Mietwohnungsmarkt in Deutschland/Europa

Grundgesetz, Gesetzesfragen, Wahlen, bundespolitische Ereignisse, Polizei

Moderator: Barbarossa

Renegat
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Das Thema gehört zu den Fragen, die in verschiedenen Threads gestreift wurden. Kein Wunder, hat D mit 58 % mit die höchste Mieterquote.
In Deutschland gibt es rund 40 Millionen Wohnungen, darunter knapp 24 Millionen Mietwohnungen. 14 Millionen davon werden von Kleinanbietern oder Privatleuten zur Miete angeboten. Knapp 15,9 Millionen Wohnungen werden von den Eigentümern selbst bewohnt. Professionell-gewerbliche Anbieter bewirtschaften in Deutschland mehr als 9 Millionen Mietwohnungen. Als bedeutende Teilgruppen der professionell-gewerblichen Anbieter lassen sich die Genossenschaften, die Wohnungsunternehmen mit kommunaler Mehrheitsbeteiligung sowie privatwirtschaftliche Wohnungsunternehmen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft unterscheiden. Sie bewirtschaften fast 80 % der Wohnungsbestände der professionellen Bestandshalter. Die Mieterquote liegt in Deutschland bei rund 58 % und weist damit einen besonders großen Mietermarkt im europäischen Vergleich auf.
aus http://web.gdw.de/wohnen-und-stadt

Aktueller Anlaß das Thema separat zu diskutieren, ist für mich die anstehende Fusion Annington/Gagfah, beides börsennotierte industriealisierte Wohnungsunternehmen.
Von der "Industriealisierung in der Wohnungswirtschaft" habe ich in irgendeinem Artikel gelesen, der war es nicht. http://www.stern.de/wirtschaft/immobili ... 56860.html
Was haltet ihr davon?
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Gontscharow
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Vor einigen Jahren wurde in meiner Stadt eine Wohnsiedlung an ein weltweit agierendes
australisches ( ! ) Unternehmen verkauft.
Diese Wohnsiedlung war in den 70 er Jahren mit öffentlichen Mitteln gebaut worden, die
Stadt hielt über eine Tochterfirma, an der sie beteiligt war, einen gewissen Anteil an diesen Wohnungen.
Die Siedlung hatte sich zum sozialen Brennpunkt entwickelt, sie kostete mehr als sie einbrachte.
Also entschloß sich die Stadt zum Verkauf - in Zeiten finanzieller Not der Kommunen wäre eine solche
Siedlung nicht mehr tragbar.
Bereits als ich davon hörte dachte ich mir "Jetzt wird es noch teurer für die Stadt." In der Tat, die Wohnsiedlung
und ihre Bewohner verschwinden ja nicht dadurch aus dem Stadtgebiet, indem man sie nach Australien verkauft ...
an eine Heuschrecke, wie sich fast schon erwartungsgemäß herausstellte. Außer Mieten zu kassieren und dafür null
Gegenleistungen zu erbringen, was Instandhaktungen etc. betrifft, hat die australische Firma nichts gemacht.
Die Ruinen werden recht bald an die Stadt zurückfallen, die Kosten werden immens sein und den Verkaufserlös bei weitem
übersteigen.
Mir kann niemand erzählen, daß die Experten der Stadt dies nicht vorausgesehen haben. Die aktuelle Haushaltsnotlage war
aber wichtiger als Kosten in der Zukunft.
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Barbarossa
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Tja, über die Gagfah habe ich eigentlich auch nur negative Dinge gehört. Die gibt es hier im Ort auch.
Gerade im Wohnungsbereich wird in Deutschland z. Z. sehr viel Mist gebaut. Dabei ist gerade das ein elementares Grundbedürfnis.
Keine Ahnung, wo das hinführen soll, wenn ständig an irgendwelche Heuschrecken verkauft wird. Ich würde bei Mietswohnungen die Rechtsform der Genossenschaft favorisieren.

