Ausbluten ländlicher Gegend?

Landtagswahlen, Ministerpräsidenten, Regierungen und deren Entscheidungen

Moderator: Barbarossa

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Balduin
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Hallo,

ich würde gerne die Zukunft der ländlichen Gegend diskutieren, weil es meine Heimatstadt sehr betrifft.

Ellwangen ist eine Stadt mit einer Bevölkerung von etwas über 24.000 Einwohnern (mit Teilorten). Eine zentrale Einrichtung in Ellwangen war die Bundeswehr-Kaserne des Transportbataillons - im Zuge der Bundeswehr-Reform muss diese Kaserne aufgegeben werden.
In den letzten Monaten trafen weitere Schicksalsschläge die Stadt: Die Kriminalpolizei wird in eine größere Stadt verlegt, ein G9-Zug (für den alle Voraussetzungen gegeben waren) wurde an ein Gymnasium wiederum in der nächstgrößeren Stadt vergeben.
Heute hat die Presse (und eben nicht Stadtverwaltung oder Abgeordnete) erfahren, dass das Gefängnis 2015 aufgelöst wird.

Das ist ein Beispiel, mich würde jetzt aber generell interessieren: Welche Chancen und Möglichkeiten hat denn eine Kleinstadt in einer ländlichen Gegend überhaupt noch?
Man kann es wohl Zentralisierungswahn nennen: Wird das Ausbluten hingenommen, um die Großstädte zu stärken?

Was kann man in einer Kleinstadt tun, um diesen Entwicklungen entgegenzusteuern?


Das Thema brennt mir wirklich unter den Nägeln, deshalb hoffe ich auch auf eine starke Diskussion. Vielen Dank schonmal.
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He has called on the best that was in us. There was no such thing as half-trying. Whether it was running a race or catching a football, competing in school—we were to try. And we were to try harder than anyone else. We might not be the best, and none of us were, but we were to make the effort to be the best. "After you have done the best you can", he used to say, "the hell with it". Robert F. Kennedy - Tribute to his father
Renegat
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Ellwangen kenne ich nicht, 24000 EW ist jedoch ganz ordentlich. Ich kenne eine Kleinstadt derselben Größe im ländlichen Raum, der es ganz gut zu gehen scheint, obwohl die britischen Kaserne mit Flugplatz kleiner wurde.
Es gibt Arbeitsplätze vor Ort durch eine Traditionsfirma und ein expandierendes Gewerbegebiet.
Das Städtchen hat eine Mini-Fußgängerzone mit netten Einkaufsmöglichkeiten, Ärzte, Schulen, alles was Mensch so braucht.
Wenn Kleinstädte so ausgestattet sind, haben sie gute Überlebenschancen, weil es sich auch ohne Auto gut in ihnen leben läßt. Im Umfeld meiner heimischen Großstadt kenne ich weitere Städtchen dieser Größenordnung, die als Wohnort beliebt sind, weil sie ein ebenso gutes Angebot wie die oben beschriebene Kleinstadt im ländlichen Raum haben.

Schwieriger sehe ich die Dörfer, wer will da wohnen, wenn der letzte Laden zugemacht hat.
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Barbarossa
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Ich sehe das ähnlich wie Renegat.
Mit 24.000 Einwohnern hat Ellwangen ja fast so viele Einwohner wie meine (ehemalige) Heimatstadt Hennigsdorf, die ich in unserer "Heimatkunde" beschrieben habe. Damit würde ich die Stadt auch nicht als "Kleinstadt" bezeichnen, sondern schon als eine Stadt mittlerer Größe. Wenn sich der Staat Stück für Stück aus solch einer Stadt zurückzieht und Behörden abgezogen werden, dann bleibt ihr eigentlich nichts anderes übrig, als die Industrie anzulocken. Ich meine damit irgendein Produktions- oder (im Zeichen des Recyclings) einen Recyclingbetrieb.
Auf der Karte habe ich gesehen, daß es zahlreiche Seen in und um Ellwangen gibt - sowohl Stauseen, als auch Seen, die als Badeseen genutzt werden können. Auch hier wären verschiedene Nutzungmöglichkeiten denkbar:
Badeseen in Verbindung mit einem (oder mehreren) Erholungszentrum (-zentren, die vielleicht sogar miteinander konkurieren) und die Stauseen zur Energiegewinnung mittels Wasserkraft (vielleicht geschieht das auch schon?).

