Adolf Hitler's Problem mit der freien Presse in der Schweiz

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Re: Adolf Hitler's Problem mit der freien Presse in der Schw

von Triton » 28.09.2014, 19:29

Beromünster war, wie alle ausländischen Sender, verboten. Es war kein Feindsender, keine Ahnung ob es da Abstufungen in der Schwere des Vergehens gab.
Rassisch, und nur das interessierte Hitler, gab es wohl gar keine "Schweizer", sondern eben nur "missratene" Deutsche, Franzosen und Italiener.

Re: Adolf Hitler's Problem mit der freien Presse in der Schw

von Marek1964 » 28.09.2014, 19:22

Triton hat geschrieben:Mein Vater hörte damals immer heimlich den Sender Beromünster.
Soweit ich weiss, durfte man neutrale Sender hören. Habe ich jedenfalls von meinen Eltern gehört, die ja auch im Protektorat aufgewachsen sind. JR von Salis war eine Legende.
Triton hat geschrieben:Das Glück für die Schweiz war wohl, dass Hitler seinen Nachbarstaat nicht begriff. Den Wunsch nach Demokratie, Kleinstaaterei, das Zusammenleben Deutscher mit Franzosen und Italienern, das alles überstieg wohl seinen Horizont. Für ihn mussten der Staat groß, das Volk rein und die Menschen gleich sein.
Bei seiner Visite gab es wohl wenig, was bleibenden Eindruck hinterließ.
Wobei die Schweizer eben keine Deutsche, keine Franzosen, Italiener oder Rumänen sind. Sie sind eben alles Schweizer, egal, ob sie aus Luzern, Lausanne Lugano oder Lugnez kommen.

Hitler verstand allerdings vieles nicht, dass es immer denen zum Vorteil gereicht hätte, die er nicht verstand, kann man wohl verneinen.

"Die Schweiz, das kleine Stachelschwein, das nehmen wir auf dem Rückweg ein", war, neben allem anderen, was Orianne erwähnt hat, wohl viel wichtiger. Es gab schlicht keinen militärischen Grund, die Schweiz zu besetzen.

Re: Adolf Hitler's Problem mit der freien Presse in der Schw

von Triton » 28.09.2014, 19:08

Mein Vater hörte damals immer heimlich den Sender Beromünster.

Das Glück für die Schweiz war wohl, dass Hitler seinen Nachbarstaat nicht begriff. Den Wunsch nach Demokratie, Kleinstaaterei, das Zusammenleben Deutscher mit Franzosen und Italienern, das alles überstieg wohl seinen Horizont. Für ihn mussten der Staat groß, das Volk rein und die Menschen gleich sein.
Bei seiner Visite gab es wohl wenig, was bleibenden Eindruck hinterließ.

Adolf Hitler's Problem mit der freien Presse in der Schweiz

von Orianne » 28.09.2014, 12:59

General Guisan glaubte bis zu seinem Lebens- ende, dass die Schweiz im Zweiten Weltkrieg nie gefährdeter war als Mitte Mai 1940. Bei Beginn des Westfeldzugs hatte Hitler aber erwiesenermassen nie daran gedacht, die Schweiz in seine Angriffspläne einzubeziehen. Er stand unserem Land, wenn es ihn überhaupt interessierte, lange Zeit recht wohlwollend gegenüber.

Obschon die Frage, warum die Schweiz im Zweiten Weltkrieg nicht erobert wurde, seit Jahrzehnten heftig diskutiert wird, hat sich keine eindeutige Antwort herausgeschält. Die möglichen Gründe für die Verschonung, die Historiker angeführt haben, sind ebenso umstritten wie vielfältig. Hat der «hohe Eintrittspreis», den die entschlossene Schweizer Armee von Eindringlingen gefordert hätte, eine abschreckende Wirkung gehabt? Fürchtete Deutschland die Unterbrechung der Transitverbindung zu seinem Verbündeten Italien? Oder war es die Nützlichkeit der Schweiz als Handelspartner, Waffenlieferant, Goldkäufer und Nachrichtenumschlagplatz, die Berlin von einer Besetzung der Schweiz abhielt?