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Renegat
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Gontscharow hat geschrieben:Vor einigen Jahren wurde in meiner Stadt eine Wohnsiedlung an ein weltweit agierendes
australisches ( ! ) Unternehmen verkauft.
Diese Wohnsiedlung war in den 70 er Jahren mit öffentlichen Mitteln gebaut worden, die
Stadt hielt über eine Tochterfirma, an der sie beteiligt war, einen gewissen Anteil an diesen Wohnungen.
Die Siedlung hatte sich zum sozialen Brennpunkt entwickelt, sie kostete mehr als sie einbrachte.
Also entschloß sich die Stadt zum Verkauf - in Zeiten finanzieller Not der Kommunen wäre eine solche
Siedlung nicht mehr tragbar.
Bereits als ich davon hörte dachte ich mir "Jetzt wird es noch teurer für die Stadt." In der Tat, die Wohnsiedlung
und ihre Bewohner verschwinden ja nicht dadurch aus dem Stadtgebiet, indem man sie nach Australien verkauft ...
an eine Heuschrecke, wie sich fast schon erwartungsgemäß herausstellte. Außer Mieten zu kassieren und dafür null
Gegenleistungen zu erbringen, was Instandhaktungen etc. betrifft, hat die australische Firma nichts gemacht.
Die Ruinen werden recht bald an die Stadt zurückfallen, die Kosten werden immens sein und den Verkaufserlös bei weitem
übersteigen.
Mir kann niemand erzählen, daß die Experten der Stadt dies nicht vorausgesehen haben. Die aktuelle Haushaltsnotlage war
aber wichtiger als Kosten in der Zukunft.
Naja, geahnt haben sie es vielleicht, aber kurzfristig brachte es Einnahmen und vor allem entsprach es der Politik vom schlanken Staat usw.
Man darf auch nicht vergessen, dass es wahrscheinlich überwiegend Wohnhäuser in schlechterem Zustand waren, die auch schon im Besitz der öffentlichen Hände einen gewissen Instandhaltungsrückstand hatten. Hätten sie den Kommunen noch Geld gebracht, wären sie nicht verkauft worden. Zu erwarten, dass internationale Finanzinvestoren, neben dem Kauf auf Kredit, noch weiteres Geld in die Hand nehmen, um die Häuser auch in schwachen Lagen top instandzusetzen, wäre zu blauäugig gewesen.

Was aus den Häusern werden wird, kommt auf die Lage an, das Grundstück gehört denen schließlich auch. In guten Lagen könnte man bis zur Abrissreife abwohnen lassen, dabei über Hartz IV-Mieten noch sichere Renditen erlösen und irgendwann weiterverkaufen und schick und teuer neu bebauen.
In schwächeren Lagen hat man eben Wohn-Lidl für Arme, ein Hoch auf die diversifizierten Märkte. :(
Renegat
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Barbarossa hat geschrieben: Gerade im Wohnungsbereich wird in Deutschland z. Z. sehr viel Mist gebaut. Dabei ist gerade das ein elementares Grundbedürfnis.
Genauso elementar wie Essen, Trinken und Kleidung.

Barbarossa hat geschrieben:Keine Ahnung, wo das hinführen soll, wenn ständig an irgendwelche Heuschrecken verkauft wird. Ich würde bei Mietswohnungen die Rechtsform der Genossenschaft favorisieren.
Ob aktuell noch an Heuschrecken verkauft wird, weiß ich nicht. Annington und Gagfah sind vor ca 10 Jahren in die Hände von Finanzinvestoren geraten. Die Gagfah-Wohnungen gehörten früher der deutschen Rentenversicherung. Jetzt sichern sie das Einkommen der Aktionäre.

