1,30-Euro-Urteil u. weitere Kündigungen schlagen hohe Wellen

Arbeits und Lehrstellenmarkt, Arbeits- und Sozialrecht, Rente

Moderator: Barbarossa

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Barbarossa
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Ein Gerichtsurteil in Berlin schlägt zur Zeit hohe Wellen:
Prozess
Berlin: Heftige Diskussion um 1,30-Euro-Urteil
Donnerstag, 26. Februar 2009 02:09

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg gegen eine Kassiererin des Handelskonzerns Tengelmann AG hat viel Empörung aber auch Zustimmung ausgelöst. Die Richterin hatte am Dienstag die fristlose Kündigung der Angestellten einer Kaiser's-Filiale in Hohenschönhausen bestätigt.

- Hintergrund ist die Unterschlagung von zwei Pfandbons im Wert von insgesamt 1,30 Euro...
weiter lesen: http://www.morgenpost.de/printarchiv/ti ... rteil.html
Urteil
Das 1,30-Euro-Urteil schlägt hohe Wellen
Donnerstag, 26. Februar 2009 02:09 - Von C. Eichelmann, M. Reinsch und J. Schulte am Hülse

Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) hat das Urteil begrüßt, mit dem das Landesarbeitsgericht Berlin die fristlose Entlassung einer 50-jährigen Supermarkt-Kassiererin bestätigt hatte - weil sie Pfandbons im Wert von 1,30 Euro unterschlagen haben soll.
"Diebstahl ist kein Kavaliersdelikt", erklärte der HDE-Geschäftsführer und Arbeitsrechtsexperte Heribert Jöris in Berlin...
weiter lesen: http://www.morgenpost.de/printarchiv/be ... ellen.html
Urteil gegen Kassiererin
Bundestagsvize Thierse empört Berliner Richter
Donnerstag, 26. Februar 2009 18:32 - Von Jens Anker

Supermarkt-Kassiererin Barbara E. ist nach einem Urteil des Berliner Landesarbeitsgerichts zu Recht entlassen worden, weil sie Pfandbons im Gesamtwert von 1,30 Euro unterschlagen haben soll. Die 50-Jährige hat einen prominenten Fürsprecher: Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD). Doch er bekommt deshalb jetzt Ärger.
(...)
Die 50 Jahre alte Kassiererin bestreitet nach wie vor, die beiden Pfandbons gestohlen zu haben...
Diesen Artikel lesen: http://www.morgenpost.de/berlin/article ... chter.html
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elysian
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Die Äußerungen der Kritiker weihen den Richterspruch nachträglich mehr, als dass sie gegen ihn Wirkung erzielen könnten.

Unsachliche Vergleiche, wie vom CDA (Bonuszahlung wird mit Unterschlagung gleichgesetzt), offensichtlich krudes Rechtsverständnis (wer 31 Jahre bei jemandem arbeitet, darf den Arbeitgeber auch beklauen...), sinnfreie Bauchreaktionen (Thierse) stehen hilflos der Erkenntnis gegenüber, dass eine Straftat eine Straftat ist.

Noch genüsslicher wird die ganze Angelegenheit, wenn man weiß, dass:

1. zwischen den Parteien ein Vergleich geschlossen wurde, der die fristgerechte Kündigung der Kassiererin zum Inhalt hatte; diese ließ den Vergleich jedoch platzen!

2. diese ach so nette Kassiererin die bösen, blöden Arbeitskollegen fälschlich bezichtigte!

3. die Kassiererin vom Gericht sogar noch extra aufgefordert wurde, in sich zu gehen und von der eingenommenen Rechtsposition abzurücken, damit beide Seiten zu einem versöhnlicheren Ende auf einander zugehen könnten; worauf sie nicht reagierte!
sic transit gloria mundi
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Barbarossa
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elysian hat geschrieben:...Noch genüsslicher wird die ganze Angelegenheit, wenn man weiß, dass:

1. zwischen den Parteien ein Vergleich geschlossen wurde, der die fristgerechte Kündigung der Kassiererin zum Inhalt hatte; diese ließ den Vergleich jedoch platzen!

