Herkunft der Protobulgaren – Slawen oder Turkvolk?

Die Mongolen herrschten unter ihren Khans über ein riesiges Weltreich.

Moderator: Barbarossa

Dietrich
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Spartaner hat geschrieben:Die Awaren die vor den eigentlichen türkischen Bulgaren eingewandert waren, waren selbst auf der Flucht vor den türkischen Tataren und haben sich letztendlich an der Donau niedergelassen . Wahrscheinlich ist, dass die thrakische Vorbebevölkerung, die größtenteils schon romanisiert war, von den Awaren ausgeplündert entvölkert wurde . Ja es wird sogar diskutiert, ob die Slawen größtenteils in durch die Hunnen und Awaren entvölkerte Landstriche eigewandert sind..
Nach der Auflösung Westroms, den Wirren der Völkerwanderung, mehreren Vorstößen der Hunnen und Awaren sowie weiteren Kriegen und Krisen waren große Gebiete des Balkans entvölkert. In diesen Raum wanderten seit dem 6./7. Jh. allmählich Slawen ein, deren Vordringen auch byzantinische Feldherren und Kaiser nicht aufhalten konnten. So drangen z.B. 577/78 nach antiken Berichten 100 000 (?) Slawen in Hellas ein und verwüsteten das Land. Nach einem Zeugnis des syrischen Kirchenhistorikers Johannes von Ephesos ließen sie sich nieder, erwarben reichen Besitz und lernten Krieg zu führen. 581 wurde Konstantinopel erneut belagert und auch in den folgenden Jahren hatte Griechenland unter ständigen Raubzügen zu leiden.

Problematisch war das für die alteingesessene romanisierte Bevölkerung des Balkans, die mehrheitlich von den Slawen assimiliert wurde und ihre Identität aufgab. Eine Restbevölkerung von Balkanromanen zog sich in unzugängliche Gegenden zurück, und ging im Lauf der Zeit zu einem transhumanten Hirtenleben über. Dazu zählen vor allem die Walachen, deren Reste u.a. in den Aromunen fortleben und natürlich die romanisierte Bevölkerung im Raum des heutigen Rumänien, aus der das rumänische Volk hervorging. Belege für eine thrakische Restbevölkerung, die im Rhodopengebirge siedelte, finden sich noch bis ins 7. Jh. Ab dieser Zeit war der Balkan in weiten Teilen von Südslawen besiedelt, aus denen später die slawischen Balkanvölker hervorgingen.

Eine Sonderrolle spielte Griechenland, dass zwar ebenfalls von einer großen Welle slawischer Einwanderer betroffen war, die jedoch im Lauf der Zeit von den Griechen assimiliert wurden und sich der überlegenen griechischen Kultur anpassten. In Bulgarien wurden die Slawen von einer dünnen turkstämmigen Herrenschicht überlagert, die bis spätestens zum 9./10. Jh. in der slawischen Mehrheitsbevölkerung aufging.
Spartaner
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Dietrich hat geschrieben:Nir ist nicht ganz klar, was du uns mt deinen reichhaltigen Beiträgen eigentlich mitteilen willst. Soll es sich um einen Abschnitt der Siedlungsgeschichte im SO-Balkan handeln? Oder welches Ziel verfolgst du?

Mir ging es eigentlich in meinem Eröffnungbeitrag um die ethnische Identität der Proto-Bulgaren, also um jenes Volk, das aus dem südrussischen Raum im 7. Jh. an die Donau zog, dort die slawische Bevölkerung überlagerte und später mit ihr ziemlich spurlos verschmolz.

