Ruf nach Demokratie in arabischen Staaten.

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Moderator: Barbarossa

Paul
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In Syrien ist wieder ein Islamist aus Deutschland gestorben, wie schon viele zuvor. Er hatte eine Karriere als Fußballprofi in der Bundesliga vor sich. Er starb im Kampf um Asas, einer Stadt in Nordsyrien. Die Bundesstaatsanwaltschaft hatte gegen ihne ermittelt, weil er sich einer Terrororganisation angeschlossen hatte.

http://www.hna.de/nachrichten/panorama/ ... 11632.html

Asas ist eine Stadt, mit arabischer Mehrheit, östlich der Kurdenhochburg Efrin. Noch vor einigen Tagen herrschte in Asas eine gemäßigte Rebellenorganisation. Die wurde von Islamisten besiegt und vertrieben. Die Islamisten haben begonnen von Asas aus die Autonomieregion anzugreifen. Die Autonomieregierung hielt Frieden mit diesen gemäßigten Rebellen, obwohl es ihnen leicht gefallen wäre, diese schwache Organisation zu vertreiben.
Viele der besiegten Rebellen und viele Zivilisten sind jetzt in die Autonomieregion geflohen. Es ist zu vermuten, das die Autonomieregierung bald mit einer großen Offensive gegen die Islamisten von Asas beginnen wird. Die obige Zeitungsmeldung zeigt, das die Schlacht um Asas begonnen hat. Auch die arabische Zivilbevölkerung wird wohl überwiegend die Befreiung von den Islamisten herbeisehnen. Die Autonomiearmee wird wohl jetzt Verstärkungen heranführen und auch Unterstützung von den Kämpferinnen der PKK und Peschmerga anfordern und ihre Ausbildungslager leeren und die neuen Rekruten in dieser Entscheidungsschlacht einsetzen. Die Truppenstärke der internationalen Islamisten und der Autonomiearmee liegt im Augenblick etwa gleich stark bei etwa 50000 Kämpfern.
Assad wird sich über diese Eskalation freuen. Er wird seinen Vormarsch so schneller fortsetzen können. Die Islamisten werden sich jetzt entscheiden müssen, wo sie ihre Kämpfer opfern. Sie werden die Zahl ihrer Kämpfer nicht plötzlich verdoppeln können, um sich an beiden Fronten zu halten. Die Zahl der Autonomiekämpferinnen kann wahrscheinlich kurzfristig verdoppelt werden. Vor allem aus der Region Efrin werden sich viele Freiwillige melden, aber auch arabischen Frauen aus der Region Asas. Sie werden froh sein, wenn sie sich selbst vor der Sklaverei durch die Islamisten verteidigen können, um nicht in deren Bordellen zu landen o. nach Kuweit o. Saudi Arabien verkauft zu werden. Die Autonomieregierung wird sich freuen, wenn sie die dann abgerundete Autonomieregion nach der Einnahme von Asas besser verteidigen können.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
ehemaliger Autor K.

Ägypten – Militärdiktatur mit Massenbasis

Voraussichtlich im April dürfen die Ägypter einen neuen Präsidenten wählen. Obwohl er offiziell noch gar nicht kandidiert, kann man dem Sieger schon jetzt gratulieren. Es ist General Al-Sisi, der neue starke Mann am Nil. Etwas anderes ist unvorstellbar. Er betreibt einen Personenkult, der laut Beobachtern den Vergleich mit Nordkorea nicht zu scheuen braucht. Ganze Städte wurden mit seinen Plakaten zugeklebt, in den Medien ist er allgegenwärtig, ein neuer Nasser, das Land darf endlich wieder einen Helden zu feiern.

Auf den arabischen Frühling folgte nun ein eiskalter Winter, der Ägypten in Frost erstarren lässt. Seit dem Putsch im Sommer 2013 kommt die Macht wieder aus den Mündungen der Gewehrläufe. Die gesamte alte Elite von Mubarak ist zurückgekehrt und nimmt ihre früheren Positionen wieder ein, in Militär, Polizei, Verwaltung, Wirtschaft, Geistlichkeit. Man hat die Uhr zurückgestellt in die Zeit vor der Revolution.