2. diese ach so nette Kassiererin die bösen, blöden Arbeitskollegen fälschlich bezichtigte!

3. die Kassiererin vom Gericht sogar noch extra aufgefordert wurde, in sich zu gehen und von der eingenommenen Rechtsposition abzurücken, damit beide Seiten zu einem versöhnlicheren Ende auf einander zugehen könnten; worauf sie nicht reagierte!
Aha. Punkt "1." war mir bisher auch nicht bekannt.
Grundsätzlich ist es natürlich richtig, daß ein Diebstahl ein Diebstahl ist, egal, wo das Komma steht, also ob bei 1,30 oder 1300,00 €, aber was, wenn sie tatsächlich falsch beschuldigt wird und ihr die Pfandbons fälschlicher Weise unter geschoben wurden? Immerhin ist sie ja nach eigenen Angaben stark gewerkschaftlich aktiv und von verschiedenen Supermarktketten hat man ja (sehr gelinde ausgedrückt) auch schon nicht sehr löbliche Sachen gehört...
:?
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elysian
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Barbarossa, alle diese Punkte konnten im Gerichtsverfahren angesprochen werden und ich gehe davon aus, dass sie auch angesprochen wurden.
Jedenfalls darf man angesichts des Urteils davon ausgehen, dass diese Überlegungen mit der Realität nichts zu tun haben.
Ich habe das Urteil leider nicht vorliegen, aber folgender Text gibt doch über den tatsächlichen Sachverhalt einigen Aufschluss:

"Das Gericht hatte am Dienstag dagegen darauf hingewiesen, dass eine Verdachtskündigung keineswegs auf bloßen Vermutungen des Arbeitgebers beruht, sondern dafür ein auf objektiven Tatsachen beruhender dringender Verdacht vorliegen muss."

http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1 ... googlefeed
Dass in dem Artikel schon wieder ein Linkspolitiker meint, wer lange genug bei jemandem arbeite, dürfe diesen auch beklauen, lässt tief blicken...

weiterhin:

"Das Gericht wies ausdrücklich darauf hin, dass der Vertrauensverlust durch die Einlösung der Pfandbons der maßgebliche Kündigungsgrund sei, nicht aber der Wert der Sache in Höhe von 1,30 Euro. Die sonst in Strafverfahren gültige Unschuldsvermutung greife hier nicht. Eine Kassiererin müsse "unbedingte Zuverlässigkeit und absolute Korrektheit" zeigen und sich "auch bei kleineren Beträgen absolut ehrlich" verhalten, begründete das Gericht weiter. Für den Arbeitgeber sei es als unzumutbar anzusehen, die Kassiererin auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Zeugen, die die 50-Jährige belasteten, stufte das Gericht als glaubhaft ein.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,609577,00.html

auch lesenswert:

http://www.zeit.de/online/2009/09/kassiererin-emmely

zum Vergleich hier ein Hinweis:

http://www.stern.de/wirtschaft/arbeit-k ... 7.html?p=2

dass auch die Gewerkschaften ein krudes Rechtsverständnis pflegen, wird hier deutlich:

"Ein kleinkariertes Management sei auf "Arbeitsrichter ohne Augenmaß" getroffen, wetterte Zinke. Das Urteil sei arbeitnehmerfeindlich und ignoriere die Verhältnismäßigkeit der Mittel. In einem Strafrechtsverfahren reiche der bloße Verdacht nicht aus, bei einer Verdachtskündigung müsse nichts bewiesen werden, kritisierte Zinke. Während sich Topmanager in ihren Arbeitsverträgen dagegen absicherten, für Missmanagement oder gar Konkurs haftbar gemacht zu werden, treffe die normale Arbeitnehmerin die volle Wucht des Gesetzes."

