Donauschwaben, Ungarndeutsche, Rumäniendeutsche.........

Diskussionen über die Mitgliedsstaaten der EU

Moderator: Barbarossa

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Nemeth
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Dieses Thema ist noch nicht in den "Tiefen" des Forums verschwunden, doch wünschte ich mir eine
breitere Diskussion über das Thema.

Zu Deiner Frage, wie ich Budapest kenne ?
Für einen Deutschen kenne ich Budapest ziemlich gut. BP ist nicht nur Hauptstadt des Landes in dem ich zur Welt kam,
sondern jetzt die größte Stadt meiner Wahlheimat.
Sie ist mit 2 Millionen Einwohnern die größte Stadt Ungarns in einer Dominanz, die andere Städte des Landes
weit in den Schatten stellt. Jeder 5. Bürger Ungarns ist Pester.
Durch den Zusammenschluss der drei Städte Obuda, Pest und Ofens zu Budapest und dem österreichisch-ungarischen
Ausgleichs kam es zu Blüte im KUK- Paralellstaat .
Es wurde viel nachgeholt, was in den anderen Hauptstädten Europas schon vorhanden war.

Ich kenne BP seit 1960 und danach durch viele,viele Besuche und auch jetzt steht BP sehr weit oben, wenn es heißt Ausflüge zu planen und zu verwirklichen

Nemeth
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Barbarossa
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Zusammenfassung aller noch verfügbaren Beiträge:


Nemeth » 06.02.2015, 16:03

Der politikfreie Raum der dörflichen, bäuerlichen Lebenswelt wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts ,
spätestens jedoch durch den 1. Weltkrieg mit seinen Folgen aufgebrochen.
Das friedliche Zusammenleben konfessionell wie ethnisch unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen wurde allmählich zerstört.

Zunächst einmal war es der Prozess der Nationsbildung , der mit der Entstehung des Nationalstaates seinen Abschluss
fand (in Ungarn 1848 und 1867 ). Die ungarische Nationalstaatselite strebte immer stärker danach , alle Bereiche des
öffentlichen Lebens zu nationalisieren.
Ab Beginn des 19. Jahrbunderts entstand ein Sprachnationalismus, der sich nach 1867 immer mehr Raum mit Hilfe
des Staatsapparates,schaffte.
Von 1867 bis 1910 wurden 90% der deutschen Schulen geschlossen oder in ungarische Schulen umgewandelt.
Der Assimilationsdruck umfasste auch das kulturelle Leben und die Presse. Anfang des 20. Jahrhunderts und danach
erfasste er schließlich auch die Familien, die genötigt wurden , ihre deutschen Familiennamen in ungarische umzu-
wandeln (magyarisieren ).

Quelle: Herderinstitut, eigene Familiensaga

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Paul » 06.02.2015, 23:46

Hatten bestimmte Gebiete, wie Siebenbürgen und das Banat einen Sonderstatus mit mehr Rechten für Minderheiten wie die Deutschen? Erzwungene Namensänderungen gab es dort wohl nicht?

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Nemeth » 07.02.2015, 16:20

Ob nun bestimmte Gebiete im alten Ungarn einen Sonderstatus bezüglich Minderheitenrechte hatten, kann ich mit Bestimmtheit nicht sagen.
Die Banater Schwaben und die Siebenbürger Sachsen fanden sich nach dem Friedensvertrag von Trianon im neugegründeten
Rumänien wieder. Bei umstrittenen Volksabstimmungen stimmten sie in Mehrheit für Rumänien. Ihnen waren Minderheiten-
und Autonomierechte versprochen , die zwar später nicht eingehalten worden sind. Doch standen die Versprechungen ,
der bis dahin Magyarisierungspraxis der Ungarn , voll entgegen.

Die Magyaren waren im Stefansreich eine Minderheit. Auch langjährige Prognosen der Bevölkerungsstatistik gaben keine
Entwarnung.So bediente man sich der Möglichkeit, die zur Verfügung stand.
Die Magyarisierung war mehr oder weniger eine "Freiwilligkeit".
Doch wie sah diese Freiwilligkeit aus ?
Eine Arbeit, eine Beförderung, ein Studium u,s.w. bekam ein ethnischer Ungar wesentlich eher als einer,der sich
zu einer ethnischen Minderheit bekannte. (Verwaltung, Post, Militär, Eisenbahn )
Noch dazu, wenn man alleine durch seinen deutschen Namen kenntlich war. Da war man ganz schnell der 2. Sieger.
Diese ließ sich mit manchen orthographischen Trick umgehen. Das alleine reichte den Nationalisten nicht.
Sie wollten die gesamte deutsche Minderheit magyarisieren, das wäre ein Zuwachs von ca. einer halben Million Menschen
gewesen. Noch dazu, daß die Deutschen sehr viele Kinder hatten.
In den ethnisch geschlossenen Dörfern wurden kaum Erfolge erzielt.
Die Diskussion ist eröffnet!