Die Siedlungsgeschichte des Balkans mit ihrer Abfolge von der Jungsteinzeit bis zur Völkerwanderung ist noch einbmal ein ganz anderes Thema.
Genau darum geht es, um deine Fragestellung nach der Herkunft der Protobulgaren und diese setzen sich nicht nur allein aus Türken oder Slawen zusammen, wie man es zum Teil in anderen Foren lesen kann, sondern es besteht eine Bevölkerungskontinuität vom Neolithikum bis in die Jetztzeit . Quasi sind die Bulgaren ein buntes Völkergemisch mit grössern Anteilen slawischer Bevölkerungseinmischung . Wenn man dann nach der Ethnizität der Bulgaren im 7. und 8. Jahrhundert spricht, war sie überwiegend slawisch mit einer türkischen Führungsschicht. Regional gab es da sicherlich aber auch territoriale Bevölkerungsgruppen- anteilsmäßige Unterschiede . Wenn man von Protobulgaren spricht, kann man nicht erst im 7. Jahrhundert anfangen und das ist mein Anliegen.
Wenn es nur um den Namen "Bulgaren" geht, muss man die Namenswurzel wahrscheinlich nicht in Bulgarien suchen , sondern in den Siedlungsgebieten der Türkvölker am schwarzen Meer und anderswo . Die da wären : Onoguren,Oguren, Oguzen, Aberer; Skyther, Kutriguren , Utiguren , Toquz-Oguzen, Hunnoguturen, Sabiren usw usw. Aber auch das hilft uns nicht weiter weil diese Ursprungsvölker ständig in Bewegung waren, sich immer wieder auflösten und in neuen Stammesverbänden aufgingen . Die Anzahl der türkischen Bulgaren war wahrscheinlich weitaus geringer als die der Slawen, vorher zuwanderten.
Dietrich
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Spartaner hat geschrieben: Genau darum geht es, um deine Fragestellung nach der Herkunft der Protobulgaren und diese setzen sich nicht nur allein aus Türken oder Slawen zusammen, wie man es zum Teil in anderen Foren lesen kann, sondern es besteht eine Bevölkerungskontinuität vom Neolithikum bis in die Jetztzeit . Quasi sind die Bulgaren ein buntes Völkergemisch mit grössern Anteilen slawischer Bevölkerungseinmischung .
Dass alle Völker im Verlauf vieler Jahrhunderte andere Ethnien assimilierten, ist eine Binsenweisheit. Auch die Deutschen und ihre germanischen Vorfahren haben im Verlauf ihrer Geschichte Kelten, Römer, Slawen und sonstwen integriert.

Und natürlich haben auch die Slawen des Balkans ältere Ethnien überschichtet und die wiederum noch ältere. Aber so kommen wir doch nicht weiter. Hier geht es darum, dass Südslawen eine Vorgängerbevölkerung seit dem 6./7. Jh. überlagerten und schließlich ihre Kultur und Sprache durchsetzten. Zu irgendeinem Zeitpunkt waren es alle Slawen, ganz egal, wer sonst noch in den Jahrtausenden zuvor dort wohnte.

Natürlich können wir gern die Schichttorte aufbauen und aufzählen, welche Völker und Kulturen auf dem Balkan im Verlauf der letzten Jahrtausende existent waren. Das bringt uns aber in unserer Frage nicht weiter.
Spartaner hat geschrieben:Wenn man dann nach der Ethnizität der Bulgaren im 7. und 8. Jahrhundert spricht, war sie überwiegend slawisch mit einer türkischen Führungsschicht.
Das habe ich bereits mehrfach gesagt.
Spartaner hat geschrieben:Regional gab es da sicherlich aber auch territoriale Bevölkerungsgruppen- anteilsmäßige Unterschiede . Wenn man von Protobulgaren spricht, kann man nicht erst im 7. Jahrhundert anfangen und das ist mein Anliegen.
Unter dem Begriff "Proto-Bulgaren" versteht man in der Geschichtswissenschaft diejenige turkstämmige Bevölkerung, die in Südrussland ein Großbulgarisches Reich gründete und im 7. Jh. von Südrussland her unter ihrem Khan Asparuch an die Donau wanderte. Dort trafen sie auf eine slawische Bevölkerung, die wiederum ihrerseits autochthone Bevölkerungsgruppen aufgenommen hatte, Wie sich diese Verschmelzungsvorgä#nge im einzelnen vollzogen, wissen wir nicht. Fakt ist lediglich, dass seit dem 10./11. Jh. ein bulgarisches Volk mit slawischer Sprache entstanden ist. Also müssen sich die Slawen durchgesetzt haben.

