Gab es eine römische Kontinuität im Mittelalter?

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Re: Gab es eine römische Kontinuität im Mittelalter?

von Dietrich » 17.09.2015, 13:10

Ruaidhri hat geschrieben:n.
Wie bei den frühen Königsheiligen der Angelsachsen und skandinavischen Völker, bei denen christliche Vorstellungen sich mit alten Traditionen verbanden- oder verbunden wurden, um u.a. Ansprüche auf die Königswürde zu untermauern. Ein Verwandter ausder stirps regia, der ohnehin schon "Heil" gehabt und nun auch noch kirchlicherseits zum Heiligen deklariert wurde, war von Vorteil.
Es ist ja sehr typisch, dass die Germanen zum Christentum arianischer Prägung tendierten, da es ihrer Vorstellung von einer familiären Hierarchie besonders entsprach: Gott war der Vater, Christus der Sohn, und beide unterschiedliche Wesen (vereinfacht gesagt).

Auch das germanische Königsheil lebte bei den Merowingern und Karolingern fort und verband sich mit dem Sakralkönigtum des Heiligen Römischen Reichs. Allerdings ist das nicht ganz unumstritten.

Re: Gab es eine römische Kontinuität im Mittelalter?

von Ruaidhri » 16.09.2015, 19:19

Mir ging es nicht um das Gottesgnadentum, das sich erst später entwickelte, sondern um die Verschmelzung aus sehr unterschiedlichen Quellen entspringenden Vorstellungen.
VGL. Literaturangabe oben.
Wie bei den frühen Königsheiligen der Angelsachsen und skandinavischen Völker, bei denen christliche Vorstellungen sich mit alten Traditionen verbanden- oder verbunden wurden, um u.a. Ansprüche auf die Königswürde zu untermauern. Ein Verwandter ausder stirps regia, der ohnehin schon "Heil" gehabt und nun auch noch kirchlicherseits zum Heiligen deklariert wurde, war von Vorteil.
Über das durchaus römisch geprägte Christentum kam diese Vorstellung, wie auch so manch anderes im Zuge der Christianisierung, in die nördlicheren Gefilde.
Ob man von Kontinuität sprechen kann oder nur um Weiterleben oder Wiederbelebung römischer Traditionen, kann, so Aufassung mancher Historiker, eher klein- als großräumig beurteilt werden.
Ein bisschen Rom hat immer überlebt.

Re: Gab es eine römische Kontinuität im Mittelalter?

von CARLOS » 16.09.2015, 18:49

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"Die germanischen Vorstellungen  von Heil ließen sich durchaus mit den christlichen kompatibel machen und ausnutzen.
Die Idee, von Gott erwählt zu sein, kam nicht aus dem Nichts, sondern war im Zuge einer etwas längeren Entwicklung entstanden. Ruhaidri
Der Vorstellung des germanischen Königsheils liegen im Bereich germanischer Rechtsvorstellungen religiöse Vorstellungen zugrunde. Aber in der Form, dass die Macht und Kraft der Königs ihn den Göttern näher sein ließ als den Menschen. Gefolgschaftsführer bzw die späteren Heerkönige der german. Völkerwanderung wurden von der Heeresversammlung gewählt. Erwählt wegen ihrer geistigen und körperlichen Stärke. Ihr Blut war etwas Besonderes, weil sie eben diese Kraft nur von Gottheiten ihnen gewährt worden sein musste. Der König hatte sich aber deshalb auch im Kampf zu bewähren. Blieb er erfolglos, rein Zeichen der Götter, dass sie ihre Kraft von dem Erwählten abgezogen hatten. Darauf gründete das Recht der Gefolgschaft/Heeresversammlung den Anführer/König abzusetzen (Widerstandsrecht) oder ihn zu töten. Es sind Beispiel bekannt, dass Könige ermordet wurden, weil sie eine Schlacht verloren.

Das spätere Gottesgnadentum (bis 1918 in Dtld) beruhte auf der christlichen Tradition der Salbung (Altes Testament - Salbung des Erwählten, z. B. König David). Den Ausdruck "kompatibel", den du verwendest, vermittelt u. U, eine Wesensgleichheit. Königsheil und die Vorstellung des Gottesgnadentums (durch die Salbung) sind verschiedenen Ursprungs. Allerdings hat die Vorstellung einer göttlich wirkenden Kraft im Königtum dieser Institution göttliche Legitimation verliehen.

