von RedScorpion » 07.05.2013, 01:47
Barbarossa hat geschrieben:RedScorpion hat geschrieben:Naja, wobei dabei auch für mich fraglich ist, wie man denn ein Gewissen (welches ja irgendwie schon 'was mit dem "Guten" und dem "Leitenden" an und für sich zu tun hat) losgelöst sehen kann von einer göttlichen Macht in irgendeiner Form zumindest...
Wozu braucht man eine "göttliche Macht", wenn sich längst die von der UNO verkündeten Menschenrechte dabei sind, weltweit durchzusetzen.
...
Ich bin nu bestimmt kein Kulturpessimist; aber "längst" "weltweit"? Und ausgerechnet die UNO ist Deiner Meinung der Garant dafür?
Barbarossa hat geschrieben:
...
Wurden die von "Gott" erschaffen?
Sicher nicht. Das war ausschließlich Menschenwerk und zwar von Menschen ganz verschiedener Religionen.
...
Hä? Hab' ich irgendwo geschrieben, dass ich dachte, Rechte und Gesetz müssten von Gott geschrieben sein und denkst Du echt, ich wär' beknackt genug, das zu denken (selbst im Iran dürfte man damit Schwierigkeiten haben, imho)?
Barbarossa hat geschrieben:
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RedScorpion hat geschrieben:... allein die Gesetze tun's eben gerade nicht (jedenfalls nicht allein), was in der Geschichte, gerade eben in der neueren, vielfach brutal sichtbar ist. Ohne die beiden Systeme auf eine Stufe stellen zu wollen, waren weder der NS noch die DDR gesetzlos.
Aber Rechtsstaaten waren beide nicht und zwar deswegen, weil es keine Demokratien waren und darin ähnelten sich beide deutsche Diktaturen tatsächlich sehr.
Nur in einer Demokratie ist auch die Rechtsstaatlichkeit und damit auch die Bürgerrechte gewährleistet (im günstigsten Fall jedenfalls).
...
Was aber nicht heisst, dass alles, was innerhalb einer voll ausgebildeten, modernen Demokratie geschieht, auch der menschlichen Vorstellung vom "Guten" entspricht (das ist bez. der Kirche(n) auch nicht unbedingt anders, aber ich spreche auch nicht von den Kirchen, sondern vom Glauben). Die nur teilweise gelungene Bewältigung der derzeitigen Euro-Krise ist dafür nicht das schlechteste Beispiel.
Gutgemeinte Policies können sozial und individuell verheerende Folgen haben, während eiskalte Realpolitik mitunter das genaue Gegenteil davon bewirkt. Davon ist die Geschichte geradezu überladen.
Barbarossa hat geschrieben:
...
Damit sind auch die im Grundgesetz festgeschriebenen Bürgerrechte nicht nur Makulatur sondern "unmittelbar geltendes Recht".
...
Bürgerrechte und Gesetze überhaupt sind auch keine Makulatur; allein, sie reichen evtl. nicht. Ein normaler Mensch macht auch dann keine schlimmen Sachen, wenn er nicht Tag und Nacht von staatlichen Organen überwacht wird und mit Gesetzen bedroht.
Auch deswegen hat ein "Allahu akbar" unendlich mehr Power, Anspruch und Gültigkeit als jeglicher Schwur auf Staat und/oder Partei.
Barbarossa hat geschrieben:
...
Und auf Grundlage dieser Bürgerrechte ist es möglich, ein von jeglicher Religion losgelöstes Weltbild aufzubauen.
...
Jein. Will sagen: es reicht nicht. Jeder, der versucht hat, das zu tun (die frz. Revolution tat es gar nicht, es wurde ihr nur angedichtet bzw. Ausländer haben den Eindruck durch die loi de séparation des Églises et de l'État, allerdings von 1905, nicht 1794), ist gescheitert, nicht nur politisch oder militärisch, sondern gerade auch moralisch.