Mit den Genossenschaftswohnungen liegst du idR richtig, sind zu Unrecht etwas aus der Mode gekommen. http://de.wikipedia.org/wiki/Wohnungsba ... Geschichte
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Barbarossa
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Eine aktuelle Nachricht:
Der Bundestag hat gestern die Mietpreisbremse beschlossen. Danach müssen zunächst die Bundesländer Wohngebiete in ihrer Region per Verordnung als "angespannte Wohnungsmärkte" ausweisen. Nur dort dürfen die Mieten dann laut Gesetz nicht mehr beliebig steigen. Wenn ein Vermieter nach inkrafttreten des Gesetztes seine Wohnung in dieser Zone neu vermietet, darf die Miete höchstens um zehn Prozent über der einer vergleichbaren Wohnung liegen. Das für die Mietpreisbremse zuständige Bundesverbraucherschutzministerium gibt als Maßstab den örtlichen Mietspiegel oder vergleichbare statistische Erhebungen zu Mietpreisen an.
Kritik gibt es, da das Gesetz zu viele Ausnahmen enthalte. So gilt die Mietpreisbremse nur für Neuvermietungen.
Für den Schutz von Mietern, die bereits in einer Wohnung leben, gibt es bereits eine andere Regelung: Seit dem 1. Mai 2013 können die Bundesländer für Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt festschreiben, dass Mieten in bestehenden Wohnungsverträgen innerhalb von drei Jahren nur noch um maximal 15 Prozent erhöht werden dürfen.
Zudem sind Wohnungen, die nach dem 1. Oktober 2014 neu gebaut wurden, von der Mietpreisbremse ausgenommen.
Weiterhin sind Wohnungen ausgenommen, die umfassend saniert wurden und danach erstmals neu vermietet werden. Damit können auch künftig Wohnungssuchende so durch sogenannte Luxussanierungen in attraktiven Stadtvierteln aus ihrem Kiez vertrieben werden.
Das Gesetz hat eine Gültigkeitsdauer von zunächst nur fünf Jahren.

Artikel lesen: >> Mietpreisbremse - Was die Mieten bremst und was nicht << (zeit.de)
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Paul
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Wohnort: Mittelhessen an der Loganaha