Der Begriff "Proto-Bulgaren" wurde von der Forschung gewählt, um die turkstämmigen Bulgaren von den späteren slawischen Bulgaren zu unterscheiden, und Missverständnisse zu vermeiden. Der alleinige Begriff "Bulgaren" meint also das slawische Volk, das aus der Verschmelzung von Proto-Bulgaren und Slawen (und noch anderen Ethnien) hervorging. Immerhin waren die Turko-Bulgaren die Namensgeber für das künftige Staatsgebilde. Viel mehr ist allerdings von ihnen nicht übrig geblieben.
Spartaner hat geschrieben: Die Anzahl der türkischen Bulgaren war wahrscheinlich weitaus geringer als die der Slawen, vorher zuwanderten.
Das ist anzunehmen, denn sonst hätte sich nicht die slawische Sprache auf Dauer durchgesetzt.

Was vorgeschichtliche Kulturen berifft, so finden wir im Raum Bulgariens die neolithische Karanovo- und Warna-Kultur. Seit der Bronzezeit sind es die indoeuropäischen Thraker, die den Raum bis in die Spätantike bestimmen. Die Slawen assimilieren diese autochthone thrakische Bevölkerung, deren Reste im Rückzugsgebiet der Rhodopen noch bis ins 7. Jh. belegt sind.
Spartaner
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Dietrich hat geschrieben:
Spartaner hat geschrieben:Regional gab es da sicherlich aber auch territoriale Bevölkerungsgruppen- anteilsmäßige Unterschiede .
Wie sich diese Verschmelzungsvorgä#nge im einzelnen vollzogen, wissen wir nicht. Fakt ist lediglich, dass seit dem 10./11. Jh. ein bulgarisches Volk mit slawischer Sprache entstanden ist. Also müssen sich die Slawen durchgesetzt haben.
Zu der regionalen Verteilung der Bevökerungsschichten im 7/8. Jahrhundert kann man folgende Aussage treffen:
Zitat:
" Die proto- bulgarische Komponente läßt sich gut durch eine Reihe mongolider Merkmale indentifizieren, und auch die künstliche Deformation einiger Schädel ( Balan und Postnikowa 1962) Wir kennen die Protobulgaren auch aus einigen Grabfunden in ihrer alten Hauptstadt Pliska, Kreis Sumen (Balan und Boev 1955d), und auch von dem altbulgarischen Staatsmann Mostic , der spätestens 972 im Alter von 80 Jahren starb, sind Skelettreste erhalten(Balan und Boev 1955a), Mongolider Beimischungen weisen auch hier auf die turkotatarische Abstammung hin."
Bei späteren Funden sind die protobulgarische und slawische Komponente schon stark miteinander vermischt.
" Der Durchschnitt der bulgarischen Bevölkerung dieser Zeit erweist sich als mesokran, europid, doch lassen sich leicht mongolide Beimischungen in den meisten Serien feststellen. Am deutlichsten sind sie in Preslav und Madara. Es ist wohl kein Zufall, dass Preslav die zweite Hauptstadt des altbulgarischen Reiches war."

