Das Heer des Byzantinischen Reichs:

Das römische Reich war maßgebend für die weitere Entwicklung Europas: Republik, Kaiserreich, Caesar, Augustus

Moderator: Barbarossa

WDPG
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Eröffne dieses Thema mal hier, da Byzanz ja eigentlich der Nachfolger von Rom war (genauer genommen das Römische Reich im Osten).

Möchte hier mal eine Diskussion über das Heer von Byzanz erstellen. Würde mich freuen, wenn wir das Thema hier unter möglichst vielen Gesichtspunkten behandeln könnten.

Freue mich auf eure Antworten, Fragen und Diskussionsbeiträge zum Thema.
WDPG
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Möchte mal was dazu schreiben woher die Soldaten aus Byzanz kamen.

Byzanz existierte mehr als 1000 Jahre lang, kein Wunder also da sich das System der Rekrutierung von Soldaten mehrmals im Laufe seiner Geschichte änderte.

-Spätantike bis ca. 600: Byzanz war der östliche Teil von Rom, als dieser setzte man auf das gleiche System wie das Römische Reich in der Spätantike. Man baute wie der westen verstärkt auf Söldner aus dem Ausland. Diese kamen einerseits von verschiedenen Germanenvölkern, andererseits auch z.B. von den Hunnen. Aber auch „einheimische Völkerschaften“ des „Vielvölkerreichs Byzanz“ befanden sich im Heer, etwa die Isaurier. Im Prinzip hatte Byzanz mit sehr ähnlichen Problemen zu kämpfen wie der Westteil des Römischen Reichs, nur überstand man diese. Auch als es Justinian I gelang große Teile des Römischen Reichs zurückzuerobern setzte er auf Söldner. Was anders als im Westen gewesen sein könnte ist das man doch etwas schneller wieder auf eigene Heerführer setzte (kann aber auch sein der der Eindruck täuscht). Fähige wie etwa Belisar oder Narses konnten das System voll nutzen und eben etliche Gebiete erobern.
Doch die Söldner waren nicht gerade billig. Ein Grund warum Byzanz schon bald nach Justinian I einen Niedergang erlebte. Man zahlte lieber Tribute als neue Söldner zuzukaufen, die tributerhaltenden Nachbarstaaten nutzen die daraus resultierende Schwäche aber um noch mehr Tribut zu fordern und notfalls anzugreifen. Ein Niedergang begann und gegen Anfang des 7. Jahrhunderts war das Oströmische Reich von allen Seiten bedrängt (Slawen und Awaren vom Balkan, Sassaniden vom Osten).

-Eigene Soldaten (von Heraklaios bis Mantzikert): Kaiser Heraklaios änderte dieses System, ob er nun tatsächlich das sogenannte Themensystem einführte ist umstritten. Aber (wohl aus Geldmangel) er setzte wieder vermehrt auf einheimische Soldaten aus Anatolien. Es gelang ihm den Untergang abzuwenden. Der Aufbau des Themensystems begann und man setzte damit wieder verstärkt auf einheimische Soldaten. Mit diesen überstand man schließlich auch die Bedrohung durch die Araber und erlebte sogar unter der Makedonischen Dynastie noch einmal eine Blütezeit.
Doch ganz auf Söldner verzichtete man wohl nie, Heraklaios etwa verbündete sich mit Reitervölkern und ab Kaiser Basileos II entwickelte sich mit der Warägergarde eine bedeutende und interessante Elitetruppe, bestehend aus Männern aus dem Norden (Wikingern).
Viele der eigenen Truppen kamen aus Anatolien, nach dem Verlust dieser Region infolge der Schlacht von Manzikert geriet das Reich wieder zunehmend in einer Krise.