Barbarossa hat geschrieben:
Barbarossa hat geschrieben:
...
Da wir uns zu einer Informations- und Wissensgesellschaft entwickeln, halte ich Religionen bzw. den Glauben langfristig für ein Auslaufmodell. Die staatliche Verfassung hat längst neue Verhaltens- und Rechtsnormen geschaffen, an die sich nun jeder halten muß.
...
RedScorpion hat geschrieben:Da liegt der Irrtum.
Abgesehen von der Kontingenz angeblicher Info- und Wissensgesellschaften (ja, die Realität ist real; allein, der Mensch kann nur durch seine Sinne plausibel machen, was sie sein könnte, naturgegebenermassen),
ist es genau das, was Ratzinger meinte, als er von "Etsi Deus daretur" als Antwort auf (wer war's gleich, Grotius?) "Etsi Deus non daretur" sprach. Und da ist er deutlich moderner als Deine Aussage oben.
Ohne Referenz auf eine übergeordnete Struktur (um nicht von "göttlicher Ordnung" zu sprechen) fährt's sich schlechter, und zwar historisch erheblich schlechter...
Sehe ich auf keinen Fall. Der Humanismus und die Aufklärung entstanden ja gerade, weil eine allzu gläubige christliche Gesellschaft sich in der Inquisition und Folter verstrickt hatte und von der Katholischen Kirche spalteten sich die Protestanten ab, weil die Geldgier längst überhand genommen hatte.
...
Ja, da fehlt nur noch der Hinweis auf Thomas Müntzer als Kämpfer für den Sozialismus.
Ernsthaft: Natürlich ist Humanismus auch gegen best. Strömungen innerhalb der Kirche entstanden, allerdings nicht als Antwort auf Folter und Inquisition; ebensowenig ist der Protestantismus (Ds grösster Grundbesitzer ist die ev. Kirche) eine Antwort auf Geldgier.
Aufklärung ist auch kein Produkt von Theoretikern allein aus historisch protestantischen Ländern, im Ggteil.
Das war aber nicht mein Punkt. Sondern vielmehr, dass eben unveräusserliche Grundpfeiler menschlichen Zusammenlebens (oder die Garanten dafür) über staatlichen Institutionen stehen, völlig wurscht, was die 50% +1 dazu sagen. Und damit ist man historisch bisher nicht schlecht gefahren. Während all jene Gesellschaften, die ein neues Weltbild, auf neuen Gesetzen beruhend, die den "neuen Menschen" schufen, in der Katastrophe geendet sind. Es hat ganz wenige Ausnahmen davon. Fällt mir i.M. nur Augustus ein, evtl. Napoleon. Das wären dann allerdings bedeutende Ausnahmen.
Barbarossa hat geschrieben:
...
Auch die Wissenschaft und damit der technische Fortschritt konnte sich erst frei entfalten mit der Durchsetzung des säkularen Staates.
...
Nein, kann man so nicht sagen. Technischer Fortschritt basiert auf technischem Fortschritt, und eine der Grundvoraussetzungen ist nicht so sehr der sekuläre Staat, sondern die Gesellschaft, welche den Dissenz zulässt. Das war in der Geschichte aber seltenst der sekuläre Staat (welcher höchstens dann das Resultat dessen war).
Wobei der technische Fortschritt auch wiederum kein Garant ist für Menschenrechte bzw. das Wohlergehen des Einzelnen; wobei da aber noch nicht das letzte Wort gesprochen ist (ich meine, da tut sich mittlerweile doch so einiges in China).
Barbarossa hat geschrieben:
...
Ich sehe die Kirchen tatsächlich als Bremser jeglichen Fortschritts.
Waren sie bzw. sind sie auch, zumindest teilweise. Aber Du vermischst (weltliche) Kircheninstitutionen und (transzendentalen) Glauben. Das hat zwar auch z.T. starke Berührungspunkte, ist aber absolut nicht dasselbe.
