Deutsche sollen noch später in Rente gehen

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Moderator: Barbarossa

Aneri

Ruaidhri hat geschrieben:Im Bauhandwerk z.B., in den Pflegeberufen- oder auch bei den Sozialassistenten und Erziehern in Krippen.
Genau so ist es. Gerade in Baubranche. Ein 67-er muss nach auf Dach balancieren, schwerste Arbeit erledigen. Die Ältere können hier nicht mithalten. Ein oder andere kann sich hoch zum Polier bzw. Vorabeiter arbeiten. Dennoch sind es nur weniger. Andere müssen in Rente gehen, weil kein wirtschaftlich geführtes Unternehmen kann sich es leisten.
Dietrich
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Wallenstein hat geschrieben:Ich selber bin ja auch schon seit längerer Zeit in Rente, aber ebenfalls weiterhin berufstätig.
Wichtig wäre, dass das starre gesetzliche Renteneintrittsalter aufgehoben wird.

"Die Politik sollte ernsthaft darüber nachdenken, die feste Altersgrenze für die Beendigung des Arbeitslebens vollständig aufzuheben und gegenüber dem Arbeitgeber einen Rechtsanspruch auf Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu gleichen Bedingungen zu ermöglichen", fordert Sinn in einem Gastbeitrag für die WirtschaftsWoche. Darin sieht der Ökonom die Chance, dass ältere Facharbeiter länger arbeiten. "Wer diese Option wählt, erhält seine Rente später", schreibt Sinn. Dadurch könnten Arbeitnehmer ihre Rente aufstocken." http://www.wiwo.de/politik/deutschland/ ... 47734.html
Ruaidhri
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Nötig und sinnvoll wäre eine andere Finanzierungder Renten, wie z.B: in Dänemark. Das tut zwar woanders wieder weh, weil die Steuern und Abgaben immens sind, auch dort wurde das Rentenalter anehoben, doch das System funktioniert bislang besser als das unsrige.
Infos:
http://www.focus.de/finanzen/news/speci ... 53882.html

https://www.vile-netzwerk.de/daenemark/ ... ystem.html
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Triton
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Das dänische System beinhaltet die Abschaffung in Deutschland privillegierter Gruppen. Einer Umstellung müsste wohl oder übel eine längere Phase der Abschleifung der Privillegien vorausgehen.

Die momentane Zinspolitik, von der Staatshaushalte besonders profitieren und der private Sektor schleichend enteignet wird, zielt in die genau entgegengesetzte Richtung.
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Barbarossa
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Welche privilegierten Gruppen mit welchen Privilegien meinst du?
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Ruaidhri
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Barbarossa hat geschrieben:Welche privilegierten Gruppen mit welchen Privilegien meinst du?
Vermutlich Beamte und Freiberufler? Ob das immer ein Privileg ist, gerade bei Freiberuflern, lassen wir mal offen.
Um das System umzustellen, müssten zunächst mal alle, inklusive Beamten und Freiberuflern in die gleiche Kasse einzahlen, aus der dann am Ende Grundrente für alle gezahlt wird.
Selbiges gilt für die KV, ist nicht so, als zahlten Beamte nichts für ihre Gesundheit, aber das System hat sich imho überlebt und ist für die unteren Gehaltsgruppen im Falle schwerer Krankheit oder Berufsunfähigkeit bisweilen Existenz- vernichtend.
Die Steuerlast in Dänemark erscheint immens, die Lebenshaltungskosten sind es im Vergleich zu Deutschland auch, aber das gemischte System an sich und sich ist gerechter und stabiler für alle.
Die Dänen sind trotz hoher Steuern merkwürdigerweise immer noch glücklicher als wir... :mrgreen:
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Triton
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Ja wie gesagt, in Deutschland sehe ich eher den Trend, bestehende Systeme so lange wie nur irgend möglich am Leben zu erhalten. Völlig egal, ob die Voraussetzungen für das Funktionieren existieren oder eben nicht mehr.