(Anm.d.A.: das ist potenzierter Schwachsinn!)

http://www.rp-online.de/public/article/ ... htens.html

zum merkwürdigen Verhalten der E.:

"Laut Gerhard Binkert, Vizepräsident des Landesarbeitsgerichts, kommt erschwerend das Verhalten von Barbara E. nach der Tat hinzu. So habe sie zunächst falsche Angaben gemacht und eine Kollegin belastet, den Vorwurf dann jedoch fallengelassen, nachdem der Arbeitgeber ihn entkräftet habe."

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/ ... htens.html

hier etwas zur angeblichen Verbindung mit dem Streik:

"Unter dem Motto „Solidarität für Emmely“ hatten Gewerkschaften und Politiker wiederholt für eine Weiterbeschäftigung der dreifachen Mutter und zweifachen Großmutter demonstriert. Mit Kundgebungen, Informationsveranstaltungen, Boykottaufrufen, Plakaten, eigenen Internetseiten und aggressiver Öffentlichkeitsarbeit haben die Organisatoren den Fall Emmely zu ihrem Thema gemacht. Ihre Vermutung: Mit der Maßnahme sollte eine engagierte Gewerkschafterin kaltgestellt werden. Ende 2007 hatte Barbara E. als angeblich letzte Kollegin ihrer Filiale an einem Streik im Einzelhandel teilgenommen. Der Betriebsrat des Unternehmens dementierte dies allerdings und beschwerte sich über die „überfallartigen“ Aktionen, bei denen maskierte Gruppen mit lauter Musik und Megafons durch die Filialen zogen.

Und noch was:
Man liest ja immer wieder, dass der Anwalt der E. vor das BVerfG und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen will.
Da bin aber mal gespannt!
Wie eine Verfassungsbeschwerde aussehen könnte, das kann ich mir ja noch vorstellen, aber mit welcher Argumentation er erreichen möchte, dass die Individualbeschwerde seiner Mandantin auch nur zugelassen wird, dürfte interessant werden...

einschlägig ist hierfür:
Artikel 34 – Individualbeschwerden
Der Gerichtshof kann von jeder natürlichen Person, nichtstaatlichen Organisation oder
Personengruppe, die behauptet, durch einen der Hohen Vertragschließenden Teile in
einem der in dieser Konvention oder den Protokollen dazu anerkannten Rechte verletzt
zu sein, mit einer Beschwerde befasst werden. Die Hohen Vertragschließenden Teile
verpflichten sich, die wirksame Ausübung dieses Rechts nicht zu behindern.

Will er etwas ernsthaft einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK behaupten?

Lest selbst:

Artikel 6 – Recht auf ein faires Verfahren
1 Jedermann hat Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und
innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem
unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über
zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der
gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Das Urteil muss
öffentlich verkündet werden, jedoch kann die Presse und die Öffentlichkeit
während der gesamten Verhandlung oder eines Teiles derselben im Interesse der
Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einem
demokratischen Staat ausgeschlossen werden, oder wenn die Interessen von
Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen,
oder, und zwar unter besonderen Umständen, wenn die öffentliche Verhandlung
die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde, in diesem Fall jedoch nur
in dem nach Auffassung des Gerichts erforderlichen Umfang.
2 Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, dass der wegen einer
strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist.
3 Jeder Angeklagte hat mindestens (englischer Text) insbesondere (französischer
Text) die folgenden Rechte:
a in möglichst kurzer Frist in einer für ihn verständlichen Sprache in allen Einzelheiten
über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis
gesetzt zu werden;
b über ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu
verfügen;
c sich selbst zu verteidigen oder den Beistand eines Verteidigers seiner Wahl zu
erhalten und, falls er nicht über die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers verfügt,
unentgeltlich den Beistand eines Pflichtverteidigers zu erhalten, wenn dies im
Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und
Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der
Belastungszeugen zu erwirken;
e die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers zu verlangen, wenn der Angeklagte
die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder sich nicht darin ausdrücken
kann.