LG
[quote="Barbarossa"][quote="RedScorpion"]Naja, wobei dabei auch für mich fraglich ist, wie man denn ein Gewissen (welches ja irgendwie schon 'was mit dem "Guten" und dem "Leitenden" an und für sich zu tun hat) losgelöst sehen kann von einer göttlichen Macht in irgendeiner Form zumindest...[/quote]
Wozu braucht man eine "göttliche Macht", wenn sich längst die von der UNO verkündeten Menschenrechte dabei sind, weltweit durchzusetzen.
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Ich bin nu bestimmt kein Kulturpessimist; aber "längst" "weltweit"? Und ausgerechnet die UNO ist Deiner Meinung der Garant dafür? :shock:
[quote="Barbarossa"]
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Wurden die von "Gott" erschaffen?
Sicher nicht. Das war ausschließlich Menschenwerk und zwar von Menschen ganz verschiedener Religionen.
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Hä? Hab' ich irgendwo geschrieben, dass ich dachte, Rechte und Gesetz müssten von Gott geschrieben sein und denkst Du echt, ich wär' beknackt genug, das zu denken (selbst im Iran dürfte man damit Schwierigkeiten haben, imho)?
[quote="Barbarossa"]
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[quote="RedScorpion"]... allein die Gesetze tun's eben gerade nicht (jedenfalls nicht allein), was in der Geschichte, gerade eben in der neueren, vielfach brutal sichtbar ist. Ohne die beiden Systeme auf eine Stufe stellen zu wollen, waren weder der NS noch die DDR gesetzlos.[/quote]
Aber Rechtsstaaten waren beide nicht und zwar deswegen, weil es keine Demokratien waren und darin ähnelten sich beide deutsche Diktaturen tatsächlich sehr.
Nur in einer Demokratie ist auch die Rechtsstaatlichkeit und damit auch die Bürgerrechte gewährleistet (im günstigsten Fall jedenfalls).
...[/quote]
Was aber nicht heisst, dass alles, was innerhalb einer voll ausgebildeten, modernen Demokratie geschieht, auch der menschlichen Vorstellung vom "Guten" entspricht (das ist bez. der Kirche(n) auch nicht unbedingt anders, aber ich spreche auch nicht von den Kirchen, sondern vom Glauben). Die nur teilweise gelungene Bewältigung der derzeitigen Euro-Krise ist dafür nicht das schlechteste Beispiel.
Gutgemeinte Policies können sozial und individuell verheerende Folgen haben, während eiskalte Realpolitik mitunter das genaue Gegenteil davon bewirkt. Davon ist die Geschichte geradezu überladen.
[quote="Barbarossa"]
...
Damit sind auch die im Grundgesetz festgeschriebenen Bürgerrechte nicht nur Makulatur sondern "unmittelbar geltendes Recht".
...[/quote]
Bürgerrechte und Gesetze überhaupt sind auch keine Makulatur; allein, sie reichen evtl. nicht. Ein normaler Mensch macht auch dann keine schlimmen Sachen, wenn er nicht Tag und Nacht von staatlichen Organen überwacht wird und mit Gesetzen bedroht.
Auch deswegen hat ein "Allahu akbar" unendlich mehr Power, Anspruch und Gültigkeit als jeglicher Schwur auf Staat und/oder Partei.
[quote="Barbarossa"]
...
Und auf Grundlage dieser Bürgerrechte ist es möglich, ein von jeglicher Religion losgelöstes Weltbild aufzubauen.
...[/quote]
Jein. Will sagen: es reicht nicht. Jeder, der versucht hat, das zu tun (die frz. Revolution tat es gar nicht, es wurde ihr nur angedichtet bzw. Ausländer haben den Eindruck durch die loi de séparation des Églises et de l'État, allerdings von 1905, nicht 1794), ist gescheitert, nicht nur politisch oder militärisch, sondern gerade auch moralisch.