Die Altersversorgung der Beamten wird ja noch immer nach uralten Grundsätzen (lebenslange, amtsangemessene Alimentation) gehandhabt, die einmal für wenige Hansel und für geringe Lebenserwartungen gegolten haben, auch waren Beamte damals mit wenigen Ausnahmen eben lebenslang arm (!), selbst pensionierte Generale konnten sich in der Weimarer Republik zeitweise nicht mal eine beheizte Wohnung leisten.
Witwenrenten sollten vor allem Ehefrauen ruhig stellen, die Männer im Krieg verloren hatten. Bzw. den Soldaten die Sicherheit geben, dass Frau und Kinder nicht verhungern im Fall des Falles.
Uralte Zöpfe, die sich niemand abzuschneiden traut.

Die Schweiz hat übrigens ein ähnliches System wie Dänemark und eine niedrigere Steuerquote als D, denke nicht, dass hier ein Zusammenhang besteht. Und ob jetzt Steuer oder Sozialabgabe, das ist alles nur linke Tasche - rechte Tasche.
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Wallenstein

Nur mal nebenbei bemerkt, denn dies ist ja nicht das Thema, aber die Witwenrente hat nichts mit dem Krieg zu tun, sondern wurde bereits 1911 eingeführt.

1911 Reichsversicherungsordnung (Einführung von Witwen- und Waisenrenten) und Gründung der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte

Es gab noch Unterschieden zwischen Arbeitern und Angestellten, die wurden 1927 beseitigt.

Heute ist die Regelung wie folgt:

Nach dem Tod des Partners erhalten Hinterbliebene dessen gesetzliche Rente drei Monate lang weiter ausgezahlt, und zwar in voller Höhe.

Danach haben sie entweder Anspruch auf eine sogenannte kleine oder große Witwen- beziehungsweise Witwerrente.
Die große Rente beläuft sich auf 55 Prozent der Bezüge des Verstorbenen, die kleine auf 25 Prozent.

Die große Witwenrente bekommen nur Hinterbliebene, die älter als 45 Jahre und 4 Monate sind oder ein minderjähriges Kind erziehen.

Eigenes Einkommen wird auf die Witwen- oder Witwerrente angerechnet. Es gibt aber Freibeträge.

Siehe : http://www.finanztip.de/witwenrente/
Mehr hierzu bei: http://www.finanztip.de/witwenrente/#ixzz45PgLDHsq
Wallenstein

Über die Zukunft der Renten habe ich nun schon seit Jahrzehnten alle möglichen Vermutungen gehört, vieles davon stimmte nicht. Churchill sagte einmal:

„Ein Experte ist jemand, der hinterher ganz genau erklären kann, warum seine Prognose nicht gestimmt hat“.

Das ist wohl so. Da fällt mir doch noch ein:

„Eines Tages dämmerte es den Bürgern der guten Stadt Schilda, dass sie sich gelegentlich bei ihren Unternehmungen geirrt hatten. Da sie aber nicht ganz sicher waren, ob nicht etwa auch diese Einsicht irrig sei, beauftragten sie einen der Ratsherren damit, sich von nun an ständig über die Taten seiner Mitmenschen zu irren. Sie nahmen an, dass auf diese Weise die lautere Wahrheit zutage kommen werde, denn man konnte ja nun sicher sein, das immer das Gegenteil eintrat von dem, was dieser Mann sagte. Die Tätigkeit dieses achtbaren Mannes aber nannten sie „Wirtschaftsprognose“.
(Frei von mir erzählt nach: Die Schildbürger)
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Triton
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Wallenstein hat geschrieben:Nur mal nebenbei bemerkt, denn dies ist ja nicht das Thema, aber die Witwenrente hat nichts mit dem Krieg zu tun, sondern wurde bereits 1911 eingeführt.
1911 wusste jeder, dass Europa auf einen Krieg zusteuerte.
Wenn ich mich nicht irre, hatten Militärs es zunehmend schwer zu heiraten. Was in Zeiten, als der Mann noch einziger Versorger eines Ehepaares war, verständlich ist.

Wenn ich es richtig verstehe, braucht es beim dänischen bzw. schweizer Modell keine Witwenrente. Jedes Individuum ist versorgt.

Welche Rentenprognosen sind denn völlig falsch? Warum soll nochmal das Rentenalter angehoben werden?
Bei körperlicher Arbeit ist das doch völlig absurd. In den 80er Jahren habe ich ein Praktikum in der Personalabteilung einer Baufirma gemacht. Der Personalchef meinte nur, dass von den richtigen Arbeitern kaum jemand 70 werde. Eigentlich müssten die alle mit 50 in Rente, damit sie auch noch was vom Ruhestand haben.
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Aneri

Mir hat auch beim Erstlesung das mit der Witwenrente aufgefallen. Ich hatte nicht kommentiert, dennoch jetzt...

