von Wallenstein » 22.11.2015, 12:31
In puncto Leitkultur und Werten waren wir in der Diskussion doch schon weiter gewesen. Ich erinnere hier an meine Sätze:
Wallenstein
Der Begriff Kultur geht nun aber weit über das bloße Befolgen von Gesetzen hinaus, denn das diese für alle verbindlich sein müssen, das sollte selbstverständlich sein. In der Regel ist dies auch nicht das eigentliche Problem, sondern es geht um das Befolgen von sozialen Handlungen, die nicht rechtlich vorgeschrieben sind, deren Einhaltung aber aufgrund von Normen und Werten in einer bestehenden Gesellschaft erwartet werden.
Die Soziologen definieren Kultur als: Die Gesamtheit der typischen Lebensformen einer Bevölkerung, einschließlich der sie tragenden Geistesverfassung, insbesondere der Wert Einstellungen.
Viele dieser Lebensformen sind gesetzlich nicht vorgeschrieben, deren Einhaltung wird aber dennoch erwartet.
Hier genau können die Probleme anfangen. In meinem Beitrag über den „Summer of Love 1967“ schrieb ich, das ich 1967 mehrere Monate in Australien gearbeitet habe, um meine Reisekasse aufzufüllen. Australien ist eine demokratische Gesellschaft wie wir, aber viele Dinge liefen anders ab.
Laxe Arbeitsmoral: Ich arbeitete auf einer Baustelle. Um Arbeit zu bekommen, musste man erst einmal einer Gewerkschaft beitreten, von denen gab es hunderte und die Funktionäre vermittelten dann die Stellen. Diesen Leuten musste man in den A.. kriechen, sonst gab es keinen Job. Gefiel mir überhaupt nicht. Wenn es zu heiß wurde, hieß es: Leute, wir machen Schluss, ist heute zu warm und alle gingen zu meinem Erstaunen einfach nach Hause. Mein Arbeitseifer und meine Arbeitsdisziplin gefielen den Kollegen überhaupt nicht, immer wurde ich ermahnt, nicht zu ehrgeizig oder zu fleißig zu sein.
Die Gewerkschaftsfunktionäre kamen auch öfters vorbei und verkündeten: Passt auf, wir streiken jetzt. Als ich nachfragte, hieß es: Auf einer anderen Baustelle gab es Ärger, wir solidarisieren uns mit denen. Das passte mir auch nicht, aber es war nicht ratsam, dagegen etwas zu sagen.
Machokult: Die Männer protzten mit ihrer Kraft und ihrem Alkoholkonsum. Die Kneipen hatten nur von 18.00 Uhr bis 21.00 Uhr geöffnet und am Wochenende gar nicht. In den drei Stunden wollten alle möglichst schnell besoffen werden und wer nicht genug trank, galt als Weichling. Man musste einfach mitmachen, sonst war man völlig unten durch bei den Kollegen. In den Kneipen gab es ständig Streit und Prügeleien. Die australischen Männer hauten sich gerne gegenseitig eins in die Fresse und wer das besonders gut konnte, war besonders angesehen. Auch eine Leitkultur, mit der ich mich nicht anfreunden konnte.
Freizeitkultur: Während bei uns die Arbeit besonders angesehen wird, ist es in Australien die Freizeit, vor allem der Schwimmsport und das Surfen. Hünenhafte, braungebrannte Männer mit gewaltigen Muskelpaketen spazierten am Strand entlang und wollten Eindruck schinden. Überall diese Kraftmeierei. Auch nicht mein Fall.
Kleidersitten: Die Männer trugen meistens kurze Hosen, was ich nicht mag. Das ich immer lange Hosen trug, wurde öfters missbilligt. Wollte man aber in Restaurants gehen, legte man plötzlich Wert auf ordentliche Kleidung (well suited). Lange Hosen, Hemd mit langen Ärmeln, Krawatte, auch bei brüllender Hitze. Wer nicht so gekleidet war, durfte nicht herein.
Frömmigkeit: Die Australier waren damals sehr fromm und gingen am Sonntag in die Kirche, wahrscheinlich aus Langeweile, denn sonst war nichts los. Meine Wirtsleute waren auch sehr fromm. Immer wurde gebetet. Dass ich mich nicht daran beteiligen wollte und auch nicht in die Kirche ging, erregte Anstoß.
Aus diesen wenigen Beispielen wird vielleicht deutlich, dass es gar nicht so einfach ist, unter Menschen zu leben, die etwas anders gepolt sind als man selbst. Ich hatte aber nicht die Absicht, mich zu integrieren, wollte nicht jeden Abend saufen, anderen Leuten was in die Schnauze hauen, mit einem Surfbrett am Strand herumlaufen, jeden Sonntag in die Kirche gehen und bei jedem Essensgang beten. Ich hatte etwas andere Vorstellungen vom Leben, die diesen Leuten nun unverständlich waren.
"Kommst du nach Rom, tu, wie die Römer tun", so heißt es ja. Im Prinzip richtig, darf aber nicht zur Selbstaufgabe führen. Die Gesellschaften, auch in Australien, sind nach den Gesetzen zur Toleranz verpflichtet, aber Theorie und Praxis sind verschiedene Dinge.
