Sprachen und Schrift

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Moderator: Barbarossa

Aneri

Ich möchte ein Thread öffnen, wo um die Sprachen und Schriften geht. Ich möchte hier nicht für eine bestimmte Sprache mich festlegen. Es sollte um Vergleiche, Einfluss und Entwicklung der Sprachen bzw. Schriften gehen. Hier möchte ich auch ein Link zu älterem Thread geben, wo das Thema auch teilweise angerissen wurde: Die Entstehung der slawischen Ursprache (http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... 965#p12965)

Ich möchte hier Diskussion in Thread Die Aussprache des Russischen (http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... 7&start=15) fortführen, da es nicht nur um Russischen geht. Ich versuche kurzfassen, was mich beschäftigt. In russischen gibt es ein Laut - ein Buchstabe (manchmal - eher selten - Buchstabe wird nicht ausgesprochen, sie aber bewirkt das Aussprechen des vorhegehenden bzw. nachgehenden Lauts). Dennoch im Grunde kann man sagen: ein Laut - ein Schriftzeichen, wenn es auch darüber eine Variation gibt, wie etwa statt "o" oder "g" kann auch "a" oder "k" ausgesprochen werden (darüber geht es in o. e. Thread). Niemals aber wird ein Doppellaut für ein Zeichen ausgesprochen und auch kein Laut mit zwei Buchstaben, von den Jeder eine eigene Lautentsprechung hat. In oben beschrieben Fall, wenn ein Zeichen bewirkt das Aussprechen des nebenstehendes Lauts, hat das Zeichen keinen bestimmten, ihn repräsentierenden Laut. Es wird nur weich ausgesprochen (wie "t" in "pit" = trinken) oder die fliesende Ausprache zu trennen (wie in p´ot, liest man als "pjot" =trinkt) Diese zwei Buchstaben in russischen Alphabet haben einzige Bestimmung den Nachbarrnlaut bzw. Silbe zu "verfärben".

In Deutschen gibt es z. B. auffällige Doppellaut OI, das als EU aufgeschrieben wird. Gontcharow sagt, dass es für seinen Ohren gleich klingt. Nicht aber für meinen. O wandelt im Schriftzeichen zum E und I ->U. Beide Laute haben aber alphabetische Entsprechung, so dass dieser Wandel so einfach nicht zu erklären. Auch nicht mit einer mögliche Abstammung aus einem Wurzelwort, wo es doch als "E" und/oder "U" vorkommt. So etwa wie die Abweichungen des Geschriebenen und Gesprochenen in Russisch. Hier muss eine andere Ursache sein.

Lia hat geschrieben:
Weil der Franzose nunmal so spricht wie er schreibt- oder umgekehrt.
Tualette wäre klanglich für den Franzosen halt Tuallette= Tüalette.
"Tualette" Wird doch gar nicht so gesprochen, jedenfalls nicht im Französischen und auch nicht im Deutschen.
Es mag eine Abweichung von "U" und "A" geben, dennoch ist es zu vernachlässigen, wenn man über Unterschiede zum "O" und "I" denkt. Alphabetisch ist "O" wie Otto und "I" wie Ilse. Es ist doch gravierende Differenz zur Aussprache in Doppellaut.

Es gibt viele solche Beispiel in westlichen Sprachen. Meine erste These ist, dass dieser Unterschied des Russischen berüht auf die späteren Schrift, der dem Aussprache nachging (außer der Fälle, wo man Abstammung es verbietet). Die lateinische Schrift ist viel ältere. Nach Zerfall des Römischen Reiches waren die Kloster, die im Latein das Schrift und Sprache aufrechthielten. Ich nehme an, dass auch Politik hat Latein benutzt. In welcher Sprache und Schrift waren erste "internationale" Verträge geschrieben? Ich nehme an, es war Latein.

Ich kopiere hier den Beitrag, mit dem ich mein dieses Beitrag enden möchte:
Desweiterem hängt es mit der Besonderheiten lokalen Sprachen. Wir wissen von Dialekten, dass es bestimmte Verschiebungen, Abwandlungen in der Aussprache gibt, die ein Regelcharakter haben. So hatte ein germanischer Dialekt ein verbreiteten Doppellaut "oi", dagegen "eu" kaum einzutreffen. So wenn ein fremder Wort mit "eu" übernommen wurde, würde er umgeändert und mit heimische Aussprache "oi" verseht. Es gibt viele Beispiele von Dialektologen, dass es bestimmte Neigungen in heimischen Sprachen gibt, wenn sie Fremdwörter aneignen.