Die beste Garantie für günstigen Wohnraum ist, das genügend gebaut wird. Es gibt aber viele Bremsen für den Wohnungsbau.
--Viele Eigenheimbesitzer vermieten nicht mehr, weil sie Angst vor Mietern haben, die nicht bezahlen o. sich rücksichtslos Verhalten z.B. weil sie psychisch krank sind. Räumungsklagen dauern zu lange und sind für den Vermieter teuer.
-Vermieten ist nicht unbedingt rentabel. Wer steckt sein Geld in eine unrentable Geldanlage? Es gibt immer mehr Auflagen, die vernünftig klingen, aber Wohnen verteuert.
-Der Staat und Wohnungsbaugesellschaften bauen so teuer, das sie sich sozialen Wohnungsbau nicht leisten können. Sie sind ja auch so schon verschuldet und können kaum Reparaturen in die Infrastruktur vornehmen.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
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Triton
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Naja, Rentenfonds investieren immer noch in Immobilien. Wenn auch die Renditen rückläufig sind. Aber bei dem gegenwärtigen Zinsniveau und den Blasenbildungen in sonstigen Märkten eine sehr vernünftige Anlage.
Aus der Immobilienblase 2007 und der Pleite mit den Ostimmobilien nach der Wende sind Investoren natürlich vorsichtig geworden, deshalb sehe ich in mittelbarer Zukunft keinen Bauboom und einen weiter angespannten Markt, die Mietpreisbremse kam nicht umsonst.
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
Renegat
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Paul hat geschrieben:Die beste Garantie für günstigen Wohnraum ist, das genügend gebaut wird. Es gibt aber viele Bremsen für den Wohnungsbau.
Irgendwo bauen bringt es nicht, bei Immobilien zählt allein die Lage und die hat entscheidenden Einfluss auf die Preise.
Wir haben z. Zt. einen Trend in die Ballungsräume und dort möglichst zentrumsnah in die Stadtteile mit guter Infrastruktur. Das hat viele Gründe, nicht zuletzt die Wegezeit, Kosten und Nerven, die man sonst für´s tägliche Pendeln verschwendet.
In begehrten Lagen sind die Grundstücke rar und die Preise entsprechend. Da baut man keine sozialen Schlichtwohnungen hin, wo die Investition über Miete oder Verkaufspreis nicht in 10-15 Jahren wieder reinkommt. Mit billigen Krediten wie früher beim sozialen Wohnungsbau kann man heute auch keinen Investor mehr locken, Geld ist auf dem freien Markt so billig wie noch nie zu haben.
Die Profiinvestoren sind vorsichtig geworden, auch durch ihre Erfahrungen mit den Ostimmobilien. Aus der Fläche zieht man sich zurück und investiert bei Mietwohnungen nur noch in den Ballungsräumen.
Ob die Mietpreisbremse funktionieren wird? Man wird sehen, ich bin eher skeptisch, da Staat, Kommunen und andere öffentliche Daseinsvorsorger sich aus dem Mietwohnungsmarkt immer mehr zurückziehen. Wenn man keinen direkten Einfluss auf Miethöhe und Vergabe von Wohnungen mehr hat, ist das schwer durch Gesetze und komplizierte Regelungen auszugleichen.
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dieter
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Triton hat geschrieben:Naja, Rentenfonds investieren immer noch in Immobilien. Wenn auch die Renditen rückläufig sind. Aber bei dem gegenwärtigen Zinsniveau und den Blasenbildungen in sonstigen Märkten eine sehr vernünftige Anlage.
Aus der Immobilienblase 2007 und der Pleite mit den Ostimmobilien nach der Wende sind Investoren natürlich vorsichtig geworden, deshalb sehe ich in mittelbarer Zukunft keinen Bauboom und einen weiter angespannten Markt, die Mietpreisbremse kam nicht umsonst.
Lieber Joerg,
ich sehe auch keinen Bauboom und die Mietpreisbremse war unbedingt nötig. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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Triton
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Beste Lage ist immer die mit Einkaufsmöglichkeiten, Verkehrsanbindung, Ärzten etc. in direkter Umgebung und gleichzeitig mitten im Grünen. So was gibt es nur in der Praxis höchstselten. Die wohlhabendere Klientel sucht meiner Erfahrung nach einen Kompromiss zwischen Natur und erträglicher Nähe zu Ballungsgebieten, zentrumsnah wohnen dann eher junge Familien und Senioren, die auf gute Verkehrsanbindung angewiesen sind. Kinder und Senioren haben keine Autos (mehr).

Vor einigen Jahren war ich bei einem Vortrag des Eigentümerverband meines Kreises, dort wurde der Kreis in 4 Preisklassen nach Ort eingeteilt, die Städte selbst waren in der Kategorie 2 von unten, am teuersten die prominenten Vororte mit ruhiger Peripherie.
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Renegat
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Triton hat geschrieben:Beste Lage ist immer die mit Einkaufsmöglichkeiten, Verkehrsanbindung, Ärzten etc. in direkter Umgebung und gleichzeitig mitten im Grünen. So was gibt es nur in der Praxis höchstselten. Die wohlhabendere Klientel sucht meiner Erfahrung nach einen Kompromiss zwischen Natur und erträglicher Nähe zu Ballungsgebieten,
Wer es sich leisten kann, wird so suchen, das stimmt. Nur sind es immer weniger Menschen, die es sich leisten können, allein nach solchen Wunsch- und Idealkriterien ihren Wohnsitz zu wählen. Die überwältigende Mehrheit muß Kompromisse machen. Wir sprechen ja hier vom Mietwohnungsmarkt. Die Villa am Stadtrand oder in der ruhigen Seitenstraße neben einem Zentrum wird selten gemietet, meist vererbt oder verkauft.

