Gibt es in der Geschichte Gesetzmäßigkeiten?
Verfasst: 03.01.2014, 14:46
Die Weltgeschichte, so wie sie auch heute oft noch unterrichtet wird, erscheint zunächst als eine Ansammlung zahlreicher Fakten und Ereignisse, die man beschreiben und möglichst genau nachvollziehen möchte. Geschichte als Wissenschaft machte und tut häufig auch heute nur dieses. Man bezeichnet diese Arbeitsmethode als ideographische Wissenschaft, ein Einzelfall wird in seiner Besonderheit möglichst erschöpfend geschildert, Ziel ist es, die Einmaligkeit eines Geschehens zu erklären, aber nicht, allgemeine Gesetzesaussagen zu finden. Eine induktive Vorgehensweise, aus einem Einzelfall zu allgemeinen Aussagen zu gelangen, eine Hypothese zu entwickeln und deren Gültigkeit durch einen Vergleich mit ähnlichen Situationen zu verifizieren, also eine generalisierende Theorie zu entwickeln, wird von den meisten Historikern abgelehnt. (Vertreter sind z.B. Droysen, Ranke, Treitschke). Diese weit verbreitete Überzeugung, das jeder historische Vorgang einmalig ist und idealisierende Abstraktionen nicht möglich sind, wird Historismus genannt und war im 19. Jahrhundert und auch noch in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg die gängige Wissenschaftsauffassung der Historiker und ist es auch teilweise heute noch. (Vertreter sind z.B. Droysen, Ranke, Treitschke).
Sie lehnt begriffliches Denken und theoretische Generalisationen ab, besteht auf dem Monopol der historischen Methode „die verlangt, daß der Historiker ausschließlich mit jener Begrifflichkeit schildert, die ihm in den Quellen selbst entgegentritt“ (Mommsen 1973:302.) und beschränkte ihre Forschung auf Staat und Gesellschaft. Sie bedient sich der Methode der Hermeneutik, es geht ihr also vorwiegend um die Auslegung und Interpretation von Quellen, vorwiegend solcher schriftlicher Art, aber auch um die Deutung nonverbaler Artefakte.
Theorien, die allgemeine Gesetze formulierten, entwickelten damals die Naturrechtslehre und die idealistische Philosophie, beruhend auf den Ideen von Kant und Hegel.
Das es neben dem positiven Recht ein Naturrecht gibt, welches dem Menschen eine Reihe von übergeordneten Rechten zuweist, ist eine Vorstellung, die schon in früheren Zeiten, vor allem bei Thomas von Aquin auftaucht, zu einer richtigen Lehre aber erst in den Werken von Grotius, Samuel von Pufendorf und einer Reihe weiterer Autoren entwickelt wird und im 18.Jahrhundert in Westeuropa zunehmend an politischer Bedeutung gewinnt. Ihr zufolge gibt es eine Entwicklung von einem rohen Urzustand hin zu einem Staat mit seinem positiven Recht, welches aber von der Willkür der Herrschenden formuliert wird. Die Naturrechte werden aber dann durch eine politische Entwicklung durchgesetzt und als Menschenrechte deklariert, wie z.B. in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung oder in der Französischen Revolution 1789. Sie tauchen in der Neuzeit wieder auf in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 seitens der UNO und beispielsweise in dem Grundgesetz der Bundesrepublik 1949. In vielen Verfassungen der Staaten auf der Erde finden wir sie wieder als überpositives Recht. Das die Entwicklung der Menschheit dahin geht, das sich die Naturrechte als überpositives Recht letztlich weltweit durchsetzen und das dieses das Ziel und die Bestimmung der Geschichte ist, bildet einen der Grundpfeiler der Anhänger der Naturrechtslehre, wird aber von der Geschichtsschreibung in der Regel als Metaphysik abgetan.