-Spätzeit: Der Niedergang des Themensystems begann wohl schon vor Manzikert, spätestens jetzt brauchte man aber etwas neues und das kam unter den Kaisern der Komnenendynastie. Diese setzten wieder hauptsächlich auf Söldner verschiedener Herkunft (Petscheneggen, Türken, Warägern und vielen anderen). Mit dem Jahr 1204 als Konstantinopel von Kreuzrittern erobert wurde, löste sich die Warägergarde auf. Die verschiedenen Nachfolgestaaten setzten wohl auch zu großen Teilen auf Söldner (bei Epiros weiß ich nichts genaueres, bei Nikea waren türkische und lateinische Einheiten zu finden und auch das Kaiserreich Trapezunt setzte großteils auf Söldner, anfangs aus Georgien kommend).
Als Byzanz widerhergestellt wurde setzte man weiterhin auf Söldnerheere, ein bekannter Flop aus dieser Zeit war das Anwerben der Katalanentruppe unter Andronikos II. Ab den Bürgerkriegen des 14. Jahrhunderts war Byzanz finanziell so stark geschwächt, das es nur schwer war regulär ein Söldnerheer aufzustellen. Dennoch bestanden große Teile des geschrumpften Heeres bis 1453 aus Söldnern.
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Drago
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WDPG hat geschrieben: -Spätzeit: Der Niedergang des Themensystems begann wohl schon vor Manzikert, spätestens jetzt brauchte man aber etwas neues und das kam unter den Kaisern der Komnenendynastie. Diese setzten wieder hauptsächlich auf Söldner verschiedener Herkunft (Petscheneggen, Türken, Warägern und vielen anderen). Mit dem Jahr 1204 als Konstantinopel von Kreuzrittern erobert wurde, löste sich die Warägergarde auf. Die verschiedenen Nachfolgestaaten setzten wohl auch zu großen Teilen auf Söldner (bei Epiros weiß ich nichts genaueres, bei Nikea waren türkische und lateinische Einheiten zu finden und auch das Kaiserreich Trapezunt setzte großteils auf Söldner, anfangs aus Georgien kommend).
Als Byzanz widerhergestellt wurde setzte man weiterhin auf Söldnerheere, ein bekannter Flop aus dieser Zeit war das Anwerben der Katalanentruppe unter Andronikos II. Ab den Bürgerkriegen des 14. Jahrhunderts war Byzanz finanziell so stark geschwächt, das es nur schwer war regulär ein Söldnerheer aufzustellen. Dennoch bestanden große Teile des geschrumpften Heeres bis 1453 aus Söldnern.
Wieso hat des Byzantinische Reich und seine Nachfolgestaaten denn wieder auf Söldner gesetzt ?? Diese waren doch viel teurer als ein Heer aus eigenen Soldaten und in der Regel ist die Motivation/Moral von Söldnern geringer als von eigenen Soldaten.
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Drago hat geschrieben:Wieso hat des Byzantinische Reich und seine Nachfolgestaaten denn wieder auf Söldner gesetzt ?? Diese waren doch viel teurer als ein Heer aus eigenen Soldaten und in der Regel ist die Motivation/Moral von Söldnern geringer als von eigenen Soldaten.
Eine sehr interessante Frage, die auch gar nicht so einfach zu beantworten ist.

Grundsätzlich würde ich sagen das Byzanz immer danach gestrebt hat eine Großmacht zu sein, eine solche braucht ein großes Heer. Das Gebiet von dem früher die Masse von Soldaten kam (Anatolien) war weg und sonst gab es scheinbar keine Region wo man groß Soldaten mobilisieren konnte-so setzte man auf Söldner.

Man muss auch bedenken das Byzanz ein Vielvölkerstaat war (außer zum Schluss). Ob man nun ein Heer aus eigenen Völkerschaften oder vom Ausland nahm um sich zu verteidigen, machte wohl moralisch nicht allzuviel unterschied.

