Stirbt die Mitmenschlichkeit?

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Moderator: Barbarossa

Renegat
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Conzaliss hat geschrieben:http://qpress.de/2013/10/20/obdachlose- ... armut-auf/

Da wir immer wieder die Erfahrung gemacht haben, wie schnell amerikanische Verhältnisse auch uns beeinflussen, frage ich mich, wann diese Verbote auch bei uns ausgesprochen werden... :cry:
Das ist kein so einfaches Thema, in Ungarn gibt es ähnliche Gesetze aber auch in deutschen Großstädten wird Betteln nicht gern gesehen.
Man muß schon gucken, was dahintersteckt.
ehemaliger Autor K.

Man muss wirklich gucken, was dahintersteckt. Ich weiß nicht, wie seriös die Quelle ist. Die Schreiber des Artikels beziehen ihre Informationen aus zweiter Hand von einem Blogger und es geht um einen Vorfall in einem Park in North Carolina. Dort wurde das Verteilen von Keksen an Bettlern von einem Polizisten verboten. Die anderen Angaben in dem Artikel sind eher vage. In den USA gibt es ansonsten etliche Stellen und Plätze, wo Obdachlose mit Essen versorgt werden oder an sie Lebensmittel ausgegeben werden, häufig auch staatlich organisiert. Dies ist amerikanische Tradition und das Problem von Massenarmut ist in diesem Land nicht neu.
Früher war das Übernachten in einem Auto in einigen Gemeinden verboten. Ist inzwischen jetzt vielfach legalisiert worden.
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dieter
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Die USA ist eben der Hort des Kapitalismus, Mitmenschlichkeit gibt es nur für den Puter des Präsidenten, der die Weihnachtsfeiertage überlebt. :wink: :mrgreen:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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Triton
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Soviel ich weiß (war noch nie in den Staaten) ist dort die Großzügigkeit gegenüber Obdachlosen weit ausgeprägter als hier, wo sich jeder auf den Staat beruft. Im Winter käme dort niemand auf die Idee, sie aus U-Bahntunneln zu verjagen.
Liegt vielleicht daran, dass dort fast jeder leichter Gefahr läuft, selbst einmal in Not zu geraten. In den USA werden christliche Werte durchaus nicht verachtet.

Beste Grüße
Joerg
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
ehemaliger Autor K.

In den siebziger Jahren bin ich mehrere Male monatelang durch die USA getrampt. Die Menschen waren immer unheimlich nett und freundlich zu mir, wahrscheinlich weil ich Ausländer war und auf meinem Rucksack die deutsche Flagge aufgenäht hatte. Dann wurde man immer sofort mitgenommen. Das Elend in den Großstädten hat mich erschüttert, einige Stadtviertel sahen aus wie die deutschen Städte 1945, nur noch Ruinen, in denen die Menschen hausten. Die Armen waren zwar arm, aber nicht in dem Sinne, dass sie deswegen hungern mussten. Es gab zahlreiche Initiativen, die ihnen auf irgendeine Weise halfen und mit den notwendigsten Dingen versorgten. Ich bin später noch häufiger in den USA gewesen, das Elend ist nun wirklich nicht zu übersehen und hat in einigen Regionen dramatische Ausmaße angenommen. Ich konnte allerdings nicht feststellen, das sie schlechter behandelt werden als vorher.
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Titus Feuerfuchs
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Triton hat geschrieben:Soviel ich weiß (war noch nie in den Staaten) ist dort die Großzügigkeit gegenüber Obdachlosen weit ausgeprägter als hier, wo sich jeder auf den Staat beruft. Im Winter käme dort niemand auf die Idee, sie aus U-Bahntunneln zu verjagen.
Liegt vielleicht daran, dass dort fast jeder leichter Gefahr läuft, selbst einmal in Not zu geraten. In den USA werden christliche Werte durchaus nicht verachtet.

Beste Grüße
Joerg

Ich bezweifle, dass diese christlichen Werte ( in den USA) halbwegs konsequent gelebt werden.
MfG,
Titus Feuerfuchs
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Titus Feuerfuchs
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@Conzaliss & dieter
Conzaliss hat geschrieben:In einem Fernsehbericht sah ich kürzlich eine Reportage, die über Menschen berichtete, die ihr Heim verloren haben, weil ihnen Kredite angedreht worden waren, für die es gar keine Sicherheit gab - und die jetzt obdachlos waren.

