Brandmauer nach rechts?

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Moderator: Barbarossa

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Barbarossa
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Während man in Thüringen davon spricht, dass dort eine ,,Brandmauer'' nach rechts - namentlich zur AfD - eingerissen wurde, nur weil dort unabgesprochen sowohl CDU und FDP gemeinsam mit der AfD in einer geheimen Wahl einen FDP-Mann zum MP wählten, spielen sich u.a. in meiner Nachbarstadt Velten / Landkreis Oberhavel noch ganz andere Vorkommnisse ab. Und die lassen tatsächlich aufhorchen:
Die Wählerinitiative ,,Pro Velten'' hat in der Stadtverordnetenversammlung (SVV) ein Moratorium für neue Bauvorhaben mit mehr als 50 Wohneinheiten beantragt. Neben der Überlastung der Straßen durch zunehmenden Pendelverkehr in den Stoßzeiten (Berufsverkehr) war eine weitere Begründung für den Antrag ,,ein Identitätsverlust durch die starke Vergrößerung überbauter Flächen'' sowie ,,eine zunehmende Entfremdung der Einwohner''. Auch solle der von vielen Veltenern seit vielen Jahren geforderte S-Bahn-Anschluss nach Berlin abgelehnt werden, damit nicht so viele Ortsfremde nach Velten zögen.
Der Antrag fand in der SVV eine klare Mehrheit mit den Stimmen der Initiative ,,Pro Velten'', zwei AfD-Abgeordneten, dem dortigen CDU-Chef Marcel Ruffert und dem einzigen NPD-Abgeordneten.
Die Aufregung ist nun groß, denn schon bei der Thüringer Wahl hat der stellvertretende CDU-Chef im Potsdamer Landtag Frank Bommert sich über die Wahl Kemmerichs (FDP) gefreut und schrieb auf Facebook: ,,Geile Nummer, das Ende von diesem dunkelrot-rot-grünem Spuk.'' Auch die übrige Brandenburger CDU-Parteispitze gratulierte zum Wahlsieg Kemmerichs, machte dann aber einen Rückzieher.
Ein weiteres Vorkommnis gab es im Landkreis Barnim. Dort hat die AfD im Kreistag ,,offen den CDU-Kandidaten für den Vorsitz unterstützt.''
Die Brandenburger Jusos sprechen nun von ,,verbotener Liebe'' der CDU mit den Rechten. Die SPD sei die ,,Kenia-Koalition'' im Landtag nur eingegangen, weil es einen Abgrenzungsbeschluss der CDU gegenüber der AfD gäbe. Nun hätte man Zweifel daran, wie ernst es die CDU mit diesem Beschluss nimmt. Die Vorkommnisse belasten also auch die Landesregierung stark.

Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung - Printausgabe v. 19. Februar 2020
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Roxie
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Hallo Barbarossa,
in "meiner" Stadt und auch "meinem" Kreistag saßen bis vor einer Weile Leute von der NPD, jetzt sind da eben welche von der AfD (bei den letzten Kommunalwahlen erzielte diese Partei den bundesweiten Spitzenwert von 37,4 % für unseren Kreistag)
Ich kann mir vorstellen dass in vielen Stadträten und Landtagen Entscheidungen getroffen werden an denen auch die AfD Stimmenanteil hat.
Ich glaube man differenziert hier in unserer Republik stark zwischen den Herangehensweisen auf kommunaler + Kreistagsebene und denen auf Landes- und Bundesebene.
Die einen "dürfen" zusammenarbeiten, die anderen nicht.
Soweit ich gelesen habe gibts auch durchaus gut funktionierende Koalitionen zw. CDU und Linken auf kommunaler Ebene, das scheint niemanden zu stören.
Ich schrieb es schon mal hier im Forum, ich kann dieses Verwirrspiel nicht gutheißen.
Verboten ist die AfD nicht, wird aber öffentlich rechtsextrem etc genannt, was ja in D eig verboten ist.
In der Psychologie nennt man solches Kommunizieren eigentlich "Doppelbotschaften" (= sich widersprechende Botschaften).
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Balduin
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Dem kann ich nicht folgen Roxie. Die Hürden eines Parteienverbots sind in Deutschland zu Recht sehr hoch. Eine rechtsextreme Haltung ist in Deutschland auch nicht verboten, allein wegen der Einstellung wird man nicht eingesperrt - da muss schon mehr hinzukommen.