Mehr oder minder mögen alle Faktoren mitgespielt haben. Von den dreizehn Gründen, die Markus Heiniger in seinem 1989 erschienenen Buch anführt, überzeugt der erste am meisten, wonach die Schweiz, weil sie in einem «strategisch toten Winkel» liegt, im Kriegsverlauf für keine der beiden Parteien zu einem «militärisch entscheidenden Stein im grossstrategischen Spiel» wurde.

Kurioserweise hat die Geschichtsschreibung einem entscheidenden Faktor wenig Beachtung geschenkt. Hitlers Rolle im deutschen Kalkül, ob die Schweiz angegriffen werden soll oder nicht, ist unseres Wissens nie eingehend untersucht worden. Dies ist verblüffend, weil seit Beginn des Kriegs der Führer allein alle wichtigen aussenpolitischen und militärischen Entscheide traf. Er war Reichskanzler, Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber. Er plante die grosse Strategie und griff auch operativ ein. Wie Napoleon duldete er um sich nur Gehilfen und ausführende Organe seines Willens.

Wenn man der Frage nachgehen will, ob Hitler je beabsichtigte, in der Schweiz einzumarschieren, muss man nicht nur seine strategischen Überlegungen, sondern auch seine Gefühle gegenüber der Schweiz berücksichtigen. Die meisten überlieferten Äusserungen Hitlers über die Schweiz stammen aus seinen Tischgesprächen, die ab 21. Juli 1941 mitstenografiert wurden. In diesen Monologen hat sich der Führer nie ernsthaft oder ausführlich über die Schweiz Gedanken gemacht. Aus dem abfälligen bis gehässigen Ton der seltenen Bemerkungen – «missratener Zweig» des deutschen Volkes, «Eiterbeule an Europa» –, hat man indessen geschlossen, dass er sie verachtete. Sein Bild der Schweiz, mit der er sich gedanklich kaum beschäftigte, war auf jeden Fall in den letzten vier Jahren seines Lebens negativ.

Wenn man nun aber die schweizfeindlichen Auslassungen der Tischgespräche mit den wenigen Erwähnungen der Schweiz durch Hitler vor Kriegsbeginn vergleicht, zeigt sich, dass sich seine Einstellung zur Schweiz mit der Zeit wandelte. Zunächst schwankte Hitler zwischen Gleichgültigkeit und einer gewissen Gönnerhaftigkeit. Erst die zunehmend schroffe Ablehnung, welche die Schweizer Presse seiner Person, Partei und Politik entgegenbrachte, liess joviale Nachsicht in Feindschaft umschlagen.

1920 schaffte Hitler den Durchbruch als Politiker. Damals war an einer Parteiversammlung im «Münchner Brauhauskeller» auch der junge Aarauer Hektor Ammann dabei: «Nachdem sich die Menge bereits verlaufen hatte, muss festgestellt worden sein, dass ich als Schweizer anwesend sei. Hitler stürzte sich auf mich und unterhielt sich die halbe Nacht mit mir über die Schweiz.» Wenn man Ammann, dem späteren Aargauer Staatsarchivar, glauben darf, interessierte sich der wissensdurstige 31-jährige Hitler damals echt für unser Land.

Drei Jahre später, Ende August 1923, setzte er als 1. Vorsitzender der noch unbedeutenden NSDAP erst- und letztmals seinen Fuss auf Schweizer Boden. Die kurze Reise diente der Sammlung von Geldspenden für seine Partei, wobei nach unterschiedlichen Berichten 11000 oder 30000 Franken zusammenkamen. Hitler wohnte in Zürich im Hotel «St. Gotthard» und referierte an einem von Ulrich Wille junior** in seiner Villa Schönberg im Rieterpark gegebenen Mittagessen vor etwa vierzig Personen. Es ist ungewiss, ob Hitler auch andere Städte besuchte. Zu der Reise liegt eine einzige, vom August 1942 datierende Reminiszenz des Vegetariers Hitler vor: «Ich bin 1923 einmal in die Schweiz gekommen, habe in Zürich gegessen und war vollständig perplex über die Fülle der Gerichte. Was hat so ein kleiner Staat für eine Ideologie des Lebens.»
**Sohn von General Ulrich Wille, dem Oberbefehlshaber der Schweizer Armee im 1. Weltkrieg, Wille war als deutschfreundlich verschrien.