Rassengeschichte von Bulgarien P.Polev , Sofia U.Schwidetzky Mainz

Preslaw:
"Die heute eher unbedeutende Kleinstadt Weliki Preslaw war unter dem Namen Preslaw von 893 bis ca. 972 Hauptstadt des ersten Bulgarischen Reiches, das im Frühmittelalter den europäischen Südosten dominierte. Die ersten Hinweise von einer Besiedelung der Stadt stammen von Thrakern aus dem 13.-14. Jahrhundert v. Chr.
Die Stadt geht auf eine slawische Siedlung zurück. Um 678 verbündeten sich die in Moesia lebenden slawische Stämme mit den Urbulgaren und gründeten, als Nachfolger des Großbulgarischen Reichs, das erste bulgarische Reich. Preslaw entwickelte sich zu einem Zentrum von strategischer Bedeutung mit einer ständigen militärischen Präsenz, das als Drehscheibe der alten römischen Straßen von Westen nach Osten und von Nord Richtung Süden diente. In dieser Zeit blieb die Stadt jedoch slawisch geprägt.
Die bulgarischen Herrscher Khan Krum und seinem Sohn Omurtag befestigten und bauten Preslaw aus, um den Warbizapass im Balkangebirge abzusichern, über den die Byzantiner mehrmals in Bulgarien eingefallen waren (siehe Schlacht am Pass von Warbiza). Preslaw wurde zum Sitz des Itschirgu-Boils, Verwalter der Hauptstadt und Befehlshaber der hauptstädtischen Garnison.
893 wurde der Hauptstadtsitz des bulgarischen Reiches nach einem Aufstand der alten Eliten gegen die Christianisierung des Landes in der nahegelegenen Stadt Pliska von Zar Simeon I. der Große nach Preslaw verlegt. Als Hauptstadt eines Reiches, das den größten Teil der Balkanhalbinsel umfasste, erlebte die Stadt ihre Blütezeit, in der sie sich im bulgarischen Reich neben Ohrid (→Schule von Ohrid) zu einem Zentrum der altkirchenslawischen Schriftkultur entwickelte (→Schule von Preslaw), aber nie die Größe der alten Hauptstadt erreichte."
http://de.wikipedia.org/wiki/Weliki_Preslaw#Geschichte
Renegat
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Nur mal so als Zwischenfrage, Spartaner?
Von wann ist denn deine oft zitierte Quelle Polev, Schwidetzky?
Untersucht man heute nicht eher die DNA statt Schädel zu vermessen und zu klassifizieren?
Dietrich
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Renegat hat geschrieben:Nur mal so als Zwischenfrage, Spartaner?
Von wann ist denn deine oft zitierte Quelle Polev, Schwidetzky?
Untersucht man heute nicht eher die DNA statt Schädel zu vermessen und zu klassifizieren?
Die bereits in der Nazi-Zeit tätige Ilse Schwidetzky hat zahlreiche "rassenkundiche" Studien veröffentlicht. Sie war nach dem Krieg zunächst sehr angesehen, doch wird sie aufgrund ihrer Herkunft und überhaupt wegen ihrer gedanklichen Nähe zur rassenkundlichen Nazizeit heute nicht mehr sonderlich erwähnt. Dennoch haben ihre Analysen hinsichtlich der Bevölkerungsgeschichte und der Ausbreitung ethnischer Gruppen ihre Meriten.
Dietrich
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Spartaner hat geschrieben: Zu der regionalen Verteilung der Bevökerungsschichten im 7/8. Jahrhundert kann man folgende Aussage treffen:
Zitat: ......
Und wie ist denn nun deine eigene Meinung dazu - fröhlich und frei von aller Wiki-Paste? :wink:
Spartaner
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Renegat hat geschrieben:Nur mal so als Zwischenfrage, Spartaner?
Von wann ist denn deine oft zitierte Quelle Polev, Schwidetzky?
Untersucht man heute nicht eher die DNA statt Schädel zu vermessen und zu klassifizieren?
Die Quelle ist im Zeitraum von 1965 bis 1975 publiziert worden in einer wissenschafltichen Buchreihe .
Diese Forschungen ergänzen die archäologische Funde nur und bestätigen sie . Sie sind nicht zu vergleichen oder zu verwechsenn mit der absurden Rassenkunde der Nazis .
Sie bezieht sich nur auf ältere Funde, wo es eine Bevölkerungskontinuität über einen längeren Zeitraum gab oder Zuwanderung anderer Völker, die teilweise anthropologisch greifbar sind. DNA -Studien über alte Funde liegen leider noch nicht vor . In wie weit diese dann interpretierbar wären, bleibt auch dahingestellt.
Dietrich
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Spartaner hat geschrieben: Zitat:
" Die proto- bulgarische Komponente läßt sich gut durch eine Reihe mongolider Merkmale indentifizieren, und auch die künstliche Deformation einiger Schädel ( Balan und Postnikowa 1962) Wir kennen die Protobulgaren auch aus einigen Grabfunden in ihrer alten Hauptstadt Pliska, Kreis Sumen (Balan und Boev 1955d), und auch von dem altbulgarischen Staatsmann Mostic , der spätestens 972 im Alter von 80 Jahren starb, sind Skelettreste erhalten(Balan und Boev 1955a), Mongolider Beimischungen weisen auch hier auf die turkotatarische Abstammung hin."
Bei späteren Funden sind die protobulgarische und slawische Komponente schon stark miteinander vermischt.
" Der Durchschnitt der bulgarischen Bevölkerung dieser Zeit erweist sich als mesokran, europid, doch lassen sich leicht mongolide Beimischungen in den meisten Serien feststellen. Am deutlichsten sind sie in Preslav und Madara. Es ist wohl kein Zufall, dass Preslav die zweite Hauptstadt des altbulgarischen Reiches war."