Es wäre am Einfachsten in dem Schrift die richtige Lautfolge wiedergeben. Dennoch Schrift bzw. Latein damals galt als Kommunikationsmittel für verschiedene Sprachen. So müsste es unverseht bleiben. Die Aussprache ging aber dem gewöhnten Weg, es würde von Sprechenden an ihre Sprache angepasst. Diese Differenz wurde später, wenn man sich schriftlich auf eigene Sprache unterhalten begann, nicht korrigiert. Es ist ein Indiz übrigens, dass die schriftliche Kommunikation in eigenem Sprachraum in diesen Ländern schon parallel zum Latein stattgefunden hat*. So die erste Grammatikreform müsste m. E. mehr mit der Vereinheitlichung der Grammatik zu tun, als schon festetablierte und von allem akzeptierte Schreibweise umändern.

*)es war m. E. der Fall in den damals (Mittelalter) kulturell entwickelten Ländern. In welche Sprache kommunizierten die Fürsten des Heiligen Römische Reiches?
Lia fragte, welchen Zeitraum ich meinte. Gerade - die Entwicklung - würde mich interessieren. So dass es nicht ein bestimmten Zeitraum bedeutet. Ich würde vielleicht nur obere Grenze setzen: mit der Erfindung des Druckes. Es ist logisch anzunehmen, dass gerade dieser Umstand hat die Latein als Kommunikationssprache endgültig verdrängt. Nur Schrift blieb, der von heimischen Sprachen benutzt wurde. Latein bleib nur für Religion und Wissenschaft (oder?)
Aneri

O-o-h, ich sehe schon, dass ich viel vereinfacht die Entwicklung des Schriftes in Westen vorgestellt habe. Hier gibt es ein interessanter Link über die Entwicklung des westeuropäischen Schriftes: http://www.typolexikon.de/s/schriftgeschichte.html (weiter Zitaten aus der Quelle)
Schon römischer Schrift war differenziert. Für die weitere Entwicklung (nach dem Niedergand der Römer) interessant sind römische Unzialis (4 Jhd) und Cursiva (als Verkehrsschift des Capitalis Quadrata und Capitalis Rustica – die klassischen Buchschriften der Römer), die von entstehenden neuen Staaten benutzt wurden. In Link als „schwer leserliche Verkehrs- und Buchschriften“ beschrieben wurden.
Zu Beginn des 9. Jahrhunderts entstand im Rahmen der Karolingischen Schreibreform wohl in Kooperation des Klosterskriptoriums von Saint Martin in Tours unter seinem Abt Alkuin von York mit der Palastschule, der Reichskanzlei und den übrigen bedeutenden mittelalterlichen Schreibzentren im Auftrag von Karl dem Großen, der möglicherweise selbst des Lesens nicht mächtig gewesen sein soll, eine verbindliche und schnell schreibbare Normalschrift, die »Carolina«. Eine Neuschöpfung, welche die besten Merkmale der Uncialis, der Semiuncialis und der »Semikursiva« (Halbunziale) aufgenommen hatte...

Bereits ab 810/20 übernahmen die meisten Schreibschulen, Skriptorien und Kanzleien die Carolina mit ihren unverbundenen, gleichmäßig ausgebildeten Minuskeln in der westfränkischen Schreibmethode. Mit wenigen Ausnahmen, beispielsweise Irland, setzte sich die Carolina in ganz Westeuropa durch.
Also nächste zu erwähnende Schrift war „Carolina“. Ab Tausendwende beginnt der langsame Übergang der karolingisch-romanisch-gotischen Minuskel-Schrift:
Zunächst nimmt die Carolina romanische Formprinzipien auf, wie sie vor allem im Skriptorium von Montecassino, dem Zentrum der langobardisch-beneventanischen Schrift, praktiziert worden waren. Speziell aber in Nordfrankreich und im heutigen Belgien werden erste Tendenzen zur Umwandlung von der romanischen Anmutung hin zur »Gotica« (Gotische Minuskel) sichtbar.
Mit der für die beginnende Renaissance typischen Rückbesinnung auf die Vorbilder der Antike und inspiriert von der Humanistischen Geisteshaltung, entwickelte Coluccio Salutati (1331–1406) eine aus Minuskeln bestehende »Humanistica« , die im wesentlichen auf der Carolina und der klassischen »Littera antiqua« – einer klaren kalligraphischen Schrift, die bereits Augustinus verwendete – basierte. Salutati reinigte seine Humanistica von gotischen Elementen, also von stilistischen Übertreibungen, Deformierungen und Überladungen und passte sie strukturell dem humanistischen Ideal an. Die Typographie bezeichnet diese Formalität heute als »Humanistisches Formprinzip«, die Schrift als »Humanistische Minuskel«.
Diese Schreibweise breitete sich mit der frühhumanistischen Strömung auch nach Deutschland aus. Die Humanistica formata und die Capitalis bildeten die Grundlage für die nachfolgende Antiqua.
Die moderne Schreibweise entspricht die Antiqua.
In den frühen Jahren des Buchdrucks verwendeten die deutschen Prototypographen primär die Textura gotischen Ursprungs; in Italien paßten sie sich jedoch rasch den Bedürfnissen des lokalen Marktes an. Klassische und humanistische Publikationen wurden dort in der von der Humanistenhandschrift abgeleiteten Antiqua gedruckt, theologische und juristische Literatur traditionell in rundgotischen Typen. Generell war die Ausstattung der frühen Druckwerke stark an die der zeitgenössischen Handschriften des 15. Jahrhunderts angelehnt. Die Prototypographen setzten ihre Inkunabeln in der Gotica, der Textura, der Rotunda, der Bastarda, der Gotico-Humanistica und der Antiqua.
Aneri