Nachdem der zum Gesandten in Bern ernannte Ernst von Weizsäcker von Hitler im August 1933 in der Reichskanzlei empfangen worden war, notierte er: «Hitler glaubt, ich werde viele Schwierigkeiten haben. Die Presse in der Schweiz strotzt natürlich von Verleumdungen.» In seinen nach dem Krieg verfassten «Erinnerungen» erzählt der spätere Staatssekretär, das damalige kurze Gespräch sei inhaltlich nichts sagend gewesen: «Hitler war erstaunt, als ich ihm erklärte, ich gehe gerne in die Schweiz; gern in das Ausland gehen, war ihm eine fremde Neigung, da doch in Deutschland gerade alles neu und im Werden war. Hitler machte gewisse abfällige Bemerkungen über die Schweiz, ihre Demokratie und die Presse.»

Was Demokratie und Presse anbelangte, schien Weizsäcker Hitlers Vorbehalte geteilt zu haben. Der Empfang durch die schweizerische Bevölkerung war nicht dazu angetan, ihn froh zu stimmen: «In der Schweiz wird man mit deutscher Autonummer angejubelt. Die spöttischen ‹Heil Adolf›-Rufe machen mich nur noch mehr zum Freund der NSDAP.»

Weizsäckers «cauchemar*» war die Presse in Bern : «Sie wirkt auf die 4 Millionen Schweizer und darüber hinaus ins Ausland. Diese wohlweise Lobpreisung der wahren Demokratie hängt mir zum Halse heraus, und die Pressefreiheit soll der Teufel holen, wenn sie die Gefühle vergiftet. Feigheit ist der Leitstern der Politik. Da man von uns noch keine Angst haben zu müssen glaubt, übergiesst man uns mit Jauche, wo andere nur mit mildesten Worten abgetan würden. Ich zehre innerlich und nach aussen stark am Kapital meiner Liebe für die Schweiz. Zinsen laufen da keine auf.»
*Alptraum

Der Ärger über die «geifernde» Presse zog sich wie ein Leitmotiv durch die Schweizer Amtszeit des Freiherrn. Die Zeitungen tobten sich so über Deutschland aus, «dass mir der Morgenkaffee täglich versalzen wird». Der eskalierende deutsch-schweizerische Zeitungsstreit war Weizsäckers Hauptsorge. Entnervt notierte er im Juli 1934: «Wären die Schweizer Blätter doch auf chinesisch geschrieben!» Der Gesandte konnte nicht verstehen, «weshalb die Schweiz uns immer wieder begeifert: Mit den Schweizern ist es etwas Seltsames. Kein Volk hat sie so misshandelt wie die Franzosen. Keines hat sie so lang unterdrückt wie die Österreicher. Hassen tun die Schweizer uns, ihre effektive Stütze, lieben tun sie aber die, von denen sie am meisten Prügel bezogen.»

Auch Hitler muss manchmal geschäumt haben, aber in öffentlichen Äusserungen hielt er sich zurück oder lobte gar die Schweiz. Als er 1935 in einer Rede «aus dem einfachen Solidaritätsgefühl gemeinsamer nationaler Herkunft» das «Selbstbestimmungsrecht der Deutsch-österreicher» forderte, fügte er hinzu: «Wenn zwischen Deutschland und der zu einem grossen Prozentsatz auch deutschen Schweiz solche Schwierigkeiten nicht bestehen, dann einfach deshalb, weil die Unabhängigkeit der Schweiz eine tatsächliche ist und weil niemand zweifelt, in ihrer Regierung den wirklichen legalen Ausdruck des Volkswillens zu sehen.»

Es war beruhigend, dass es nach der Ermordung des deutschen Landesgruppenleiters Gustloff in Davos durch den jüdischen Jugoslawen Frankfurter nicht zu den von Weizsäcker befürchteten «Weiterungen gegenüber der Schweiz» kam. Hitler verstieg sich damals gar zu einem etwas eigenartigen Kompliment: «Es ist ein Ruhmesblatt für die Schweiz sowohl als auch für unsere Deutschen in der Schweiz, dass sich keiner dingen liess zu dieser Tat...»