In einem chronologischen Ablauf würde ich das so sehen:
-Byzanz unter den Komnenen war zwar eine Großmacht, musste sich aber auch ständig verteidigen, man brauchte eine gutes Heer und das schnell. Außerdem könnte die Vermeidung innerer Konflikte auch noch eine Rolle gespielt haben.
-Die Nachfolgestaaten: Nikea versuchte sogar wieder so etwas wie eine eigene Verteidigung in Anatolien aufzubauen, aber diese war zu klein/zu schwach. In Trapezunt war es wohl so das die Bevölkerung und der Adel dort nicht unbedingt das gleiche Ziel hatte wie die Komnenenkaiser dort. Diese wollten Konstantinopel zurück, während Adel und Bevölkerung dort eher Unabhängigkeit von diesem wollte.
-In der Spätzeit war es alleine schon aufgrund des kleinen Staatsgebiets schwer möglich genug Soldaten zu mobilisieren um sich verteidigen zu können.
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Maxdorfer
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Sehr interessante Beiträge, ich habe viel gelernt. Diskutieren kann ich halt nicht, weil in den beiden Byzanz - Büchern, die ich bisher gelesen habe, fast nichts über das Militär drinstand.
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Drago
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WDPG hat geschrieben: Grundsätzlich würde ich sagen das Byzanz immer danach gestrebt hat eine Großmacht zu sein, eine solche braucht ein großes Heer. Das Gebiet von dem früher die Masse von Soldaten kam (Anatolien) war weg und sonst gab es scheinbar keine Region wo man groß Soldaten mobilisieren konnte-so setzte man auf Söldner.
Mit der Bevölkerungsverteilung im Byzantinischen Reich kenne ich mich jetzt nicht so gut aus, aber es wird doch auch im europäischen Teil genug Einwohner gegeben haben, um eine relativ große Armee aufzustellen oder ??
WDPG hat geschrieben: Man muss auch bedenken das Byzanz ein Vielvölkerstaat war (außer zum Schluss). Ob man nun ein Heer aus eigenen Völkerschaften oder vom Ausland nahm um sich zu verteidigen, machte wohl moralisch nicht allzuviel unterschied.
Doch. Es ist nämlich ein Unterschied, ob ein Soldat für Geld kämpft, also ein Söldner ist, oder ob er kämpft um Haus und Familie zu schützen.
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Maxdorfer hat geschrieben:Sehr interessante Beiträge, ich habe viel gelernt. Diskutieren kann ich halt nicht, weil in den beiden Byzanz - Büchern, die ich bisher gelesen habe, fast nichts über das Militär drinstand.
:thumbup:
Auch viel Ahnung hab ich auch nicht :oops: .
Das hält mich aber nicht davon ab trotzdem mit zu diskutieren. :mrgreen:
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[quote="Drago"]Mit der Bevölkerungsverteilung im Byzantinischen Reich kenne ich mich jetzt nicht so gut aus, aber es wird doch auch im europäischen Teil genug Einwohner gegeben haben, um eine relativ große Armee aufzustellen oder ??[quote]

Scheinbar war es doch so das die wirtschaftlichen und bevölkerungsmäßigen Ressourcen in Kleinasien um einige größer waren als die des Balkans etwa. Schon aus diesem Grund war es schwer eine derartige Masse von Soldaten wo anders herzubekommen.

