Kelten und Germanen

Moderator: Barbarossa

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Barbarossa
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Welche Einheiten wären denn statt dessen denkbar?

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Paul
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Zum Stamm, eigentlich eine Abstammungsgemeinschaft, gehörte, wer an den Volksversammlumgen teilnahm. Wenn die Ubier auf dem Dünsberg die Männer neu angesiedelter chattischer Sippen zum Thing einluden und sie folgten dem Ruf, gehörten sie zu einem Stamm. Einem Kriegszug in die Fremde, mußte man nicht folgen. Einen Angriff mußte man gemeinsam abwehren, um nicht geächtet zu werden, wahrscheinlich auch mit religiösen Folgen.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
Cherusker
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Kohlhaas hat geschrieben: Die Theorie, dass dies ab 200 v. Chr. passiert sei, muss doch irgendwie begründbar sein. Es liefert aber niemand irgendwelche Belege, die dieses Szenario glaubhaft machen würden. Wo sind die archäologischen Belege dafür, dass es einen irgendwie gearteten Konflikt zwischen "Kelten" und "Germanen" gegeben hat?
Es gibt die archäologischen Befunde und zwar in den Funden der von mir genannten Wallanlagen. Dort hat es zweifelsfrei kriegerische Auseinandersetzungen gegeben, die sich über mehrere Dekaden hinzogen. Letztendlich sind die Wallanlagen erobert worden und nach dem Zeitraum gibt es in dem Gebiet keine "keltischen" Funde mehr. D.h. eine keltisch-beeinflußte Bevölkerung hat es nicht mehr gegeben, sondern jetzt tauchen verstärkt germanische Funde auf.

Und nur weil es darüber keine Schriftquellen gibt (beide Germanen und Kelten kannten keine schriftliche Historie), kann man das nicht in Zweifel ziehen.
Cherusker
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Dietrich hat geschrieben:
Neben Kelten und Germanen wird lediglich von einigen der sogenannte "Nordwestblock" postuliert. Diese Hypothese geht davon aus, dass in den Jahrhunderten vor der Zeitenwende neben Kelten und Germanen noch eine weitere Bevölkerungsgruppe existierte, die ein indoeuropäisches Idiom sprach, das weder keltisvh noch germanisch war. Stämme wie z.B. die Cherusker wären danach germanisiert worden.
Diese Hypothese stieß sowohl auf Zustimmung, als auch auf heftige Ablehnung. https://de.wikipedia.org/wiki/Nordwestblock
Diese These vom nebulösem dritten Volk ist mittlerweile zu den Akten gelegt worden. Es gibt da noch so Anhänger wie z.B. anscheinend Cosack, der von friedlebenden bäuerlichen Cheruskern schreibt, die von bösen keltischen Sklavenjägern tyrannisiert wurden. :crazy: :lolno:
Er sollte sich mal hinterfragen, wann denn dann die Cherusker übergegangen sind einen germanischen Lebensstil zu leben. Vorher Getreide-Landwirtschaft und keine Waffen, danach Rinderhaltung, rudimentäre Landwirtschaft und kriegerisches Verhalten. :wink:
Cherusker
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Kohlhaas hat geschrieben: So diskutieren wir hier gerade über die Frage, ob es "Germanen" und "Kelten" überhaupt gab. Im nächsten Schritt müssten wir diskutieren, ob es "Stämme" überhaupt gab. Besser: Ob es vor dem Eintreffen der Römer "Stämme" gab. Nach deren Eintreffen gab es sie sicherlich.
Die germanische Lebensweise (ebenso, die der Wikinger) bestand in Sippen, die natürlich durch ihre familiäre Verbindung, zusammenhielten. Mehrere Sippen bildeten einen Stamm. Zwischen diesen Stämmen lagen meist natürliche Grenzen oder brachliegendes Land. Durch Veränderungen konnten sich Stämme auflösen bzw. sich vergrößern und neue Stämme bilden. Siehe hier Alemannen, Sachsen, Franken, ....in denen die vormaligen Stämme der Cherusker, Brukterer, Chatten usw. aufgegangen sind.

Und auch vor den Römern hat es Stämme gegeben, weil sie nur so den Fortbestand der Sippen gewährleisten konnten. Bei feindlichen Auseinandersetzungen hätte man ansonsten allein dargestanden. :wink:
Kohlhaas
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Barbarossa hat geschrieben:Welche Einheiten wären denn statt dessen denkbar?

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In der wissenschaftlichen Literatur taucht gelgentlich der Begriff "Substamm" auf. Ich will es mal "Siedlungsgemeinschaft" nennen.

Hintergrund für meine Überlegung ist der Umstand, dass es die Stammesgesellschaft als Form des Zusammenlebens zweifelsfrei gab und gibt. Sie lässt sich soziologisch beschreiben. Gerade die soziologische Betrachtung legt aber den Schluss nahe, dass es in der Stammesgesellschaft im täglichen Leben keinen Bedarf für den "Stamm" gibt. Der "Stamm" wird nur in einer Situation gebraucht: Im Krieg. Der Stamm ist das Volk in Waffen.

