Leitkultur? Wertesysteme?

Grundgesetz, Gesetzesfragen, Wahlen, bundespolitische Ereignisse, Polizei

Moderator: Barbarossa

Wallenstein

Ruaidhri
Sich so zu separieren, dass man komplett und bewusst außerhalb der Landeskultur bleibt, zu fordern, dass diese allenthalben Rücksicht nehmen muss oder gar gegen diese anzugehen,- das geht nicht.

Das ist richtig. Die australische Gesellschaft hat sich allerdings in den letzten Jahrzehnten erheblich verändert und zwar mehr in Richtung meiner Wertvorstellungen. Durch die vielen neuen Einwanderer, jetzt erstmals auch aus Asien und anderen Kontinenten und seitdem sich das Land dem Tourismus geöffnet hat seit Ende der siebziger Jahre ist es ein wenig „zivilisierter“ geworden. Vorher war die australische Gesellschaft sehr isoliert und abgeschottet gewesen. Die Kneipen haben jetzt vernünftige Öffnungszeiten und sind auch besser eingerichtet, nicht mehr so verkommen wie früher. Sie dürfen jetzt auch von Frauen besucht werden. Die Schlägereien haben ebenfalls aufgehört. Die Arbeitsmoral ist wesentlich besser geworden, unter anderem durch die konservativen Regierungen, die ähnlich wie Thatcher in England, die Macht der Gewerkschaften stark eingeschränkt haben. Streiks gibt es nur noch selten, das hängt auch zusammen mit dem Niedergang der Produktion und dem Wandel hin zur Dienstleistungsgesellschaft. Die Banker und IT-Experten streiken normalerweise nicht. Auch die Frömmigkeit ist verschwunden, vermutlich weil am Wochenende die Geschäfte alle aufhaben, auch am Sonntag. Da muss man nicht mehr in die Kirche gehen. Die australische Gesellschaft hat sich der unserigen in vieler Hinsicht angeglichen. Hängt wohl zusammen mit der Modernisierung, denn in den sechziger Jahren war es bei uns auch nicht zum Besten bestellt.
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Barbarossa
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Wallenstein hat geschrieben:...

Aus diesen wenigen Beispielen wird vielleicht deutlich, dass es gar nicht so einfach ist, unter Menschen zu leben, die etwas anders gepolt sind als man selbst. Ich hatte aber nicht die Absicht, mich zu integrieren, wollte nicht jeden Abend saufen, anderen Leuten was in die Schnauze hauen, mit einem Surfbrett am Strand herumlaufen, jeden Sonntag in die Kirche gehen und bei jedem Essensgang beten. Ich hatte etwas andere Vorstellungen vom Leben, die diesen Leuten nun unverständlich waren.

...
Kann ich gut verstehen - ist alles auch nicht mein Ding.
:wink:
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Ruaidhri
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Wallenstein hat geschrieben:Ich hatte etwas andere Vorstellungen vom Leben, die diesen Leuten nun unverständlich waren.
Das geht mir in dem Land, in dem ich geboren wurde und lebe, allerdings oft so ähnlich.
Hängt wohl zusammen mit der Modernisierung, denn in den sechziger Jahren war es bei uns auch nicht zum Besten bestellt.
Das ist für Australien ( und auch Neuseeland) richtig, und zweitens ein Phänomen, das sich innerhalb Europas beobschten lässt. So ein bisschen hat sich jeder vom anderen "abgeguckt", was passt, ohne die eigene Kultur zu verleugnen.
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LG Ruaidhri
Renegat
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Bei Wallensteins Beitrag über das Australien der 60er musste ich doch schmunzeln. Für diese Erfahrungen hättest du damals wie heute nicht so weit fahren müssen, Wallenstein. :D

Interessant an dem Beitrag ist der Aspekt Zeit und spezielle Gruppe, aber das weißt du ja, hast du ja später relativiert.


Was mir bes. aufgefallen ist, ist der Bereich Arbeit und Gewerkschaften. Ganz so tickten die auch in den 60ern in D nicht, das stimmt. Die zügelnde Wirkung auf Übereifrige oder bes. Ehrgeizige kommt mir dagegen sehr bekannt vor: "Mach nicht so schnell, du machst den Schnitt kaputt". Heute wahrscheinlich überall aus der Mode gekommen.