Die anderen Parteien dürfen sich aber selbstverständlich klar positionieren und eine Zusammenarbeit ablehnen. Ich halte es für fatal, was die CDU da für ein Spiel treibt. Das wird sich auf lange Sicht rächen. Da bin ich mir sicher.
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Roxie
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Hallo Balduin,
die Gedanken sind frei, das gilt auch hierzulande, da hast du natürlich recht.
Aber beispielsweise B.Höcke denkt ja nicht nur solche Sachen, er äußert sie auf Kundgebungen und schreibt sie in seinem Buch (oder vllt hat er auch mehrere davon geschrieben).
Dass dahingehend Hürden zu hoch sind um solche Hetze zu unterbinden finde ich nicht richtig.
Rechtsextremismus nimmt in unserem Land ja zu und ich denke man sollte da wirksam gegensteuern.
Die allzu sanfte Art zeigt ja nicht so durchschlagende Erfolge.
Und ich finde für solche Aufgaben ist ein Staat zuständig.
Es kann nicht sein dass hier nur die Bevölkerung aktiv werden muss um schlimmeres zu verhindern.
(Bspw würden wahrscheinlich jetzt noch alljährlich massive Nazi-Aufmärsche am 13.Februar stattfinden wenn sich nicht die Bevölkerung gewehrt hätte. Ich denke dass auch Bürger dafür Steuern zahlen dass die öffentliche Ordnung nicht durch voranschreitenden Extremismus gefährdet wird.)
Marianne E.
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Guten Abend Roxie,
aus den Erfahrungen der Vergangenheit ist die Hürde für Verbote von Parteien und Institutionen sehr hoch angesetzt.

Wenn Bernd / Björn Höcke Volksverhetzung oder Aufforderung zur Gewalt vorgeworfen wird, wird man sehr schnell feststellen, dass Höcke bei seiner Wortwahl immer mehrere Definitionen zulässt.

Das Strafgesetzbuch definiert diese beiden Straftaten eindeutig. Zum besseren Verständnis füge ich die entsprechenden Lesemöglichkeiten bei.
https://de.wikipedia.org/wiki/Volksverhetzung
https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96ffentliche_Aufforderung_zu_Straftaten
Roxie
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Hallo liebe Marianne,
ich denke dass es zum einen einen Spielraum gibt hinsichtlich Verbotsverfahren erfolgreich durchzusetzen, und der Spielraum reicht von absolut lockerer Auslegung bis zum Anlegen einer strengen Meßlatte.
Volksverhetzende Versammlungsreden oder schriftliche Äußerungen von öffentlichkeitswirksamen AfD-Persönlichkeiten gibt es zu Hauf, und da fände ich eine weniger lockere Meßlatte bzgl Parteiverbot anzulegen dringend notwendig, damit unsere Gesellschaft nicht weiter nach rechts bzw ins Rechtsextreme abdriftet und auch um zu verhindern dass die Verbreitung solchen Gedankengutes nicht weiter salonfähig gemacht werden kann.
In Höckes Buch gibt es zahlreiche Passagen die stark der nationalsozialisten Propaganda des 3. Reiches ähneln, sowohl was Inhalt als auch Wortwahl betrifft.
Mein Sohn war schon als Teenager der Meinung, dass man sich über den politischen Gegner informieren muss wenn man wirksam argumentieren will, und damit hat er vollkommen recht.
Ich bin ja kürzlich auf ein rechtsextremes Online-Nachschlagewerk gestoßen, dort las ich u.a. Artikel über Holocaustleugnung und dessen Verbreitung in unserem Land, unter anderem über Ursula Haverbeck (ich kannte sie bisher nicht).
Und als ich eben gerade nach rechtsextremen Äußerungen Höckes suchte sah ich einen Mitschnitt einer seiner Reden, wo er die Freilassung von Ursula Haverbeck fordert, ihre Inhalftierungen wegen öffentlich verbreiteter Volksverhetzung Unrecht nennt und eben den ganzen Staat (wiedermal) als Unrechtsstaat bezeichnet.
Damit macht er sich selbst der Volksverhetzung schuldig.
Auschnitt aus seiner Rede: https://www.youtube.com/watch?v=3smyKyZxIMY
Wer ist Ursula Haverbeck: https://de.wikipedia.org/wiki/Ursula_Haverbeck
Roxie
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Hallo Marianne,
wenn du magst kannst du mal einen Teil der "Anstalt" ansehen, es geht da zwar nicht um ein Parteiverbotsverfahren sondern eher um rechte Terrornetzwerke und deren Verbot, aber ich glaube hinsichtlich des Verbotes von Parteien verhält es sich ähnlich.
In der 23. Minute beginnt dieser Teil der "Anstalt" https://www.youtube.com/watch?v=c0bQXwBANo4
Roxie
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Hier  https://www.spiegel.de/politik/deutschland/bjoern-hoecke-anzeige-wegen-verdachts-der-volksverhetzung-a-247609e9-41ad-4851-86a3-0a44542565a0 kann man lesen dass Höcke nun endlich mal ein Verfahren wegen Volksverhetzung droht.
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Barbarossa
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Wohnort: Mark Brandenburg

