Varus Schlacht

Moderator: Barbarossa

Cherusker
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Barbarossa hat geschrieben:Was besagt die Pontes Longi-Theorie? Ich bin da nicht so ganz im Stoff.
Bei den Germanicus-Feldzügen von 14-16n.Chr. hat Caecina 4 der 8 Legionen kommandiert. Nach einem Feldzug sollte Caecina die Legionen zurück an den Rhein bringen und zwar auf bekannten Wegen. Dieser Weg führte über die PONTES LONGI (d.h. lange Brücken). Diese wurden vom Römer Aehnobarbus um die Zeitenwende angelegt. Damit sollte wohl ein sumpfiges Gelände begehbar gemacht werden. Auf dieser Route gab es eine Engstelle, die die Legionen, auf Anweisung von Germanicus, schnell hinter sich bringen sollten.
Aber Arminius war mit seinen Cheruskern schneller. Sie lauerten den Römern auf und diese hatten einen Wall errichtet, auf dem sie auch lagerten. Dieser Wall wurde mehrmals durch von Germanen umgeleitete Bäche unterspült, sodaß die Römer ihn neu errichten mußten. Am nächsten Morgen sollten die Legionen in einer bestimmten Marschordnung den Engpaß passieren. Aber 2 Legionen hielten sich nicht an den Befehl und setzten sich durch den Engpaß ab. Caecina geriet in größte Gefahr und wäre fast selbst gefallen, wenn ihn die I.Legion nicht rausgehauen hätte. Aber der Troß war verloren. Die Germanen hätten die Römer vollständig vernichtet, wenn sie nicht zur Plünderung des Troßes übergegangen wären. So konnten auch die restlichen Römer durch den Engpaß (sie hatten wohl hohe Verluste) und notdürftig ein Lager errichten. Am nächsten Tag wollte Arminius die Römer auf dem Marsch angreifen und vernichten, aber sein Onkel Inguimero war zu ungeduldig und griff das Römerlager an. Dabei starteten die Römer einen Ausfall und trieben die Germanen in die Flucht. So konnten sich die Römer an den Rhein retten. Dort ging schon die Kunde um, daß die Caecina-Legionen vernichtet wurden und einige Römer wollten schon die Rheinbrücken abreißen. Aber die Frau des Germanicus (Aggripina) hat das verhindert.
Die Örtlichkeiten in Kalkriese entsprachen eher den Beschreibungen von der Schlacht PONTES LONGI als der Varusschlacht. Dort gab es einen bekannten Hellweg, der dort an eine Engstelle kam. In der Nähe von Kalkriese fand man germanische Holzwaffen mit Kampfspuren, die in die Zeit Germanicus einzuordnen sind. Eine Einritzung in ein Metallstück kann man als Stück der I. Legion und nicht der I.Kohorte werten. Auch ist der Wall eher römisch, man fand sogar eine Dolabra (römische Grabaxt)  im Wall (wie in Hedemünden). Einige Historiker (wie Kehne) sehen in Kalkriese den Ort der PONTES LONGI-Schlacht. Wer sich ausgiebig mit dem Thema beschäftigt, der bekommt viele Zweifel, ob in Kalkriese die Varusschlacht stattgefunden hat. Daher wird auch heutzutage nur von einer Germanen-Römer-Auseinandersetzung in Kalkriese gesprochen. 
Soviel erstmal zu Pontes Longi.
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Barbarossa
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Ok, danke für die Info.
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Radhirte
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Hat hier jemand schon einmal die Glaubwürdigkeit des Dio’schen Berichts thematisiert?
Es gibt ja mehrere Quellen, die von der Varus-Schlacht berichten. Eine davon ist Dio, die ausführlichste, eine andere stammt von Florus. Sein Bericht stellt die Schlacht als einen Überfall auf das Lager des Varus dar ("fielen ... über Varus her, der ... zu Gericht rief", Florus, II, 30).
Dio selbst gibt zu bedenken, dass sein Bericht vielleicht nicht den Tatsachen entsprechen könnte: Band IV, Buch 19.4: "jedenfalls laufen fast sämtliche Geschehnisse in einer Version um, die sich mit den Tatsachen nicht deckt." Und weiter, Buch 54, 15.3: "... ohne mich damit zu beschäftigen, ob ... die Überlieferung der Wahrheit entspricht ..." hat er die offiziellen Berichte genutzt.
