Peter Scholl-Latour ist tot.

Medienpolitik, Digitales Zeitalter, IT

Moderator: Barbarossa

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Triton
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Wenn es irgendwo auf der Erde einen Krieg gab, erklärte er uns Zuschauern ewig nuschelnd warum und warum es keinen leichten Weg zum Frieden geben wird.

http://www.sueddeutsche.de/medien/zum-t ... -1.2091691

Ich mochte ihn, hörte ihm gerne zu, er hatte immer Standpunkt und ich werde seine Stimme vermissen.
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
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Barbarossa
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Ich hab's heute auch schon in den Nachrichten gehört. Er war oft ein wenig unbequem mit seinen Ansichten, aber immer sehr kompetent - ein echter Verlust für die Medienwelt.

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Marek1964
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An Peter Scholl-Latour kann ich mich erinnern an seine Nachrichten aus Indochina. Als der Kommunismus seinen - allerdings wie wir heute wissen letzten Sieg feiern konnte. Einprägsame Stimme. Gott segne seiner Seele.
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Orianne
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Ich werde ihn vermissen, er war immer ein guter Fachmann, leider zuletzt ein wenig starrsinnig, aber man soll nicht schlecht über Tote reden, deshalb werde ich mir am Sonntag eine Diskussion bei Youtube ansehen, bei der er richtig geglänzt hatte.

Das Buch steht bei uns laut Liste seit 1982 in der Bibliothek, leider wurde es schon lange nicht mehr gelesen:

Peter Scholl-Latour: Der Tod im Reisfeld. Dressig Jahre Krieg in Indochina. Neuauflage Ullstein Verlag Berlin 2013, ISBN 9783548375007
Grant stood by me when I was crazy, and I stood by him when he was drunk, and now we stand by each other.

General William Tecumseh Sherman
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Triton
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Starrsinnig sind wir alle ab und zu. Ich erinnere mich an seine Prophezeiungen zur Bush-Strategie, den Irak und Afghanistan zu demokratischen Rechtsstaaten machen zu wollen. "Naiv" oder "weltfremd" waren noch die freundlichsten Adjektive, die ihm einfielen. Schnell war klar, dass er mehr von Land und Leuten verstand als ein Regierungapparat einer Weltmacht mitsamt geballter Beratungsmaschinerie und riesigen Auslandsgeheimdiensten. Dort wollte man nur hören und sehen, was in das eigene Weltbild passte.

So etwas macht dann natürlich eingebildet. Wenn er bemerkte, dass seine Gegenüber einen geringeren Erfahrungsschatz als er selbst hatten - also de facto immer - konnte er schnell oberlehrerhaft und besserwisserisch wirken. Ich bin aber sicher, dass er als Journalist in erster Linie daran interessiert war, Licht ins Dunkle zu bringen.
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
ehemaliger Autor K.

Peter Scholl-Latour war ein großartiger Journalist. Ich besitze fast alle Bücher, die er geschrieben hat und einige davon habe ich mehrmals gelesen. Besonders empfehlenswert: Tod Im Reisfeld; Mord am großen Fluss; Allah ist mit den Standhaften.

Er hatte ein enormes historisches Wissen und versuchte stets, gegenwärtige Entwicklungen aus Abläufen in der Vergangenheit zu erklären. Deshalb kam er, anders als seine Kollegen oder Politiker, oft zu ziemlich pessimistischen Prognosen, die sich aber meistens als richtig herausstellten.

Ansonsten hatte er eine ziemlich negative Einstellung gegenüber der Menschheit und ihrer Geschichte. Vor einigen Jahren hielt er bei uns in der Universität einen Vortrag und vertrat die Ansicht, der Mensch sei von Natur aus schlecht und ein bösartiges Wesen. Dem wurde aber entgegen gehalten, dass man dies so pauschal nicht sehen kann, denn der Mensch besitzt viele Facetten. Wenn man sich aber wie er, stets nur in Kriegsgebieten aufhält, lernt man die Menschen immer nur von ihrer schlechtesten Seite kennen, ähnlich wie ein Kommissar es auch ständig nur mit Verbrechern zu tun hat und deshalb auch zwangsläufig eine eindimensionale Sicht der Dinge bekommt. Das hat er dann schließlich auch bestätigt, denn wenn er immer nur über Volksfeste, Hochzeiten und Wohltätigkeitsveranstalten berichtet hätte, würde er wohl anders über die Menschen denken.