Wie tief und wie lange heidnische Vorstellungen von der unsichtbar wirkenden Kraft des königlichen Blutes auch nach der Christianisierung noch nachwirkten, zeigt der Bericht von der Absetzung des letzten Merowingerkönigs durch den karolingischen Hausmeier Pippin 754 (Vater Karls des Großen). Der kraftlose Merowingerkönig wurde jedoch nicht ermordet, sondern ihm wurden die langen Haare geschoren. Auch das ist eine Handlung mit großer Symbolkraft. Dann wurde er in ein Kloster verbracht. Die Haarespracht erinnert an die Erzählung im Alten Testament von dem riesigen Philister Samson, dessen langes Haar Sinnbild der kgl. Kraft war. Delilah gab ihm ein Schlafmittel zu trinken, dann wurde er geschoren und damit seiner kgl. (Zauber-)Kraft beraubt.

Jedenfalls scheint der Glaube (Aberglaube) an die Kraft des kgl. Blutes im Geschlecht der Merowinger (german. Königsheil) noch stark gewesen zu sein. Schließlich musste Pippi sich noch als König bestätigen lassen.

Das Christentum kam über Rom zu den Germanen. Ohne die Existenz des römischen Weltreiches hätte sich das Christentum nicht in der Weise ausbreiten können, wie es geschah.

Re: Gab es eine römische Kontinuität im Mittelalter?

von Ruaidhri » 16.09.2015, 16:28

Einen Ansatz der Re-Zivilisierung und der Besinnung auf manch römisches Kulturgut gab es auch in Britannien und unter Alfred dem Großen, durchaus nach dem Vorbild Karls des Großen.
So wild die Zeiten auch nach dem Untergang des römischen Reiches waren, ganz tot waren Erinnerungen und auch handfeste Überlieferungen im einstigen Einwirkungsbereich Roms nie.

Re: Gab es eine römische Kontinuität im Mittelalter?

von Dietrich » 16.09.2015, 13:41

james hat geschrieben: Ah, ja der gute Onkel Karl hat völlig selbstlos gehandelt, als sein Vater sich die Krone der Franken auf den Kopf setzte und als er praktisch jeden Germanenstamm unterwarf und in sein Reich integriere. Und dann hat er die Restauratio Imperii ausgerufen, an derem Ende die Franken selbst den Titel des heiligen römischen Reiches übernahmen, ein Titel der ja verdammt rechts anrüchig ist, insbesondere weil es im frühem Mittelalter so viele Nazis gab.
So entstehen und vergehen Imperien, was aus historischer Sicht weder zu glorifizieren noch zu verteufeln ist.

Re: Gab es eine römische Kontinuität im Mittelalter?

von james » 14.09.2015, 19:49

Dietrich hat geschrieben:Die Frage ist, ob es nach den Zuasmmenbruch Roms eine römische Kontinuität gab und was davon blieb.

Und da ist festzustellen, dass besonders im Raum Gallien, Germanien und Britannien ein kultureller Niedergang erfolgte, der die gesamte Bildung, Infrastruktur, Wirtschaft, Architektur u.a. erfasste. Aus diesem Grund ersannen Karl der Große und seine Berater das Programm der Karolingischen Renaissance, um den Zuasmennberuch des Wissens und der Kultur zu bremsen oder vielleicht sogar umzukehren.
Ah, ja der gute Onkel Karl hat völlig selbstlos gehandelt, als sein Vater sich die Krone der Franken auf den Kopf setzte und als er praktisch jeden Germanenstamm unterwarf und in sein Reich integriere. Und dann hat er die Restauratio Imperii ausgerufen, an derem Ende die Franken selbst den Titel des heiligen römischen Reiches übernahmen, ein Titel der ja verdammt rechts anrüchig ist, insbesondere weil es im frühem Mittelalter so viele Nazis gab.

Re: Gab es eine römische Kontinuität im Mittelalter?

von Ruaidhri » 02.09.2015, 15:26

Die germanischen Vorstellungen von Heil ließen sich durchaus mit den christlichen kompatibel machen und ausnutzen.
Die Idee, von Gott erwählt zu sein, kam nicht aus de Nichts, sondern war im Zuge einer etwas längeren Entwicklung entstanden.
In den römisch geprägten Teilen begann diese Entwicklung sicherlich früher und ging auch etwas andere Wege, grundsätzlich aber stehen sich alte, germanischen Vorstellungen germanisches Heil/ Königsheil und Heiligkeit im christlichen Sinne nicht im Wege.
So ein Heilig gesprochener König war immer eine gute Basis für die Heiligkeit der gesamten Sippe, und der schließlich in Europa verbreiteten von Gott gewollten Königsherrschaft.
Vgl.u.a.
Erich Hoffman
Die Heiligen Könige bei den Angelsachsen und den skandinavischen Völkern: Königsheiliger und Königshaus
Band 69 von Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins

