Spanien: Francos Überreste umgebettet

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Moderator: Barbarossa

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Barbarossa
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Heute sind die sterblichen Überreste des ehemaligen faschistischen Diktators Spaniens, Francisco Franco (1939-1975), umgebettet worden.
Nach seinem Tod am 20. November 1975 wurde er am 23. November 1975 in einer Art Mausoleum im Valle de los Caídos (Tal der Gefallenen) bestattet, welches von Zwangsarbeitern errichtet worden war und für unverbesserliche Franco-Anhänger zu einer Art Pilgerstätte wurde. Neben Franco liegen dort auch Bürgerkriegskämpfer beider Seiten begraben. Mit diesem Spuk wollte die amtierende spanische Regierung ein Ende machen und musste dabei große juristische Hürden nehmen. Insbesondere die Familie Franco wehrte sich gegen die Umbettung. Der Ex-Diktator liegt nun auf einem Friedhof etwa 20 km nördlich von Madrid, wo auch Francos Frau begraben liegt.

Francisco Franco kam im Zuge eines Militärputsches gegen die damalige spanische Republik und dem darauf folgenden Spanischen Bürgerkrieg (1936-39) in Spanien an die Macht und errichtete dort eine faschistische Diktatur. Unterstützt wurde er dabei von Hitler-Deutschland durch die Luftwaffenstaffel „Legion Condor“, durch das von Mussolini regierte Italien und auch durch Portugals Militärdiktator. Im Zweiten Weltkrieg (1939-45) blieb Franco-Spanien zwar offiziell neutral – trat nicht der Achse Berlin-Rom bei, aber wurde Mitglied im Antikominternpakt und unterstützte Hitlers Krieg durch die Entsendung der „Blauen Divisionen“.

Die Diktatur Francos war eine Gewaltherrschaft. Auf den Bürgerkrieg mit etwa 200.000 Gefallenen auf beiden Seiten folgten während Francos Herrschaft noch einmal tausende Hinrichtungen (die Schätzungen reichen bis zu 150.000) und zahlreichen politischen Gefangenen, die auch gefoltert wurden. Weitere Hunderttausende Spanier verließen das Land. Die Katholische Kirche spielte auch im Falle Spaniens eine unrühmliche Rolle und ließ sich von Franco instrumentalisieren.

Francos Nachfolger König Juan Carlos leitete ab 1977 mit freien Wahlen eine Demokratisierung des Landes ein. Eine echte Aufarbeitung der Verbrechen des Franco-Regimes hat bis heute kaum stattgefunden.
Quellen:
https://www.zeit.de/news/2019-10/24/spa ... rab-geholt
https://www.welt.de/vermischtes/article ... Gruft.html
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Francisco_Franco
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Feldwebel57
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Ich empfehle hier das Buch von Ludwig Renn " Im Spanischen Krieg " .
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Balduin
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Ich kenne mich mit der spanischen Geschichte kaum aus. 

Warum wurde die Diktatur Francos nicht aufgearbeitet?
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He has called on the best that was in us. There was no such thing as half-trying. Whether it was running a race or catching a football, competing in school—we were to try. And we were to try harder than anyone else. We might not be the best, and none of us were, but we were to make the effort to be the best. "After you have done the best you can", he used to say, "the hell with it". Robert F. Kennedy - Tribute to his father
Marianne E.
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Lieber Balduin,
die Geschichte des spanischen Bürgerkrieges wurde umfangreich aufgearbeitet, zum einen mit wissenschaftlich orientierter Literatur und zum anderen mit Erlebnisberichten.
Die Diktatur Francos, also die Zeit danach von 1939 bis 1976, war aus deutscher Sicht wenig ergiebig. Die Legion Condor lag den Deutschen heftig "im Magen".
Die Bundeszentrale für politische Bildung hält über diese Zeit ziemlich viel Literatur vor    https://bpb.de

Eine Schrift kann ich aber guten Gewissens empfehlen.
Sie wurde von Ulrike Capdepon geschrieben und hat den Titel "Der öffentliche Umgang mit der Franco-Diktatur".
Capdepon hat übrigens auch über Pinochet geschrieben und zieht erstaunliche Parallelen zu Spanien.
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Barbarossa
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Balduin hat geschrieben:Ich kenne mich mit der spanischen Geschichte kaum aus. 

Warum wurde die Diktatur Francos nicht aufgearbeitet?
Der Übergang von der Diktatur zu einer Demokratie war ein friedlicher Prozess - Transición genannt. (siehe dazu: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Adolfo_Su%C3%A1rez )
Damit sich die alten Eliten nach Francos Tod auf diese Ablösung von der Macht einließen, mussten Gesetze erlassen werden, die eine Art Generalamnestie bedeuteten. Verbrechen des Franco-Regimes wurden nicht juristisch aufgearbeitet. Auch die Symbole des Regimes wurden nur sehr zögerlich und dann auch unter Protest der Franco-Anhänger aus dem öffentlichen Leben entfernt.

Der Spanische Bürgerkrieg selbst wurde und wird dagegen stark thematisiert. Die Zeit danach kaum und erst sehr spät.
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Jim Morisson

Über den spanischen Bürgerkrieg gibt es eine Vielzahl hervorragender Bücher. Erwähnen möchte ich "Hemingway, Wem die Stunde schlägt". Bestimmt vielen bekannt, wurde auch verfilmt.

Mir gefielen vor allem die Bücher von "Orwell, Mein Katalonien" und "Koestler, Spanisches Testament".