Das wichtigste Merkmal der Stammesgesellschaft ist, dass es sich um eine Gemeinschaft von "interessiert Handelnden" handelt. Das heißt, dass die Menschen zur Gemeinschaft gehören, weil sie die anderen Menschen brauchen, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Sie gehören nicht zu der Gesellschaft, weil sie dort "hineingeboren" würden. Von Abstammungsgemeinschaft kann also keine Rede sein. Gibt es keine gemeinsamen Interessen oder decken sich die Mehrheitsinteressen nicht mit den Interessen eines Individuums, endet die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft.

Konstruiert sind solche Gesellschaften so, dass die engere Familie (Blutsverwandtschaft) den Kern bildet, der durch Verschwägerung zur Sippe erweitert wird. Mehrere Sippen bilden "Dorfgemeinschaften". Mehrere Dorfgemeinschaften bilden die von mir angesprochenen Siedlungsgemeinschaften. All das ist deshalb nötig, weil wir über einen Zustand reden, in dem es keine Obrigkeit, keine Gesetze und keine "Polizei" gab. Die Menschen besaßen nur das, was sie sich aneignen und danach auch behaupten konnten. Das Individuum hat nur eine begrenzte Fähigkeit, sich zu behaupten. Es braucht die Gemeinschaft.

Die Sozialstrukturen in so einer Gemeinschaft bleiben nur stabil, wenn sie durch ständige Interaktion aufrecht erhalten werden. Diese soziale Interaktion musste jedes Individuum selbst leisten können. Dies begrenzt die mögliche Größe der Gemeinschaft. Soziologische und ethnologische Untersuchungen von Stammesgesellschaften (aktuellen und historischen) bestätigen dies ebenfalls. Sie kommen zu dem Schluss, dass Gesellschaften unweigerlich eine Bürokratie entwickeln, wenn ihr Siedlungsgebiet eine bestimmte Größe überschreitet. Die Grenze liegt dabei etwa bei der Strecke, die ein Mensch am Tag zufuß zurücklegen kann.

Wenn man von einer Marschleistung von 20 Kilometern ausgeht, umfasst das Gebiet 400 Quadratkilometer. Da in vorgeschichtlicher Zeit pro Quadratkilometer sieben bis zehn Menschen leben konnten, kommt man auf eine Bevölkerungszahl von maximal 4000 pro Siedlungsgemeinschaft. Das ist bei weitem zu wenig, um die Größe der "Stämme" zu erklären, die Caesar und Tacitus uns schildern.

Benachbarte Siedlungsgemeinschaften pflegten sicher Kontakt untereinander - schon um dauernde Konflikte z.B. über Landnutzungsrechte zu vermeiden oder Lebenspartner für den eigenen Nachwuchs zu finden. Diese Kontakte blieben aber lose und oberflächlich, da es keine gemeinsamen Interessen gab, die laufend verfolgt werden mussten.

Nur im Krieg schlossen sich die Siedlungsgemeinschaften zu Stämmen zusammen, die dann nach dem jeweiligen Krieg auch wieder zerfielen. Auch hier war das wieder eine Entscheidung von "interessiert Handelnden". Faktisch war es jeder Siedlungsgemeinschaft freigestellt, ob sie sich zum Beispiel an einem Krieg gegen die Römer beteiligen wollte oder nicht. Das erklärt, warum es z.B. bei den Cheruskern eine pro- und eine antirömische Fraktion gab. Es erklärt auch, warum den römischen Berichten zufolge in einem bestimmten Gebiet immer "neue Stämme" auftauchten.

Dieses Phänomen ist auch bei den Plains-Indianern in Nordamerika beobachtet worden. Da war es den Gruppen freigestellt, ob sie sich an einem Kriegszug beteiligen oder die Gemeinschaft verlassen wollten.

Ist natürlich alles Theorie.
Kohlhaas
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Cherusker hat geschrieben:
Kohlhaas hat geschrieben: Die Theorie, dass dies ab 200 v. Chr. passiert sei, muss doch irgendwie begründbar sein. Es liefert aber niemand irgendwelche Belege, die dieses Szenario glaubhaft machen würden. Wo sind die archäologischen Belege dafür, dass es einen irgendwie gearteten Konflikt zwischen "Kelten" und "Germanen" gegeben hat?
Es gibt die archäologischen Befunde und zwar in den Funden der von mir genannten Wallanlagen. Dort hat es zweifelsfrei kriegerische Auseinandersetzungen gegeben, die sich über mehrere Dekaden hinzogen. Letztendlich sind die Wallanlagen erobert worden und nach dem Zeitraum gibt es in dem Gebiet keine "keltischen" Funde mehr. D.h. eine keltisch-beeinflußte Bevölkerung hat es nicht mehr gegeben, sondern jetzt tauchen verstärkt germanische Funde auf.