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Nemeth
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Die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft betreffende Veränderungen , wie die Prozesse der
Urbanisierung und Industriealisierung , insbesondere der Ausbau der Infrastruktur durch den
Bau der Eisenbahn , brachen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die bis dahin geschlossenen
Dorfgemeinschaften aus.
Sie führten bis spätestens während des I. Weltkrieges zunächst zu einer sozialen Mobilität
(Land-Stadt- Wanderung) , sodann zur politischen Mobilisierung der Agrarbevölkerung, die sehr bald ,
nach dem Zusammenbruch der KuK-Monarchie , in einer politischen Radikalisierung mündete.

Nach dem Zusammenbrechen der Donaumonarchie wurde das deutsche Siedlungsgebiet der drei
Regionen Schwäbische Türkei, Batschka,und Banat durch die Grenzen der Nachfolgestaaten zerschnitten.
Aus dieser Zerrissenheit erwuchs erstmals übergreifendes Gruppenbewußtsein.
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Barbarossa
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Aus dem Pfad 18 Millionen Flüchtlinge - Wie auf Länder aufteilen? übertragen:
Nemeth hat geschrieben:...
Auswanderer in alle Welt: Meine Volksgruppe wurde nach dem verlorenen Krieg in alle Kontinente verstreut. Wer mit dem Leben davon kam, ging natürlich dorthin, wo er für seiner Hände Arbeit einen ordentlichen Lohn bekam. Natürlich stand da Deutschland an erster Stelle. Wir hatten auch unseren "Dialekt", unsere Sitten und Gebräuche.
Doch mit dem Passieren der Grenze zu Deutschland war alles Geschichte und nur noch der Blick nach vorn zählte.

Schade, daß man hier im Forum nur die begrenzte (schriftliche) Möglichkeit hat sich auszutauschen. Doch nicht die Menge der Beiträge macht die Sinnhaftigkeit.
Das mag daran liegen, da es keine weiteren Leute deiner Volksgruppe hier gibt. Das hießt aber nicht, dass es so bleiben muss. Ich kann ja mal an verschiedenen Stellen auf unser Forum aufmerksam machen, denn die gibt es ja:

Deutsches Kulturforum östliches Europa
Facebook-Seite: https://www.facebook.com/dkfoe

Donauschwäbischer Kulturpreis 2015 ausgeschrieben: hier klicken

Deutsch-Rumänisches Forum

Deutsch-Ungarische Gesellschaft e. V.

Siebebürger.DE Portal

Also, es gibt schon einiges und es gibt sicher noh mehr.
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Nemeth
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Danke Barbarossa, daß du den Schwenk wieder zurückgebracht hast.
Es ist von meiner Seite bisher nicht vergessen worden, nur habe ich bei der Beantwortung der
Fragen von Harald und Renegat vom 15.1. und 17.1. schon einiges quer beantworten müssen.
Diese Antworten werden u.U. zu Dopplungen führen, was aber unvermeidlich ist.
Zur allgemeinen Übersichtlichkeit werde ich hin und wieder Eckdaten setzen, damit alle User wissen
über welchen Zeitraum ich schreibe.

Das Ringen um nationale Identität der ungarländischen Deutschen

Unter Kaiser Josef II. wurde Ende des 18. Jh. die deutsche Sprache an Stelle des Latein als Staatssprache
eingeführt. Die Magyaren (Magnaten, Großgrundbesitzer ) widersetzten sich dieser Maßnahme und versuchten
mit allen Mitteln das Magyarische zu favorisieren obwohl der ungarische Bevölkerungsanteil gerade mal
29 % betrug. Der wachsende Nationalismus der Magyaren erweckte in anderen Volksgruppen auch eigene nationale
Aktivität. Es begann jene unheilvolle Entwicklung die in nationaler Verblendung das wertvolle gutnachbarschaftliche
Verhältnis mißachtete.
Währen die Stadtbevölkerung immer mehr ihre deutsche indentität aufgeben musste, gelang es auf dem Lande
in den geschlossenen Ortschaften das deutsche Volkstum lange aufrecht zu halten.
Grundlage war nicht zuletzt , daß unsere Vorväter allergrößten Wert auf die deutsche Schulbildung ihrer
Kinder legten.
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Paul
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In Polen wurden wir Deutschen auch als Schwaben bezeichnet, obwohl besonders viele aus der Pfalz stammten, heute Rheinland Pfalz, früher Bayern. Allerdings stammten die frühen Siedler oft wirklich aus Schwaben.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
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dieter
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Lieber Paul,
in Rumänien gab es oder gibt es auch heute noch :?: Die Siebenbürger Sachsen und die Banater Schwaben. Komischerweise wurde niemals der Name die "Deutschen" genannt. In Jugoslawien wurden die Deutschen die "Franken" genannt. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Paul
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Hallo Dieter,
ich denke, das die Bezeichnung die Deutschen doch als Überbegriff verwendet wird, wenn man über die gesammte Minderheit im heutigen Rumänien von Sachsen und Schwaben redet bzw. von der Zeit, als diese Minderheit noch eine große Bevölkerungsgruppe darstellte.
viele Grüße

