volksgruppe gehören, und sie sollen sich selbst weiter Tziganes nennen, also auf Deutsch Zigeuner.

Genauso ist es mit dem Jüdischen Leben, es wird immer mit ein neues Wort gesucht, dass das alte zu Rechts sei oder zu Problematisch.

Genauso wie Ausländer, dann Zugereister, dann Menschen mit Migrationshintergrund....
Ich selbst führe ja die Rezeptliste und demnächst füge ich israelisch ein, darf man das noch schreiben, oder lieber palestinensisch oder doch lieber Naher Osten..... Was ist korrekt ?
Eines meiner Lieblingszitate:

"Ihr Menschen seid erstaunlich, in einer Welt voller Wunder, habt Ihr es geschaft, die Langeweile zu erfinden !"
Terry Pratchett
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