Die Gegenargumente: Jede Zeit und jede Kultur entwickelt ihre ganz eigene Rechtsauffassung und die gilt es zu erforschen und zu beschreiben. In der Antike war auch für solche Denker wie Aristoteles die Sklaverei völlig selbstverständlich. Menschenrechte forderte er allenfalls für die kleine Schicht der Freien. Entwicklungslinien seien nicht eindeutig auszumachen. Das Naturrecht entstand als Reaktion auf die sozioökonomischen Veränderungen in Europa im 18. Jahrhundert. Doch sie setzten sich nur in wenigen Ländern und dann sehr langsam durch mit Unterbrechungen durch Faschismus und Kommunismus. Eine Garantie für ihre weitere Existenz auch in der Zukunft gibt es nicht. Schon gar nicht gilt dies für die ganze Welt. Die Expansion der Europäer im 19.Jahrhundert hatte nicht das Ziel, die Menschenrechte durchzusetzen, sie diente ganz gewöhnlichen geschäftlichen und politischen Interessen. Erst mit Beginn der Unabhängigkeit vieler ehemaliger Kolonialländer wurden auch hier Verfassungen, oft noch von den Kolonialmächten implementiert mit überpositiven Rechten. Weil die sozialen Strukturen aber hier ganz anders waren als in Europa, funktionieren sie meistens nicht. Ob eine allmähliche Angleichung der Strukturen schließlich zu ähnlichen Ergebnissen führen wird wie bei uns, also zur allgemeinen Durchsetzung der Menschenrechte, ist höchst fraglich und zunächst nur ein frommer Wunsch. Unterschiedliche Kulturen entwickeln unterschiedliche Rechtsauffassungen, eine zwangsläufige Entwicklung hin zum Naturrecht ist keineswegs sicher. In manchen Ländern werden sie explizit als westlicher Export abgelehnt. Wie dem auch sei: Aufgabe der Geschichtsschreibung ist es, die jeweiligen Besonderheiten zu beschreiben und keine Entwicklungsgesetze zu konstruieren.
Eine ähnliche Abfuhr erteilte der Historismus der idealistischen Geschichtsphilosophie, wie sie etwa von Hegel erdacht wurde. Hegel glaubte, dass sich in der Geschichte sukzessive die Vernunft durchsetzen würde. „Das die Vernunft die Welt beherrsche! Und „ Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit!“ (Hegel 1958: 44)
In Hegels Ontologie ist das Sein die Idee, die absolute Vernunft. Das treibende Subjekt der Weltgeschichte ist der Weltgeist. Dies ist kein spirituelles Wesen, sondern man könnte ihn sich am ehesten als einen Ideenpool vorstellen, also als einen Komplex von Ideen, der sich in den Köpfen der Menschheit ansammelt und ihre Taten bestimmt. Hegel wendet sich gegen den Empirismus, denn dessen Begrifflichkeiten würden nur den bestehenden Zustand reflektieren. Zwischen Wesen und Erscheinung gibt es aber einen Widerspruch. Dieser Widerspruch wird durch einen Denkprozess überwunden, in dem der Mensch transzendierende Begrifflichkeiten schafft. Die Zusammenfassung des Widerspruchs findet in einer Synthese statt, in denen der Widerspruch nicht überwunden, aber neu bewahrt und auf eine weitere, nächstfolgende Ebene transportiert wird. Dieser Prozess wird als eine Bewegung verstanden, die der Weltgeist auf dem Wege zu seiner Vollendung durchläuft, die als Einheit von Welt und Denken in einer absoluten Idee aufzufassen ist. Das Denken antizipiert eine neue Realität, der Mensch schafft dann durch seine Tätigkeit neue Realitäten, die den neuen Begriffen entsprechen. Dieses Handeln geschieht unbewusst, die Menschheitsgeschichte ist Teil eines Vollendungsprozesses, in dem sich schließlich die absolute Idee, die Vernunft realisiert.
Mit umfangreichem Material will er diese Theorie beweisen. So sind sich die Menschen im Mittelalter ihrer Situation zunächst nicht bewusst und nehmen sie als natürlich hin. Schließlich erkennen sie, das die Welt nicht so sein muss wie sie ist, das Tradition und Sitte nicht von Gott gegeben sind. Sie entwickeln neue Begriffe, in denen die alten Werte nicht aufgegeben, sondern auf einer neuen, höheren Ebene gedacht werden. Der Mensch will nun die Welt den neuen Begrifflichkeiten anpassen. Auf diese Weise entwickelt sich der Weltgeist fortwährend weiter, um sich in der absoluten Idee zu realisieren. Die Geschichte erklären heißt deshalb: „die Leidenschaften des Menschen, ihr Genie, ihre wirkenden Kräfte zu enthüllen.“ (Hegel 1958: 48)