Sie schliefen - soweit noch vorhanden - in ihren Autos.

Vor etwa 30 Jahren, als ich beruflich oft in den USA war, lernte ich Menschen kennen, die drei Jobs gleichzeitig hatten und trotzdem nicht auf den grünen Zweig kamen. Insofern stimmt es, dass es in den USA immer schon viel Armut gab. Damals funktionierten aber die Suppenküchen, und die Menschen bekamen mindestens einmal am Tag eine warme Mahlzeit...
dieter hat geschrieben:Die USA ist eben der Hort des Kapitalismus, Mitmenschlichkeit gibt es nur für den Puter des Präsidenten, der die Weihnachtsfeiertage überlebt. :wink: :mrgreen:

Ihr erinnert mich ein bißchen an ehemalige Kommilitonen in politikwissenschaftlichen Seminaren, die mir ernsthaft einzureden versuchten, die USA sei ob des schrecklichen Kapitalismus im weltweiten Vergleich ein Hort von Not und Elend, was freilich jeder Grundlage entbehrt.

Das stimmt nur dann , wenn man die soziale Situation der Amerikaner mit der westeuropäischer Wohlfahrtsstaaten vergleicht.

Dass die Amerikaner im Vergleich mit Bürgern kommunistischer Systeme in Saus und Braus leben, ist evident, von Entwicklungs- und Schwellenländern gar nicht zu reden.

EIN Grund für das Wachsen des amerikanischen Prekariats ist in der Deindustrialisierung zu suchen (für die z.B. Detroit ein beredtes Beispiel ist) was aber mit dem System des Kapitalismus gar nichts zu tun hat.

Die Amerikaner haben in eingigen Bereichen, wie etwa der Autoindustrie oder der Elektronikindustrie den Anschluss total verpennt. Des Resultat ist ein Heer von Arbeitslosen und ein gigantisches Handelsbilanzdefizit.
Zuletzt geändert von Titus Feuerfuchs am 14.12.2013, 20:50, insgesamt 1-mal geändert.
MfG,
Titus Feuerfuchs
RedScorpion

Der Vergleich, z.T. anschaulich bebildert mit (scheinbar) aussagekräftigen Photos aus der Detroiter Banlieue, hinkt auch schon deshalb, weil Amerikaner - auch, aber nicht nur, wegen der Weite des Landes - traditionell eher woanders neu aufbauen, als bestehende Infrastruktur in situ zu restaurieren.

Abgesehen davon, dass freilich auch relativ geringe Prozentsätze an Arbeitslosenzahlen, wie sie die USA seit ungefähr 70 Jahren haben, in einem grossen Land immer noch sehr viele Menschen ohne Arbeit bedeuten,

arbeiten US-Amerikaner im Schnitt sehr viel mehr als Durchschnittseuropäer (und haben schon daher meist tiefere - z.T. deutlich tiefere - Arbeitslosenziffern).
Dafür sind die USA aber in Sachen Durchschnittslebensqualität auf Skandinavien-Standard (HDI-Ranking) oder gar darüber hinaus.
Klar, "nur" im Durchschnitt. Aber immerhin.

95% der Weltbev. ist da nicht.



LG
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Titus Feuerfuchs
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Conzaliss hat geschrieben:http://qpress.de/2013/10/20/obdachlose- ... armut-auf/

Da wir immer wieder die Erfahrung gemacht haben, wie schnell amerikanische Verhältnisse auch uns beeinflussen, frage ich mich, wann diese Verbote auch bei uns ausgesprochen werden... :cry:

Das ist freilich ein starkes Stück. :|

Es gibt aber auch die anderes Seite der Medaille: gewerbsmäßiges, organisiertes und aggressives Betteln, das in Wien innerhalb der letzten Jahre extrem zugenommen hat. Es gibt in Wien kaum einen Supermarkt mehr, vor dem kein osteuropäischer Bettler aktiv schnorrt.
Bei meiner Großmutter läuten sie regelmäßig an der Eingangstür und wollen Geld...