Rassengeschichte von Bulgarien P.Polev , Sofia U.Schwidetzky Mainz
Wirklich interessant, was die Schwidetzky da herausgefunden hat. In diesem Fall übersteigen die anthropologischen Ergebnisse alle anderen. Zwar gibt es Schriftquellen zur frühbulgarischen Geschichte, aber über das Verhältnis von Turk-Bulgaren und Slawen sowie über den Prozess der Verschmelzung beider Ethnien wissen wir nichts. Selbst im Bulgarischen hat sich kein sprachliches türkisches Substrat erhalten, was man eigentlich annehmen müsste.

Immerhin ist das Firmenschild "Bulgarien" eindeutig türkischer Herkunft. Die alte Tante Wiki sagt: "Über die Bedeutung des Volksnamens „Bulgaren“ (griech. Βούλγαροι) gibt es zahlreiche Theorien. Man leitete ihn oft vom Flussnamen der Wolga (Wolgaren) ab. Am verbreitetsten ist die Theorie, dass sich der Name „Bulghar“ aus dem protobulgarischen „bulganmış“ ableitet, was „vermischt“ bedeutet und auf eine Föderation ethnisch heterogener Verbände hindeutet."
Spartaner
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Dietrich hat geschrieben:
Und wie ist denn nun deine eigene Meinung dazu - fröhlich und frei von aller Wiki-Paste? :wink:
Meine persönliche Meinung dazu ist eigentlich das, was schon feststeht und erforscht ist. Ich bin der Meinung, dass die Proto- Bulgaren ein Turkvolk waren und keine Iraner . Probleme hatte ich immer damit, die Awaren von den Turk - Bulgaren auseinanderzuhalten .
Was macht die Awaren so viel anders, als die Turk - Bulgaren ? Umso erstaunter war ich als ich las, dass die Awaren unter den Türken Untertanen waren, sich in einen geigneten Moment aus der Knechtschaft der Türken befreien konnten und an der Donau auftauchten. Beide Völker waren von ihre Lebensweise gar nicht mal so verschieden. Bei den Kriegervölkern wurden eine geringe Anzahl von Individien festgestellt, die mongolide Merkmale trugen, aber nicht alle. Warum war das so? Es hängt mit der Lebensweise der Turkvölker zusammen und ihre starken Vermischung.
Die Mongolen hatten unter Dschingis Khan Jahrhunderte später vergleichsmäßig ähnlich operiert. Es hatten sich in der mongolischen Steppe Allianzen gebildet. Man verdiente neben der Tierzucht auch durch Raub - und Kriegszüge sein Unterhalt. Bündnisse wurden gebildet und zerfielen wieder . Andere Volksgruppen, die sich den Kriegszügen verdingen wollten und anschlossen, wurden problemlos integriert . Es kam wiederum zur Vermischung . Frauen fremder unterdrückter Völker wurden verklavt und mit Ihen wurden zahlreiche Nachkommen gezeugt . Der Krieg ernährte den Krieg . So ähnlich muss es wohl auch bei den vielen Turkvölkern am schwarzen Meer zugegangen sein . Gegner wurden besiegt ihre Krieger wurden ins eigene Kontigent aufgenommen . Bündnisse wurden geschmiedet und zerfielen wieder. Eigentlich ein ständiger Prozess der Vermischung und so wundert es uns nicht, dass die Protobulgaren vielleicht schon ein von vielen unterschiedlichen Völkern vermischtes Volk waren und der Name Bulgare vom türkischen Verb bulg - vermischen abstammt und den häufig bei diesen Völkern und Personennamen vorkommenden Suffix -ar . Vieleicht hatten die Protobulgaren dann auch kein Problem damit sich mit den Slawen zu vermischen bzw. nahmen auch ihre Kriegsdienste dankend an. Bei den Awaren muss es sich nicht viel anders zugetragen haben .
Dietrich
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Spartaner hat geschrieben: Probleme hatte ich immer damit, die Awaren von den Turk - Bulgaren auseinanderzuhalten. Was macht die Awaren so viel anders, als die Turk - Bulgaren ?
Das ist überhaupt nicht verwunderlich. Die turkstämmigen Steppenreiter sind sich in ihrer Lebensweise und Kultur so ähnlich wie ein Ei dem anderen. Daher gab es im zentralasiatischen Raum auch ein ständiges Auflösen und Neuformieren der Stammesgruppen, sodass Instabilität ein Kennzeichen nomadischer Stammesföderationen ist. Denn mit solchen haben wir es in der Regel zu tun, wobei es heute oft kaum noch möglich ist, die verschiedenen ethnischen Splitter und Gruppen solcher Nomadenstaaten zu identifizieren.