Die Moslembrüder wurden vernichtet. Wenn die Meldungen stimmen sollten, wurden mehr als 5.000 von ihnen in den vergangenen Monaten von den Militärs liquidiert. Allein bei der Räumung der von ihnen besetzten Plätze in Kairo wurden am 14.August über 1.000 erschossen. Anschließend wurde die demokratische Opposition ausgeschaltet und auf Kurs gebracht, die freie Presse beseitigt und zahlreiche Journalisten verhaftet. Seitdem berichten die Medien einstimmig nur noch Gutes über die Regierung. Die staatliche Repression hat ein Ausmaß erreicht, wie es seit Jahrzehnten nicht mehr der Fall war.

Seit Oktober schießen sich die ägyptischen Medien auf die ausländische Berichterstattung ein. Betroffen sind vor allem die Deutschen, die Amerikaner und Al Jazeera. Sie würden „falsche“ Informationen verbreiten und anti-ägyptische Hetze betreiben. ARD-Reporter im Weltspiegel berichteten, dass sie in Kairo immer wieder von einem wütenden Mob angegriffen wurden. Die aufgebrachte Menge will Lynchjustiz üben, wenn sie Kameras in den Händen von Ausländern sieht.

Seit der Unabhängigkeit erlebte Ägypten den arabischen Sozialismus von Nasser, den ägyptischen Kapitalismus unter Sadat und Mubarak und das kurzlebige islamische Experiment von Mursi. Nun hat man alles einmal durch, ohne das die Menschen zufrieden sind.

Al-Sisi tritt in die Fußstapfen seines großen Vorgängers Nasser. Doch während dieser charismatische „Rote Pharao“ sein Volk mit großartigen Visionen faszinierte, kommt der neue General mit leeren Händen. Mehr als das Versprechen von Ruhe und Ordnung kann er nicht anbieten. Aber das reicht wahrscheinlich erst einmal den meisten Ägyptern. Sie wollen, dass sich ihr Leben endlich wieder normalisiert. Die gesamte Bevölkerung feiert den neuen Regierungschef, sogar die Salafisten jubeln ihm zu.

Diktaturen, das zeigen neuere Studien, sind dann besonders erfolgreich, wenn sie sich durch wirtschaftliche Leistungsfähigkeit legitimieren in Kombination mit einem überschäumenden Nationalismus.

Mit dem Nationalismus versucht sich Al-Sisi schon einmal ein wenig, mit der Wirtschaft hingegen hapert es noch. Aber ein Nationalismus der leeren Mägen wird auf Dauer nicht ausreichen.

Der Militärputsch hat alle nationalen und sozialen Widersprüche im Land zunächst einmal weggewischt. Doch dies ist nur ein historischer Aufschub, eine Art politisches Moratorium. Die Wechsel sind mit einer neuen Frist ausgeschrieben worden, doch bezahlt werden müssen sie am Ende doch.


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dieter
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Lieber Karlheinz,
die deutschen Islamisten tun mir nicht leid. Wer so verbohrt ist, der muß damit rechnen. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
ehemaliger Autor K.

Libyen - eine Verfassung für ein unregierbares Land

Am Donnerstag sollen die Libyer über eine verfassungsgebende Versammlung abstimmen. Gewählt werden je 20 Abgeordnete aus den drei Provinzen Tripolitanien, dem Fessan und der Kyrenaika, die dann in den nächsten Monaten die Verfassung ausarbeiten sollen. Das Interesse der Libyer ist gering, nur 1,1 Millionen haben sich von den 3,4 Millionen Wahlberechtigten registrieren lassen. Um dies zu tun, müssen sie sich per SMS anmelden lassen über eine Identifizierungsnummer, die viele wohl noch gar nicht haben.

Doch wahrscheinlich sehen die meisten auch keinen Sinn an der Beteiligung. Die Regierung kontrolliert noch nicht einmal die Hauptstadt Tripolis. Rebellen haben vor einigen Monaten den Präsidenten Seidan aus seinem Hotelzimmer verschleppt und für Stunden festgehalten, die Abgeordneten des Übergangsparlaments haben ihre auslaufenden Mandate eigenmächtig ohne Neuwahlen bis Dezember verlängert.