Der Weltgeist setzt sich durch in Gestalt großer Personen, die durch ihr Handeln die Geschichte verändern, auch wenn sie sich dessen nicht bewusst sind. Hegel führt als Beispiel Cäsars Kampf um die Macht an. Bei seinem Umsturz der traditionellen Form des römischen Staates wurde Cäsar von seinem persönlichen Ehrgeiz getrieben, jedoch erfüllte er damit eine notwendige Bestimmung Roms und in der Welt der Geschichte, denn durch seine Taten gelangte er zu einer höheren, vernünftigeren Form der politischen Organisation. (siehe Hegel: 1958: 59)
Hegel unterscheidet drei Staatsformen auf dem Weg zur Vernunft: „Der Orient wußte und weiß nur, das Einer frei ist, die griechische und römische Welt, das Einige frei sind, die germanische Welt weiß, das Alle frei sind. Die erste Form, die wir daher in der Weltgeschichte sehen, ist der Despotismus, die zweite ist die Demokratie und Aristokratie, die dritte ist die Monarchie.“ (Hegel 1958: 149)
Hier hält Hegel kurioserweise die Weltgeschichte an. In der preußischen Monarchie der Restauration nach 1815 hat der Weltgeist angeblich sein Ziel erreicht. In der Monarchie…“ist Einer Herr und Keiner Knecht, denn die Knechtschaft ist durch sie gebrochen, und in ihr gilt das Recht und das Gesetz; aus ihr geht die reelle Freiheit hervor. In der Monarchie wird also die Willkür der einzelnen unterdrückt und ein Gesamtwesen der Herrschaft aufgestellt.“( Hegel 1958: 505)
Wie man sieht, Fukuyamas Theorie vom Ende der Geschichte ist nicht neu. Im Gegenteil, die meisten Theorien, die von Gesetzmäßigkeiten ausgehen, glauben an ein Ende der Geschichte. Der Historismus wies sie deshalb entweder als teleologische oder eschatologische, metaphysische Konstruktionen ohne Erklärungswert zurück. Hegels Theorie fasziniert aber noch heute durch ihre interessante Unverständlichkeit und vor allem durch die Vorstellung, dass allen Begrifflichkeiten ein Widerspruch innewohnt, den man durch Denken erkennen und überwinden kann. Dies wird in der weiteren Wissenschaftsdiskussion noch eine große Bedeutung bekommen.
Ende des 19.Jahrhunderts geriet der Historismus immer mehr unter Beschuss angesichts der ständig stärker werdenden Bedeutung der Naturwissenschaften und ihrer Arbeitsmethoden, die im Messen, Sammeln von Daten und Vergleichen bestehen. Die nomothethischen Wissenschaften (Nomos = Gesetz) versuchen, einen speziellen Fall nur als Ausdruck allgemeiner Gesetzmäßigkeiten zu erklären. Diese Gesetzmäßigkeiten gilt es herauszufinden und zu formulieren. Die ideographische Geschichtswissenschaft behauptete, dass dies in ihrem Falle nicht möglich sei.
Doch drei Wissenschaften aus den Nachbarbereichen begannen nun mit den Historikern zu konkurrieren und entwickelten eigene nomothetische Ansätze: Die theoretische Nationalökonomie, die Positivistische Soziologie und die marxistische Gesellschaftstheorie. (Folgen später)
Hegel, Philosophie der Geschichte, Hamburg 1958
Mommsen,W.J. 1973 Max Weber, S.299-324 in: H.J. Wehler (Hrsg.), Deutsche Historiker.Göttingen
Sie lehnt begriffliches Denken und theoretische Generalisationen ab, besteht auf dem Monopol der historischen Methode „die verlangt, daß der Historiker ausschließlich mit jener Begrifflichkeit schildert, die ihm in den Quellen selbst entgegentritt“ (Mommsen 1973:302.) und beschränkte ihre Forschung auf Staat und Gesellschaft. Sie bedient sich der Methode der Hermeneutik, es geht ihr also vorwiegend um die Auslegung und Interpretation von Quellen, vorwiegend solcher schriftlicher Art, aber auch um die Deutung nonverbaler Artefakte.
Theorien, die allgemeine Gesetze formulierten, entwickelten damals die Naturrechtslehre und die idealistische Philosophie, beruhend auf den Ideen von Kant und Hegel.