Am 23. Februar 1937 empfing Hitler auf Vermittlung von Aussenminister Konstantin von Neurath und Wirtschaftsminister Hjalmar Schacht den einflussreichen Altbundesrat Edmund Schulthess, der als Chef des Volkswirtschaftsdepartements der Regierung von 1912 bis 1935 angehört hatte. Kurz zuvor hatte der Führer in einer Rede Belgien und Holland feierlich die Unverletzlichkeit ihrer Grenzen zugesichert, aber die Schweiz nicht erwähnt. Nach der einstündigen Unterredung wurde im Namen Hitlers ein Communiqué herausgegeben, bei dessen Abfassung auch Schulthess und von Weizsäcker mitwirkten.

In einem privaten Brief schrieb Schulthess, Hitler sei zweifellos aufrichtig und wolle den Frieden: «Die Neutralität zu verletzen, bezeichnet er als Wahnsinn, den Deutschland nie begehen werde... Aber auch militärisch betrachtet er die Schweiz als Flankendeckung und erklärte ausdrücklich, es sei ihm recht, wenn wir unsere Verteidigung weiter organisieren.»
In einem Gespräch mit Weizsäcker äussert sich Hitler zwei Wochen später in ähnlichem Sinn: «Der Führer besprach dann sein Einverständnis mit der Schweizer Rüstung... Kulturell solle die Schweiz in Ruhe gelassen werden (kein Werben um ihre Liebe). Besuche deutscher Prominenter beanstandet der Führer nicht. Die schweizerische Demokratie achtet der Führer als bodenständig.» Hitler gestattete auch den Verkauf von 88 Messerschmitt-Jagdflugzeugen an die Schweiz, deren letzte Tranche im März 1940 abgeliefert wurde. Hätte er die Schweiz als potenziellen Feind betrachtet, hätte er nicht zugelassen, dass sich diese in Deutschland mit hochmodernen Kampfjägern eindeckte.

Als nach dem Anschluss Österreichs allgemeine Kriegsgefahr drohte, bemühte sich die Schweiz, die durch die Mitgliedschaft im Völkerbund teilweise aufgegebene traditionelle Neutralität wiederzugewinnen und sich künftig von einer obligatorischen Sanktionspflicht zu befreien. Bei Übergabe des Beglaubigungsschreibens von Botschafter Hans Frölicher am 9. Juni 1938 «erörterte Hitler in klarer und zutreffender Weise» die deutsch-schweizerischen Beziehungen, «verlor kein Wort über den bestehenden Pressekrieg» und beglückwünschte die Schweiz zum «Erfolg der Rückgewinnung der integralen Neutralität».

Am Tag nach dem Berliner Besuch des tschechoslowakischen Staatspräsidenten Emil Hacha, am 16. März 1939, erklärte Bundesrat Hermann Obrecht: «Das Ausland muss es wissen. Wer uns ehrt und in Ruhe lässt, ist unser Freund. Wer dagegen unsere Unabhängigkeit und unsere politische Unversehrtheit angreifen sollte, dem wartet der Krieg! Wir Schweizer werden nicht zuerst ins Ausland wallfahrten gehen.»

In den hektischen Tagen vor dem Angriff auf Polen empfing Hitler am 11. August 1939 auf dem Obersalzberg den ehemaligen Völkerbundskommissar für Danzig, Carl J. Burckhardt, zu einer Unterredung über die Weltlage. Er teilte ihm mit, die Schweiz habe in einem Krieg nichts zu befürchten, er werde ihre Neutralität achten.

Noch vor dem Einmarsch in Polen wählte die Bundesversammlung Henri Guisan zum General, der sofort dem Bundesrat die Generalmobilmachung beantragte. 430000 Mann Kampftruppen und etwa 200000 Hilfsdienstpflichtige rückten ein.