[quote="Barbarossa"]
[quote="Barbarossa"]
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Da wir uns zu einer Informations- und Wissensgesellschaft entwickeln, halte ich Religionen bzw. den Glauben langfristig für ein Auslaufmodell. [b]Die staatliche Verfassung hat längst neue Verhaltens- und Rechtsnormen geschaffen, an die sich nun jeder halten muß. [/b]
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[quote="RedScorpion"]Da liegt der Irrtum.
Abgesehen von der Kontingenz angeblicher Info- und Wissensgesellschaften (ja, die Realität ist real; allein, der Mensch kann nur durch seine Sinne plausibel machen, was sie sein könnte, naturgegebenermassen),
ist es genau das, was Ratzinger meinte, als er von "Etsi Deus daretur" als Antwort auf (wer war's gleich, Grotius?) "Etsi Deus non daretur" sprach. Und da ist er deutlich moderner als Deine Aussage oben.
Ohne Referenz auf eine übergeordnete Struktur (um nicht von "göttlicher Ordnung" zu sprechen) fährt's sich schlechter, und zwar historisch erheblich schlechter...[/quote]
Sehe ich auf keinen Fall. Der Humanismus und die Aufklärung entstanden ja gerade, weil eine allzu gläubige christliche Gesellschaft sich in der Inquisition und Folter verstrickt hatte und von der Katholischen Kirche spalteten sich die Protestanten ab, weil die Geldgier längst überhand genommen hatte.
...[/quote]
Ja, da fehlt nur noch der Hinweis auf Thomas Müntzer als Kämpfer für den Sozialismus. :wink:
Ernsthaft: Natürlich ist Humanismus auch gegen best. Strömungen innerhalb der Kirche entstanden, allerdings nicht als Antwort auf Folter und Inquisition; ebensowenig ist der Protestantismus (Ds grösster Grundbesitzer ist die ev. Kirche) eine Antwort auf Geldgier.
Aufklärung ist auch kein Produkt von Theoretikern allein aus historisch protestantischen Ländern, im Ggteil.
Das war aber nicht mein Punkt. Sondern vielmehr, dass eben unveräusserliche Grundpfeiler menschlichen Zusammenlebens (oder die Garanten dafür) über staatlichen Institutionen stehen, völlig wurscht, was die 50% +1 dazu sagen. Und damit ist man historisch bisher nicht schlecht gefahren. Während all jene Gesellschaften, die ein neues Weltbild, auf neuen Gesetzen beruhend, die den "neuen Menschen" schufen, in der Katastrophe geendet sind. Es hat ganz wenige Ausnahmen davon. Fällt mir i.M. nur Augustus ein, evtl. Napoleon. Das wären dann allerdings bedeutende Ausnahmen.
[quote="Barbarossa"]
...
Auch die Wissenschaft und damit der technische Fortschritt konnte sich erst frei entfalten mit der Durchsetzung des säkularen Staates.
...[/quote]
Nein, kann man so nicht sagen. Technischer Fortschritt basiert auf technischem Fortschritt, und eine der Grundvoraussetzungen ist nicht so sehr der sekuläre Staat, sondern die Gesellschaft, welche den Dissenz zulässt. Das war in der Geschichte aber seltenst der sekuläre Staat (welcher höchstens dann das Resultat dessen war).
Wobei der technische Fortschritt auch wiederum kein Garant ist für Menschenrechte bzw. das Wohlergehen des Einzelnen; wobei da aber noch nicht das letzte Wort gesprochen ist (ich meine, da tut sich mittlerweile doch so einiges in China).
[quote="Barbarossa"]
...
Ich sehe die Kirchen tatsächlich als Bremser jeglichen Fortschritts.[/quote]
Waren sie bzw. sind sie auch, zumindest teilweise. Aber Du vermischst (weltliche) Kircheninstitutionen und (transzendentalen) Glauben. Das hat zwar auch z.T. starke Berührungspunkte, ist aber absolut nicht dasselbe.
LG