Re: Gab es eine römische Kontinuität im Mittelalter?

von Paul » 01.09.2015, 18:13

Die "Römerstädte", so man sie so nennen will, haben etwas Einwohner verloren, dafür entstanden viele neue Städte und wuchsen bestehende kleine Städte zu neuer Größe heran. Die fränkischen und thüringischen Städte gaben ihre Latene-Römer-Kultur an andere Regionen weiter. Wir haben überhaupt keine Hinweise auf einen Niedergang der hessischen und thüringischen Städte in der Völkerwanderungszeit und gar der Zeit danach. Wetzlar erlebte erst während der Pest und Bauernkriege einen Rückschlag. Im Gegenteil, die Römer haben die Entwicklung der Städte an der Lahn eher behindert, da sie die alten Märkte verschlossen.

Re: Gab es eine römische Kontinuität im Mittelalter?

von Dietrich » 01.09.2015, 16:34

Ruaidhri hat geschrieben: Die Sache mit der Heiligkeit stammt durchaus aus germanischem Denken, das geschickt genutzt wurde, um Machtpositionen zu begründen und zu befestigen.
Gemäß der mittelalterlichen Vorstellungswelt beruhte die Herrschaft im Reich auf Gottes heiligem Willen und der Herrscher verstand sich als Beschützer der Christenheit und Oberpriester - eine Gedankenwelt, die nach dem Investiturstreit ins Wanken geriet. Man kann davon ausgehen, dass dies tatsächlich zum Selbstverständnis der Kaiser des Heiligen Römischen Reichs gehörte. Jedenfalls in den ersten Jahrhunderten des Reichs.
Ruaidhri hat geschrieben: Ja und Nein. Es gab sicherlich eine Phase, in der vieles, was römische Zivilisation und Kultur ausmachte, verlorenging.
Blieb aber trotz allem noch genügend übrig, dass man entweder Kontinuität oder auch Wiederaufnahme römischer "Tugenden" feststellen kann.
Untergang der Römerstädte, Verschwinden der Schriftlichkeit und Rückkehr zur Naturalwirtschaft sind unzweifelhafte Kennzeichen eines kulturellen und zivilisatorischen Niedergangs. Die sogenannte "karolingische Renaissance", mit der Karl der Große und seine Berater in der Hofkapelle diese Entwicklung aufhalten wollten, legt davon sehr konkret Zeugnis ab.

"In der merowingischen Zeit war es zu einem Niedergang der antiken Stadtkultur und einem allgemeinen Verfall der kirchlichen Organisation, der Liturgie, der Schriftkultur und der Baukunst gekommen. Das Schulwesen war seit dem Ende des 5. Jahrhunderts weitgehend zum Erliegen gekommen. Man berichtete von Priestern, die nicht das nötige Latein beherrschten, um ein korrektes Vaterunser zu beten. Die Literatur der Antike, selbst der größte Teil der Literatur der christlichen Spätantike, war weitgehend in Vergessenheit geraten. Kein einziges Klassikerzitat lässt sich in der Zeit vom Ende des 6. bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts in Kontinentaleuropa nachweisen. Dasselbe gilt für Abschriften von heidnischen Autoren der Antike."

https://de.wikipedia.org/wiki/Karolingische_Renaissance

Sicher gab es auch Kontinuitäten. So beruhte das Kaisertum Karls des Großen und Ottos I. auf antiken Wurzeln im christlichen Imperium Romanum. Vor allem aber war die christliche Kirche ein Garant für die Transformation von der Spätantike zum Mittelalter, wobei antike Traditionen gewahrt und tradiert wurden.
Ruaidhri hat geschrieben:Insofern stimme ich Dir wieder zu, als dass der Blick zurück aufs Mittelalter in der Tat seit der Renaissance lange etwas getrübt war. Verklärung der Antike war angesagt.
So, wie spätere Zeiten einen verklärten Blck aufs Mittelalter hatten, die ebenso unrichtig waren und sind.
Weder glorios und noch gar romantisch, aber eben auch nicht das "finstere Mittelalter".
Dass dem Renaissancemenschen das Mittelalter dunkel und unheimlich erschien, ist nur allzu verständlich. Die Trennung von kirchlich-religiöser Bevormundung und die Entfaltung des Individuums mit all seinen Fähigkeiten durch eigenständiges Denken, die Erforschung der Welt und Natur, sind den Denkweisen des Mittelalters diametral entgegengesetzt.