Nach dem schnellen Sieg im Osten verlangte Hitler dann allerdings von seinen Generälen sofort einen Operationsplan gegen Frankreich. Unter Missachtung der Neutralität von Holland, Belgien und Luxemburg beabsichtigte er, sobald wie möglich Frankreich anzugreifen. Rohstoff- und Munitionsknappheit, ungenügende Vorbereitung des Heers und schlechtes Wetter trugen dazu bei, die ursprünglich auf den 12. November geplante Offensive immer wieder zu verschieben. General Guisan und seine Berater waren schon früh zum Schluss gekommen, dass die einzige Gefahr für die Schweiz von Deutschland her kam. Um sich gegen den «Fall Nord» zu wappnen, befahl der General am 4. Oktober: «Die Armee besetzt und hält eine Stellung vom Becken von Sargans über Walensee–Linth–Zürichsee– Limmat–Bözberg–Hauenstein bis zum Gempenplateau mit Schwerpunkt zwischen Zürichsee und Hauenstein.» In den darauf folgenden Wintermonaten waren die Truppen hauptsächlich mit dem Bau von Geländeverstärkungen, Feldbefestigungen, Infanteriewerken und Panzerhindernissen beschäftigt. Guisan knüpfte auch diskret Fäden zu der französischen Generalität, die ihm für den Fall eines deutschen Angriffs auf die Schweiz Unterstützung durch französische Truppen zusagte.

m Winter 1939/40 nahm die Schweizer Öffentlichkeit herzlichen Anteil am tapferen Widerstand des von der Grossmacht Russland angegriffenen Finnland. Man schöpfte aus dem finnischen Abwehrkampf Mut. Wie die Wälder für Finnland, würden für die Schweiz die Berge Hort des Widerstands und Überlebens sein. Mit der «Plötzlichkeit und Wucht einer Naturkatastrophe» traf dann die Nachricht vom deutschen Angriff auf Norwegen und Dänemark am 9. April die Schweiz. Die sozialdemokratische Berner Tagwacht schrieb: «Nur mit Bitterkeit und Empörung können neutrale Kleinstaaten diese neuen Verletzungen der internationalen Rechtsgrundlagen hinnehmen, welche sie zum Spielball der Grossmächte machen.» Joseph Goebbels schreibt am 14. April in sein Tagebuch: «Die Schweizer Presse ist wieder mal oberfrech. Sie ist entweder gekauft oder jüdisch.»

Nachdem der norwegische Widerstand gebrochen war, glaubten einzelne Schweizer Zeitungen, dass unzureichende Rüstung und Gutgläubigkeit dem nordischen Neutralen zum Verhängnis wurden. Karl von Schumacher, der Gründer der Weltwoche, fand, für die nordische Katastrophe seien ihre Opfer «zu einem guten Teil mitverantwortlich». Aus dem jüngsten deutschen Angriff zog er die Lehre: Alle Neutralen müssen auf der Hut sein. Auch Willy Bretscher in der NZZ forderte: «Bereit sein. Vielleicht ist es die letzte Mahnung und Warnung, die uns das Schicksal gegönnt hat.»

Der Bundesrat zeigte Festigkeit. In einer Weisung vom 18. April warnte er die Bevölkerung davor, Radiomeldungen, Flugblättern und andern Meldungen Glauben zu schenken, die den Widerstandswillen von Bundesrat und der Armeeleitung anzweifelten. Diese seien «als Erfindung der feindlichen Propaganda» zu betrachten: «Unser Land wird sich gegen jeden Angreifer mit allen Mitteln verteidigen.»

Unter dem niederschmetternden Eindruck des Skandinavienkriegs verlor der Grossteil der Schweizer Presse seinen Sinn für Objektivität. Man gab sich Wunschdenken hin, berichtete von rein imaginären alliierten Erfolgen und misstraute allen deutschen Siegesmeldungen.

Ein am 27. April veröffentlichtes deutsches Weissbuch, das die wohl nicht ganz falsche These vertrat, die Wehrmacht sei einem alliierten Angriff in Norwegen zuvorgekommen, stiess in der Schweiz auf Skepsis und Ablehnung. Aussenminister Joachim von Ribbentrop, der das Weissbuch persönlich in einer Radiorede vorgestellt hatte, war besonders erbost über die negative Reaktion in der Schweiz und zitierte am 2. Mai den Gesandten Frölicher zu sich. Er beklagte sich darüber, dass die Schweizer Presse «Deutschland jeden Tag beschimpfe», und warnte vor der Akkreditierung eines Vertreters der polnischen «Emigrantenregierung». Hitler selbst sei «am Vorabend» über diese Sachen «sehr aufgebracht» gewesen.