Das war wohl aber nicht die einzige Ursache warum man auf Söldner setzte. Schon im 11. Jahrhundert, gab es einen Machtkampf zwischen der Militäraristokratie und der Beamtenaristokratie. Letztere setzte sich stellenweise durch, etwa unter der Dynastie der Dukas. Die Beamtenaristokratie wollte ihren Gegner nicht zu stark werden lassen und setzte daher stark auf Söldner. Der Machtkampf war auch ein Grund für die Niederlage bei Manzikert (infolge der man ja den Großteil Kleinasiens verlor). Als einige Zeit später Kaiser Alexios I Komnenos seinen Thron bestieg war er von allen Seiten bedrängt, brauchte schnellstens Soldaten. Diese bekommt man auf die Schnelle wohl nur durch Söldner. Die Nachfolger von Alexios I setzten wohl auch auf Söldner, weil sie das Ausbrechen innerer Konflikte vermeiden wollten, außerdem machte man mit diesen Truppen ja auch oft ganz gute Erfahrung.
Wie gesagt Nikea versuchte später sogar eigene Soldaten aufzubauen, hatte aber nicht genug Ressourcen damit da was wirkungsvolles entstand und in der Spätzeit fehlte wohl die Masse der Bevölkerung und dazu. Auf dem Balkan waren die Gebiete umstritten und in Kleinasien verlor man den Großteil der verbliebenen Gebiete, in Griechenland war man zwar am Aufsteigen, hatte aber auch viele Feinde dort (wäre außerdem wohl zu klein gewesen).
So konnte man fast nur auf Söldner setzen.
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Drago hat geschrieben:Doch. Es ist nämlich ein Unterschied, ob ein Soldat für Geld kämpft, also ein Söldner ist, oder ob er kämpft um Haus und Familie zu schützen.
So sah man das wohl auch im Byzanz der Spätzeit, immerhin versuchte man ja ein Wehrbauerntum erneut aufzubauen (vor allem das Kaiserreich Nikea). Aber wie gesagt der Rahmen war zu klein und so akzeptierte man eben schnell das (wie im Rom der Spätzeit) ausländische Völker die Truppen stellten.
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Peppone
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Ist es unlogisch zu behaupten, dass ein weiterer Vorteil von Söldner war, dass man sie in Friedenszeiten nicht durchfüttern musste?
Peppo
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Peppone hat geschrieben:Ist es unlogisch zu behaupten, dass ein weiterer Vorteil von Söldner war, dass man sie in Friedenszeiten nicht durchfüttern musste?
Peppo
Weiß ehrlich gesagt nicht wie leicht oder schwer es war Söldner wieder loszuwerden, wenn sie nicht benötigt werden, aber grundätzlich ist das wohl ein Vorteil von Söldnern.

Eines sollte man aber auch beachten: Längere Friedensperioden erlebte Byzanz nur selten, man hatte vor allem in der Spätzeit einen ständigen 3 Frontenkrieg zu bewältigen (vom Osten, am Balkan und auch von Süditalien her).
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Maxdorfer
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Ich hab mich auch mal informiert. Dafür empfehle ich außer dem Wikipedia - Artikel ( :angel: ) http://de.wikipedia.org/wiki/Byzantinisches_Heerwesen die Seite http://www.repage8.de/member/byzanz/byz ... armee.html

Desweiteren das Kapitel aus Delbrücks Kriegsgeschichte, das es auf zeno.org gibt: http://www.zeno.org/Geschichte/M/Delbr% ... el.+Byzanz
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Kann bzgl. auch Literatur, außer dem Norwich empfohlen werden?
O heilig Herz der Völker, des hohen Gesanges und der göttlichen Ahnung.
Ernste und holde Heimat, Du Land der Liebe - O laß mich knien an Deinem
erschütternden Grabe.


Zum Gruße
Der Germane
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Peppone
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WDPG hat geschrieben:
Peppone hat geschrieben:Ist es unlogisch zu behaupten, dass ein weiterer Vorteil von Söldner war, dass man sie in Friedenszeiten nicht durchfüttern musste?
Peppo
Weiß ehrlich gesagt nicht wie leicht oder schwer es war Söldner wieder loszuwerden,
Naja, die Katalanen z.B. wurde man nur sehr schwer wieder los, um es mal gaaaanz vorsichtig auszudrücken...

Peppo
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Der Germane hat geschrieben:Kann bzgl. auch Literatur, außer dem Norwich empfohlen werden?
Über Byzanz gibts mehrere empfehlenswerte Bücher kommt darauf an was einem konkret interessiert. Ein Buch das eher die verschieden Facetten und das System und weniger den allgemeinen Verlauf der Geschichte von Byzanz in den Vordergrund stellt und auch Erklärungen zur Themenverwaltung usw. bietet ist z.B. Ralph Johannes Lilie/Einführung in die byzantinische Geschichte.
Kein extrem ausführliches Buch, aber eines das Interessierte mal reinschnuppern lässt in die Welt von Byzanz (außer man sucht eher die interessante Kriegsverläufe oder so da finde ich Norwich gar nicht mal so schlecht) und Leute die sich schon mehr mit Byzanz beschäftig haben gibt es oft neue Einblicke und Sichtweisen. (Fällt mir jetzt auf die Schnelle ein weil ich es unter anderem für dieses Thema als Nachschlagewerk genommen habe).
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