Das es neben dem positiven Recht ein Naturrecht gibt, welches dem Menschen eine Reihe von übergeordneten Rechten zuweist, ist eine Vorstellung, die schon in früheren Zeiten, vor allem bei Thomas von Aquin auftaucht, zu einer richtigen Lehre aber erst in den Werken von Grotius, Samuel von Pufendorf und einer Reihe weiterer Autoren entwickelt wird und im 18.Jahrhundert in Westeuropa zunehmend an politischer Bedeutung gewinnt. Ihr zufolge gibt es eine Entwicklung von einem rohen Urzustand hin zu einem Staat mit seinem positiven Recht, welches aber von der Willkür der Herrschenden formuliert wird. Die Naturrechte werden aber dann durch eine politische Entwicklung durchgesetzt und als Menschenrechte deklariert, wie z.B. in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung oder in der Französischen Revolution 1789. Sie tauchen in der Neuzeit wieder auf in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 seitens der UNO und beispielsweise in dem Grundgesetz der Bundesrepublik 1949. In vielen Verfassungen der Staaten auf der Erde finden wir sie wieder als überpositives Recht. Das die Entwicklung der Menschheit dahin geht, das sich die Naturrechte als überpositives Recht letztlich weltweit durchsetzen und das dieses das Ziel und die Bestimmung der Geschichte ist, bildet einen der Grundpfeiler der Anhänger der Naturrechtslehre, wird aber von der Geschichtsschreibung in der Regel als Metaphysik abgetan.
Die Gegenargumente: Jede Zeit und jede Kultur entwickelt ihre ganz eigene Rechtsauffassung und die gilt es zu erforschen und zu beschreiben. In der Antike war auch für solche Denker wie Aristoteles die Sklaverei völlig selbstverständlich. Menschenrechte forderte er allenfalls für die kleine Schicht der Freien. Entwicklungslinien seien nicht eindeutig auszumachen. Das Naturrecht entstand als Reaktion auf die sozioökonomischen Veränderungen in Europa im 18. Jahrhundert. Doch sie setzten sich nur in wenigen Ländern und dann sehr langsam durch mit Unterbrechungen durch Faschismus und Kommunismus. Eine Garantie für ihre weitere Existenz auch in der Zukunft gibt es nicht. Schon gar nicht gilt dies für die ganze Welt. Die Expansion der Europäer im 19.Jahrhundert hatte nicht das Ziel, die Menschenrechte durchzusetzen, sie diente ganz gewöhnlichen geschäftlichen und politischen Interessen. Erst mit Beginn der Unabhängigkeit vieler ehemaliger Kolonialländer wurden auch hier Verfassungen, oft noch von den Kolonialmächten implementiert mit überpositiven Rechten. Weil die sozialen Strukturen aber hier ganz anders waren als in Europa, funktionieren sie meistens nicht. Ob eine allmähliche Angleichung der Strukturen schließlich zu ähnlichen Ergebnissen führen wird wie bei uns, also zur allgemeinen Durchsetzung der Menschenrechte, ist höchst fraglich und zunächst nur ein frommer Wunsch. Unterschiedliche Kulturen entwickeln unterschiedliche Rechtsauffassungen, eine zwangsläufige Entwicklung hin zum Naturrecht ist keineswegs sicher. In manchen Ländern werden sie explizit als westlicher Export abgelehnt. Wie dem auch sei: Aufgabe der Geschichtsschreibung ist es, die jeweiligen Besonderheiten zu beschreiben und keine Entwicklungsgesetze zu konstruieren.
Eine ähnliche Abfuhr erteilte der Historismus der idealistischen Geschichtsphilosophie, wie sie etwa von Hegel erdacht wurde. Hegel glaubte, dass sich in der Geschichte sukzessive die Vernunft durchsetzen würde. „Das die Vernunft die Welt beherrsche! Und „ Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit!“ (Hegel 1958: 44)
In Hegels Ontologie ist das Sein die Idee, die absolute Vernunft. Das treibende Subjekt der Weltgeschichte ist der Weltgeist. Dies ist kein spirituelles Wesen, sondern man könnte ihn sich am ehesten als einen Ideenpool vorstellen, also als einen Komplex von Ideen, der sich in den Köpfen der Menschheit ansammelt und ihre Taten bestimmt. Hegel wendet sich gegen den Empirismus, denn dessen Begrifflichkeiten würden nur den bestehenden Zustand reflektieren. Zwischen Wesen und Erscheinung gibt es aber einen Widerspruch. Dieser Widerspruch wird durch einen Denkprozess überwunden, in dem der Mensch transzendierende Begrifflichkeiten schafft. Die Zusammenfassung des Widerspruchs findet in einer Synthese statt, in denen der Widerspruch nicht überwunden, aber neu bewahrt und auf eine weitere, nächstfolgende Ebene transportiert wird. Dieser Prozess wird als eine Bewegung verstanden, die der Weltgeist auf dem Wege zu seiner Vollendung durchläuft, die als Einheit von Welt und Denken in einer absoluten Idee aufzufassen ist. Das Denken antizipiert eine neue Realität, der Mensch schafft dann durch seine Tätigkeit neue Realitäten, die den neuen Begriffen entsprechen. Dieses Handeln geschieht unbewusst, die Menschheitsgeschichte ist Teil eines Vollendungsprozesses, in dem sich schließlich die absolute Idee, die Vernunft realisiert.