grundsätzlich weiterführend:
http://www.coe.int/T/D/Menschenrechtsgerichtshof/
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Barbarossa
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Hast dir ja wieder viel Mühe gegeben.
Danke erst mal dafür.
:wink:
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Barbarossa
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Aber der Kampf der Kassiererin geht weiter...
Prozess
1,30-Euro-Fall vor Verfassungsgericht
Samstag, 28. Februar 2009 02:50 - Von Michael Mielke

Barbara E., die fristlos gekündigte Kassiererin eines Kaiser's-Verbrauchermarktes in Hohenschönhausen, will vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.
(...)
Der Anwalt von Barbara E., Benedikt Hopmann, bestätigte der Berliner Morgenpost, dass er in den nächsten vier Wochen in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde einreichen werde. Parallel werde er beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt (BAG) gegen die Entscheidung des LAG Beschwerde einlegen, die Entscheidung nicht zur Revision zuzulassen.
(...)
Die Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht wolle er mit einem Verstoß gegen den Artikel 12 des Grundgesetzes begründen, so Hopmann. Der Artikel 12 garantiere das Recht auf freie Berufswahl. Barbara E. sei jedoch nach der LAG-Entscheidung die Möglichkeit der Ausübung ihres Berufes abgeschnitten. "Meine Mandantin hat noch mehr als 15 Jahre bis zur Rente", sagte Hopmann, sie wolle arbeiten und nicht von Transferleistungen leben müssen...
Diesen Artikel vollständig lesen: http://www.morgenpost.de/printarchiv/be ... richt.html

Also jetzt wird es fast albern:
Eine Kassiererin, die wegen Diebstahls verurteilt wurde, will das Recht auf "freie Berufswahl" durchsetzten?
Klar, sie wird in diesem Beruf nie wieder eine Anstellung finden, genau, wie jemand bei keiner Wachschutzfirma eingestellt wird, bei dem das polizeiliche Führungszeugnis nicht in Ordnung ist.

Im Folgenden noch ein "Pro & Contra" zu diesem Thema:
Emmely will vor das Verfassungsgericht ziehen. Und Bundestagsvize Wolfgang Thierse kritisierte das Urteil gegen die Kassiererin scharf. Hat er recht?
Die Quittung - Pro: http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Frag ... 93,2740666

Die Quittung - Contra: http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Frag ... 93,2740714


Und noch ein ganz ähnlicher Fall:
Arbeitsgericht
Verkäuferin wegen 1,36 Euro entlassen
Samstag, 28. Februar 2009 02:50

Die Verkäuferin einer Bäckereifiliale in Friedrichshafen am Bodensee ist nach einem Bericht des "Südkuriers" entlassen worden, weil 1,36 Euro in der Kasse fehlten.

- Die 40-Jährige habe nach einem Vergleichsvorschlag des Arbeitsgerichts Ravensburg eine ordentliche Kündigung erhalten. Der Arbeitgeber hatte zuvor eine fristlose Kündigung ausgesprochen...
weiter lesen: http://www.morgenpost.de/printarchiv/ti ... assen.html
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Barbarossa
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Und wieder so ein Fall, bei dem es um wenige Euro geht:
Maultaschen-Fall:
Gewohnheitsrecht gilt nicht

Stuttgart/Radolfzell (dpa/tmn) - Gekündigt wegen sechs Maultaschen - in solchen Fällen hilft es wenig, sich auf Kollegen zu berufen. So entlastet es laut einem Experten Betroffene nicht, wenn andere Mitarbeiter sich gelegentlich auch über ein Verbot im Betrieb hinwegsetzen.
(...)
Wegen sechs Maultaschen im Wert von drei bis vier Euro hat eine 58-jährige Altenpflegerin ihren Job verloren. Das Arbeitsgericht Radolfzell am Bodensee entschied am Freitag (16.10.), dass sie wegen Diebstahls zu Recht entlassen worden ist. Sie hatte gegen ihre Kündigung geklagt und unter anderem eingewandt, dass es in ihrem Betrieb gang und gäbe sei, übriggebliebenes Essen zu verzehren. Die Richterin betonte dagegen, dass dies dem Personal ausdrücklich verboten worden war.