Re: Gab es eine römische Kontinuität im Mittelalter?

von Ruaidhri » 29.08.2015, 17:49

Genauso ist in vielen wissenshaftlichen Beiträgen genauso die Rede von " germanischer Kontinuität".
Ist wohl immer so, wenn verschiedene Kulturen aufeinandertreffen, das gewisse Kontinuitäten erhalten bleiben. Von allem des beste oder nützlichste und beides auch mal modifiziert.
Dieter hat geschrieben: Die Klöster setzten die römische Kultur fort. .....
Auch nicht so lupenrein, und das ist das nur ein Teil dessen, was man als Kultur bezeichnet und in Modifikationen.
"Heiliges Römisches Reich"
Die Sache mit der Heiligkeit stammt durchaus aus germanischem Denken, das geschickt genutzt wurde, um Machtpositionen zu begründen und zu befestigen.
Suebe hat geschrieben:Der kulturelle "Niedergang" den du hier gefunden haben willst, gibt es nur in der Rückschau, so etwa ab Renaissance.
Ja und Nein. Es gab sicherlich eine Phase, in der vieles, was römische Zivilisation und Kultur ausmachte, verlorenging.
Blieb aber trotz allem noch genügend übrig, dass man entweder Kontinuität oder auch Wiederaufnahme römischer "Tugenden" feststellen kann.
Insofern stimme ich Dir wieder zu, als dass der Blick zurück aufs Mittelalter in der Tat seit der Renaissance lange etwas getrübt war. Verklärung der Antike war angesagt.
So, wie spätere Zeiten einen verklärten Blck aufs Mittelalter hatten, die ebenso unrichtig waren und sind.
Weder glorios und noch gar romantisch, aber eben auch nicht das "finstere Mittelalter".
Abgeleitet von den " dark ages", die nur ganz anderes meinten.
Das Mittelalter selbst ist eben nicht Rom, sondern eine andere neue Epoche, die- wie Du richtig schreibst, ihre eigene kulturelle und ziviliatorische Blüte hatte, die es für sich zu betrachten gilt.
Geschieht ja auch in breitem Maße, dass vor allem die Übergangszeit zwischen dem Zusammenbruch Roms und dem Entstehen neuer politischer Strukturen und Kultur und mit anderem Blick erforscht wird.

Re: Gab es eine römische Kontinuität im Mittelalter?

von dieter » 29.08.2015, 10:33

Suebe hat geschrieben:Natürlich gab es die.

Die Welt änderte sich. Und mit ihr Rom. Was einst die verfeinerte römische Oberschicht interessierte und beschäftigte, interessierte und beschäftigte die neue Oberschicht weniger. Die setzten andere Prioritäten.
Aber grundsätzlich ging nichts verloren. Im Gegenteil.

Der kulturelle "Niedergang" den du hier gefunden haben willst, gibt es nur in der Rückschau, so etwa ab Renaissance.

Ein "kultureller Niedergang" unterstellt zB ein "dümmer" werden der Menschheit. Was nun so ganz und gar nicht der Fall war. Mathematik zB ist klipp und klar von den Römern nicht beherrscht worden. Rechnen mit römischen Zahlen geht nur Addieren und Subtrahieren. Im Mittelalter konnte man das sehr wohl.
Lieber Schwabe,
ich muß Dir beipflichten. Die Klöster setzten die römische Kultur fort. Die Sprache der Bibel war bis zu Luther Latein und auch die Länderbezeichnung war auf Latein. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts nannte sich Deutschland "Heiliges Römisches Reich" deutscher Nation. die meisten deutschen Könige waren auch Römische Kaiser. :wink:

Re: Gab es eine römische Kontinuität im Mittelalter?

von Ruaidhri » 27.08.2015, 20:20

Habe sie gerade nicht griffbereit, aber ich bin u.a., mal wieder von Dir auf Abwege geführt, :mrgreen: auf eine Arbeit über Xanten gefallen, in der diese Frage angesprochen wird.
Oder- ich glaube, auf academia edu, über die Nutzung römischer Straßen in nachrömischer Zeit.
In der Limesforschung gibt es auch ganz interessante Neuigkeiten zum Thema Kontinuiät.

