Antike Makedonen und slawische Mazedonier

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Moderator: Barbarossa

Dietrich
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Vor allem in Balkanforen wird folgende Frage aufgeworfen: Inwieweit können sich die Einwohner des heutigen Mazedonien als Nachfahren der antiken Makedonen betrachten?

Die seit dem 6. Jh. n. Chr. auf den südlichen Balkan vordringenden Slawen haben die dort wohnende griechische Bevölkerung, die durch Krieg und Verwüstungen stark dezimiert war, überschichtet. Insofern muss man die heutigen Mazedonier ethnisch als ein Gemisch von Slawen mit einem geringen griechischen Anteil betrachten. Anders als in Griechenland hat jedoch der slawische Bevölkerunsanteil stark überwogen, sodass sich im makedonischen Raum eine slawische Sprache durchsetzte.

Dennoch muss man den heutigen Mazedoniern zubilligen, dass eine ihrer zentralen Wurzeln auf das antike Makedonien zurückgeht. Ein Volk speist sich aus vielen Quellen und trotz eines Sprachwechsels wird die Geschichte fortgesetzt.

Wir haben hier letztlich das gleiche Problem wie bei den Türken, wo ebenfalls die Frage auftaucht, inwieweit sie die Geschichte des griechischen Byzanz fortsetzen.
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Peppone
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Dietrich hat geschrieben:Dennoch muss man den heutigen Mazedoniern zubilligen, dass eine ihrer zentralen Wurzeln auf das antike Makedonien zurückgeht. Ein Volk speist sich aus vielen Quellen und trotz eines Sprachwechsels wird die Geschichte fortgesetzt.
Aber wohl ungefähr nur so, wie wir die Geschichte der Kelten fortsetzten.
Kann man da wirklich noch von "fortsetzen" sprechen?!?

Beppe
Dietrich
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Peppone hat geschrieben: Aber wohl ungefähr nur so, wie wir die Geschichte der Kelten fortsetzten.
Kann man da wirklich noch von "fortsetzen" sprechen?!?

Beppe
Nein - "fortsetzen" ist vermutlich der falsche Begriff. Die Slawen, die in Mazedonien leben, sind natürlich kein Fortsetzer der antiken Makedonen. Die Slawen haben das Land erst im 6./7. Jh. besiedelt und daher mit dem antiken Volk der Makedonen nichts zu tun- weder sprachlich noch ethnisch.
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Peppone
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Dietrich hat geschrieben:Die Slawen haben das Land erst im 6./7. Jh. besiedelt und daher mit dem antiken Volk der Makedonen nichts zu tun- weder sprachlich noch ethnisch.
Und doch haben sie verschiedene Traditionen von den alten Makedonen übernommen - siehe das Staatswappen.
Offensichtlich war die alte makedonische Tradition doch noch stärker als bspw. die keltische Tradition in Oberbayern, als die Slawen ins Land kamen.
Oder ist das Staatswappen und das Bewusstsein, im Land Philipps und Alexanders zu leben, eine moderne Erscheinung?

Beppe
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Barbarossa
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Dietrich hat geschrieben:Die Slawen haben das Land erst im 6./7. Jh. besiedelt und daher mit dem antiken Volk der Makedonen nichts zu tun- weder sprachlich noch ethnisch.
Peppone hat geschrieben:Und doch haben sie verschiedene Traditionen von den alten Makedonen übernommen - siehe das Staatswappen.
Offensichtlich war die alte makedonische Tradition doch noch stärker als bspw. die keltische Tradition in Oberbayern, als die Slawen ins Land kamen.
Oder ist das Staatswappen und das Bewusstsein, im Land Philipps und Alexanders zu leben, eine moderne Erscheinung?