Schichtenspezifische Verhaltensweisen und deren Wandel in den letzten 50 Jahren zu untersuchen wäre auch ein Thema wert. Und welche Gruppen bes. traditionsverhaftet sind. Ich denke da z.B. an die Vereine, egal ob Sport- Schützen oder Kleingartenverein, da gelten schon spezielle Regeln, die schwer zu ändern sind.
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Barbarossa
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Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) hat mit einer 10-Punkte-These die Diskussion um die Leitkultur wieder angefacht. Die 10 Punkte drehen sich um die Themen: 

- soziale Gewohnheiten,
- Allgemeinbildung,
- Leistungsgedanke,
- Geschichte,
- Kulturnation Deutschland,
- Religion und christliche Prägung,
- Zivilkultur,
- Patriotismus,
- Europa,
- kollektives Gedächtnis

siehe dazu: http://m.faz.net/aktuell/politik/inland ... 94262.html
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Ruaidhri
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Manches an dem Papier ist  ganz richtig, manches halte ich für etwas engstirnig, und sehr vieles müsste man genuin deutschen Bürger*Innen und Bürgern genauso beibringen und abverlangen.
Auch den Leistungsgedanken wiederbeleben und den Wert der Bildung an sich fördern.
Das ist für viele der Migranten neu- muss gelernt und verstanden werden, mene Kollegen, die in rein deutschen Klassen unterrichten, stehen da aber vor genau den gleichen Problemen. Überhaupt, Geschichte, Kulturgeschichte kommt heute in den Schulen kaum noch vor- Deutschland/ Europa-zentrierte Themen sind out. Da werde ich dann dann doch zur deutsch- europäischen Patriotin, wenn ich die riesigen Defizite an Basiswissen sogar bei Abiturienten in Geschichte und Kultur erlebe.
Mit Patriotismus muss nicht jeder etwas anfangen können, wenn es über den Respekt und die Akzeptanz der Verfassung und grundlegender gesellschaftlicher Übereinkünfte geht. Wenn ich mal ganz glashart unsere Regeln, unsere Sitten als in manchem Punkt unverhandelbar darstelle, ist das nicht nur "deutsch", gleiche und ähnliche Werte werden auch in anderen Ländern vertreten. 
Barbarossa hat geschrieben: Religion und christliche Prägung
Es lässt sich nicht leugnen, dass Deutschland und Europa im Guten wie im Schlechten christlich geprägt wurden. Trotzdem passt mir der Satz als demonstrative Überschrift zu den dann etwas anderen Ausführungen nicht so wirklich. Religion ist eben nur eine von vielen möglichen Prägungen.
Wo Religion gelebt wird, wichtigster Satz, hat http://www.faz.net/aktuell/politik/inla ... 62.htmlsie das in Frieden zu handhaben und unter den staatlichen Gesetzen.
Zitat aus der FAZ:
http://www.faz.net/aktuell/politik/inla ... 94262.html
"De Maizière wirft abschließend auch die Frage auf, was mit jenen Menschen passieren solle, die nach Deutschland gekommen seien und eine Bleibeperspektive hätten, eine solche Leitkultur im schlimmsten Fall aber ablehnen würden. „Bei denen wird die Integration wohl kaum gelingen“, schreibt der Innenminister. Im Umgang mit diesen Menschen sollte man sich dann von der Unterscheidung zwischen dem Unverhandelbaren und dem Aushaltbaren leiten lassen."

Der letzte Satz ist mir zu kryptisch. Was muss aushaltbar sein? Wo werden allgemeingültige Grenzen gezogen? Was soll mit jenen geschehen, die die jegliche "Leitkultur", also auch Werte ablehnen? Müssen wir auf Risiko damit leben?
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Barbarossa
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Ich denke auch, dass diejenigen dann eben keine dauerhafte Bleibeperspektive haben und frühestmöglich zurückgeschickt werden müssen, nämlich dann, wenn die Gründe für ihre Flucht entfallen sind. Menschen, die unsere Werte und Kultur grundlegend ablehnen, können wir hier nicht gebrauchen.
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Ruaidhri
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Barbarossa hat geschrieben:Menschen, die unsere Werte und Kultur grundlegend ablehnen, können wir hier nicht gebrauchen.
Das ist mir Freitagso ähnlich rausgerutscht- und sieh an, alle konnten das sowohl verbal als "politisch" verstehen, bis auf den einen, dem ich das ziemlich wütend an den Kopf warf.
Ich bin ja nun nicht so die erklärte Patriotin, aber wenn es sein muss, dann doch.
Integration ist ein langer Prozess, weil es so viel zu lernen und zu erfahren gibt. Wer sich jedoch offenkundig verweigert, hat kein Bleiberecht.
Man kann umgekehrt auch von den Zuwanderern lernen, nicht alles schlecht, was sie mitbringen, das passt dann aber auch ins Leben und in die Kultur,bzw. kann der unsrigen positive Impulse geben.
Sicher ist, dass es einfacher ist, wenn die Menschen Kontakt zu Deutschen haben.
Integration heißt nur eben nicht, die eigene Kultur komplett aufzugeben. Gilt für beide Seiten, den Damen Roth und Göring-Eckart trage ich als Nicht-Patriotin da einiges nach.
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LG Ruaidhri
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