Re: Gab es eine römische Kontinuität im Mittelalter?

von Dietrich » 27.08.2015, 12:50

Ruaidhri hat geschrieben:Pirenne konnte manches nicht wissen, manche Fragen oder auch Forschungsansätze waren ihm fremd, andere nicht genehm.
Pirenne hat sicher seine Meriten, aber über einige seiner Vorstellungen zur Epoche zwischen Spätantike und frühem Mittelalter ist die Zeit ein wenig hinweggegangen. Ich habe ihn hier zitiert, um eine Diskussion in Gang zu bringen über die Phase zwischen dem Untergang Roms und dem Aufstieg der Karolinger und Ottonen. Da gibt es dann einige extreme Ansichten, wie man sich diese Phase besonders in Gallien, Spanien und dem ehemaligen römischen Germanien vorzustellen hat.

Sicher ist auf jeden Fall, dass Verwaltungsstrukturen zusammenbrachen, Römerstädte wie Köln, Mainz oder Regensburg weitgehend verödeten, denn die nachrückenden Germanen siedelten sich vorwiegend am Rande der alten Römerstädte an, deren Zentren verfielen. Es gab zwar eine gewisse Kontinuität, doch die war lückenhaft und brüchig. Das Münzwesen brach zusammen und man ging zur Naturalwirtschaft über.

Dieser Rückfall in teilweise barbarische Verhältnisse erfolgte allerdings nicht überall. So blieb in Italien das kulturelle und zivilisatorische Niveau hoch, was eingeschränkt auch für Spanien gilt. In Südgallien war auch nach dem Übergang der Herrschaft auf die Merowinger der gallo-römische Senatorenadel eine bestimmende Kraft, die von alten römischen Tugenden zehrte, und die staatlichen Strukturen zu bewahren suchte. Dieser mächtige senatorische Adel mit Großgrundbesitz verband sich bald mit der merowingischen Elite und nahm wichtige Positionen in der Verwaltung und in der Kirche ein. Zahlreiche Bischöfe jener Zeit gingen aus der gallo-römischen Aristokratie hervor.

Nicht zu vergessen sind die Klöster, die einiges vom römischen Erbe bewahrten. Ihnen ist es zu verdanken, dass viele literarische Werke der Antike nicht vernichtet wurden, sondern der Nachwelt erhalten blieben. In den Klöstern und allgemein in der katholischen Kirche überlebte ferner die Schriftlichkeit, die vielfach nördlich der Alpen verschwand.

Re: Gab es eine römische Kontinuität im Mittelalter?

von Ruaidhri » 26.08.2015, 21:13

Pirenne konnte manches nicht wissen, manche Fragen oder auch Forschungsansätze waren ihm fremd, andere nicht genehm.
Wenn man unter Kontinuiät nicht die 1:1 Übernahme und Fortführung römischen Lebens auf allen Ebenen versteht, so gab es sie.
Dazu gibt es inzwischen neue Literatur, ob aus Historiker- oder Archäologen- Sicht, die sich teilweise mit sehr spezifischen Ausschnitten befassen.
Womöglich ist die Frage auch eher kleinräumig anzugehen statt eine weiträumige allgemeine Kontinuität im germanisierten Römerreich zu diskutieren.
Pirennes Aussagen werden nicht erst seit heute kritisch hinterfragt und in ihrer Absolutheit widerlegt.
Es gab herbe Brüche- und es gab ein mehr oder weniger manifestes Überdauern römischer Zivilisationserrungenschaften.

Re: Gab es eine römische Kontinuität im Mittelalter?

von Suebe » 26.08.2015, 18:20

Dietrich, du beziehst dich auf Henri Pirenne der 1936 starb.
Die Pirenne-These, dass das Römerreich nicht an dne Germanen sondern am Islam zu Grunde ging.
Und greifst dir seine Aussagen zum kulturellen Niedergang heraus.

Aber du negierst auf die Art und Weise 80 Jahre Forschung!

Was an Funden musste allein die letzten 20 Jahre rückdatiert werden? Was alles wurde neu gefunden? Auf Grund moderner Ausgrabungsmethoden deutlich exakter datierbar?

ZB war es zu Pirennes Zeit noch unbekannt, dass die "späten" Römer rein durch das Fehlen römischen Kleingeldes für die damalige Forschung "verschwunden" waren. Inzwischen hat man sie längst entceckt, die "späten" Römer. Nicht zuletzt, weil das Kupfergeld in den Grabbeigaben auch in (geographisch) Italien zur selben Zeit verschwand. Sie hatten keine Kleinmünzen mehr. Die sie in die Gräber schmeißen konnten.
Du begehst im Prinzip den selben Fehler wie Illig, und übersiehst das Datierungsproblem an dem Pirenne gescheitert ist.

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