1.) Orwell, Mein Katalonien
Orwell kämpfte als Freiwilliger für die spanische Republik auf Seiten der P.O.U.M. (Partido Obrero de Unificación Marxista), einer von Moskau unabhängigen kommunistischen Partei. Orwell beschreibt vor allem die Auseinandersetzungen zwischen den Republikanern. Diese bildeten eine Gemengelage aus Anarchisten, bürgerlichen Kräften, Sozialisten, Kommunisten, Syndikalisten usw. und waren sich oft untereinander spinnefeind.

In Barcelona erlebte Orwell die schweren Kämpfe zwischen der P.O.U.M. und moskautreuen Kommunisten. Letztere versuchten, alle anderen Milizen zu kontrollieren. Statt gemeinsam gegen Franco zu kämpfen, zerfleischten sie sich gegenseitig.
Orwell fährt daraufhin enttäuscht und völlig desillusioniert nach England zurück. In seinen späteren Werken, "Farm der Tiere" und natürlich vor allem "1984", warnt er vor den Gefahren einer totalitären Diktatur, deren Anfänge er bei den Stalinisten in Spanien erblickte.

2.) Koestler, Spanisches Testament
 Er kam als Journalist und Mitarbeiter der von Willy Münzenberg geleiteten Westeuropäischen Agitprop-Abteilung der Komintern nach Spanien und erlebte die Eroberung von Málaga durch die Franco Truppen mit, von denen er zeitweilig festgenommen wurde.

Er kritisiert in seinem Buch vor allem die chaotische Kriegsführung der Anarchisten, die völlig disziplinlos und ohne richtiges Kommando kämpften und deshalb leicht besiegt werden konnten. Sie erinnerten ihn an Kriegshaufen aus dem dreißigjährigen Krieg. Man darf nicht vergessen, bei aller Sympathie für die Republik, auch die Republikaner begingen zahlreiche Kriegsverbrechen. Opfer wurden vor allem Priester und Mönche, Täter waren zumeist irreguläre Verbände. Bei Franco handelte es sich allerdings um staatlich organisierte Massenerschießungen.

Auch Koestler bricht nach dem Krieg mit dem Kommunismus. In seinem Buch "Sonnenfinsternis“ beschreibt er einen kommunistischen Funktionär, der Opfer der stalinistischen Säuberung wird.

Die Franco Diktatur war übrigens gegenüber Touristen relativ tolerant. In den sechziger Jahren haben wir auf Ibiza und der Nachbarinsel Formentera große Partys am Strand gefeiert und es wurde öffentlich Haschisch geraucht, ohne dass dies die Polizei kümmerte. Auch andere Orte in Spanien wurden zum Treffpunkt von Aussteigern in der damaligen Zeit. Das beschreibt Michener in seinem Roman "Die Kinder von Torremolinos". Seltsam, aber wie sagte doch Franco immer "España es diferente".
Nach dem Ende der Diktatur hat man sich wenig mit dem Krieg beschäftigt. Man wollte keine alten Wunden aufreißen. Auch bei uns hat es lange gedauert, bis die Nazi-Diktatur aufgearbeitet wurde.
 
 
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Barbarossa
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Danke für die Infos.
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Barbarossa
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Noch ein Nachtrag: Wir sind als Projekt nämlich auch nicht so schlecht. Hier ein Beitrag aus unserem Lexikon zur Franco-Diktatur: https://geschichte-wissen.de/blog/katharina-kellmann/
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Jim Morisson

Es ist bekannt, dass auch Erich Mielke an dem Spanischen Bürgerkrieg beteiligt gewesen ist. Nach dem Polizistenmord 1931 flüchtete er in die UDSSR, wurde dort als Kader ausgebildet und ging dann mit seinem Genossen, der auch an dem Mord beteiligt gewesen ist, nach Ausbruch des Bürgerkrieges nach Spanien. Sein Freund ist dort gefallen. Die Rolle von Mielke in Spanien ist nicht ganz geklärt. An den Kämpfen war er wohl nicht beteiligt. Anscheinend hat der dem sowjetischen NKDW geholfen, Trotzkisten und Anarchisten aufzuspüren und zu verhaften. Spielte offensichtlich schon damals die üble Rolle, wie später in der DDR.

Die Auftraggeber des Polizistenmordes 1931 wurden übrigens alle Opfer der stalinistischen Säuberungen.

Wolf Biermann hat in seinem Lied über die verdorbenen Greise auch etwas über Mielke gesungen:
 
Hey Mielke, du warst ein Spanienkämpfer?
Ich glaube dir nichts, du warst privilegiert
Wir wissen, du hast die Trotzkisten und andre
Genossen feig hinter die Fronten liquidiert
Jetzt übst du mit uns diese blutigen Spiele
Pogrome zum Vierzigsten Jahrestag
Im Prenzlauer Berg, in Leipzig und Dresden
Nichts wird dir vergessen, kein einziger Schlag
 
Nähere Informationen über Mielke in Spanien findet man hier:
 
https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=12&ved=2ahUKEwiWkPLNyOTlAhWDLFAKHbsJBbMQFjALegQIAhAC&url=https%3A%2F%2Fzeitschrift-fsed.fu-berlin.de%2Findex.php%2Fzfsed%2Farticle%2Fdownload%2F113%2F103%2F&usg=AOvVaw1ZFfmC4RL2x9MFnJ_IWNEw
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