Und nur weil es darüber keine Schriftquellen gibt (beide Germanen und Kelten kannten keine schriftliche Historie), kann man das nicht in Zweifel ziehen.
Ich habe nicht in Zweifel gezogen, dass an der Stelle gekämpft wurde. Und nicht nur dort. Auch auf dem Dünsberg ist eine Schlacht ausgetragen worden. Trotzdem gibt es keine Belege für ein großflächiges "Verdrängen" keltischer Gruppen durch Germanen ab 200 v.Chr. Hätte es so eine Verdrängung gegeben, müssten die Archäologen im Fundgut Hinweise auf einen "Zerstörungshorizont" finden. Sowas gibt es aber nur punktuell und ohne dass klar wäre, wer da gegen wen gekämpft hat.
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dieter
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Paul hat geschrieben:Einige Wanderungen ab etwa 100 v Chr. sind gut belegt:
Teutonen, Kimbern und Ambronen und später Sueben und Hermunduren und noch später Chatten haben ihren Geburtenüberschuß vom Nord nach Süden geschickt, Usipeter und Tenterer nach Westen, und Ubier nach Westen, Süden und Osten.
Süddeutschland wurde germanisiert, Hessen und die ganze Mittelgebirgsregion bis Südpolen war schon germanisch.
Die Latenegermanen behaupteten sich gegenüber den nördlichen Germanen. Ubier/Chatten verdrängten die Sueben nach Böhmen, Mähren und Südwestdeutschland.
Lieber Paul,
kann man Ubier und Chatten in einem Atemzug nennen :?: Die Chatten hatten Hessen bis zum Vogelsberg und Taunus besetzt, von den Ubiern ist da nichts mehr bekannt. Sind diese in den Chatten aufgegangen :?:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Dietrich
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Cherusker hat geschrieben:
Diese These vom nebulösem dritten Volk ist mittlerweile zu den Akten gelegt worden. Es gibt da noch so Anhänger wie z.B. anscheinend Cosack, der von friedlebenden bäuerlichen Cheruskern schreibt, die von bösen keltischen Sklavenjägern tyrannisiert wurden. :crazy: :lolno:
Ich würde die Nordwestblock-Theorie nicht völlig von der Hand weisen. Sie geht von folgender Überlegung aus:

Nehmen wir einmal als Stichpunkt das 4. Jh. v. Chr. Zu diesem Zeitpunkt waren die Germanen nur in Teilen Norddeutschlands verbreitet (Jastorfkultur), die Kelten hatten sich bis etwa zu den Mittelgebirgen vorgeschoben. Da erhebt sich doch die Frage, welche Völker andere Teile des nordwestlichen Mitteleuropas bewohnten? Die Gebiete waren schließlich nicht siedlungsleer und die Germanen hatten sich zu diesem Zeitpunkt längst nicht flächendeckend ausgebreitet.

Wie wir wissen, hat sich die germanische Jastorfkultur aus einem indoeuropäischen Kontinuum entwickelt, das sich ethnisch nicht näher bestimmen lässt. Bei der Ausbreitung der Kelten und Germanen wurden diese indoeuropäisch sprechenden Bevölkerungsgruppen allmählich aufgesogen, bis sie schließlich verchwanden. Diese Völker zwischen Kelten und Germanen wurden lt. dem Sprachwissenschaftler Hans Kuhn etwa zur Zeitenwende germanisiert und verschwanden von der Bildfläche.

Für mich ist das ein ganz plausibles Szenario, auch wenn die Sprachwissenschaftler Wolfgang Meid und Jürgen Udolph das vehement ablehnen (vgl https://de.wikipedia.org/wiki/Nordwestblock). Welche Sprache diese hypothetischen nichtgermanischen Stämme gesprochen haben könnten, lässt sich natürlich nicht mehr ermitteln, auch wenn Hans Kuhn nähere Hinweise gefunden haben will.
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Barbarossa
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Kohlhaas hat geschrieben:
Barbarossa hat geschrieben:Welche Einheiten wären denn statt dessen denkbar?

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In der wissenschaftlichen Literatur taucht gelgentlich der Begriff "Substamm" auf. Ich will es mal "Siedlungsgemeinschaft" nennen.

Hintergrund für meine Überlegung ist der Umstand, dass es die Stammesgesellschaft als Form des Zusammenlebens zweifelsfrei gab und gibt. Sie lässt sich soziologisch beschreiben. Gerade die soziologische Betrachtung legt aber den Schluss nahe, dass es in der Stammesgesellschaft im täglichen Leben keinen Bedarf für den "Stamm" gibt. Der "Stamm" wird nur in einer Situation gebraucht: Im Krieg. Der Stamm ist das Volk in Waffen.

Das wichtigste Merkmal der Stammesgesellschaft ist, dass es sich um eine Gemeinschaft von "interessiert Handelnden" handelt. Das heißt, dass die Menschen zur Gemeinschaft gehören, weil sie die anderen Menschen brauchen, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Sie gehören nicht zu der Gesellschaft, weil sie dort "hineingeboren" würden. Von Abstammungsgemeinschaft kann also keine Rede sein. Gibt es keine gemeinsamen Interessen oder decken sich die Mehrheitsinteressen nicht mit den Interessen eines Individuums, endet die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft.