Neutralität war kein Schutz

Es war offenbar das erste Mal seit Beginn des Kriegs, dass Hitler von der Schweiz ernstlich Notiz nahm. Frölicher konnte, wie er später selber schrieb, Hitlers Zorn nicht auf die leichte Schulter nehmen. Der Skandinavienfeldzug hatte Hitlers totale Dominanz über die ihm vorher heimlich Obstruktion leistende Heerführung bestätigt. Des Führers Wille war jetzt Gesetz. Erwin Rommel, Kommandant einer Panzerdivision im Westen, schrieb am 21. April: «Ja, wenn wir den Führer nicht hätten! Ich weiss nicht, ob es einen andern deutschen Mann geben würde, der die Kunst der militärischen Führung und auch der politischen Führung im gleichen Mass so genial beherrscht.»

Bald überstürzten sich die Ereignisse. Am 10. Mai 1940 begann die deutsche Westoffensive unter Verletzung der Neutralität von Belgien, Holland und Luxemburg. Hitler hatte schon zuvor seinen Generalen die geplante Völkerrechtsverletzung als bedeutungslos beschrieben: «Kein Mensch fragt danach, wenn wir gesiegt haben.» Der Bundesrat reagierte energisch, indem er sofort eine zweite Generalmobilmachung verordnete, die sich am Pfingstsamstag, einem «besonders schönen, sonnigen Frühlingstag», planmässig vollzog. Der General erliess einen Tagesbefehl: «Unsere Armee ist bereit, ihre Pflicht an allen Grenzen zu erfüllen. Mit der letzten Energie wird sie unsere Freiheit verteidigen gegen jeden Angreifer, wer es auch sei. Wir werden alle, wenn es sein muss, uns für unsere Kinder und für die Zukunft unseres schönen Vaterlands opfern...»

Der Einfall Hitlers in Belgien und Holland bewog Karl von Schumacher zur Herausgabe eines Extrablatts der Weltwoche, in dem die tieferen historischen Zusammenhänge der Ereignisse aufgezeigt wurden. Man befinde sich in einem «europäischen Bürgerkrieg zwischen den Mächten, die das alte Europa in seinem gegenwärtigen christlichen und demokratischen Rahmen erhalten wollen, und der Macht, die auf den Trümmern des Bestehenden ein neues deutsches Imperium aufbauen will... Immer haben die Deutschen gesagt, sie würden lieber, als sich besiegen zu lassen, ganz Europa in Brand und Blut zugrunde richten. Es entspricht dies jener Götterdämmerungsstimmung, die auf dem Grund so vieler deutscher Seelen liegt. Für uns Schweizer gibt es in diesen gefährlichen und harten Stunden nur eins: die Ruhe bewahren.»

Das Vaterland bezeichnete Hitler als modernen Attila, dem ein «wahnsinnig gewordenes Millionenvolk» zujuble. Die Gazette de Lausanne schlug sich auf die Seite derer, «die mit grossartiger Tapferkeit ihre Ehre und ihre Unabhängigkeit gegen einen Angreifer verteidigten, dessen Endsieg alle jene Werte zerstören würde, die das Leben erst lebenswert machen». Hitler, der vom «Felsennest» in der Eifel den Feldzug kommandierte, wird keine Weile gehabt haben, die scharfen Schweizer Pressestimmen zur Kenntnis zu nehmen.

Die deutsche Offensive kam rasch voran, nach fünf Tagen musste Holland kapitulieren. In der Schweiz, wo dem Nachrichtendienst wichtige Anhaltspunkte für einen unmittelbar bevorstehenden Einmarsch zugegangen waren, steigerte sich die Nervosität. Schon am 10. Mai hatten die Deutschen die totale Grenzsperre verhängt und begonnen, die Rheinübergänge zu schliessen. Man vermutete im süddeutschen Raum zwischen 23 und 25 Divisionen, darunter Panzerverbände und Gebirgsjägereinheiten, die zwecks südlicher Umgehung der französischen Maginot-Verteidigungslinie durch die Schweiz vordringen sollten.