Und wieder schlägt ein Ereignis in Thüringen hohe Wellen.
Am Do., dem 14.09.2023 hat die CDU einen Antrag zur Absenkung der Grunderwerbssteuer in den Landtag eingebracht, der mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, FDP und AfD gegen die Stimmen der Minderheitsregierung aus Linke, SPD und Grüne beschlossen wurde.

Die Aufregung der Medien und der unterlegenen Parteien ist nun ähnlich groß, wie damals bei der Wahl von Kämmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten. Erneut wird von einem ,,Dammbruch'' und ,,Tabubruch'' gesprochen und vom ,,Fall der Brandmauer''.
Aus der CDU kommen nun aber unterschiedliche Stimmen dazu - vor allem ist jetzt keine Kanzlerin Merkel mehr da, die hier interveniert.

CDU-Chef Friedrich Merz betont nach wie vor: ,,Eine Zusammenarbeit mit der AfD wird es auf Bundes- und Landesebene nicht geben. Dabei bleibt es auch.''
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erklärte bei der ,Reinischen Post'. ,,Wie andere Fraktionen sich dazu verhalten, darf für uns nicht Maßstab sein.''
Aus dem Adenauerhaus heißt es zur Definition einer Zusammenarbeit:
Wenn die CDU einen Antrag einbringt und Unterstützung von der AfD erhält, dann handle es sich nicht um eine Zusammenarbeit. Es dürfe aber keine Absprachen mit dieser Partei geben.

Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein hat dagegen die gemeinsame Abstimmung von CDU, FDP und AfD im Thüringer Landtag als Fehler bezeichnet.
Der F.A.Z. sagte er am Freitag, ein wie „auch immer geartetes Zusammenwirken mit der AfD ist ausgeschlossen“. Für ihn gelte das auch für eigene Initiativen, „die absehbar nur mithilfe dieser Partei Aussicht auf Erfolg haben. Die zunehmende Radikalisierung der AfD erfordert eine noch konsequentere Haltung gerade einer konservativen Partei. Ein Vorgehen wie aktuell in Thüringen widerspricht dieser Haltung.“