Konstruiert sind solche Gesellschaften so, dass die engere Familie (Blutsverwandtschaft) den Kern bildet, der durch Verschwägerung zur Sippe erweitert wird. Mehrere Sippen bilden "Dorfgemeinschaften". Mehrere Dorfgemeinschaften bilden die von mir angesprochenen Siedlungsgemeinschaften. All das ist deshalb nötig, weil wir über einen Zustand reden, in dem es keine Obrigkeit, keine Gesetze und keine "Polizei" gab. Die Menschen besaßen nur das, was sie sich aneignen und danach auch behaupten konnten. Das Individuum hat nur eine begrenzte Fähigkeit, sich zu behaupten. Es braucht die Gemeinschaft.

Die Sozialstrukturen in so einer Gemeinschaft bleiben nur stabil, wenn sie durch ständige Interaktion aufrecht erhalten werden. Diese soziale Interaktion musste jedes Individuum selbst leisten können. Dies begrenzt die mögliche Größe der Gemeinschaft. Soziologische und ethnologische Untersuchungen von Stammesgesellschaften (aktuellen und historischen) bestätigen dies ebenfalls. Sie kommen zu dem Schluss, dass Gesellschaften unweigerlich eine Bürokratie entwickeln, wenn ihr Siedlungsgebiet eine bestimmte Größe überschreitet. Die Grenze liegt dabei etwa bei der Strecke, die ein Mensch am Tag zufuß zurücklegen kann.

Wenn man von einer Marschleistung von 20 Kilometern ausgeht, umfasst das Gebiet 400 Quadratkilometer. Da in vorgeschichtlicher Zeit pro Quadratkilometer sieben bis zehn Menschen leben konnten, kommt man auf eine Bevölkerungszahl von maximal 4000 pro Siedlungsgemeinschaft. Das ist bei weitem zu wenig, um die Größe der "Stämme" zu erklären, die Caesar und Tacitus uns schildern.

Benachbarte Siedlungsgemeinschaften pflegten sicher Kontakt untereinander - schon um dauernde Konflikte z.B. über Landnutzungsrechte zu vermeiden oder Lebenspartner für den eigenen Nachwuchs zu finden. Diese Kontakte blieben aber lose und oberflächlich, da es keine gemeinsamen Interessen gab, die laufend verfolgt werden mussten.

Nur im Krieg schlossen sich die Siedlungsgemeinschaften zu Stämmen zusammen, die dann nach dem jeweiligen Krieg auch wieder zerfielen. Auch hier war das wieder eine Entscheidung von "interessiert Handelnden". Faktisch war es jeder Siedlungsgemeinschaft freigestellt, ob sie sich zum Beispiel an einem Krieg gegen die Römer beteiligen wollte oder nicht. Das erklärt, warum es z.B. bei den Cheruskern eine pro- und eine antirömische Fraktion gab. Es erklärt auch, warum den römischen Berichten zufolge in einem bestimmten Gebiet immer "neue Stämme" auftauchten.

Dieses Phänomen ist auch bei den Plains-Indianern in Nordamerika beobachtet worden. Da war es den Gruppen freigestellt, ob sie sich an einem Kriegszug beteiligen oder die Gemeinschaft verlassen wollten.

Ist natürlich alles Theorie.
Eine Theorie, die aber wichtige Dinge unter den Tisch fallen lässt.
Es ist einfach nicht richtig, dass ein Stamm nur in Kriegszeiten zusammenkam und danach "auseinanderfiel". Man geht natürlich davon aus, dass es in einem Stamm auch noch Untereinheiten gab. Aber auch die Stammesgemeinschaft traf sich in regelmäßigen Abständen - nämlich zum Thing/Ding. Hier wurden wichtige Beschlüsse den gesamten Stamm betreffend gefasst (natürich auch, ob man in den Krieg zog, aber doch nicht nur), Gericht gehalten und religiöse bzw. kultische Handlungen durchgeführt und den Göttern geopfert und ihnen zu Ehren Feste gefeiert. Gerade auch der religiöse Aspekt scheint für einen Stamm der "Kitt" gewesen zu sein, der ihn zusammenhielt. Aber es stimmt natürlich, dass Stämme auch auseinanderfielen. So kann man z. B. davon ausgehen, dass beim Verlassen des Stammesgebietes immer einige Stammesangehörige im alten Siedlungsgebiet freiwillig zurückblieben.
Und ich denke sehr wohl, dass man in eine solche Gemeinschaft hineingeboren wurde - natürlich war man zunächst durch Geburt Angehöriger einer Sippe und die Sippe wiederum gehörte einem Stamm an.
Ich denke auch, dass diese Gemeinschaften im Laufe der Zeit immer größer wurden - und hier spielt sicher der von dir erwähnte kriegerische Aspekt eine Rolle. Je größer eine Gemeinschaft war, um so besser konnte sie sich gegen Angriffe zur Sehr setzen. So ging man schließlich dazu über, Stammesverbände zu bilden - hauptsächlich ab dem 2. Jh. n. Chr., wobei es auch Ausnahmen gab, denn der Stammesverband der Sueben existierte z. B. schon zur Zeitenwende.
Die Diskussion ist eröffnet!