Für das Gericht kam erschwerend hinzu, dass die Frau die sechs Maultaschen in einer Tasche versteckt hatte. "Das spricht natürlich dafür, dass sie wusste, dass sie etwas Verbotenes tat", erläuterte Bauer, der Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein ist. Diese Heimlichkeit lasse auch den Vertrauensverlust seitens des Arbeitgebers schwerer wiegen. Und er ist der eigentliche Grund für eine fristlose Kündigung...
den ganzen Artikel lesen: http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/ ... nicht.html

Das Tragische ist nur, daß für solche Arbeitnehmer die Berufslaufbahn im Grunde beendet ist - gerade für eine 58-jährige...
:?
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elysian
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Sagen wir mal, ein Betrieb hätte 500 Mitarbeiter beim Verkauf von Lebensmitteln.
Und setzen wir voraus, dass für einen Vorfall von 3 Euro noch nicht gekündigt werden dürfte.
Dann berechnen wir, dass es mit jedem Mitarbeiter jeden Monat zu einem Vorfall kommt.
Hieraus ergeben sich pro Monat 1500 Euro und im Jahr damit 18000 Euro Verlust.
Das ist einfach nicht zumutbar.
Neulich hat ein Arbeitgeber sich entschuldigt, aber hier war von einem Buffet von einer Sekräterin etwas mitgenommen worden. Das Verhalten ist zwar weisungswidrig gewesen, doch ist kein Schaden ersichtlich (es sollte ja nichts verkauft werden; kein negativer Einfluss auf den Empfang; etc.) und es ist nicht ersichtlich gewesen, dass das Vertrauen in die Arbeit als Sekretärin dadurch erschüttert werden konnte.
Es kommt also darauf an, worum es sich handelt und wer was macht.
Verkäufer müssen aufgrund ihrer Position über jeden Zweifel erhaben sein. Dies ergibt sich aus ihren Möglichkeiten, den Arbeitgeber zu schädigen. Hier müssen bereits Kleinigkeiten genügen, sogar ein fundierter Verdacht.
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Barbarossa
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hm - andererseits handelt es sich ja hier um keine Verkäuferin, sondern um eine Krankenpflegerin. Ich habe etwas ganz ähnliches selbst schon in einem Krankenhaus gesehen:
Ein Patient hat auf seinem Tablett etwas nicht gegessen - solche eingepackten Marmeladen oder Butter oder diese kleinen Sahnedöschen. Die haben die Krankenschwestern natürlich sofort in ihre Kitteltaschen gesteckt - und warum auch nicht? Es entsteht niemandem ein Schaden. Es wäre sonst weggeworfen worden.
Ganz ähnlich scheint es in diesem Fall zu sein, nur daß die Krankenschwester hier anschenend jemand "auf dem Kiecker" hatte. Pech gehabt. Aber es kommt mir in letzter Zeit so vor, daß vor allem ältere Arbeitnehmer wegen so etwas gekündigt werden, oder all zu aufmüfpige? Oder täuscht das?
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elysian
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Barbarossa hat geschrieben:hm - andererseits handelt es sich ja hier um keine Verkäuferin, sondern um eine Krankenpflegerin. Ich habe etwas ganz ähnliches selbst schon in einem Krankenhaus gesehen:
Ein Patient hat auf seinem Tablett etwas nicht gegessen - solche eingepackten Marmeladen oder Butter oder diese kleinen Sahnedöschen. Die haben die Krankenschwestern natürlich sofort in ihre Kitteltaschen gesteckt - und warum auch nicht? Es entsteht niemandem ein Schaden. Es wäre sonst weggeworfen worden.
Ganz ähnlich scheint es in diesem Fall zu sein, nur daß die Krankenschwester hier anschenend jemand "auf dem Kiecker" hatte. Pech gehabt. Aber es kommt mir in letzter Zeit so vor, daß vor allem ältere Arbeitnehmer wegen so etwas gekündigt werden, oder all zu aufmüfpige? Oder täuscht das?
Eingepackte Marmelade und Butter diesseits des Haltbarkeitsdatums wird weggeworfen?
Das wäre mir neu.
Hier scheitert die Krankenpflegerin aber aus zwei anderen Gründen. Ihr Verhalten verstößt gegen ein ausdrückliches Verbot und wird nicht durch das ebenso pflichtwidrige Verhalten Dritter gerechtfertigt. Der zweite Punkt ist die Heimlichkeit. Auf diese Weise unterband sie jede Möglichkeit des Eigentümers, seine Verfügungsgewalt durchzusetzen.
Was den Eindruck angeht, so meine ich, dass er täuscht. Schließlich sind diese Fälle nicht wirklich neu und ihre Bewertung entspricht ständiger Rechtsprechung. Also nicht jedes Gericht bestätigt in jedem Fall die Kündigung, aber diese Rechtsprechung gibt es seit Jahrzehnten und wird regelmäßig bestätigt.
Es dürfte, ähnlich wie bei den Hundeangriffen und anderen Vorkommnissen, schlicht die größere Präsenz des Themas in den Medien sein, welche subjektiv eine Häufung bestimmter Fälle hervorruft.
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MarcoZ
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Aus meiner Sicht ist es lächerlich jemand für eine solche Summe zu kündigen. Elysians Rechenbeispiel macht natürlich deutlich,dass hier enorme Verluste für ein Unternehmen enstehen können. Jedoch bei 1,30 oder bei 0,21Cent, weil jemand sein Mobiltelefon aufgeladen hat ist es doch unmenschlich jemanden zu entlassen, rechtlich natürlich richtig. Bei 1,30 wurde doch nur nach einem Grund für die Kündigung gesucht und der Diebstahl ist nur ein Vorwand. Die Unternehmen wollen bloß die Mitarbeiter problemlos loswerden. Wenns durch Mobbing nicht mehr klappt dann halt so. :D
elysian
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Ich bin mir absolut sicher, dass Du es unmenschlich finden würdest, Dich beklauen lassen zu müssen, ohne Dich dagegen wehren zu können, wenn Du einen eigenen Betrieb führen müsstest und eine entsprechende Regelung bestünde.