Der Brandenburger CDU-Landeschef Jan Redmann verteidigt dagegen die Thüringer CDU und wird dabei sehr deutlich. Die Grundsteuersenkung sei ,,sinnvoll und CDU pur''. Daran ändere auch die Zustimmung anderer nichts. Absprachen mit der AfD habe es nach seiner Kenntnis nicht gegeben. Es sei zudem nicht akzeptabel, dass bei Anträgen nur immer darauf geschielt werde, ob die Rechtsaußenpartei den Anträgen zustimmen könnte und infolgedessen dann Initiativen unterlassen werden. Damit mache man sich dann zum Spielball der AfD. Das sei absolut nicht hinzunehmen.
Gleichzeitig verwies Redmann auf die klare Festlegung, dass es keine Koalitionen mit der AfD und auch keine Duldung vonseiten der CDU geben werde. Man wisse, ,,wes Geistes Kind die AfD ist''.
In Thüringen sei die Situation dadurch erschwert, dass die Landesregierung keine eigene Mehrheit im Parlament habe.
,,Eine Minderheitsregierung ist instabil und nicht ideal für ein Land.'' - so Redmann wörtlich.

Ganz anders sieht das natürlich die brandenburgische SPD. Sie zeigt sich empört und spricht sehr wohl von einer ,,Zusammenarbeit'', die ein ,,beispielloser politischer Tabubruch'' und ,,inakzeptabel'' sei.

Quelle: ,Märkische Allgemeine Zeitung' - Printausgabe v. 16.09.2023


Fest steht bei aller vorgetragener Empörung aber eines:
Die Thüringer Minderheitsregierung hat in der näheren Vergangenheit selbst bereits zweimal(!) eigene Anträge mit den Stimmen der AfD-Fraktion durchbekommen - was ich seltsamerweise auch erst vor wenigen Tagen quasi so ganz nebenbei erfahren habe. Dabei hat seinerzeit komischerweise ,,kein Hahn gekräht''.
Bei der CDU wird jetzt also ein ,,riesen Aufriss'' gemacht, bei etwas, das die ultralinks-rot-grüne Landesregierung selbst vorher schon zweimal durchgezogen hat - das geht gar nicht!
Das nenne ich Heuchelei und mit zweierlei Maß messen!

Und wo wir schon bei ,,Brandmauer'' sind:
Diejenige von SPD und Grünen gegenüber der früheren DDR-Täterpartei SED/PDS/Linkspartei ist schon vor sehr langer Zeit gefallen. Dabei spricht sich diese Partei gerade aktuell nach wie vor gegen die NATO und Waffenlieferungen an die Ukraine aus - vor allem Letzteres genau, wie die AfD.
Und fest steht nunmal: Wer Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnt, nimmt mindestens billigend in Kauf, dass Russland diesen brutalen Krieg gewinnt und dass nach der russischen Besetzung des Landes der Genozid in der gesamten Ukraine beginnen kann, so wie er in den bereits besetzten Gebieten längst läuft. Man macht sich damit klar zum Putin-Unterstützer. Darüber sollte sich jeder im Klaren sein.
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Cherusker
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Es ist wieder Wahlkampf und die Linken und Grünen klammern sich an jeden Strohhalm, obwohl sie auch gerne die AfD-Stimmen genommen haben. :mrgreen:
Schon einmal hatte doch eine Ricarda Lang jegliche "Zusammenarbeit" mit der AfD abgelehnt, aber war da mal nicht was in ihrem Wahlkreis ? :wink:
Anscheinend gibt es keine "Brandmauer gegen links" ? Anders ist es nicht zu erklären, daß die SED-Nachfolgepartei einen Ministerpräsidenten stellt und eine mögliche Thüringen-Wahl dann auch noch verschoben wurde ? Wird da noch jemals gewählt oder soll der weiterhin nur bestätigt werden ? :wink: Ich frage mich sowieso, wie eine Partei an der 5%-Grenze soviel Aufmerksamkeit in den Medien erhalten kann ? Andauernd werden Politiker der Linken zu Themen befragt und dürfen dann ihren sozialistischen Blödsinn dazu äußern. :twisted:
Bei der AfD und den Linken gibt es zuviele "Putin-Versteher", die man schon als "5.Kolonne Moskaus" bezeichnen kann. In den `70ern gab es auch manch einen Sozi-Politiker, die auch großes Verständnis für die UDSSR aufbringen konnten.
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