Beppe
Wenn man sich in Europa umschaut, dann findet man noch weitere Beispiele für dieses Phänomen. Englische Könige schmückten sich gern mit mit einem "Urahnen" namens König Arthus, der ethnisch mit den Angelsachsen nun so gar nichts zu tun hatte, da Arthus (inzwischen nur noch als Legende ohne tatsächliches Vorbild betrachtet) eigentlich König der Kelten gewesen sein soll, die wiederum von den Angelsachsen verdrängt wurden.
Hier scheint genau das gleiche Phänomen vorzuliegen, daß man sich ein möglichst "leuchtendes Vorbild" sucht, um selbst in einem möglichst guten Licht zu erscheinen.
Klar ist aber auch, daß bei der Einwanderung der Slawen auf dem Balkan - wie überall - niemals die ganze Bevölkerung zu 100 % ausgetauscht wird. Reste der ursprünglichen Bevölkerung bleiben immer zurück, auch wenn sich die Sprache auch bei der Urbevölkerung der Mehrheit angleicht. So ist es zwar nicht ganz richtig, wenn sich das heutige Mazedonien in der Tradition des antiken Makedonien sieht, aber auch nicht so ganz falsch.
Die sauberste Lösung wäre vielleicht, wenn sich die Republik Mazedonien mit der griechischen Region Makedonien zu einer gemeinsamen "Kulturregion" zusammenschließen würde. In einem geeinten Europa wäre solch eine Lösung m. E. durchaus denkbar.
Hier noch zwei Karten dazu:

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Drago
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Dietrich hat geschrieben:Vor allem in Balkanforen wird folgende Frage aufgeworfen: Inwieweit können sich die Einwohner des heutigen Mazedonien als Nachfahren der antiken Makedonen betrachten?
Eigentlich gar nicht. Schließlich wurden die antiken Makedonier erst hellenisiert und als die Slawen sich im 6. Jhd. und 7. Jhd. nach Christus in Makedonien niederließen gab es die antiken Makedoniern schon nicht mehr.
Die slawischen Makedonier leiten ihren Anspruch auf den nahmen auch nicht von den antiken Makedoniern ab, sondern von dem Namen der Region und von dem Namen Makedonija, der schon seit dem 19. Jhd. für diese Region verwendet wurde.
Dietrich
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Drago hat geschrieben: Die slawischen Makedonier leiten ihren Anspruch auf den nahmen auch nicht von den antiken Makedoniern ab, sondern von dem Namen der Region und von dem Namen Makedonija, der schon seit dem 19. Jhd. für diese Region verwendet wurde.
Die slawischen Mazedonier betrachten sich als Nachfahren der antiken Makedonen, was in dieser verkürzten Form unzutreffend ist. Die Slawen haben weder ethnisch noch sprachlich etwas mit dem antiken Volk der Makedonen zu tun.

Als die Slawen ab dem 6. Jh. n. Chr. auf den Balkan einwanderten, überschichteten sie die dort ansässige Restbevölkerung, d.h. vor allem romanisierte Illyrer und Thraker, die ihre Sprache und ethnische Identität aufgaben und sich den Slawen assimilierten. Im makedonischen Raum lebte damals eine griechische Bevölkerung, denn die antiken Makedonen hatten bereits zur Zeit des Hellenismus vor der Zeitenwende ihre Sprache und Eigenständigkeit zugunsten der griechischen Identität aufgegeben.

Als die Slawen ab dem 6. Jh. den Balkan besiedelten, setzte sich im Norden Makedoniens eine slawische Identität durch, während im südlichen Landesteil Griechisch bestimmend blieb.

Die Slawen Mazedoniens können also keine ethnische Kontinuität für sich beanspruchen, denn sie haben lediglich eine griechische Restbevölkerung aufgesogen. Ein solches Szenario ist weltweit an der Tagesordnung, denn in nahezu allen Regionen gibt es solche Überschichtungs- und Assimilierungsvorgänge. So überschichteten die Germanen eine romanisierte keltische Bevölkerung in Bayern, die Angeln und Sachsen die keltische Bevölkerung Britanniens, die Türken die griechische Bevölkerung Kleinasiens und die Slawen die romanisirte Bevölkerung des Balkans.
Paul
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Dietrich hat geschrieben:Die Slawen Mazedoniens können also keine ethnische Kontinuität für sich beanspruchen, denn sie haben lediglich eine griechische Restbevölkerung aufgesogen. Ein solches Szenario ist weltweit an der Tagesordnung, denn in nahezu allen Regionen gibt es solche Überschichtungs- und Assimilierungsvorgänge. So überschichteten die Germanen eine romanisierte keltische Bevölkerung in Bayern, die Angeln und Sachsen die keltische Bevölkerung Britanniens, die Türken die griechische Bevölkerung Kleinasiens und die Slawen die romanisirte Bevölkerung des Balkans.
Eine teilweise Abstammung reicht doch für die Empfindung von Kontinuität, auch wenn sich das nicht o. nur wenig sprachlich widerspiegelt.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
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dieter
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Lieber Paul,
die mazedonische Bevölkerung in Griechenland wird sich als Griechen fühlen, egal wie viel Reste der griechischen Bevölkerung übrig geblieben war. Insoweit hast Du recht. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Revan1821
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Dietrich hat geschrieben:Vor allem in Balkanforen wird folgende Frage aufgeworfen: Inwieweit können sich die Einwohner des heutigen Mazedonien als Nachfahren der antiken Makedonen betrachten?

