Vom Germanischen Götterglauben zum Christentum

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Moderator: Barbarossa

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Marek1964
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Hier eine Frage vom Hausaufgabenportal an unsere Germanenabteilung


Wie war der Übergang vom Germanischen Götterglauben zum Christentum?


http://geschichte-wissen.de/hausaufgaben/questions

Wer eine einfache Antwort hat, wohl am besten hier beantworten un dort rüberkopieren (oder link rüberkopieren).
Paul
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Leider wurde sehr wenig über diesen Übergang überliefert. Wir haben auch sehr viele Wissenslücken über den Germanischen Glauben. Das meiste was wir wissen stammt von den Wikingern. Da können wir natürlich nicht sicher sein, was auf andere Regionen und germanische Glaubenskonfessionen z.B. 1000 Jahre früher zutrifft. Die schriftkundigen Mönche sind ja nicht objektiv gewesen.
Es hat auf jedenfall auch eine Verbreitung des Christentums von oben gegeben. Dazu mußte das Christentum sich aber schon etwas etabliert haben. Die Frage ist, ob das Christentum sich fast nur im Westen das Frankenreiches ausgebreitet hat, bis Chlodwig und seine Nachfolger mit Druck forciert haben? Im Ostfränkischen Teil war auch der Arianismus relativ stark verbreitet.
Die germanischen Verehrungsorte wurden teilweise mit Kirchen überbaut. Man kann vermuten, das z.B. die bei den ubischen Städten auf Hügeln gelegenen Verehrungsorte z.B. für den Dombau in Wetzlar, Limburg, Köln....genutzt wurden.
Bei den Rhein-Weser Germanen waren die Sippengräber wichtige religiöse Orte. Bei den meisten o. allen Stämmen gab es heilige Haine, oft mit heiligen Bäumen(Lebensbaum).
Zumindest bei Ubiern und Sugambrern wurden in heiligen Hainen in Backöfen das Brot des Lebens gebacken. Wahrscheinlich waren bei bestimmten Festen auch Blutopfer verbreitet, vielleicht auch eine Art Erntedankfest.
Einige Ähnlichkeiten mit dem christlichen Glauben kann den Übergang erleichtert haben. Germanische Göttinnen/Götter wurden zu Heiligen, Märchenfiguren....
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
ehemaliger Autor K.

Der Übergang ist wohl wie folgt zu erklären:
Als die erste Welle der Germanen in das Römische Reich eindrangen, die Ostgoten, Westgoten, Wandalen, Sueben und andere, stießen sie auf eine überlegene Kultur mit dem Christentum als Staatsreligion. Die Kirche besaß überall entwickelte Strukturen, parallel zur Bürokratie des Kaiserreiches. Die Eindringlinge bezeugten den Institutionen des Imperiums gegenüber eine Mischung aus Verehrung und Distanz. Sie nutzten die kirchliche Bürokratie, um die eroberten Länder zu regieren. Die gesellschaftliche Organisation ihrer Stämme war ursprünglich nicht von der Stammesreligion zu trennen. Der politische Weg zu einem territorialen Staatssystem war daher zwangsläufig von einer ideologischen Bekehrung zum Christentum begleitet, ein Wechsel, der offensichtlich sehr schnell und wohl von den Führern erzwungen wurde. Die Eroberer machten aber nur etwa 5% der Bevölkerung aus und um ihren exklusiven Status zu erhalten, bekehrten sie sich zunächst zum arianischen Christentum. Ihre Reiche wurden aber schnell wieder vernichtet.

