1961: Der Bau der Mauer

Leben, Wirtschaft, Stasi, Sozialismus, SED, Überwachung, Diktatur, Honecker, Kommunismus, Mauer

Moderator: Barbarossa

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Peppone
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Naja, wenn man umrechnet, wieviel die 1,5 Milliarden Dollar des Marshallplans in heutiger Währung wären, kommt man schon auf einen gewaltigen Betrag, der sicher als Anschubhilfe für die westdeutsche Wirtschaft eine nicht unerhebliche Rolle gespielt hat.
Da man als kapitalistischer Staat sich nicht der Illusion hingegeben hat, alles selber machen zu können, sondern den Großteil der Aufbauleistungen quasi an den Privatsektor delegiert hat, wurde der Vorsprung der BRD gegenüber de DDR immer größer, bis er Ende der 60er so augenfällig wurde, dass Ulbricht sein Neues Ökonomisches System "NÖS" einführte - weswegen er von Breschnew dann ja auch fallen gelassen wurde, zu Gunsten eines gewissen Erich Honecker, der zum alten System zurückkehren wollte und v.a. via Wohnungsbau der DDR-Wirtschaft die nötigen Impulse verschaffen wollte.

Abgesehen davon, dass die DDR in dieser Zeit einseitig den Bausektor förderte, dafür aber fast alle anderen Sektoren vernachlässigte - was im Nachhinein gesehen tödlich für die DDR-Wirtschaft war - war der Lebensstandard in der DDR nicht wirklich niedrig, da hat norvegia schon recht. Vor allem, wenn man den Vergleich mit den anderen osteuropäischen Planwirtschaften anstellt. Aber die DDR verglich sich ja selber andauernd mit dem Westen, und dagegen war man spätestens seit Anfang der 70er hoffnungslos im Hintertreffen.
Moderne Produktionsanlagen? Höchstens punktuell, aber nie flächendeckend. Die Trabbis z.B. wurden auf Anlagen produziert, die aus den 30ern stammten, auf denen schon Horchs gebaut wurden und die den Russen wahrscheinlich schon 45ff. zu altertümlich waren, um mitgenommen zu werden...
Klar, dass das daran lag, dass das Budget eines jeden Staates begrenzt war und die DDR schon aufgrund ihrer relativ kleinen Fläche und - abgesehen von Zentren wie Sachsen, Berlin oder Thüringen - relativ dünn besiedelt war, also die Staatseinnahmen schon allein deswegen begrenzt waren. Der wahre Grund für den immer weiter zunehmenden Rückstand der DDR gegenüber der BRD - den auch norvegia nicht wegdiskutieren kann oder will - war es, dass der Staat eben alles alleine schaffen wollte und sich daher auf Schwerpunkte konzentrieren musste, anders als die BRD, die sich mit Hilfe des Privatsektors laufend flächendeckend modernisieren konnte.

Dass der Wiederaufbau nach 1990 auch mit allen möglichen Umschulungen und arbeitsplatzschaffenden Maßnahmen nicht einfach werden würde, war mir schon allein deshalb klar, weil ich 1990 schon Städte wie Jena, Leipzig oder Berlin aus eigener Anschauung kannte. Allein die Bausubstanz dieser Städte zu renovieren war eine Herkulesarbeit. Dazu noch die Tatsache, dass beinahe jede Fabrik modernisiert werden musste - das musste auch einen reichen Staat wie die BRD überfordern. Und so kam es dann auch, und zwar wesentlich schlimmer als selbst von Pessimisten gedacht. Denn die Privatisierung der DDR-Wirtschaft lief dermaßen überstürzt, dass dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet waren - zum Schaden des wirklich effektiven Übergangs der DDR-Wirtschaft in eine Marktwirtschaft.

Beppe
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dieter
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Lieber Beppe,
eine tolle Analyse, dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. :)
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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