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Dietrich
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Kohlhaas hat geschrieben: Wenn an der Herausbildung einer "germanischen Identität" mutmaßlich ganz unterschiedliche Gruppen beteiligt waren, dann stellt sich allerdings die Frage: WARUM haben die unterschiedlichen Gruppen damals an dem Prozess mitgewirkt?
Diese Frage stellt sich mir nicht, weil alle Ethnogenesen im Prinzip ähnlich ablaufen.

Ethnisch unterschiedliche Bevölkerungsgruppen sind einander benachbart, treiben Handel miteinander und schließen im Verlauf einer längeren Zeit auch Ehen untereinander. Es kommt so zu einer immer stärkeren Ännäherung, bei der sich schließlich die Sprache der dominantesten Bevölkerungsgruppe durchsetzt. Aus diesem Kontinuum heraus entwickelt sich dann eine eigene Identität - ein Stamm mit Traditionskern - , die sich von benachbarten Stämmen abhebt.

So oder ähnlich könnte das Szenario einer Ethnogenese aussehen. Dass es dabei möglicherweise auch zu Kriegen kommt oder die Bevölkerungsgruppen den Status einer Idenitität nicht ganz erreichen, ist gleichfalls denkbar. Eine übergeordnete "germanische Identitä" hat es vermutlich nicht gegeben, wohl aber germanische Sprachen und bestimmte übergreifende kulturelle Merkmale. Jedenfalls sagt uns das die Archäologie, wobei archäologische Befunde, Sprachgrenzen. ethnische Identitäten und Kulturprovinzen nicht immer deckungsgleich sind - ein bei Archäologen bekanntes und nur unzureichend lösbares Problem,
Kohlhaas hat geschrieben:Sicherlich nicht, weil die "Germanen"eine gemeinsame "germanische" Identität verspürt hätten. Sie haben sicherlich nicht, einen "germanischen Feldzug" gegen die Kelten geführt. Im Raum steht die These, dass germanische Stämme ab 200 v.Chr. keltische Gruppen nach Süden verdrängt haben sollen. Das erscheint mir schon deshalb widersinnig, weil ich nicht erkennen kann, welches Interesse die Träger der Jastorf-Kultur gehabt haben sollten, die Träger der Latène-Kultur zu "verdrängen". Im Grunde wollten sie doch eher an deren Reichtum teilhaben!
Die Archäologen haben die Kelten und die keltische Latène-Kultur in Ostgallien, Süddeuutschland und Böhmen verortet, die Germanen nördlich davon - jedenfalls etwa um 400 v. Chr. Es bringt wenig, hier den Wahrheitsgehalt dieser allseits akzeptierten Feststellung anzuzweifeln.

Dass sich Stämme und Völker ausbreiten, ist in der Geschichte eine Binsenweisheit. So breiteten sich die Kelten über große Gebiete aus, ebenso die Slawen oder Turkstämme. Dass sich also germanische Stämme im Verlauf eines großen Zeitraums allmählich (!) nach Süden ausbreiteten, ist weder Zauberei noch Hexenwerk. Dass sie dabei keltische Bevölkerungsgruppen asimilierten und aufsogen, dürfe ebenfalls kaum verwunderlich sein.
Kohlhaas
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Dietrich hat geschrieben:
Kohlhaas hat geschrieben: Wenn an der Herausbildung einer "germanischen Identität" mutmaßlich ganz unterschiedliche Gruppen beteiligt waren, dann stellt sich allerdings die Frage: WARUM haben die unterschiedlichen Gruppen damals an dem Prozess mitgewirkt?
Diese Frage stellt sich mir nicht, weil alle Ethnogenesen im Prinzip ähnlich ablaufen.

Ethnisch unterschiedliche Bevölkerungsgruppen sind einander benachbart, treiben Handel miteinander und schließen im Verlauf einer längeren Zeit auch Ehen untereinander. Es kommt so zu einer immer stärkeren Ännäherung, bei der sich schließlich die Sprache der dominantesten Bevölkerungsgruppe durchsetzt. Aus diesem Kontinuum heraus entwickelt sich dann eine eigene Identität - ein Stamm mit Traditionskern - , die sich von benachbarten Stämmen abhebt.
Da bin ich (fast) ganz bei Dir! Du siehst aber an unserer Diskussion, dass die Trennung zwischen "Kelten" und "Germanen" (die nebenbei NUR! in römischen und griechischen Schriftquellen vorgenommen wurde!) zu der auch heute immer noch weit verbreiteten Vorstellung geführt hat, dass sich eine Masse germanischer Krieger von Norden (alternativ: Nordosten) nach Süden gewälzt und keltische Gruppen verdrängt habe. Dabei sind wir uns doch schon einig geworden (dachte ich jedenfalls...), dass sich "Kelten" und "Germanen" im selben "Kontinuum" herausgebildet haben.