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Barbarossa
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Bei der Suche taucht der Name des Cassius Dio einige male auf: http://geschichte-wissen.de/foren/searc ... assius+Dio
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Cherusker
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Aus den Beschreibungen der Varusschlacht erfährt man, daß Varus bei seinem Zug Marschlager baute. Das 1. Marschlager war noch vorschriftsmäßig für 3 Legionen errichtet worden. Das weitere Marschlager war es schon nicht mehr. Arminius ließ die Köpfe von getöteten Römern an den Wall bringen, um so noch mehr Schrecken zu verbreiten. Das Ende der Varusschlacht war dann auf offenem Felde.
Cassius Dio wird daher (als Vermutung) von diesen Lagern ausgegangen sein. Daher auch seine Selbstzweifel, ob die Geschichte sich auch so zugetragen hat.  
Cherusker
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So langsam kommen in Kalkriese Zweifel auf.....in einem Interview mit dem SPIEGEL räumt die Leiterin des Kalkrieser Museums, Heidrun Derks, ein, daß man jetzt überprüfen muß, ob die Funde nicht auch den Legionen des Germanicus zugeordnet werden können ? :shock:  Endlich ....kann man sagen. Nach verschenkten Dekaden, ist die 1000%ige Überzeugung Pro-Varusschlacht ins Wanken geraten. :wink:
Der Schwachsinn vom Defilee-Gefecht war auch für Laien schon immer recht zweifelhaft. :crazy:
Cherusker
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Lange hat es gedauert, aber jetzt sind die Wissenschaftler in Kalkriese durch neue Funde doch zu der Erkenntnis gekommen, daß dort kein Germanenwall bestand, sondern ein schnell erbautes Römerlager (für ca. 3000 Legionäre). Das schwachsinnige Defileegefecht hat somit ein Ende gefunden. :wink: :mrgreen:
Aber, wie seit Dekaden, wird wiederum behauptet, daß das jetzt der tatsächliche Beweis für die Varusschlacht ist. :lolno: :crazy:
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Agrippa
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Es ist unglaublich.
Seit beinahe 30 (!) Jahren wird von den Kalkriese-Forschern, namentlich Susanne Wilbers-Rost, Achim Rost, Rainer Wiegels, Günther Moosbauer u.a., behauptet, bei Kalkriese hätten die Germanen unter Arminius einen Wall erbaut und die Legionen des Varus vernichtet. Trotz vehementer Kritik seitens zahlreicher Kollegen hielt man in Kalkreise unbeirrt über all die Jahrzehnte am Szenario eines "Defilée-Gefechts" fest. Vollmundig und ohne jede Selbstzweifel wies man sämtliche Kritiker in die Schranken. Sich stützend auf die angeblichen Ergebnisse der Grabungskampagnen erschienen bis heute dutzende Publikationen zu diesem Thema.
Und nun?
Irgendwie erinnert mich das ganze an den VW-Diesel-Skandal.
Ich habe jetzt 14 Bücher zum Thema Kalkriese im Regal stehen, herausgegeben von o.g. Forschern, die den verfehlten Befund widergeben.
Und das, obwohl von anderen Wissenschaftlern stets eine kritischere Betrachtungsweise gefordert wurde, insbesondere bei der Deutung des Walles!
Werden mir die Kosten für die 14 Bücher nun ersetzt? Bietet die Museumspark Kalkriese GmbH eine Art "Abwrackprämie" für die Schrottbücher an?

 
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Barbarossa
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Wohl kaum. Wissenschaftler werden sich immer mal wieder irren. Alle Publikationen geben nur den derzeitigen Wissensstand wider und jegliche Theorie kann durch eine andere umgestoßen werden. Problematisch wird es allerdings, wenn hinter einer Publikation auch noch ein wirtschaftliches Interesse dahinter steckt. Das scheint mir im Fall von Kalkriese gegeben zu sein.
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Cherusker
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Anscheinend gibt es nicht nur wirtschaftliche Interessen ?  :wink: Bis nach 2016 hat man sich ja gerettet.  :mrgreen: Was mich aufregt, ist die Dreistigkeit, die über Dekaden beibehalten wurde. Ohne Selbstzweifel wurde die Theorie des Defileegefechts aufrechterhalten, obwohl es vorher schon arge Zweifel an dieser laienhaften Darstellung gab. :crazy: Das Problem lag auch daran, daß hier keine Experten am Werke waren, sondern Archäologen, die anscheinend ins "kalte Wasser geschmissen wurden" ? :wink:
 
Warum hat man all die Jahre nicht in der näheren Umgebung weiter gesucht ?  Hätte man dieses römische Lager nicht einige Jahre vorher entdecken müssen ? :wink:
Auch jetzt wird wieder hartnäckig weiter an der Varus-Schlacht-Behauptung festgehalten !  Obwohl schon seit Jahren feststeht, daß dort ein römisches Heer durchgezogen ist, das aber ordentlich "gerupft" wurde. Jetzt kommt man wieder damit, daß das wohl das letzte Varus-Lager gewesen sein muß und somit wieder die "Endschlacht". Das Wort "Varus" soll wohl als Zugpferd dienen ?  :wink: Vielmehr kann man nur feststellen, daß dort ein Kampf zwischen Germanen und Römern stattgefunden hat. Mehr nicht !