Die zweite Invasionswelle der Franken, Langobarden, Alemannen, Angeln, Sachsen etc. war zahlenmäßig viel größer und sie überzogen die eroberten Länder mit zahlreichen dauerhaften Dorfgemeinschaften. Der germanische Adel verschmolz mit den römischen Großgrundbesitzern und die Masse der eingewanderten Freibauern vermischte sich mit der einheimischen, christlichen Bevölkerung. Ein einheitlicher Glaube schien den neuen Herrschern als sinnvoll, um ihre Ländereien dauerhaft zu regieren und deshalb erzwang Chlodwig den Übertritt der Franken zum Christentum. Die Kirche bot sich als Institution hierfür an. Sie besaß bereits eine entwickelte Verwaltungsbürokratie, sie bewahrte antikes Bildungsgut, das Lateinische bot sich als internationale Sprache an, Bischöfe bauten zerstörte Städte wieder auf und versetzten sie in die Lage, wieder Zentren von Handel und Verwaltung zu werden. Sie förderte auf ihren Gütern eine effektive Landwirtschaft. Kirche und politische Herrschaft ergänzten sich also. Die germanischen Stammesreligionen waren für diese neuen Aufgaben nicht geeignet und wurden abgeschafft.
Harald
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Die Frage war "wie war der Übergang...?". Also grundsätzlich war er gewaltfrei. Gegenteilige Beispiele mag es geben, sie sind mir aber nicht bekannt.

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Barbarossa
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Ein Beispiel für eine sehr gewaltsame Christianisierung sind die Sachsen. Diese Zwangsbekehrung ging allerdings auch mit einer politischen Unterwerfung des gesamten Stammesverbandes durch die Franken einher.
Frühere Unterwerfungen von Stammesverbänden durch die Franken hatten dagegen noch keine Zwangsbekehrung zur Folge, wie bei den Alamannen und Bajuwaren. Der Grund für diesen Unterschied mag gewesen sein, dass zu dieser frühen Zeit die Franken als Stammesverband selbst erst die Phase der Christianisierung durchmachten, die bis zu 200 Jahre dauern konnte. Die lange Übergangsphase ist auch archäologisch nachweisbar. So finden sich in Gräbern aus dieser Zeit oft Beigaben mit Symbolen aus beiden Religionen, also auch christliche Symbole wie Blattkreuze, während in rein christlichen Gräbern aus späterer Zeit auf Beigaben ganz verzichtet wurde.

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dieter
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Höchstens, dass die Donareiche bei Geismar von Bonifatius gefällt und er von den Friesen umgebracht wurde. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Lia

Die Christianisierung ging nicht immer christlich- human vor sich- schon gesagt worden.
Andererseits setzte sich der Pragmatismus bei den heidnischen Germanen durch: "Offensichtlich ist der Gott der Christen der stärkere, dann nehmen wir den eben."
Die Kirche, gelegentlich auch mal klug, setzte auf die alten Feiertage eben ihre- auch ein Überzeugungsmittel. Dann trank man eben zu Ehren von Heiligen und feierte Christ Geburt statt den alten Göttern zu opfern.
Handel und Wandel taten ein weiteres dazu, war praktischer, Christ zu sein.
Ähnlich bei den heidnischen Slawen, zwischen gewaltsamer "Überzeugung" und allmählichem Hineinwachsen in den anderen Kult (und die Kultur) gab es viele Schattierungen.
OT:
So ganz ausgestorben ist das urgermanische Erbe ja in Westfalen, Norddeutschland und Nord-Ost-Deutschland und im hohen Norden nicht:
Die Pferdeköpfe (oder andere heidnische Symbole) am Giebel gibt es noch zuhauf. Musste ich kürzlich erst einer Bajuwarin erklären, die derlei nicht kanne, dass wir Nordlichter immer noch nicht so ganz perfekt missioniert und christanisiert sind. :mrgreen:
Harald
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Okay, an die Sachsen und das Massaker von Verden habe ich nicht gedacht.
Sehr klug waren die Isländer, die kurz nach 1000 auf dem Thing zur Vermeidung eines Bürgerkriegs demokratisch abstimmten und mehrheitlich beschlossen, das Christentum allgemeinverbindlich anzunehmen. Die Thorfans akzeptierten den Beschluß und machten weiter was sie wollten, aber allmählich war der Asenglaube auf dem Rückzug.ü