Ich behaupte nicht, dass es nicht zu einer "germanischen Ethnogenese" gekommen ist. Ich behaupte, dass diese Ethnogenese durch innere Differenzierung entstanden ist und nicht durch einen "Clash of cultures". Die Träger der Kultur, die wir heute "germanisch" nennen, und die Träger der Kultur, die wir heute "keltisch" nennen, sind damals offensichtlich nicht auf die Idee gekommen, dass die Angehörigen der jeweils anderen Gruppe "Fremde" waren. Sicher gab es Kriege zwischen diesen Gruppen. Aber nicht häufiger als Kriege zwischen Germanen und Germanen oder zwischen Kelten und Kelten.
Die Archäologen haben die Kelten und die keltische Latène-Kultur in Ostgallien, Süddeuutschland und Böhmen verortet, die Germanen nördlich davon - jedenfalls etwa um 400 v. Chr. Es bringt wenig, hier den Wahrheitsgehalt dieser allseits akzeptierten Feststellung anzuzweifeln.
Das hast Du jetzt falsch dargestellt. Oder falsch verstanden. Archäologen stellen immer nur fest, dass sie "keltische" oder "germanische" Sachkultur vor sich haben. Sie ordnen diese Sachkultur immer "Kulturkreisen" zu, nie "Ethnien" oder gar "Völkern". Die Archäologen stellen immer nur das Vorhandensein einer bestimmten Sachkultur fest. Sie maßen sich nie an, feststellen zu können, wer jeweils Träger dieser Sachkultur war!

Zur Verdeutlichung: Wenn Kelten und Germanen unterschiedliche "Völker" gewesen wären (Kelten in Mitteleuropa entstanden, Germanen von Norden oder Osten zugewandert), woran würde man dann erkennen, dass ein "germanischer" Stamm, der aufgrund von Handelsbeziehungen keltische Sachkultur übernommen hatte, trotzdem ein "germanischer" Stamm war? Das konnten doch selbst die Römer nicht unterscheiden. Und die waren Zeitgenossen der genannten Volksgruppen! Schon Caesar hat uns doch so "aufschlussreiche" Mitteilungen gemacht wie: "Die Eburonen behaupten von sich, dass sie Germanen seien...". Oder: "Die Bataver erzählen, sie hätten sich von den Chatten abgespalten und seien ausgewandert...".
Dass sich Stämme und Völker ausbreiten, ist in der Geschichte eine Binsenweisheit.
Ja. Und deshalb halten selbst heute noch viele Menschen es für wahr, dass sich ab dem Jahr 200 v. Chr. die Germanen, von Norden kommend, nach Süden ausgebreitet und die Kelten verdrängt hätten. Die Leute lassen sich nicht mal davon irritieren, dass es archäologische Belegen für latènezeitliche Kulturen nördlich der Mittelgebirge bis zur Zeitenwende gibt.

Es hat noch niemand eine plausible Erklärung dafür geliefert, warum "Germanen" die "Kelten" hätten verdrängen sollen. In erster Linie reden wir doch über ein "Kulturgefälle". Es war doch eher so, dass die technologisch hoch entwickelte und reiche "keltische" Welt große Anziehungskraft auf die "armen Schlucker" aus Germanien hatte. Genauso wie später die römische Welt. Es gab für die armen, aber kämpferischen germanischen Schlucker zwei Wege, am keltischen Reichtum teilzuhaben:

1. Plündern (nach Möglichkeit VOR dem Niederbrennen)
2. Teilnehmen (Kulturtechniken übernehmen und sich den Handelsstrukturen anschließen)

Gibt es Belege dafür, dass großflächig geplündert (und anschließend niedergebrannt) wurde? Nein. Gibt es nicht.
Gibt es Belege dafür, dass "teilgenommen" wurde? Ja, gibt es. Im Oppidum Manching fanden sich Spuren aus der Jastorf-Kultur, die nicht "kriegerisch" zu erklären sind.

Deshalb nochmal die Frage: Sind damals "Völker" gewandert oder sind Kulturtechniken gewandert?

Archäologisch können wir immer nur feststellen, welche Sachkultur wo vorherrschte. Die Archäologen können keine Angaben dazu machen, welche Gruppen "Träger" diese Sachkultur waren. Und es gibt KEINE HINWEISE darauf, dass Träger einer germanischen Sachkultur in einer Art von "ethnischem Krieg" die Träger einer keltischen Sachkultur nach Süden verdrängt hätten. Solche Aussagen kommen immer von der Geschichtswissenschaft, die versucht, archäologische Erkenntnisse mit historischen Quellen in Einklang zu bringen. Oft ohne Rücksicht auf "Nachbarwissenschaften".
Kohlhaas
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Barbarossa hat geschrieben:Es ist einfach nicht richtig, dass ein Stamm nur in Kriegszeiten zusammenkam und danach "auseinanderfiel". Man geht natürlich davon aus, dass es in einem Stamm auch noch Untereinheiten gab. Aber auch die Stammesgemeinschaft traf sich in regelmäßigen Abständen - nämlich zum Thing/Ding.
Das meinte ich, als ich schrieb, dass es natürlich Kontakte zwischen den Siedlungsgemeinschaften gab. Die Frage bleibt nur: Welche Funktion hat der "Stamm" für die "interessiert Handelnden"? Welche individuellen Interessen konnten die Individuen nur durch ihre Zugehörigkeit zum "Stamm" verwirklichen?
Hier wurden wichtige Beschlüsse den gesamten Stamm betreffend gefasst (natürich auch, ob man in den Krieg zog, aber doch nicht nur), Gericht gehalten und religiöse bzw. kultische Handlungen durchgeführt und den Göttern geopfert und ihnen zu Ehren Feste gefeiert.
Woher wissen wir das? Die römischen Quellen besagen, dass es keine germanische Priesterschaft gab. Mir ist nicht bekannt, dass römische Quellen irgendwas über "kultische Handlungen" im Zusammenhang mit Volksversammlungen aussagen.