Spartaner hat geschrieben:Umso erstaunter war ich als ich las, dass die Awaren unter den Türken Untertanen waren, sich in einen geigneten Moment aus der Knechtschaft der Türken befreien konnten und an der Donau auftauchten. Beide Völker waren von ihre Lebensweise gar nicht mal so verschieden. Bei den Kriegervölkern wurden eine geringe Anzahl von Individien festgestellt, die mongolide Merkmale trugen, aber nicht alle. Warum war das so? Es hängt mit der Lebensweise der Turkvölker zusammen und ihre starken Vermischung.
Die Awaren waren Untertanen der Gök-Türken, dem ersten in Quellen belegten alttürkischen Reich, das im Raum der heutigen Mongolei im 6. Jh. begründet wurde. Auch nachdem die Awaren Richtung Westen geflüchtet waren, betrachteten sie die Herrscher der Gök-Türken als ihre Untertanen. Mehrfach verbanden sie Bündnisgesuche der byzantinischen Kaiser mit der Forderung, den Awaren jede Ansiedlung in Osteuropa zu verweigern und sie nach Osten zurückzuschicken.
Spartaner hat geschrieben:Es kam wiederum zur Vermischung . Frauen fremder unterdrückter Völker wurden verklavt und mit Ihen wurden zahlreiche Nachkommen gezeugt . Der Krieg ernährte den Krieg . So ähnlich muss es wohl auch bei den vielen Turkvölkern am schwarzen Meer zugegangen sein . Gegner wurden besiegt ihre Krieger wurden ins eigene Kontigent aufgenommen . Bündnisse wurden geschmiedet und zerfielen wieder. Eigentlich ein ständiger Prozess der Vermischung und
Wir müssen uns wirklich davon freimachen, die nomadischen Steppenreitervölker als einheitliche Ethnie zu sehen. Es waren stets Stammesföderationen, die zum Teil völlig unterschiedliche ethnische Gruppen und Stämme zusammenbanden. Was die Protobulgaren betrifft, so werden neben Turkstämmen auch iranische und slawische Gruppen unter ihnen vermutet, obwohl sich das nicht beweisen lässt. Nicht anders ist das bei der mongolischen Goldenen Horde in Russland, die bereits im 14. Jh. als völlig turkisiert galt, denn die mongolische Herrenschicht war dünn. Aber auch die Türken der Goldenen Horde zerfielen in zahlreiche Stämme oder Völker, u.a. Kumanen, Uiguren, Kirgisen und weitere unbekannte Hilfsvölker aus Innerasien. Wie bei den germanischen Stämmen der Völkerwanderung gab es aber stets einen Traditionskern, der die Herrscherdynastie und die Umgangssprache bestimmte. Sozusagen ein "Firmenschild".
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Spartaner hat geschrieben: Meine persönliche Meinung dazu ist eigentlich das, was schon feststeht und erforscht ist. Ich bin der Meinung, dass die Proto- Bulgaren ein Turkvolk waren und keine Iraner .
unterschiedlichen Völkern vermischtes Volk waren und der Name Bulgare vom türkischen Verb bulg - vermischen abstammt und den häufig bei diesen Völkern und Personennamen vorkommenden Suffix -ar . Vieleicht hatten die Protobulgaren dann auch kein Problem damit sich mit den Slawen zu vermischen bzw. nahmen auch ihre Kriegsdienste dankend an. Bei den Awaren muss es sich nicht viel anders zugetragen haben .
Hierzu muss ich noch etwas ergänzen, bevor die von türkischen oder ostiranischen Völkern abstammenden Bulgaren in in das Gebiet der Donau eingewandert sind, sind wahrscheinlich schon Slawen in nicht unbedeutender Zahl eingewandert .
Zitat:
"Über die Bulgaren an der Donau berichtet die älteste russisch Chronik ( die Nestor Chronik), dass sie die Gewalttäter an den Slawen an der Donau gewesen seien . Bis zu der Zeit, da die Bulgaren auf den Balkan kamen dürfte es dort nicht mehr als 250000 bis 300000 Slawen gegeben haben. Unter Asparuch kamen dann aber über 800000 Bulgaren; und 763 hat Kaiser Konstantin V. 208000 Slawen nach Kleinasien umgesiedelt."
Auch eine engere Veflechtung der türkischen Bulgaren mit den iranischen Kriegervölkern, die vom Pamir und Ostiran kamen ist durchaus denkbar .
http://books.google.de/books?id=CUu3kdl ... re&f=false