Seit dem Sturz von Gaddafi ist das Land zum Wilden Westen Nordafrikas geworden. Es herrschen die diversen Milizen, oft in Zusammenarbeit mit den Clanchefs unterschiedlicher Stämme. Die Lage ist völlig unübersichtlich. Die staatliche Infrastruktur ist weitgehend zusammengebrochen, die Versorgungslage ist kritisch und die Erdölproduktion liegt brach. Das eigentlich reiche Land ist total verarmt. Die Regierung hat es nicht geschafft, die Milizen zu entwaffnen oder in staatliche Organe zu verwandeln. Aus dem Süden fließen riesige Waffenmengen über die offenen Grenzen in die benachbarten Staaten in Westafrika. Im Fessan und in der Kyrenaika sollen die Hochburgen und Ausbildungslager der Islamisten sein und die afrikanischen Länder fordern die NATO zum militärischen Eingreifen auf. In Libyen zirkulieren derzeit 5 Millionen Schusswaffen bei nur ungefähr 6 Millionen Einwohnern.

Im Februar 2011 hatte die Arabellion auf die Kyrenaika übergegriffen und ein buntscheckiger Haufen bewegte sich von Bengasi aus in Richtung Hauptstadt, um den Diktator zu stürzen. Eine Gegenoffensive der Regierungssoldaten hätte sie beinahe vernichtet, wenn nicht die NATO-Bomber Gaddafis Panzer abgeschossen hätten. Ein halbes Jahr hindurch kämpften sich die undisziplinierten und schlecht geführten Aufständischen weiter vor, ständig unterstützt von den Luftangriffen der NATO. Erst als ihnen die kampferfahrenen Berber aus den Nafusa-Bergen beistanden, die dem Triumphalismus des Diktators immer misstraut hatten, wendete sich das Blatt. Die Krieger, unterstützt und bewaffnet von ausländischen Instrukteuren, eroberten Tripolis und stürzten das Regime.
Doch seitdem herrscht das Chaos. Wenn das Land nicht endlich staatliche Strukturen entwickelt, gehört es auch den failed states.


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Barbarossa
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Die Präsidentschaftswahl in Ägypten hat der ehemalige Militärchef Abd al-Fattah al-Sisi gewonnen. Laut des am Dienstag, dem 3. Juni. verkündeten offiziellen Wahlergebnisses, erhielt al-Sisi 96,9 % der gültigen Stimmen, bei einer Wahlbeteiligung von 47,45 %. Der einzige Gegenkandidat Hamdien Sabahi kam demnach auf 3,1 Prozent. Die verbotene Muslimbruderschaft hatte zum Wahlboykott aufgerufen - offenbar nicht ganz erfolglos.
Damit hat Ägypten für die nächsten vier Jahre erneut einen Präsidenten aus dem Militär.

Artikel lesen: >> Offizielles Ergebnis in Ägypten: Sisi mit 96,9 Prozent zum Präsidenten gewählt <<
(spiegel.de)

Auch in Syrien gab es eine Wahl, die den Namen jedoch nicht verdient, denn zur Wahl aufgerufen waren nur die Syrer im Machtbereich von Präsident Assad. Diese "Wahl" gewann Assad mit 88,7 % der Stimmen, der sich damit im Amt bestätigen ließ. Es gab auch zwei Gegenkandidaten, die jedoch weitgehend unbekannt sind. International wird die "Wahl" als undemokratisch kritisiert.
Artikel lesen: >> Machthaber bleibt Präsident - Assad gewinnt "Wahlen" mit offiziell 88,7 Prozent <<
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dieter
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Lieber Barbarossa,
das sind schon fast Ergebnisse wie in der DDR. Auswahle an Kandidaten wird auch nicht so groß gewesen sein. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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Orianne
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dieter hat geschrieben:Lieber Barbarossa,
das sind schon fast Ergebnisse wie in der DDR. Auswahle an Kandidaten wird auch nicht so groß gewesen sein. :wink:
Tja lieber Dieter, bei dieser Wahl hat sich Abd al-Fattah al-Sisi wohl die Gegenkandidaten selbst ausgesucht, so wie Assad in Syrien.
Grant stood by me when I was crazy, and I stood by him when he was drunk, and now we stand by each other.

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dieter
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Liebe Orianne,
das glaube ich auch. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
ehemaliger Autor K.