Die Gründe, die Triton aufgeführt hat, finde ich schlüßig (es muss nicht unbedingt Wahrheit entsprechen, ich weiß es nicht). Dennoch seine kritische Note, in dem er meint, dass es abgeschafft werden müsste, dem will ich widersprechen. Meine Nachbarin (ehem. Kauffrau), mit der ich nach x-Schlaganfall ihres Mannes (ehem. Ingenieur) gesprochen habe, hat mir offen gesagt, dass für sie der Tod ihres Mannes nicht nur Verlust des nahstehendes Menschen mit alle die Gefühlen und Emotionen bedeutet. Für sie bedeutet es auch eine familäre Finanzkrise. man muss evtl. eine andere Wohnung suchen u. s. w.

Also sagst bitte nicht, dass die Witwenrente nicht nötig ist. Bei kleinen Renten ist sie notwendig, bei größeren könnte man überlegen. Hier, denke ich, rückt anderer Aspekt in Fokus: hat es die Familie überhaupt einen Wert in moderne Gesellschaft?
Wallenstein

Triton
1911 wusste jeder, dass Europa auf einen Krieg zusteuerte.
Wenn ich mich nicht irre, hatten Militärs es zunehmend schwer zu heiraten. Was in Zeiten, als der Mann noch einziger Versorger eines Ehepaares war, verständlich ist.
Noch einmal: Mit dem Krieg hatte das absolut nichts zu tun und Militärs waren als Heiratspartner alles andere als unbeliebt. Ganz im Gegenteil. Zur Kaiserzeit waren gerade die höheren Dienstgrade außerordentlich begehrt.

Witwenrenten sind einfach eine soziale Notwendigkeit. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Mein Vater ist ganz früh gestorben. Ohne Witwenrente hätte unsere Mutter die drei Kinder nicht ernähren können. Die Alternative wäre damals dann eine Übersiedlung in ein staatliches Kinderheim gewesen. In den fünfziger Jahren alles andere als ein angenehmer Ort.
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Triton
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Es gibt wohl nur wenige Sozialleistungen, die ohne gute Absichten eingeführt wurden und die nicht in Einzelfällen Gutes bewirken. Aber bei der Witwenrente hat sich nun einmal auch Missbrauch eingebürgert. Das muss gar nicht die 30jährige Schönheit sein, die einen kränklichen Opa heiratet.

Bei einem Grundeinkommen für alle wären Kinder weitgehend unabhängig wom Elternhaus. Zumindest in der Theorie.
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Paul
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Im Augenblick wird wieder über die Rente disskutiert. Es wird auch behauptet, es gäbe nur 3 Stellschrauben:
- Länger arbeiten
- höhere Beiträge
- geringere Rentenleistungen

Das stimmt wohl nicht ganz. Natürlich gibt es weitere Stellschrauben. Die wichtigste ist, die Zahl der Arbeitnehmer und Beitragszahler zu erhöhen. Dazu kann man die Geburtenrate erhöhen, ein Einwanderungsgesetz verabschieden, die Selbständigen und Beamten in das Rentensystem integrieren, die Ausbildungszeiten straffen, die Arbeitslosigkeit senken, die Frauenarbeitsquote erhöhen.
Die DDR bewies, das eine hohe Frauenbeschäftigung und hohe Geburtenrate miteinander vereinbar sind. Das Schlüsselwort ist hierfür die Kinderbetreuung und höhere Steuerfreibeträge für Kinder. Natürlich muß das Erziehungsgeld erhöht und Kinder stärker in der Rente angerechnet werden. Man könnte auch die Rentenbeiträge für Eltern senken und das Baukindergeld wieder einführen.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
Dietrich
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Dein Beitrag bringt es auf den Punkt, Paul.
Das sind genau die Stellschrauben, an denen gedreht werden kann.

Politiker und Bevölkerung müssen nun entscheiden, in welche Richtung es gehen soll. Möglicherweise kann man ja auch an mehreren "Schrauben" gleichzeitig drehen.
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