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Marek1964
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Harald hat geschrieben: Sehr klug waren die Isländer, die kurz nach 1000 auf dem Thing zur Vermeidung eines Bürgerkriegs demokratisch abstimmten und mehrheitlich beschlossen, das Christentum allgemeinverbindlich anzunehmen. Die Thorfans akzeptierten den Beschluß und machten weiter was sie wollten, aber allmählich war der Asenglaube auf dem Rückzug.ü
Das finde ich ja obercool. Eine Religion wird kurzerhand per Abstimmung gewechselt. Sowas habe ich auch noch nicht gehört.
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Barbarossa
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Marek1964 hat geschrieben:
Harald hat geschrieben: Sehr klug waren die Isländer, die kurz nach 1000 auf dem Thing zur Vermeidung eines Bürgerkriegs demokratisch abstimmten und mehrheitlich beschlossen, das Christentum allgemeinverbindlich anzunehmen. Die Thorfans akzeptierten den Beschluß und machten weiter was sie wollten, aber allmählich war der Asenglaube auf dem Rückzug.ü
Das finde ich ja obercool. Eine Religion wird kurzerhand per Abstimmung gewechselt. Sowas habe ich auch noch nicht gehört.
Ja, das war so. Hintergrund waren die engen Beziehungen zu Norwegen. Um einer u. U. sogar gewaltsamen Christianisierung durch den bereits christlichen norwegischen König Ólafr Tryggvason zu entgehen, führte man per Beschluss das Christentum als Staatsreligion ein, aber mit der Erlaubnis, auch die alten Götter weiter verehren zu dürfen.
Siehe: http://de.m.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Islands
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Marek1964
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Barbarossa hat geschrieben:
Marek1964 hat geschrieben: Das finde ich ja obercool. Eine Religion wird kurzerhand per Abstimmung gewechselt. Sowas habe ich auch noch nicht gehört.
Ja, das war so. Hintergrund waren die engen Beziehungen zu Norwegen. Um einer u. U. sogar gewaltsamen Christianisierung durch den bereits christlichen norwegischen König Ólafr Tryggvason zu entgehen, führte man per Beschluss das Christentum als Staatsreligion ein, aber mit der Erlaubnis, auch die alten Götter weiter verehren zu dürfen.
Siehe: http://de.m.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Islands
Irgendwie stelle ich mir das so vor, wie wenn der Papst zu den Evangelischen oder zu den Buddhisten wechseln würde. Weil dort vielleicht mehr Lohn oder sonstwas angeboten wird.

Es ist ein mir nicht sehr vertrautes Gebiet, aber ich weiss aus meine Geschichtsbuch aus der Schulzeit, dass die meisten Völker ihre Götter im Falle von Kriegsniederlagen oder ähnlichem Unglück abgeschworen haben und sich neuen Göttern zugewandt haben. Nicht so aber die Juden. Die haben Unglücke als Strafe interpretiert. Vielleicht sind sie deshalb das älteste Volk mit der gleichen Religion auf der Welt? :?:
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Barbarossa
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Eigentlich war das gar nicht so ungewöhlich mit dem Wechsel zum Christentum. Der Unterschied zu den übrigen germanischen und später auch slawischen Völkern bestand eingentlich nur darin, dass es der König war, der sich mit seiner Gefolgschaft christlich taufen ließ und schon war der Wechsel offiziell vollzogen. Auf Island gab es um 1000 keinen König, sondern das Althing war das oberste gesetzgebende Organ. Aber egal ob Königreich oder Althing - die Christianisierung der gesamten Bevölkerung dauerte meist noch etliche Generationen.
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dieter
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Barbarossa hat geschrieben:
Marek1964 hat geschrieben:
Harald hat geschrieben: Sehr klug waren die Isländer, die kurz nach 1000 auf dem Thing zur Vermeidung eines Bürgerkriegs demokratisch abstimmten und mehrheitlich beschlossen, das Christentum allgemeinverbindlich anzunehmen. Die Thorfans akzeptierten den Beschluß und machten weiter was sie wollten, aber allmählich war der Asenglaube auf dem Rückzug.ü
Das finde ich ja obercool. Eine Religion wird kurzerhand per Abstimmung gewechselt. Sowas habe ich auch noch nicht gehört.
Ja, das war so. Hintergrund waren die engen Beziehungen zu Norwegen. Um einer u. U. sogar gewaltsamen Christianisierung durch den bereits christlichen norwegischen König Ólafr Tryggvason zu entgehen, führte man per Beschluss das Christentum als Staatsreligion ein, aber mit der Erlaubnis, auch die alten Götter weiter verehren zu dürfen.
Siehe: http://de.m.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Islands
Lieber Barbarossa,
die Skandinavier waren und sind bis heute sehr pragmatisch. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Lia