Das goldene Reich der Pamirbulgaren an Donau und Wadar Hans Wilhelm Haefs S. 85 ,86
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Spartaner hat geschrieben: Hierzu muss ich noch etwas ergänzen, bevor die von türkischen oder ostiranischen Völkern abstammenden Bulgaren in in das Gebiet der Donau eingewandert sind, sind wahrscheinlich schon Slawen in nicht unbedeutender Zahl eingewandert .
Das ist eine seit jeher von der Forschung akzeptierte Tatsache. Die Südslawen überschwemmten bereits im 6. Jh. den Balkan, während die türkischen Bulgaren erst zu Beginn des 7. Jh. in diesen Raum einwanderten. Dort überschichteten sie die bereits ansässigen Slawen.
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Ein Überbleibsel der Türkenherrschaft der frühen Turkbulgaren war auch der Tiltel für eines hohen Fürsten, mit denen sich die Slawen später schmückten ,die des Bojaren. Dieser Titel geht auf den urbulgarischen Adelstitel Boll zurück. Frühste Form der Bennenung bei den Slawen war dann Boljar bzw. Boljarin. Bei den Russen nahm man später einen tatarischen Adelstitel auf und zwar den Titel des Ataman.
http://de.wikipedia.org/wiki/Bojaren
http://de.wikipedia.org/wiki/Ataman
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Hier eine Liste von modernen und altbulgarischen Wörtern, die ihren Ursprung in den pamiriranischen Sprachen(z.B. Paschtu) und der türkischen Sprache haben sollen. Inwiefern die Wörter tatsächlich damit in Verbindung stehen, kann ich nicht beurteilen. Viele türkische Wörter die im moderen bulgarisch bekannt sind, können auch ihren Ursprung in der osmanischen Besetzung haben, wie z. B. das Wort Bunak für Trottel
http://groznijat.tripod.com/b_lang/bl_a_v.html
http://groznijat.tripod.com/b_lang/bl_zh_i.html
Der altbulgarische Titel Boljarin (was nichts mit ener weiblichen Person ,sondern ein allgemeinen Adelstitel ausdrücken soll ) wird von Vasmer auf ein türkischen Ursprung zurückgeführt.
"Max Vasmer hält unter allen zweifelhaften Theorien eine Herleitung aus alttürk. bai ‚reich, edel‘ + är ‚Mensch, Mann‘ unter Einfluss von slaw. bol- ‚besser, mehr‘ für am wahrscheinlichsten"
http://de.wikipedia.org/wiki/Bojaren
Der zugehörige Titel Boila taucht z. B. auf in einer Inschriift einer Granitplatte in Bjal Brjag bei Preslaw.
Dort steht u.a. geschrieben der Name Sitkoi Itsrigu Boihla und Tortuna Pile Zopan . Boihla bedeutet soviel wie "Der Erste der Nobelste" und ist identisch mit dem Titel Boljarin . Auch in byzantinischen Quellen wird dieser Titel genannt. Zopan auch Zupan geschrieben, bedeutet soviel wie "Herr, Vorsteher".
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