Also kurz und knapp: Es muß Industrie angesiedelt werden, wenn eine solche Stadt nicht ausbluten soll.
Im Grunde ist das Problem das gleiche, was hier im Osten seit über 20 Jahren abläuft:
Wenn es keine Arbeitsplätze mehr gibt, dann wandert vor allem die junge Generation dorthin ab, wo es Arbeit gibt. Diese Generation kann nicht 5, 10 oder gar 15 Jahre warten, bis sich die Situation langsam wieder verbessert. Es muß sofort Arbeit her. Wenn also wichtige Arbeitgeber abwandern, dann müssen neue angesiedelt werden, denn sonst setzt sich ein Teufelskreis in Gang, der kaum noch aufgehalten werden kann:
Die junge Generation wandert ab und lässt die älteren Generationen zurück. Da aber nur die junge Generation Nachkommen erzeugt, überaltert die Restbevölkerung und stirbt irgendwann langsam aus. Dadurch sinkt die Bevölkerungszahl immer weiter, bis der Ort zu unattraktiv für die Wirtschaft wird und sich auch nichts mehr ansiedeln möchte.
Insofern verstehe ich deine Sorge um deine Stadt schon.

Wenn du lust hast, dann beschreib doch deine Stadt auch einmal so ausführlich in unserer Heimatkunde, wie ich es mit Hennigsdorf getan habe.
:wink:
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Triton
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Ellwangen ist schon speziell, Ostalb eben. Da ziehen Menschen in aller Regel nur ungern hin, obwohl es dort eigentlich sehr schön ist. Hier im Großraum Stuttgart hat es viele Kleinstädte und Dörfer, die gut gedeihen. Im Grunde ist es ja egal, ob man jetzt in einem Dorf oder in einer Stadt ein paar Kilometer weit weg wohnt.

Süddeutschland ist sowieso keine Problemgegend.

Beste Grüße
Joerg
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dieter
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Triton hat geschrieben:Ellwangen ist schon speziell, Ostalb eben. Da ziehen Menschen in aller Regel nur ungern hin, obwohl es dort eigentlich sehr schön ist. Hier im Großraum Stuttgart hat es viele Kleinstädte und Dörfer, die gut gedeihen. Im Grunde ist es ja egal, ob man jetzt in einem Dorf oder in einer Stadt ein paar Kilometer weit weg wohnt.

Süddeutschland ist sowieso keine Problemgegend.

Beste Grüße
Joerg
Lieber Joerg,
damit hast Du sicherlich recht. Problematisch sind die Städte im Osten, wie in Meck-Pomm oder Brandenburg, die bis zu einem Drittel ihrer Einwohner verloren haben. Was ich sehe, ist wie die Bahn sich aus dem ländlichen Raum zurückgezogen hat. Reichelsheim im Odenwald hatte mal einen Bahnhof und hat heute nur noch eine Bahnhofstrasse. Der Bus fährt nur am Morgen und Abends, ohne Auto ist man dort aufgeschmissen. :evil:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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Peppone
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Triton hat geschrieben:Ellwangen ist schon speziell, Ostalb eben. Da ziehen Menschen in aller Regel nur ungern hin, obwohl es dort eigentlich sehr schön ist. Hier im Großraum Stuttgart hat es viele Kleinstädte und Dörfer, die gut gedeihen. Im Grunde ist es ja egal, ob man jetzt in einem Dorf oder in einer Stadt ein paar Kilometer weit weg wohnt.

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Beste Grüße
Joerg
Im Einzugsbereich großer Städte können sich kleinere Orte durchaus gut halten, weil man eben von der Großstadt profitiert.
Existiert eine Kleinstadt (und bis 30.000 Einwohner würde ich eine Stadt schon noch als Kleinstadt bezeichnen) aber quasi "allein in der Pampa", dann brauchts neben Geschäften und Dienstleistern schon auch noch was, wo die Leute das Geld verdienen können, das sie dann bei Geschäften und Dienstleistern ausgeben können...

Beppe
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