Barbarossa hat geschrieben:Aber egal ob Königreich oder Althing - die Christianisierung der gesamten Bevölkerung dauerte meist noch etliche Generationen.
Viele lange Wege führten nach Rom, oder viele Mosaiksteine ergeben das Bild der Christianisierungsphase im germanisch geprägten Teil Europas.
Oft ware es wirklich alte Bräuche in neuen Gewändern, die dem Volk das Christentum näher brachte, weniger die Glaubensinhalte selbst.
Ganz hilfreich in dem langen Prozess dabei u.a. der Schachzug der Kirche, Könige oder deren Sprösslinge zu Heiligen zu machen- kam den alten germanischen Vorstelllungen vom Heil einer Sippe oder stirps regia entgegen, - und gleichzeitig den Königsgeschlechtern, bzw. den direkten Abkömmlingen eines Königs, ihren Herrschaftsanspruch vor den Wahlberechtigten zu festigen. Die Kirche profitierte ebenso davon und festigte ihre Stellung und ihren Einfluss gegenüber den Königsgeschlechtern.
Beispiele gibt es im angelsächsischen/ skandinavischen Raum etliche.
ehemaliger Autor K.

Diverse Beiträge:

Der Übergang zum Christentum wird von allen Forumsmitgliedern, einschließlich von mir, auf sehr rationale Weise erklärt, während ein Pastor vielleicht einwenden würde, das das Christentum eben die richtige Religion ist und sich daher durchsetzte. Was ich persönlich allerdings nicht glaube.
Ich hatte einmal einen Beitrag über die Theorie der „Religionsentstehung nach Jared Diamond“ geschrieben.
http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... entstehung
Ihm ging es um die Erklärung, weshalb überhaupt Religion notwendig ist. Interessant ist aber auch die Frage, warum Völker ihre Religionen öfters wechseln. Nach Diamond hat die Religion folgende Funktionen:

1.) Sie erklärt übernatürliche Phänomene

2.) Sie lindert Angst durch Rituale, versucht mit ihnen die übernatürliche Welt positiv zu beeinflussen, damit diese in der realen Welt Vorteile einbringt

3.) Sie tröstet angesichts von Schmerz und Tod

4.) Sie organisiert die Menschen in Gruppen

5.) Sie schafft eine politische Verfassung. Standardisiert Verhaltensweisen, entwickelt einen Moralkodex, rechtfertigt Herrschaft in einem späteren Stadium

6.) Sie entwickelt einen Moralkodex und Verhaltensweisen gegenüber Fremden außerhalb der eigenen Gemeinschaft

7.) Sie rechtfertigt im Extremfall auch Kriege mit anderen Gruppen.

Es stellt sich nun die Frage: Welche Funktionen konnten jetzt vom Christentum besser übernommen werden als von den Stammesreligionen?

Und wo hatte der neue Glaube möglicherweise Schwachstellen und bot Einfallstore und Nischen, in denen die alten Religionen teilweise, in veränderter Form, überleben konnten?
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