Ich für meinen Teil löse das so: Essen und Trinken bekommen sie gerne, aber kein Geld.
MfG,
Titus Feuerfuchs
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Titus Feuerfuchs
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Für einige Geschäftszweige ist aggressives Betteln mittlerweile zu einem geschäftsschädigendem Problem geworden:

http://diepresse.com/home/panorama/wien ... e/index.do
MfG,
Titus Feuerfuchs
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dieter
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Triton hat geschrieben:Soviel ich weiß (war noch nie in den Staaten) ist dort die Großzügigkeit gegenüber Obdachlosen weit ausgeprägter als hier, wo sich jeder auf den Staat beruft. Im Winter käme dort niemand auf die Idee, sie aus U-Bahntunneln zu verjagen.
Liegt vielleicht daran, dass dort fast jeder leichter Gefahr läuft, selbst einmal in Not zu geraten. In den USA werden christliche Werte durchaus nicht verachtet.

Beste Grüße
Joerg
Lieber Joerg,
diese Werte sind sicherlich auch nötig, weil die Sozialgesetze schlechter sind als bei uns. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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dieter
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Titus Feuerfuchs hat geschrieben:@Conzaliss & dieter
Conzaliss hat geschrieben:In einem Fernsehbericht sah ich kürzlich eine Reportage, die über Menschen berichtete, die ihr Heim verloren haben, weil ihnen Kredite angedreht worden waren, für die es gar keine Sicherheit gab - und die jetzt obdachlos waren.

Sie schliefen - soweit noch vorhanden - in ihren Autos.

Vor etwa 30 Jahren, als ich beruflich oft in den USA war, lernte ich Menschen kennen, die drei Jobs gleichzeitig hatten und trotzdem nicht auf den grünen Zweig kamen. Insofern stimmt es, dass es in den USA immer schon viel Armut gab. Damals funktionierten aber die Suppenküchen, und die Menschen bekamen mindestens einmal am Tag eine warme Mahlzeit...
dieter hat geschrieben:Die USA ist eben der Hort des Kapitalismus, Mitmenschlichkeit gibt es nur für den Puter des Präsidenten, der die Weihnachtsfeiertage überlebt. :wink: :mrgreen:

Ihr erinnert mich ein bißchen an ehemalige Kommilitonen in politikwissenschaftlichen Seminaren, die mir ernsthaft einzureden versuchten, die USA sei ob des schrecklichen Kapitalismus im weltweiten Vergleich ein Hort von Not und Elend, was freilich jeder Grundlage entbehrt.

Das stimmt nur dann , wenn man die soziale Situation der Amerikaner mit der westeuropäischer Wohlfahrtsstaaten vergleicht.
Lieber Titus,
die Situation in den westeuropäischen Wohlfahrtsstaaten sollte aber in allen Ländern der Erde angestrebt werden. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
ehemaliger Autor K.

Als ich zum ersten Mal in die USA kam, war ich erschrocken über die vielen Obdachlosen und Bettler in den Straßen. So etwas kannte ich bisher nur aus der Dritten Welt. Allerdings stellte ich schnell fest, dass es sich hier um eine andere Armut handelte, als die, welche ich vorher in Asien, Afrika und Lateinamerika gesehen hatte. Dort ging es den Menschen um das Überleben, in den USA war aber die Grundversorgung garantiert durch staatliche Wohlfahrt, Food Stamps, zahlreiche Organisationen, die Essen und Kleider verteilten, für die vielen Menschen ohne Krankenversicherung gibt es die „Free Clinics“, in denen man kostenlos behandelt wird. All dies garantiert eine Minimalversorgung auf einem Niveau, viel schlechter als in Europa, aber wesentlich besser, als in den Entwicklungsländern.

Die meisten Bettler brauchten Geld für Zigaretten, Alkohol oder Drogen, ich habe ihnen deshalb normalerweise nichts gegeben. Es war immer schwer abzuschätzen, ob hier eine tatsächliche Bedürftigkeit vorlag oder nicht.

In den vergangenen Jahrzehnten musste ich aus geschäftlichen Gründen öfters in die USA fliegen, die Armut hatte sich vergrößert, aber in den USA verlaufen die Prozesse regional sehr unterschiedlich. Stadtviertel, die in den siebziger Jahren völlig heruntergekommen waren, hatten sich erstaunlich herausgemacht. Das ist vor allem in New York zu sehen. Dafür sind dann andere Gegenden verfallen.
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