Paul

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Nemeth
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So kam 1872 die deutsche Unterichtssprache in 2.750 Volksschulen zur Geltung . Auch was den
Schulbesuch betrifft, standen die Deutschen an der Spitze.
1871 besuchten in Ungarn ca. 48,8% der Kinder die Volksschule. Aufgegliedert nach Nationen:
Deutsche 67 %, Ungarn 51 %, Kroten 50,4 %, Serben 35,7 %, Rumänen 27,6 %.
Um 1880 kam es zum Höchststand der Entwicklung und Blütezeit des donauschwäbischen
Schulwesens. Danach ergingen Schulgesetze , die die Magyarisierung mit allen Mitteln
mächtig vorantrieben.
Mit dem steigendem Druck des ungarischen, natonalistischen Staates aud die aufstrebenden
schöpferischen Kräfte der Volksgruppen zur Magyarisierung , insbesondere nach dem Aus-
gleich 1867, kamen diese erst nach rund zwei Jahrzehnten zur nationalen Selbstbestimmung.

Die Magyaren wollten mit allen Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen, ihr Königreich zu
einem geschlossenen Nationalstaat zu machen. Alle nicht magyarischen Volksteile, damit
auch die Deutschen, wurden als Schönheitsfehler im Staate empfunden, die so rasch wie
möglich zu beseitigen waren.
Bei amtlichen Schriftstücken , selbst in Kirchenbüchern, durfte der Name nur in
magyarischer Schreibweise erfolgen.
Wer eine höhere Stelle oder gar ein Staatsamt bekleiden wollte, musste seinen Namen
magyarisieren lassen.
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Barbarossa
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Entsetzlich sowas.
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Nemeth
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So verloren die Volksgruppen ihre begabtesten Angehörigen in dem Augenblick , wo sie höhere Schulen besuchten oder
in die Verwaltung eintraten. Von österreichischer Seite war nun keine Unterstützung mehr möglich.
Auch Deutschlands Interessen für ihre ausländischen Volksgruppen endeten an ihren Staatsgrenzen.
(Deutschland war ja auch erst seit 1871 ein einheitlicher Staat )
So von Österreich und Deutschland in Stich gelassen, war nun auch die bäuerliche Bevölkerung der
Magyarisierungsbestrebungen schutzlos ausgeliefert, weil die Magyaren die Rechte der einzelnen Volksgruppen
mißachteten.
Nach etwa zwei Jahrzehnten erwachte der Widerstand der Betroffenen. Das unbewusst nationale Empfinden des Ungarndeutschtums wurde in eine nationale Bewegung umgesetzt.

Unter den studierten und volksbewussten Schwabensöhnen fand sich eine Elitegruppe zusammen, die klar
erkannte, daß es nicht genügte die nationale Überfremdung nur abzulehnen. Es mussten unverzüglich Gegen-
maßnahmen eingeleitet werden , die das nationale Erwachen der Donauschwaben vorantrieben.

Einer der Wortführer des Deutschtums war Edmund Steinacker, geb. 1839 in Debrecen, er trat im Budapester
Parlament für die Rettung der deutschen Sprache und Kultur für die ca. zwei Millionen Deutschen in Ungarn ein.
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Paul hat geschrieben:Hallo Dieter,
ich denke, das die Bezeichnung die Deutschen doch als Überbegriff verwendet wird, wenn man über die gesammte Minderheit im heutigen Rumänien von Sachsen und Schwaben redet bzw. von der Zeit, als diese Minderheit noch eine große Bevölkerungsgruppe darstellte.
Ja, lieber Paul.
Die meisten Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben sind ja nach Deutschland zurück gewandert. :roll:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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