Orianne hat geschrieben:
dieter hat geschrieben:Lieber Barbarossa,
das sind schon fast Ergebnisse wie in der DDR. Auswahle an Kandidaten wird auch nicht so groß gewesen sein. :wink:
Tja lieber Dieter, bei dieser Wahl hat sich Abd al-Fattah al-Sisi wohl die Gegenkandidaten selbst ausgesucht, so wie Assad in Syrien.

Ganz so ist es nicht. Der einzige Gegenkandidat war Hamdin Sabahi, eine durchaus respektable Person aus der Zeit des arabischen Frühlings 2011 und keine Marionette oder manipulierter Gegenkandidat von Al-Sisi.
Er ist aber Nasserist und schon aus den Gründen bei den Moslembrüdern und anderen religiösen Gruppen indiskutabel. Auch war der Druck der Militärs so stark, dass er chancenlos blieb.

Wieso Al-Sisi siegen konnte, hab ich schon vor einigen Monaten in diesem Thread geschrieben.

Ägypten – Militärdiktatur mit Massenbasis
http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... &start=525

Die Zukunft von Ägypten ist allerdings mehr als fragwürdig. Ich hatte damals eine kleine Einschätzung versucht und glaube, dass sie weiterhin Gültigkeit besitzt.
Karlheinz:
Al-Sisi tritt in die Fußstapfen seines großen Vorgängers Nasser. Doch während dieser charismatische „Rote Pharao“ sein Volk mit großartigen Visionen faszinierte, kommt der neue General mit leeren Händen. Mehr als das Versprechen von Ruhe und Ordnung kann er nicht anbieten. Aber das reicht wahrscheinlich erst einmal den meisten Ägyptern. Sie wollen, dass sich ihr Leben endlich wieder normalisiert. Die gesamte Bevölkerung feiert den neuen Regierungschef, sogar die Salafisten jubeln ihm zu.

Diktaturen, das zeigen neuere Studien, sind dann besonders erfolgreich, wenn sie sich durch wirtschaftliche Leistungsfähigkeit legitimieren in Kombination mit einem überschäumenden Nationalismus.

Mit dem Nationalismus versucht sich Al-Sisi schon einmal ein wenig, mit der Wirtschaft hingegen hapert es noch. Aber ein Nationalismus der leeren Mägen wird auf Dauer nicht ausreichen.

Der Militärputsch hat alle nationalen und sozialen Widersprüche im Land zunächst einmal weggewischt. Doch dies ist nur ein historischer Aufschub, eine Art politisches Moratorium. Die Wechsel sind mit einer neuen Frist ausgeschrieben worden, doch bezahlt werden müssen sie am Ende doch.
Paul
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Saudi Arabien köpft mehr Menschen als der IS, insbesondere auch schiitische Demonstranten. Demnächst soll wieder ein 17 jähriger geköpft und anschließend seine Leiche gekreuzugt werden. Er hatte gegen das Königshaus demonstriert.

http://www.welt.de/politik/ausland/arti ... ow_twitter
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
Paul
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Der Arabische Frühling ist weitgehend gescheitert. Nur in Tunesien, Libanon und im Irak gibt es eine gemäßígte demokratisch gewählte Regierung. Der Irak ist in 3 Teile geteilt. Den arabischen Sunniten fehlt die Teilhabe an der Macht.
In Ägypten muß man wohl froh sein, das Sissi das Land diktatorisch im Griff hat. Die "demokratisch" gewählten Muslimbrüder hatten ihre Macht mißbraucht und die Kopten unterdrückt, ihre Frauen versklavt.
In Syrien sind die stärksten Rebellengruppen ebenfalls salafistisch. Nur die Gruppen in der Autonomie und einige FSA Gruppen sind neben der Regierung säkular. Niemand weis, ob eine demokratische Wahl eine säkulare Mehrheit erbringen würde. Die größe der Minderheiten gibt dafür eine gewisse Wahrscheinlichkeit, jeweils über 10-13 % arabische Alawiten/Schiiten/Ismaeliten und diverse Christen, 10 bis 20 % Kurden verschiedener Religion Suniten, Alawiten, Eziden, Christen, einige Turkmenen, Tscherkessen, Armenier...

https://de.wikipedia.org/wiki/Syrien
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
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