Außerdem wird übersehen, dass, jedenfalls m.M.n., eine Geschäftsführung eine Verantwortung gegenüber allen Angestellten hat und auch deswegen sprechen einige Punkte gegen eine Hinnahme solchen Verhaltens:
- wer nicht klaut, steht infolge dessen schlechter da; der Ehrliche wird so zum Dummen
- wenn die Geschäfte schlecht laufen und einige immer mal wieder zulangen, so kann sich dies wie gezeigt summieren und zur Folge haben, dass die Arbeitsplätze der Ehrlichen in Gefahr geraten; hier ist also auch aus Vorsorge ein Handeln geboten
- "wehret den Anfängen!"; man kennt ja die sog. Einstiegsdrogen/-kriminalität; entsprechende Karrieren beginnen meist relativ harmlos; die Anfangstatbestände lassen jedoch die Hemmschwelle sinken!
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Balduin
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Solche Diskussionen sind sehr schwierig - ich habe nicht wie das Gericht Einsicht in die Aussagen... und muss mich auf die Berichterstattung der Medien verlassen, ich kenne die Firma nicht, ich kenne nicht das Geschäftsklima und auch die Frau/Mann, der Diebstahl vorgeworfen wird.

ABER: Stehlen ist stehlen (Pfandbon) - sollte die Summe auch noch so gering sein (vor allem im Einzelhandel). In der Bürotätigkeit etc. müsste man das etwas gesonderter betrachten: Die Frikadelle ist weg okay, aber ein klärendes Gespräch mit der Arbeitnehmerin hätte doch gereicht - evtl. eine Abmahnung... Welcher Büroangestellte hat nicht schon mit dem Bürokulli eine private Notiz gemacht?
Liegen jedoch Regeln vor, dass bestimmte Dinge nicht geduldet werden, ist eine Strafe durchaus gerechtfertigt.