http://de.ungarischesprache.wikia.com/w ... Aussprache
Wenn man es nicht ganz so genau nimmt, kann man ja durchaus sagen: im Deutschen wird so geschrieben, wie gesprochen wird - dass Ausnahmen die Regel bestätigen, ist sowieso die einzige Grundregel im Deutschen, die ohne Ausnahme gilt.
Im Ungarischen ist man da wesentlich konsequenter.
Ich habe unterstrichen, mit Akzent auf "Wenn man es nicht ganz so genau nimmt"...
Aneri

Für mein Anliegen, also geschichtliche Untersuchung, wie zur phonetischen und alphabetischen Diskrepanzen kam, ist interessant dieser Link: https://books.google.de/books?id=wQN5Jz ... en&f=false
Es geht um vergleich zweier miteinander verwandten Schriften (ich nehme an, es wurde gleich oder ähnliches Sachverhalt geschildert), die in einem Stadt - Erfurt - und in gleichem Jhd. entstanden sind, die als EH und WH gekennzeichnet wurden. So auf 35 Seite wird über Unterschied zwischen "ou" festgestellt:
EH----------------------------------------- WH
frouden----------------------------------froyden
houbte-----------------------------------hoybte

hier schon erste Wandel: u->y(i) feststellbar. Wobei in später hat sich "e" bzw. "ä" statt "o", "i" statt "y" durchgesetzt abgesehen von "p" statt "b".
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Die Entwicklung einer vereinheitlichen Schrift (und Sprache) war von Variationen des Deutschen und auch deren Entwicklung geprägt. es war immer die Schrift, die ständig entwickelt wurde, und die Sprache parallel zu einander. Die russische Fürsten waren nicht in so großer Anzahl einerseits, anderseits, wenn Kyrilizza eingeführt wurde, war es nur EIN Machthalter. Daher die Dialekte hatten kaum Schrift beeinflusst.

Wie mit Frankreich? Wenn es parallelen mit Deutschen geben sollte, dann würde es bedeuten, dass Provinzen mit ihren relativ starken Machthaltern in schriftlichen Kultur ihren Anteil hinterlassen haben sollten, durch ihre Dialekte.

In vergleich mit Litauischen, wo auch viele Dialekte gibt (ja, in einem kleinem Volk von weniger als 3 Mio.!). Dennoch die Dialekten blieben auf Sprachebene. Es war von anfang an eine vereinheitliche Schriftsprache verwendet (so etwa wie in Deutsch Hochdeutsch), für die Aukschtaitchai - Dialekt verwendet wurde.
Spartaner
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Registriert: 25.12.2013, 23:36

Das Weicheheitszeichen bei Verben in der russischen Sprache könnte ein altes Relikt aus derm Indogermanischen sein. Es könnte sich von einem i zu dem Weichheitszeichen gewandelt haben.
Beispiel : essen -
altindisch : asti
griechisch : esti
russisch : есть
Desweitern ist aus dem indogermanischen Rachenlaut k im russischen kein h geworden wie es in den germansichen Sprachen z. B. der Fall ist.
http://www.stefanjacob.de/Geschichte/Un ... Idg.php#II

Die Zischlaute in den slawischen Sprachen könnten zudem durch klimatische Verhältnisse entstanden sein. In einem plötzlich über Jahre sehr kalten eizeitlichen Siedlungsraum, ist es von Vorteil gewesen, die Zähne beim sprechen geschlossen zu halten um unnötigen Wärmeverlust beim sprechen zu vermeiden. Bei allen Zischlauten werden bekanntlich die Zähne geschlossen gehalten.
Das ist jetzt mal eine aufgestellte Hypothese von mir, die nicht unbedingt der Realität entsprechen muss aber diskussionswürdig wäre.
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