Triton hat geschrieben:....zentrumsnah wohnen dann eher junge Familien und Senioren, die auf gute Verkehrsanbindung angewiesen sind. Kinder und Senioren haben keine Autos (mehr).
Allein der Autonichtbesitz bringt junge Familien und Senioren nicht zusammen. Früher zogen die jungen Familien in die Peripherie, die damals Speckgürtel genannten Reihenhaussiedlungen mit den Handtuchgärten um die Städte. In diesen Siedlungen nähern sich viele Bewohner heute dem Seniorenalter und fliehen vor dem "Leben auf der Treppe" in die zentrumsnahen Stadtteile mit guter Infrastruktur. Und da diese Generation die Mehrheit darstellt, hat das erhebliche Auswirkungen.
Außerdem versuchen die Großstädte die jungen Familien in den Städten selbst zu halten, was viele Gründe hat.
Triton hat geschrieben:Vor einigen Jahren war ich bei einem Vortrag des Eigentümerverband meines Kreises, dort wurde der Kreis in 4 Preisklassen nach Ort eingeteilt, die Städte selbst waren in der Kategorie 2 von unten, am teuersten die prominenten Vororte mit ruhiger Peripherie.
Das mag so sein, bildet aber nicht den Massenbedarf ab.
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Triton
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Renegat hat geschrieben:Das mag so sein, bildet aber nicht den Massenbedarf ab.
Sprichst Du da aus eigener Erfahrung?
Meiner eigenen Erfahrung nach haben viele Mietinteressenten Haustiere, platzgreifende Hobbies etc., die interessiert die Mietskaserne in Zentrumsnähe nicht die Bohne. Genau von dort, aus der Enge, der Anonymität und der Betonumwelt wollen die alle raus und aufatmen.

Wichtig ist nur, dass Ballungszentren erreichbar sind und die Infrastruktur stimmt.
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Renegat
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Renegat hat geschrieben:Das mag so sein, bildet aber nicht den Massenbedarf ab.
Triton hat geschrieben:Sprichst Du da aus eigener Erfahrung?
Meiner eigenen Erfahrung nach haben viele Mietinteressenten Haustiere, platzgreifende Hobbies etc., die interessiert die Mietskaserne in Zentrumsnähe nicht die Bohne. Genau von dort, aus der Enge, der Anonymität und der Betonumwelt wollen die alle raus und aufatmen.

Wichtig ist nur, dass Ballungszentren erreichbar sind und die Infrastruktur stimmt.
Mmh, das sind unterschiedliche Wohnungsmärkte, die du ansprichst, Triton. In kleineren Städten und auf dem Land könnte deine Beschreibung die Idealvorstellung sein. Solange man mit dem Auto fahren kann und es keine nervigen Staus gibt, kann man in den Einkaufscentern an den Ausfallstraßen einkaufen. Im Zentrum gibt es in Großstädten selten Lebensmittel und täglichen Bedarf, den kauft man im Stadtteil oder an den Ausfallstraßen auf dem Heimweg.
Mietskasernen in Zentrumsnähe gibt es in meiner Stadt eigentlich nicht. Direkt um das Zentrum liegen die alten Gründerzeitviertel mit sehr gemischten Mietwohnungsbestand. Viele Häuser sind schon lange in Eigentumswohnungen umgewandelt und saniert. Nach meinen Erfahrungen ist dieser Gründerzeit/WR-Gürtel ganz typisch für die meisten deutschen Großstädte. Die Städte haben sich aus den Zentren heraus kreisförmig ausgebreitet.
Der Baustil der Gründerzeit und der Weimarer Republik hat sich bewährt und deshalb sind diese Viertel nach wie vor beliebt und werden bei regelmäßiger Sanierung gerne nachgefragt. Das sind auch die Viertel, in die die älteren Reihenhaussiedlungsflüchtlinge drängen, genauso wie junge Familien, eben weil sich vieles ohne Auto erledigen läßt.
Baugeschichtlich schließen daran die Nachkriegsbauten an. In den 50/60ern baute man noch die klassischen Viergeschosser und wenn diese saniert und in ordentlicher Lage sind, werden die weiter gerne gemietet. Alle großen Vermieter haben diese 50/60er Wohnungen im Bestand und halten die in Großstädten gerne.
Was in Ballungsräumen die meisten Probleme bereitet, sind die Betonentgleisungen der 70er, diese riesigen Wohnmaschinen, im Osten Plattenbau genannt, im Westen Großwohnanlage. Da wollen alle raus und nur die "armen Socken", die sonst keine Chance auf dem Wohnungsmarkt haben, müssen zwangsläufig da wohnen. Was logischerweise zu Problemvierteln und Ghettos führt. Diese Betonmonster liegen idR nicht zentrumsnah, sondern meist in den äußeren Vierteln von Großstädten, was logisch ist, denn die dazu benötigten großen freien Grundstücke waren schon in den 70ern bis auf Industriebrachen mehr in der Peripherie zu finden.
Aus meiner Sicht ist die beschriebene Struktur typisch für deutsche und europäische Großstädte, die ja selten Neugründungen waren, sondern seit dem Mittelalter wuchsen.
Natürlich gibt es Ausnahmen wie Salzgitter oder einige Städte im Ruhrgebiet.