Schutz des Arbeitsnehmers ist gerechtfertigt, aber auch der Arbeitgeber sollte sich schützen können.
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Ralph hat geschrieben:Solche Diskussionen sind sehr schwierig - ich habe nicht wie das Gericht Einsicht in die Aussagen... und muss mich auf die Berichterstattung der Medien verlassen, ich kenne die Firma nicht, ich kenne nicht das Geschäftsklima und auch die Frau/Mann, der Diebstahl vorgeworfen wird.

ABER: Stehlen ist stehlen (Pfandbon) - sollte die Summe auch noch so gering sein (vor allem im Einzelhandel). In der Bürotätigkeit etc. müsste man das etwas gesonderter betrachten: Die Frikadelle ist weg okay, aber ein klärendes Gespräch mit der Arbeitnehmerin hätte doch gereicht - evtl. eine Abmahnung... Welcher Büroangestellte hat nicht schon mit dem Bürokulli eine private Notiz gemacht?
Liegen jedoch Regeln vor, dass bestimmte Dinge nicht geduldet werden, ist eine Strafe durchaus gerechtfertigt.

Schutz des Arbeitsnehmers ist gerechtfertigt, aber auch der Arbeitgeber sollte sich schützen können.

So sehe ich das eigentlich auch.
Für diese ganze Problematik sollte jedoch gelten: Eine Firma sollte immer die Verhältnismäßigkeit der Mittel abwägen.

Jedoch: Eine Kündigung z. B. wegen dem Aufladen eines Handys ist wohl dann doch nur noch als Suche nach einem Kündigungsgrund zu bewerten, schließlich verlangen viele Arbeitgeber ja auch, daß man ständig erreichbar ist.
Hier der betreffende Fall:
04.08.2009
Kündigung
Handy aufgeladen - wegen "Stromklaus" entlassen

Weil Mohammed Sheikh an seinem Arbeitsplatz sein Handy aufgeladen hatte, hat seine Firma ihn fristlos entlassen. Die Kosten des Stroms: 0,00014 Euro.
(...)
Diese stolze Summe, das hat ein Fachingenieur errechnet, verschlingt eine Akku-Ladung für ein leeres Handy an Strom. 0,014 Cent, das sind ganze 0,00014 Euro. Wollte ein Mitarbeiter seiner Firma einen ganzen Euro an Stromkosten "klauen", müsste er jahrelang jeden Arbeitstag sein Handy aufladen...
die ganze Seite 1 mit weiteren Mobbingmaßnahmen lesen: http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/511/482961/text/
...Obwohl im Unternehmen andere Kollegen das eigene Radio oder Kaffeemaschinen über das Stromnetz der Firma laufen lassen und dies bisher niemand beanstandet hatte, wäre Sheikh zu solch einer Verpflichtung bereit gewesen. Doch das Unternehmen lehnte ab - und ist jetzt zu keiner Stellungnahme bereit.
(...)
Verhandlung im Oktober
Sheikh, Anwalt Klingen und das Oberhausener Industrieunternehmen treffen sich am 29. Oktober wieder vor Gericht...
die ganze Seite 2 lesen: http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/ ... 61/text/2/

Es ist schon wichtig, daß man unterscheidet, wann ein Fall Mobbing ist und wann wenigstens einigermaßen gerechtfertigt. In diesem Fall wollte man den Mitarbeiter auf jeden Fall einfach nur los werden.
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Fristlose Kündigung:
Betriebsrat nach TV-Auftritt gefeuert

Was der Betriebsratsvorsitzende über die wirtschaftliche Lage seines Arbeitgebers vor laufender Kamera erzählte, gefiel dem Chef des Unternehmens gar nicht. Er setzte den Arbeitnehmervertreter kurzerhand vor die Tür...
weiter lesen: http://www.netzeitung.de/arbeitundberuf/1505619.html
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