Die seit dem 6. Jh. n. Chr. auf den südlichen Balkan vordringenden Slawen haben die dort wohnende griechische Bevölkerung, die durch Krieg und Verwüstungen stark dezimiert war, überschichtet. Insofern muss man die heutigen Mazedonier ethnisch als ein Gemisch von Slawen mit einem geringen griechischen Anteil betrachten. Anders als in Griechenland hat jedoch der slawische Bevölkerunsanteil stark überwogen, sodass sich im makedonischen Raum eine slawische Sprache durchsetzte.

Dennoch muss man den heutigen Mazedoniern zubilligen, dass eine ihrer zentralen Wurzeln auf das antike Makedonien zurückgeht. Ein Volk speist sich aus vielen Quellen und trotz eines Sprachwechsels wird die Geschichte fortgesetzt.

Wir haben hier letztlich das gleiche Problem wie bei den Türken, wo ebenfalls die Frage auftaucht, inwieweit sie die Geschichte des griechischen Byzanz fortsetzen.
die slawischen mazedonier nennen sich nur mazedonier aind aber keine... vor allem kann man nicht von Geschichte fortsetzen reden den das antike makedonien war nicht mal da wo das heutige slawische mazedonien ist sondern weiter südlich da wo das griechische und richtige makedonien ist und da leben heute noch makedonen und nennen sich nun mal griechen das ist wie mit den schwaben die sind auch deutsche.... dort wo das heutige slawische mazedonien oder der richtige name FYROM ist war in der antike das königreich paionien... alexander eroberte dieses gebiet aber das macht es nicht zu makedonien... mit dieser logil könnte die türkei, syrien, israel, ägypten und iran sich makedonien nennen und sagen alexander war einer von ihnen
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Barbarossa
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Griechenland und Mazedonien haben sich am Wochenende auf einen vorläufigen Kompromiss geeinigt.
Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien will sich demnach noch in diesem Jahr in ,,Republik Nord-Mazedonien'' umbenennen - im Gegenzug wird das Land auf jegliche Gebietsansprüche auf Griechenlands Region Makedonien verzichten.
Das Abkommen ist in beiden Ländern bei Teilen der Bevölkerung umstritten - in beiden Ländern kam es zu wütenden und auch gewalttätigen Protesten mit Zusammenstößen mit der Polizei und mit Verletzten.

Quellen:
http://www.deutschlandfunk.de/abkommen- ... _id=420603
https://www.blick.ch/news/ausland/nach- ... 09863.html
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Barbarossa
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Am Freitag, dem 11. Januar hat das Parlament der ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien der Namensumbenennung in ,,Republik Nordmazedonien'' mit der notwendigen 2/3 - Mehrheit zugestimmt.
Dies hat in Griechenland eine Regierungskrise ausgelöst, da auch das Griechische Parlament der Umbenennung zustimmen muss. Dies ruft aber Widerstände beim Regierungspartner der regierenden Syriza-Partei - der rechten Anel-Partei ,,Unabhängige Griechen'' hervor. Der Verteidigungsminister Panagiotis Kammenos trat von seinem Amt zurück. Ministerpräsident Alexis Tsipras hat danach angekündigt, im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen. Der Ausgang ist offen.
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/g ... 47800.html
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