Scholl-Latour hatte eine gewisse Vorliebe für autoritäre Politiker und auch für Diktatoren. De Gaulle bewunderte er, für Putin und Lukaschenko fand er lobende Worte, auch Assad pries er als letztes säkulares Bollwerk gegen den militanten Islam. Auch Khomeni, den er persönlich gut kannte, war für ihn eine historische Größe, für die er Hochachtung empfand. Von der Arabellion glaubte er nicht, dass sie viel bewirken würde. Diktatoren wie Mubarak, Ben Ali oder Gaddafi schienen ihm das kleinere Übel zu sein.

Er besaß eine Vorliebe für das Militär, wahrscheinlich weil er ursprünglich in der Fremdenlegion gewesen ist, die er in allen seinen Schriften lobend erwähnt. Soldaten spielen auch in seinen Fernsehreportagen immer eine große Rolle. Er selbst begleitete amerikanische GI’s auf ihren Einsätzen in Vietnam und schloss sich vorübergehend der Guerillagruppe von Hekmatyār in Afghanistan bei ihrem Kampf gegen die Sowjets an.
Sein Tod ist ein großer Verlust.
RedScorpion

Also gut,

Kritik zum jetzigen Zeitpunkt ist hier zwar ein wenig pietätlos, aber Scholl-Latour ist halt einfach eine Grösse, die sich Kratzer einfach erlauben kann, tät ich mal behaupten.

Ich schätze, wie meine Vorposter, seine Vorzüge, seine Beschlagenheit, auch seine Bewunderung für De Gaulle, z.B.; auch, dass er nicht alle Diktatoren, Potentaten oder auch charismatische Führer in einen Topf warf, und und und.

Sicherlich wird ihn auch gefuchst haben, dass in Gesprächsrunden, zu denen er eingeladen war, selten Leute seines Kalibers sassen (so jedenfalls mein Eindruck; kann mich i.M. nicht erinnern, ihn zusammen z.B. mit Bassam Tibi oder Henry Kissinger gesehen zu haben, aber man mag mich korrigieren). So mag sich ein manchmal auch von mir empfundener Starrsinn erklären.
Auch zu kurz kommt imho die konstruktive Seite. Ich hatte bei ihm nicht selten den Eindruck, als sei die Quintessenz seiner Analysen die Unfähigkeit zum Funktionieren allgemein und zur Demokratie vieler Völker in weiten Teilen der Welt.

Wenn ihm genützt hat, den Koran zitieren zu können (wobei ich mich frage, wer das nicht kann, zumindest mancher geflügelter Worte oder einiger weniger Verse, im Nahen Osten oder sogar bisweilen im "Westen"), dann hatte er Glück, das anderen nicht so beschieden war und ist. Jeder Depp im arabischsprachigen Raum (und darüber hinaus) kann das, ob Muslim oder nicht, und in Konflikten nützt einem das im Allgemeinen gar nix, schon gar nicht zum Ueberleben.



LG
Lia

Peter Scholl-Latour gehört wie Gerd Ruge und etliche andere der alten Garde zu den Journalisten, die schon fast seit Kindertagen
dazu gehörten, deren Reportagen, Meinungen und Kommentare im Elternhaus diskutiert wurden.
Sicherlich prägend für mein Interesse an Politik und meine Auffassung von gutem Journalismus, auch und gerade, weil seine Beiträge zu Diskussion und weiterer Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema anregten.
Ein guter, ein herausragender, weil oft unbequemer Journalist, der durchaus mal Dinge aussprach, die nicht ins politisch korrekte Denken passten.Mit seinen Einschätzungen, die auf profunder Sachkenntnis beruhten, hat er oft Recht behalten.
Seine Sicht der Dinge war oft hart, negativ, sehr real- und das mochte nicht immer in eine Zeit passen, in der Tatsachen zugunsten der erwünschten political correctness nicht benannt werden dürfen.
Bei allen Reibungspunkten: Ein großartiger Journalist und Buchautor, der es vermochte, seinem Publikum andere Welten und Denkweisen näher zu bringen.
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dieter
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Peter Scholl-Latour sah die Welt, wie sie wirklich war. Mit seiner Skepsis gegenüber der Menschheit hatte er natürlich recht. Der Mensch ist ein sonderbares Wesen. Mit ihm ist alles im Guten oder Bösen möglich. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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dieter
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Conzaliss hat geschrieben:Das schätzte ich auch an ihm - seine klare Sichtweise und Skepsis.

Gerd Ruge ist vom Typ her ganz anders - aber auch ein großer Journalist...
Lieber Conzaliss,
das bezweifelt keiner. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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