Das Gerücht über die bevorstehende Invasion verbreitete sich im ganzen Armeestab, griff bis auf die Grenzbunker und via Obersten-Gattinnen auch auf die Zivilbevölkerung über. In weiten Teilen, vor allem im unmittelbar bedrohten Norden und Nordosten des Landes, setzte eine Flucht in Richtung Alpen und Westschweiz ein. Es schien Bundesrat Marcel Pilet-Golaz, Nachrichtenchef Roger Masson, der ihn am Morgen des 14. Mai besuchte, befinde sich «in einem Zustand beunruhigender Erregung». «Il n’était pas le seul d’ailleurs, hélas.» Bernard Barbey, Chef von Guisans persönlichem Stab, notierte gleichentags: «Seit heute früh mehren sich die Nachrichten und Gerüchte verschiedenster Herkunft, die sich alle auf die gleiche Formel bringen lassen: ‹Es geschieht heute Nacht zwischen zwei und vier Uhr.› Ich habe meinen Offizierskoffer gepackt.»

Um 22 Uhr wurde im Armeestab Alarmbefehl gegeben. Der General verliess sein Hauptquartier in Gümligen, um zusammen mit dem Generalstabschef den geheimen Kriegs-Kommandoposten in Langnau aufzusuchen. Paul Schmid-Amman, der jene Nacht mit seiner Landwehr-Füsiliergruppe an der Grenze erlebte, berichtete später: «In ein bis zwei Stunden wird es losgehen, und deine Munition wird gerade zu einem Widerstand von einer halben Stunde ausreichen, und dann bist du auch erledigt... Und wir hätten keine Angst gehabt, wenn etwas gekommen wäre. Wir sagten sogar, sie sollten nur kommen.»

Wirkungsvolles Manöverspiel

Sie kamen nicht. Bundesrat, General, Armee und Volk waren einem raffinierten deutschen Täuschungsmanöver aufgesessen. Die nördlich der Grenze stationierte 7. Armee verfügte lediglich über 4 (und nicht 23 bis 25) Divisionen, die allerdings umfangreiche Truppentransporte vortäuschen konnte.

Schlecht ausgerüstete, kriegsuntaugliche Soldaten wurden am Tag per Zug und mit Autos Richtung Schweizer Grenze befördert und mussten nachts zurückmarschieren. Das ganze Spiel wurde mit wenigen Leuten beliebig wiederholt.

Andere Massnahmen waren die vorgetäuschte Vorbereitung von Quartieren für die angeblich ankommenden Truppen, das nächtliche Herumfahren ausgedienter Panzer in Grenznähe, das Vermessen von fiktiven Artilleriestellungen, die Bereitstellung von Brückenelementen und Übersetzmaterial am Rhein und eine rege Luftaufklärung im Grenzgebiet. Das Bündel dieser geschickten Massnahmen narrte nicht nur die Schweizer, sondern – und dies war der eigentliche Zweck – auch die Franzosen, die an ihrer rechten Flanke die Masse ihrer zur beweglichen Kampfführung fähigen Verbände zurückhielten, statt diese wertvollen Divisionen in die Ardennen zu werfen, wo den Deutschen der schlachtentscheidende Panzerdurchbruch gelingen sollte.

Hitler und seine Generale hatten nie die Absicht, die Schweiz in irgendeiner kriegerischen Form in den Kampf mit Frankreich einzubeziehen. Es gab keine operationellen Pläne für einen Angriff auf die Schweiz, und es standen auch keine Truppen dafür zur Verfügung. Das deutsche Täuschungsmanöver war derart erfolgreich, dass General Henri Guisan bis zu seinem Lebensende glaubte, die Schweiz habe «dem Kampf nie näher gestanden» als in der Zeitspanne zwischen dem 13. und 16. Mai 1940. In den vom General genannten Tagen bestand keine Kriegsgefahr für die Schweiz, auch wenn praktisch das ganze Schweizervolk dies glaubte.

Einen Monat später aber, als der General bereits eine Teildemobilmachung anordnete und jedermann in der Schweiz annahm, das Gewitter habe sich verzogen, war die Kriegsgefahr so akut wie nie zuvor oder nachher.

Quellen: Aus dem Buch von Markus Heiliger "Dreizehn Gründe. Warum die Schweiz im Zweiten Weltkrieg nicht erobert wurde."
(Das Buch ist von 1989, vergriffen, aber bei Amazon immer noch erhältlich). Eigene Aufzeichnungen, NZZ

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