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Agrippa
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Cherusker hat geschrieben: Vielmehr kann man nur feststellen, daß dort ein Kampf zwischen Germanen und Römern stattgefunden hat. Mehr nicht !
Nicht einmal das !!
Nach derzeitigem Stand der Forschung  kann man in Kalkriese nur noch von einem römischen Marschlager sprechen.
Wo sind denn die Kampfspuren?
Wo sind die römischen Pfeilspitzen und Schleuderbleie, die man auf einem Schlachtfeld in großer Menge erwarten dürfte?
 Es wurden ganz zu Beginn, im Jahr 1987 von Tony Clunn, ganze drei Schleuderbleie direkt beieinander gefunden. Sie wurden wahrscheinlich nicht verschossen, sondern im Beutel verloren. Und sonst? Haben die Römer während der "Schlacht" keine weiteren Wurfgeschosse geschleudert und Pfeile verschossen?
Und wo sind eigentlich die archäologischen Spuren der Germanen? 
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Agrippa
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In Kalkriese ist man nun davon überzeugt, das letzte Lager des Varus entdeckt zu haben, in dem sich seine zusammen geschmolzenen Truppen verschanzt hatten.
Dagegen spricht jedoch, dass dort, direkt am Wall am Oberesch, zahlreiche Funde zutage traten, die eindeutig einem römischen Tross zugeordnet werden, wie z.B. die Beschläge eines Bettgestells u.ä.
Am finalen Ort der Varusschlacht sollten allerdings vorwiegend Militaria zu finden sein. Auf gar keinen Fall Teile des Trosses, da dieser bereits im ersten Lager verbrannt wurde.
Hansgeorg
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Obwohl ich im Osnabrücker Land beheimatet bin glaube ich nicht an einer Varusschlacht in Kalkriese. Dort haben es die Germanen ganz klar auf dem Tross abgesehen. Wie schon hier berichtet hat Varus seinen Tross schon am ersten Tag der Schlacht vernichtet. In Kalkriese kamen höchstwahrscheinlich auch balearische Steinschleuderer zum Einsatz. M.E. kamen spanische und gallische? Hilfstruppen erst mit den Germanicuslegionen nach Germanien. Auch die röm. Reiterei unter Vala hat schon am ersten Tag das Weite gesucht, und ausgerechnet eine Reitermaske ist das Prunkstück des Kalkrieser Museums. Wenn Kalkriese etwas mit der Varusschlacht zu tun hat, dann war hier der Startschuss und nicht das ENDE. Aber dafür wäre das "neue" Kalkrieser Lager viel zu klein.
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Agrippa
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Hallo Hansgoerg,
Schleuderer waren in dieser Zeit übliche Hilfstruppen. Aus dem Alpenfeldzug ab 16 v.Chr. sind auf dem Serpentinerpass gefundene römische Schleuderbleie bekannt.
Deine Feststellung, dass die bei Kalkriese gefundene Reitermaske nicht zu der Überlieferung des Cassius Dio zur Varusschlacht passt, ist interessant. Das passt ganz und gar nicht zu der von Wolfgang Schlüter vertretenen These, dass bei Kalkriese das letzte Varuslager war.
Hansgeorg
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Hallo Agrippa 
Laut Schlüter und Ortisi lag in Kalkriese das letzte Varuslager. Die Überlebenden der Schlacht konnten sich ins Lager Aliso retten ,dass vermutlich an der Lippe lag. In Kalkriese gab es für die Legionäre nur zwei Fluchtwege. Richtung Osten nach Minden oder Richtung Westen zur Ems.
Auch der Tumulus wurde nie gefunden, dafür aber acht ? Knochengruben mit 17 Toten, vermischt mit Tierknochen. Das war doch kein typisches röm. Bestattungsritual oder? Hätte der Priester Germanicus sowas anfertigen lassen? 
Aber werden die "Experten" in Kalkriese ihren Fehler zugeben? Wohl kaum. 
Denn u.a. wird die Neue Osnabrücker Zeitung die "Varusschlacht im Osnabrücker Land" mit Haut und Haaren verteidigen. 
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