Heute können sich wahrscheinlich nur Rentner aussuchen, wie und wo sie wohnen wollen. Alle anderen berücksichtigen immer stärker den Weg zur Arbeit. Und da die Arbeitsplätze idR nur in den Ballungsräumen massenhaft vorhanden sind, ist der Trend dorthin ungebrochen und wird weiter ansteigen. Der ländliche Raum dagegen verödet, nicht nur im Osten aber da besonders stark. Auf dem Land, jedenfalls in Gebieten, die nur von Landwirtschaft leben, gibt es schon lange keine Arbeitsplätze mehr. Die Dörfer und Kleinstädte im Westen haben mit Ausweisung von Gewerbegebieten teilweise erfolgreich dagegen gekämpft.
Auch im Osten hat man in den frühen 90ern versucht, solche Minigewerbegebiete neben Kleinstädten zu etablieren. Ob dieses bewährte Mittel der Landesentwicklung dort was gebracht hat, bezweifle ich allerdings. Die Flucht aus dem ländlichen Osten hält ja bis heute an.
Die Entwicklung in den östl. Ballungsräumen ist dagegen ähnlich wie im Westen. Aus Leipzig habe ich dazu erst kürzlich einen Vortrag gehört. Bei Dresden weiß ich es nicht. Magdeburg ist schwierig, da ist viel Geld hingeflossen, die Innenstadt ist perfekt erneuert, ob dort allerdings das Leben tobt, kann ich nicht beurteilen. Die Ausweisung von Neubaugebieten auf der grünen Wiese rundum Magdeburg in den frühen 90ern war jedenfalls ein Flop, soviel weiß ich aus Erfahrung. Und das wären ja eigentlich die Wohnformen, die du meintest, Triton.
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Triton
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Renegat hat geschrieben:
Renegat hat geschrieben:Auch im Osten hat man in den frühen 90ern versucht, solche Minigewerbegebiete neben Kleinstädten zu etablieren. Ob dieses bewährte Mittel der Landesentwicklung dort was gebracht hat, bezweifle ich allerdings. Die Flucht aus dem ländlichen Osten hält ja bis heute an.
Im Osten gibt es. mit Ausnahme des Handwerks, wohl kaum Familienbetriebe, die im Westen einfach den Grundstock der Selbstständigen bilden.

Als ehemaliger Bewohner einer Großstadt kann ich Deinen Beschreibungen zustimmen. Aber echte Großstädte gibt es im Süden eher selten, typisch ist hier mit Ausnahme Münchens eher die Mittelstadt (<100000 Einwohner) mit dem entsprechenden Drumrum und das so alle 25 km. In BaWü bestimmt diese Struktur die Landschaft, echte ländliche Gegend gibt es fast nur auf der schwäbischen Alb und im Schwarzwald.
Und in dieser Struktur sind die besseren Lagen die mit viel Landschaft drumrum. Gestern war ich in einem Kaff (bis vor wenigen Jahren ohne Einkaufsmöglichkeit), dort wohnt der reiche Bonze neben dem reichen Bonzen. Erklärung: direkt am Ortsrand mit brauchbarer Aussicht.
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
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