Mit umfangreichem Material will er diese Theorie beweisen. So sind sich die Menschen im Mittelalter ihrer Situation zunächst nicht bewusst und nehmen sie als natürlich hin. Schließlich erkennen sie, das die Welt nicht so sein muss wie sie ist, das Tradition und Sitte nicht von Gott gegeben sind. Sie entwickeln neue Begriffe, in denen die alten Werte nicht aufgegeben, sondern auf einer neuen, höheren Ebene gedacht werden. Der Mensch will nun die Welt den neuen Begrifflichkeiten anpassen. Auf diese Weise entwickelt sich der Weltgeist fortwährend weiter, um sich in der absoluten Idee zu realisieren. Die Geschichte erklären heißt deshalb: „die Leidenschaften des Menschen, ihr Genie, ihre wirkenden Kräfte zu enthüllen.“ (Hegel 1958: 48)
Der Weltgeist setzt sich durch in Gestalt großer Personen, die durch ihr Handeln die Geschichte verändern, auch wenn sie sich dessen nicht bewusst sind. Hegel führt als Beispiel Cäsars Kampf um die Macht an. Bei seinem Umsturz der traditionellen Form des römischen Staates wurde Cäsar von seinem persönlichen Ehrgeiz getrieben, jedoch erfüllte er damit eine notwendige Bestimmung Roms und in der Welt der Geschichte, denn durch seine Taten gelangte er zu einer höheren, vernünftigeren Form der politischen Organisation. (siehe Hegel: 1958: 59)
Hegel unterscheidet drei Staatsformen auf dem Weg zur Vernunft: „Der Orient wußte und weiß nur, das Einer frei ist, die griechische und römische Welt, das Einige frei sind, die germanische Welt weiß, das Alle frei sind. Die erste Form, die wir daher in der Weltgeschichte sehen, ist der Despotismus, die zweite ist die Demokratie und Aristokratie, die dritte ist die Monarchie.“ (Hegel 1958: 149)
Hier hält Hegel kurioserweise die Weltgeschichte an. In der preußischen Monarchie der Restauration nach 1815 hat der Weltgeist angeblich sein Ziel erreicht. In der Monarchie…“ist Einer Herr und Keiner Knecht, denn die Knechtschaft ist durch sie gebrochen, und in ihr gilt das Recht und das Gesetz; aus ihr geht die reelle Freiheit hervor. In der Monarchie wird also die Willkür der einzelnen unterdrückt und ein Gesamtwesen der Herrschaft aufgestellt.“( Hegel 1958: 505)
Wie man sieht, Fukuyamas Theorie vom Ende der Geschichte ist nicht neu. Im Gegenteil, die meisten Theorien, die von Gesetzmäßigkeiten ausgehen, glauben an ein Ende der Geschichte. Der Historismus wies sie deshalb entweder als teleologische oder eschatologische, metaphysische Konstruktionen ohne Erklärungswert zurück. Hegels Theorie fasziniert aber noch heute durch ihre interessante Unverständlichkeit und vor allem durch die Vorstellung, dass allen Begrifflichkeiten ein Widerspruch innewohnt, den man durch Denken erkennen und überwinden kann. Dies wird in der weiteren Wissenschaftsdiskussion noch eine große Bedeutung bekommen.
Ende des 19.Jahrhunderts geriet der Historismus immer mehr unter Beschuss angesichts der ständig stärker werdenden Bedeutung der Naturwissenschaften und ihrer Arbeitsmethoden, die im Messen, Sammeln von Daten und Vergleichen bestehen. Die nomothethischen Wissenschaften (Nomos = Gesetz) versuchen, einen speziellen Fall nur als Ausdruck allgemeiner Gesetzmäßigkeiten zu erklären. Diese Gesetzmäßigkeiten gilt es herauszufinden und zu formulieren. Die ideographische Geschichtswissenschaft behauptete, dass dies in ihrem Falle nicht möglich sei.
Doch drei Wissenschaften aus den Nachbarbereichen begannen nun mit den Historikern zu konkurrieren und entwickelten eigene nomothetische Ansätze: Die theoretische Nationalökonomie, die Positivistische Soziologie und die marxistische Gesellschaftstheorie. (Folgen später)
Hegel, Philosophie der Geschichte, Hamburg 1958
Mommsen,W.J. 1973 Max Weber, S.299-324 in: H.J. Wehler (Hrsg.), Deutsche Historiker.Göttingen