In puncto Leitkultur und Werten waren wir in der Diskussion doch schon weiter gewesen. Ich erinnere hier an meine Sätze:
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Wallenstein
Der Begriff Kultur geht nun aber weit über das bloße Befolgen von Gesetzen hinaus, denn das diese für alle verbindlich sein müssen, das sollte selbstverständlich sein. In der Regel ist dies auch nicht das eigentliche Problem, sondern es geht um das Befolgen von sozialen Handlungen, die nicht rechtlich vorgeschrieben sind, deren Einhaltung aber aufgrund von Normen und Werten in einer bestehenden Gesellschaft erwartet werden.
Die Soziologen definieren Kultur als: Die Gesamtheit der typischen Lebensformen einer Bevölkerung, einschließlich der sie tragenden Geistesverfassung, insbesondere der Wert Einstellungen.
Viele dieser Lebensformen sind gesetzlich nicht vorgeschrieben, deren Einhaltung wird aber dennoch erwartet.
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Hier genau können die Probleme anfangen. In meinem Beitrag über den „Summer of Love 1967“ schrieb ich, das ich 1967 mehrere Monate in Australien gearbeitet habe, um meine Reisekasse aufzufüllen. Australien ist eine demokratische Gesellschaft wie wir, aber viele Dinge liefen anders ab.
[b]Laxe Arbeitsmoral:[/b] Ich arbeitete auf einer Baustelle. Um Arbeit zu bekommen, musste man erst einmal einer Gewerkschaft beitreten, von denen gab es hunderte und die Funktionäre vermittelten dann die Stellen. Diesen Leuten musste man in den A.. kriechen, sonst gab es keinen Job. Gefiel mir überhaupt nicht. Wenn es zu heiß wurde, hieß es: Leute, wir machen Schluss, ist heute zu warm und alle gingen zu meinem Erstaunen einfach nach Hause. Mein Arbeitseifer und meine Arbeitsdisziplin gefielen den Kollegen überhaupt nicht, immer wurde ich ermahnt, nicht zu ehrgeizig oder zu fleißig zu sein.
Die Gewerkschaftsfunktionäre kamen auch öfters vorbei und verkündeten: Passt auf, wir streiken jetzt. Als ich nachfragte, hieß es: Auf einer anderen Baustelle gab es Ärger, wir solidarisieren uns mit denen. Das passte mir auch nicht, aber es war nicht ratsam, dagegen etwas zu sagen.
[b]Machokult:[/b] Die Männer protzten mit ihrer Kraft und ihrem Alkoholkonsum. Die Kneipen hatten nur von 18.00 Uhr bis 21.00 Uhr geöffnet und am Wochenende gar nicht. In den drei Stunden wollten alle möglichst schnell besoffen werden und wer nicht genug trank, galt als Weichling. Man musste einfach mitmachen, sonst war man völlig unten durch bei den Kollegen. In den Kneipen gab es ständig Streit und Prügeleien. Die australischen Männer hauten sich gerne gegenseitig eins in die Fresse und wer das besonders gut konnte, war besonders angesehen. Auch eine Leitkultur, mit der ich mich nicht anfreunden konnte.
[b]Freizeitkultur:[/b] Während bei uns die Arbeit besonders angesehen wird, ist es in Australien die Freizeit, vor allem der Schwimmsport und das Surfen. Hünenhafte, braungebrannte Männer mit gewaltigen Muskelpaketen spazierten am Strand entlang und wollten Eindruck schinden. Überall diese Kraftmeierei. Auch nicht mein Fall.
[b]Kleidersitten: [/b]Die Männer trugen meistens kurze Hosen, was ich nicht mag. Das ich immer lange Hosen trug, wurde öfters missbilligt. Wollte man aber in Restaurants gehen, legte man plötzlich Wert auf ordentliche Kleidung (well suited). Lange Hosen, Hemd mit langen Ärmeln, Krawatte, auch bei brüllender Hitze. Wer nicht so gekleidet war, durfte nicht herein.
[b]Frömmigkeit:[/b] Die Australier waren damals sehr fromm und gingen am Sonntag in die Kirche, wahrscheinlich aus Langeweile, denn sonst war nichts los. Meine Wirtsleute waren auch sehr fromm. Immer wurde gebetet. Dass ich mich nicht daran beteiligen wollte und auch nicht in die Kirche ging, erregte Anstoß.
Aus diesen wenigen Beispielen wird vielleicht deutlich, dass es gar nicht so einfach ist, unter Menschen zu leben, die etwas anders gepolt sind als man selbst. Ich hatte aber nicht die Absicht, mich zu integrieren, wollte nicht jeden Abend saufen, anderen Leuten was in die Schnauze hauen, mit einem Surfbrett am Strand herumlaufen, jeden Sonntag in die Kirche gehen und bei jedem Essensgang beten. Ich hatte etwas andere Vorstellungen vom Leben, die diesen Leuten nun unverständlich waren.
"Kommst du nach Rom, tu, wie die Römer tun", so heißt es ja. Im Prinzip richtig, darf aber nicht zur Selbstaufgabe führen. Die Gesellschaften, auch in Australien, sind nach den Gesetzen zur Toleranz verpflichtet, aber Theorie und Praxis sind verschiedene Dinge.