Spaltung des Staates Mali?

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Moderator: Barbarossa

ehemaliger Autor K.

an Vergobret:
Es stimmt, dass die Tuareg auch im Norden von Mali keineswegs überall die Mehrheit bilden, dies ist nur an einigen Orten der Fall. In dem von ihnen geforderten Nordstaat Azawadi sollen auch die Städte Timbuktu und Gao dazugehören, wo die Tuareg zahlenmäßig nicht sehr stark sind. Mit anderen Worten: In einem Tuareg Staat wären die Tuareg selber nur eine Minderheit, die aber versuchen würde, die Mehrheit zu beherrschen. Der Konflikt ist dann vorprogrammiert. Man kann voraussehen, was dann passiert, weil zwei Lösungen denkbar sind:
1. Die Tuareg etablieren sich als privilegierte Minderheit und errichten eine Diktatur über die anderen Bevölkerungsteile.
2. Käme es zu einer echten Demokratie, wären die Tuareg, da sie zahlenmäßig die kleinere Gruppe sind, in der Position einer Minderheit. In diesem angeblichen Tuareg Staat könnten sie aufgrund der Mehrheitsverhältnisse gar nicht die Macht ausüben. Damit werden sie wohl kaum zufrieden sein. Auch hier wird der Kampf wahrscheinlich weitergehen.
Harald
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Du schaffst Probleme, an die noch keiner denkt. Warum denkst du, man kann einen Tuaregstaat oder eine autonome Region nicht auf die Gebiete beschränken, in denen sie die Mehrheit haben? Ich gestehe zu, daß es dazu wahrscheinlich schon zu spät ist. Militärisch ist dieser Krieg nicht mehr zu gewinnen, es sei denn man käme auf deinen Vorschlag eines Völkermordes an den Tuareg zurück, wofür man deutsche Steuergelder benötigen würde.

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Paul
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Der Staat Azawad hätte natürlich eine Möglichkeit sein können, später durch Gebietsaustausch ethnisch homogenere Staaten bilden zu können. Die Nicht-Touareg Bevölkerung in Azawad lebte hauptsächlich südlich des Niger bzw. in direktem Umfeld des Niger. Die dortigen Bevölkerungsmehrheiten haben wiederum, wie die Touareg Angehörige in den Nachbarstaaten.
Das echte Touareggebiet nördlich von Gao, nördlich, westlich und östlich von Timbuktou, ist doch ethnisch sehr homogen.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
Harald
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Ja, natürlich hast du Recht, Paul. Aber das ist alles zwecklos, wenn nicht die geringste Bereitschaft besteht, auf die berechtigten Forderungen der Tuareg einzugehen und man stattdessen lieber nachdenkt, wie man sie ausrotten kann. Dann schafft man eine neue al-Kaida-Herrschaft auf der Welt, die bestrebt ist, sich auszuweiten und für große Unruhe in Afrika sorgen wird.

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ehemaliger Autor K.

Paul hat geschrieben:Der Staat Azawad hätte natürlich eine Möglichkeit sein können, später durch Gebietsaustausch ethnisch homogenere Staaten bilden zu können. Die Nicht-Touareg Bevölkerung in Azawad lebte hauptsächlich südlich des Niger bzw. in direktem Umfeld des Niger. Die dortigen Bevölkerungsmehrheiten haben wiederum, wie die Touareg Angehörige in den Nachbarstaaten.
Das echte Touareggebiet nördlich von Gao, nördlich, westlich und östlich von Timbuktou, ist doch ethnisch sehr homogen.
Das ist ein durchaus vernünftiger Vorschlag, wird sich aber in der Praxis wohl leider kaum durchsetzen lassen können, weil seine Realisierung die Zerschlagung der bisherigen Staatenwelt in Westafrika bedeuten würde. In der Realität bedeutet nämlich Gebietsaustausch Krieg und Bürgerkrieg, das haben wir ja in Jugoslawien gesehen. Die Machteliten, die in den afrikanischen Staaten regieren, werden Veränderungen der Staatsgrenzen auf jeden Fall verhindern wollen, weil damit auch der Verlust von Rohstoffquellen oder anderen Einnahmen einhergeht. Auch die Europäer wollen so etwas nicht, es besteht nämlich die Gefahr, das dann auch solche Giganten wie Nigeria ins Trudeln geraten, der ja auch ein Vielvölkerstaat par excellence darstellt und ebenfalls von Spaltung bedroht wird. Abspaltungen und Neugründungen vollzogen sich meistens durch Kriege wie die Beispiele von Eritrea und dem Süden des Sudan zeigen. (Sonderfall war Guinea-Bissau und die Kapverden, aber nur aufgrund der geographischen Trennung).

Die Staaten von Afrika wurden auf dem Reißbrett von den Kolonialmächten geschaffen und Völker auf diese Weise auseinandergerissen. Kurz nach der Unabhängigkeit hatten die afrikanischen Führer auf Konferenzen verlautbaren lassen, das trotz der entstandenen Ungerechtigkeiten die Grenzen der neuen Staaten unantastbar seien, da sonst ein Abspaltungsprozess und eine Balkanisierung ohne Ende einsetzen würde. Die weitere Entwicklung zeigte allerdings, dass sich dies nicht durchsetzen ließ.

Ich hatte die Gelegenheit gehabt, in den vergangenen 45 Jahren einen großen Teil der Länder auf dieser Erde aus privaten und beruflichen Gründen bereisen zu können und konnte vielerorts die Probleme aus erster Hand selbst erleben. In sehr vielen Ländern leben unterschiedliche Volksgruppen und Kulturen in einem Staat zusammen. In den meisten Fällen ist dies auch nicht mit Schwierigkeiten verbunden, deshalb hört man nichts von Auseinandersetzungen. In der großen Mehrzahl der Fälle ist dies glücklicherweise so. Wenn es Probleme gibt, sind die Gründe vielschichtig. Beispiel: einige Regionen wurden wirtschaftlich vernachlässigt, andere Regionen sind sehr reich und wollen die verarmten Gebiete nicht unterstützen, Volksgruppen, die bisher privilegiert waren, werden nun benachteiligt und so weiter und so fort. Die Verschiedenartigkeit der Probleme bietet deshalb auch keinen Königsweg an. Überall braucht es eigene Lösungen. Aber eins ist vielleicht nicht ganz falsch: Ein amerikanischer Millionär sagte einmal: Die Antwort auf 100 Probleme ist in 99 Fällen einfach: nämlich Geld. Das ist nicht völlig falsch. In Malaysia habe ich Anfang der siebziger Jahre miterlebt, wie feindlich sich Chinesen, Malaien und Inder gegenüberstanden. Aufgrund des zunehmenden Wohlstandes hat sich das Verhältnis wesentlich entspannt. Auch die Beziehung zwischen Indern und Afrikanern auf Trinidad wurde viel besser, das gilt auch für Fidschi, wo sich einheimische Insulaner und Inder ebenfalls feindselig gegenüberstanden. Geld ist nicht die alleinige Lösung, aber ein ganz wichtiger Bestandteil von ihr. Zunehmender Wohlstand entschärft die Konflikte. Dies muss auch für Westafrika gelten. Kann der Lebensstandard nicht von selbst erhöht werden, muss die Hilfe von außen kommen. Ein Engagement von Europa ist hier unumgänglich, schon aus eigenem Interesse. Die Sahara dient schon seit Jahren als Durchzugsgebiet vor allem für den Menschenschmuggel nach Europa, für den Transport von Rauschgift und Waffen, die Wüste hat sich in einen rechtsfreien Raum verwandelt, in dem sich die Islamisten ausdehnen konnten.
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