Römische Quellen (Tacitus) sagen auch explizit, dass die Volksversammlung (oder eine noch diffusere "Obrigkeit") nicht die Befugnis hatte, zu "strafen". Stattdessen sagt Tacitus, dass selbst Mord (meinetwegen auch Totschlag) durch "Geldzahlung" gesühnt werden konnte. Also durch eine Vereinbarung zwischen den beteiligten Sippen. Die Alternative zu "Geldzahlung" kann eigentlich nur "Blutrache" gewesen sein. Damit wären "Gerichtsverhandlungen" vor dem Thing sowas wie der Versuch, weiteres Blutvergießen durch eine "gütliche Einigung" in der Volksversammlung zu vermeiden. Es gibt aber keinen Hinweis darauf, dass das Thing berechtigt gewesen wäre, einen "Streitfall" für beendet zu erklären oder einen Urteilsspruch zu fällen. Oder gar "Zuwiderhandlungen" gegen einen Thingbeschluss irgendwie zu ahnden. Es gab keine "Obrigkeit"! Welchen Grund hätte eine "interessiert handelndes" Individuum haben sollen, sich einer "Mehrheitsentscheidung" zu unterwerfen? Die Leute haben für sich ganz selbstverständlich das Recht in Anspruch genommen, ihre individuellen Interessen selbst zu vertreten. Das war nämlich das einzige Recht, das damals in der "egalitären" Gesellschaft galt: das Recht des Stärkeren.
Gerade auch der religiöse Aspekt scheint für einen Stamm der "Kitt" gewesen zu sein, der ihn zusammenhielt.
Diese Aussage lehne ich völlig ab. Erstens gibt es dafür weder achäologische noch auch nur historiografische Belege. Und zweitens ist der Vormarsch des Christentums in Europa unter anderem damit zu begründen, dass das Christentum "missionarisch" tätig sein wollte, die heidnischen Religionen hingegen NICHT! Es scheint so zu sein, dass jede Gemeinschaft, jeder "Stamm" einen ganz eigenen "Kult" gepflegt hat. Ohne Anspruch, diesen Kult "exportieren" zu wollen. Wir wissen ja nichtmal, welche "Götter" die "Germanen" vor der Jahrtausendwende angebetet haben.
So ging man schließlich dazu über, Stammesverbände zu bilden - hauptsächlich ab dem 2. Jh. n. Chr., wobei es auch Ausnahmen gab, denn der Stammesverband der Sueben existierte z. B. schon zur Zeitenwende.
Meinst Du die Gruppe um Ariovist? Das war kein Stammesverband. Ariovist führte als "Gefolgsherr" eine Gruppe/Masse von Kriegern/Familien aus ganz verschiedenen "Stämmen" an. Was die Römer als "Sueben" bezeichnet haben, war der erste Schritt zur Genese eines neuen "Stamms". Und dabei spielten Elemente der Gefolgschaftsstruktur eine größere Rolle als Elemente der Stammesstruktur.

Wir reden hier auch immer über Verschiebungen, die sich im Laufe der Zeit ergaben. Im 1. Jahrhundert n.Chr. begann bei den (nunmehr zweifelsfrei "germanischen") Stämme ein Strukturwandel: Die Stammesstrukturen lösten sich auf und wurden zunehmend überlagert von Gefolgschaftsstrukturen. Aus diesen Gefolgschaftsstrukturen entwickelte sich der Übergang von einer "egalitären" Gesellschaft zu einer "aristokratisch beherrschten" Gesellschaft.

Wieder ein anderes Thema...
Cherusker
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Kohlhaas hat geschrieben: ....Dabei sind wir uns doch schon einig geworden (dachte ich jedenfalls...), dass sich "Kelten" und "Germanen" im selben "Kontinuum" herausgebildet haben.





.....Die Leute lassen sich nicht mal davon irritieren, dass es archäologische Belegen für latènezeitliche Kulturen nördlich der Mittelgebirge bis zur Zeitenwende gibt.

