Die Briten entwickelten einen tollkühnen Plan unter dem Namen «Operation Mincemeat» (Operation Hackfleisch). Ein Toter wurde in eine Offiziersuniform eingekleidet, mit einer falschen Identität unter dem Namen «Major William Martin» und mit fabrizierten Geheimdokumenten ausgestattet. Diese verwiesen auf Griechenland als Invasionsziel.
Bild aus meiner Sammlung, es zeigt, die falsche Identitätskarte
Nach dem Sieg über Erwin Rommels Afrikakorps waren Briten und Amerikaner 1943 in Nordafrika aufmarschiert, um die von Stalin seit langem geforderte zweite Front gegen die Nazis im Westen zu eröffnen. Stattfinden sollte die Invasion in Sizilien, doch wie sollte man die Deutschen davon ablenken, sie gar zu einer Verlegung ihrer Truppen bewegen?
Die Briten entwickelten einen tollkühnen Plan unter dem Namen «Operation Mincemeat» (Operation Hackfleisch). Ein Toter wurde in eine Offiziersuniform eingekleidet, mit einer falschen Identität unter dem Namen «Major William Martin» und mit fabrizierten Geheimdokumenten ausgestattet. Diese verwiesen auf Griechenland als Invasionsziel.
Nazis liessen sich leimen
Der falsche Major wurde von einem Kriegsschiff ins Mittelmeer geworfen und als vermeintliches Opfer eines Flugzeugabsturzes an die Küste Spaniens gespült, dessen Diktator Francisco Franco mit Hitler verbündet war. Dadurch kamen die falschen Papiere in die Hände der Deutschen. Der Erfolg übertraf alle Erwartungen: «Vergessen Sie Sizilien, wir wissen, dass es Griechenland ist», erklärte General Alfred Jodl, der Chef des Wehrmachtführungsstabes.
Hitler liess sich überzeugen und verlegte Truppen aus Italien und der Sowjetunion nach Griechenland. Worauf der britische Premierminister Winston Churchill ein Telegramm erhielt: «Mincemeat Swallowed Whole» (Hackfleisch vollständig geschluckt). Am 10. Juli 1943 landeten die Alliierten ohne grösseren Widerstand auf Sizilien. Die Operation war dermassen erfolgreich, dass die Deutschen noch zwei Wochen später von einem Scheinangriff ausgingen und Griechenland für das eigentliche Ziel hielten.
Landstreicher oder Seemann?
Die wahre Identität von «Major William Martin» aber blieb ein Geheimnis. Ewen Montagu, der Leiter von «Operation Mincemeat», enthüllte sie auch nicht, als er 1953 ein Buch unter dem Titel «The Man Who Never Was» (Der Mann, den es nie gab) schrieb, das auch verfilmt wurde. Ein Amateurhistoriker behauptete 1996, es handle sich um Glyndwr Michael, einen geisteskranken Landstreicher aus Wales, der an Rattengift gestorben war. Sein Name wurde sogar auf dem Grabstein von «William Martin» im spanischen Huelva eingraviert.
Doch 2003 konterte der Autor John Steele: Es habe sich um einen Matrosen gehandelt, der an Bord des im März 1943 vor der schottischen Küste explodierten Flugzeugträgers HMS Dasher ertrunken war. Die Marine liess sich überzeugen, sie führte 2004 vor der Küste Zyperns an Bord der heutigen HMS Dasher – eines Patrouillenboots – sogar eine Gedenkfeier durch für John Melville, der als «Major Martin» identifiziert wurde.
An Rattengift gestorben
Nun aber glaubt ein kanadischer Historiker laut dem «Daily Telegraph» den endgültigen Beweis gefunden zu haben: Der obdachlose Glyndwr Michael war doch der «Mann, den es nie gab». Bei Recherchen für ein Buch über «Operation Mincemeat» stiess Denis Smyth von der Universität Toronto auf ein «streng geheimes» Memo von Ewen Montagu, das bislang übersehen wurde. Es wurde nach der Beerdigung des falschen Offiziers in Spanien verfasst und bezieht sich auf eine mögliche Exhumierung und zweite Obduktion des Leichnams (die erste hatte wie erhofft Ertrinken als Todesursache ergeben).
«Mincemeat nahm eine minimale Dosis phosphorhaltiges Rattengift», schrieb Montagu. «Sie hat ihn nicht sofort getötet, sondern die Funktion seiner Leber derart beeinträchtigt, dass er kurz Zeit später starb.» Die Dosis sei nicht nur sehr klein gewesen, Phosphor sei zudem im Gegensatz zu Arsen nach langer Zeit nur schwer nachweisbar, hielt Montagu aufgrund eines Gesprächs mit einem Gerichtsmediziner fest. Für Smyth belegt das Memo eindeutig, dass «die in Spanien begrabene Person an Rattengift starb und nicht durch Ertrinken, und dass es sich deshalb um Glyndwr Michael handelt».
Leiche gestohlen?
John Steele allerdings gibt seine Melville-Theorie nicht kampflos auf, wie er dem «Daily Telegraph» erklärte. Michael wäre nie als Offizier in Frage gekommen, weil er ein Alkoholiker gewesen sei (wofür es laut Denis Smyth keine Beweise gibt): «Montagu war sehr gewissenhaft, er hätte nie den Körper eines Landstreichers verwendet.» Vielmehr habe er den Leichnam des Dasher-Seemanns gestohlen. Diese Wahrheit habe man dem britischen Volk nicht zumuten wollen und deshalb die Identität geheim gehalten.