Es gab für die armen, aber kämpferischen germanischen Schlucker zwei Wege, am keltischen Reichtum teilzuhaben:

1. Plündern (nach Möglichkeit VOR dem Niederbrennen)
2. Teilnehmen (Kulturtechniken übernehmen und sich den Handelsstrukturen anschließen)

Gibt es Belege dafür, dass großflächig geplündert (und anschließend niedergebrannt) wurde? Nein. Gibt es nicht.
Gibt es Belege dafür, dass "teilgenommen" wurde? Ja, gibt es. Im Oppidum Manching fanden sich Spuren aus der Jastorf-Kultur, die nicht "kriegerisch" zu erklären sind.

Nein, Germanen und Kelten haben sich nicht im selben "Kontinium" herausgebildet. Der von der Wissenschaft angenommene keltische Ursprungsraum liegt halt in Süddeutschland, Böhmen und Ostgallien.

Welche keltische Kultur hat denn nördlich der Mittelgebirge bis zur Zeitenwende dort gelebt ?

1. Germanen sind häufiger in keltische Gebiete gezogen um zu plündern, aber auch als Landnehmerheere (siehe Ariovist).
Und die zerstörten keltischen Wallanlagen sind ein Beweis dafür, daß es kriegerische Auseinandersetzungen gegeben hat. Dabei weißt Du aber selber, daß von germanischen Kriegszügen kaum etwas übriggeblieben ist (siehe Kalkriese, usw.). Und nur die schriftlichen Quellen (wobei beide Stämme dies nicht hatten) als Beweis anzuführen, daß nur Römer und Griechen diese Einteilung vornahmen, ist meiner Ansicht nach dürftig.

2. Es gab einen riesigen Unterschied im Handel und der Lebensart zwischen Kelten und Germanen. So konnten Germanen nicht schnell einmal den keltischen Lebensstil und deren Wirtschaft und Handel übernehmen. Ich gebe mal dafür ein Beispiel: die Kelten verstanden es durch die Landwirtschaft Überschüsse zu produzieren, die sie wiederum in großen Vorratsspeichern lagerten. Anhand dieser Methode hatten die keltischen Bauern ein Produkt mit dem sie Handel treiben konnten. D.h. Dörfer und Städte wurden notwendig für den Handel.
Ganz anders bei den Germanen. Dort war die Landwirtschaft "rudimentär" und diente nur dazu die eigene Familie/Sippe/Stamm am Leben zu erhalten. Große Vorratsspeicher waren unbekannt und Überschüsse ließen sich nur in guten Erntejahren erzielen. Wichtig war die Viehzucht, weil Rinder ein Statussymbol waren. Das war selbst noch bei den Wikingern so. :wink: Auch gab es keine Städte und die germanische Lebensweise sah auseinanderstehende Gehöftgruppen vor. Selbst als Dorf kann man es in einigen Fällen nicht so bezeichnen. Ferner gab es auch Germanen, die in einem bestimmten Gebiet hin und herzogen, d.h nach ca. 7Jahren, wenn die Häuser hinfällig wurden, wurde einfach an anderer Stelle neu gebaut.
In erster Linie war jeder Germane Krieger und dann erst im zweiten "Beruf"ging er anderen Tätigkeiten nach. Es gab nicht die Frage ob es Krieg geben würde, sondern nur wann und gegen wen?
Solch unterschiedliche Kulturen können nicht im gleichen "Kontinium" entstanden sein.
Kohlhaas
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Registriert: 19.06.2015, 17:29

Cherusker hat geschrieben:2. Es gab einen riesigen Unterschied im Handel und der Lebensart zwischen Kelten und Germanen. So konnten Germanen nicht schnell einmal den keltischen Lebensstil und deren Wirtschaft und Handel übernehmen. Ich gebe mal dafür ein Beispiel: die Kelten verstanden es durch die Landwirtschaft Überschüsse zu produzieren, die sie wiederum in großen Vorratsspeichern lagerten.
Und die Germanen waren zu doof zu erkennen, dass diese Wirtschaftsweise sinnvoll war?

Lieber Cherusker, dass ist genau der Punkt, an dem sich die Geister scheiden. Ich behaupte, dass die Archäologie nur Sachkultur nachweisen kann und nicht in der Lage ist, die Sachkultur Ethnien zuzuweisen. Sie ist nicht in der Lage, zu bestimmen, wer "Träger der Sachkultur" war. Sie hat das auch nie versucht. Du hingegen vertrittst die Gegenposition, dass man anhand der Sachkultur unterschiedliche "Völker" unterscheiden kann. Kein Archäologe teilt Deine Auffassung!

Der Unterschied zwischen keltischer und germanischer Lebensweise, den Du behauptest, ist den Kelten und Germanen damaliger Zeit offenbar völlig entgangen. Diese Leute haben sich selbst nie als unterschiedliche Völker betrachtet. Das haben nur die Römer getan.

Unabhängig von der Frage der Selbsteinschätzung bleibt die Frage nach den archäologischen Belegen. Hier ist jetzt immer und immer wieder die Behauptung vertreten worden, dass "germanische" Völker ab 200 v. Chr. die "keltischen" Völker verdrängt hätten. Diese Behauptung ist nach wie vor völlig unbelegt.
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