Was bedeutete absolute Herrschaft - auch Willkür?

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Moderator: Barbarossa

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Marek1964
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Liebe Mitforianer,

im Hausaufgabenportal bin ich auf die Frage

http://geschichte-wissen.de/hausaufgabe ... herrschaft

gestossen und habe sie fürs erste beantwortet, ich hoffe richtig. War aber des absolute Herrscher "lösgelöst" vom Recht oder hatte er sich daran zu halten?

Aber es würde mich interessieren inwieweit die Begriffe absolute Herrscher sich von anderen Alleinherrschern abgrenzen lassen (Dikatoren, Cäsaren) etc. Der Begriff "Absolutismus" ist ja für eine bestimmte Epoche prägend, aber sicher auch auf Hitler oder Stalin anwendbar oder nicht?

Ich habe gesehen, dass das Ralphs Spezialgebiet ist, aber vielleicht jemand anders die Frage auch beantworten.
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dieter
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Lieber Marek,
im Absolutismus bezieht der Herrscher seine Herrschaft auf Gott, deshalb auch Gottesgnadentum. Es wurde so bezeichnet, weil man den Menschen vormachen wollte, die Herrschaft sei von Gott eingesetzt worden. Wie sagt Jesus schon, "gebe Gott was Gottes ist und dem Kaiser was des Kaisers ist".
Glaube kaum, dass sich Hitler oder Stalin auf Gott berufen haben. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
ehemaliger Autor K.

Ich habe eben gerade einmal wieder im Forum geblättert und deine Frage gefunden. Du hast sie ja im Prinzip schon richtig beantwortet. Unter Absolutismus versteht man ein Regierungssystem, losgelöst von allen Zwischengewalten und bindenden Rechtsnormen.

Alle Herrschaftssysteme, auch die früheren, haben ja eine Rechtsordnung gehabt, zumeist eine Mischung aus Gewohnheitsrechten des Volkes und positivem Recht, also von den Herrschern gesetztes Recht. Als Absolutismus könnte man theoretisch jedes Regierungssystem bezeichnen, in dem der Herrscher sich nicht mehr an diese Ordnung hält, sie also willkürlich außer Kraft setzt. Dies gelingt immer dann, wenn der Herrscher zu viel Macht in seiner Hand konzentriert und es keine Gegengewalten mehr gibt. Es gibt eigentlich rein formal gesehen keinen Unterschied zwischen einem römischen Cäsaren wie Nero, Ludwig XIV oder Stalin und Hitler. Auch bei Stalin beispielsweise existierte formal ein Rechtssystem, doch er hat sich nicht daran gehalten. Auch seine Nachfolger nicht, auch sie besaßen zu viel Macht und konnten nicht kontrolliert werden. (Beim Absolutismus geht es übrigens darum, dass der Herrscher ein Rechtsystem willkürlich nicht mehr beachtet. Es ist dabei uninteressant, ob dieses Rechtssystem eine demokratische Ordnung in unserem Sinne aufweist oder nicht. Das System, das der Absolutismus in Frankreich außer Kraft setzte, die ständische Monarchie, die Abhängigkeit des Königs vom Adel, Klerus und Bürgertum, war ja auch nicht demokratisch gewesen nach unserem heutigen Verständnis).

Den Ausdruck Absolutismus hat man aber reserviert für die europäische Entwicklung. Man verwendet den Begriff für die Kennzeichnung der frühneuzeitlichen Herrschaftsformen der Monarchie seit dem 16. Jhdt. Merkmale des „Absolutismus“ war ein Verstaatlichungsprozess, der sich unter anderem in der Aufstellung stehender Heere, dem Aufbau eines allein vom Herrscher abhängigen Beamtenapparats, der Einbindung der Kirche in das Staatswesen und einem merkantilistischen Wirtschaftssystem manifestierte.

In den Bürgerkriegen vom 15./16. und 17.Jahrhunderts brach die feudale mittelalterliche Ordnung zusammen. Aus dem Chaos erhob sich als starke neue Ordnungsmacht der zentralistisch regierte absolutistische Staat. Voraussetzung für die absolute Macht des Königs war, dass es diesem gelang, den Widerstand der Stände, vor allem den des Adels, aber auch den der freien Städte, zu brechen.

Fast überall in Europa setzte sich der Absolutismus durch. Er schuf die Grundlagen des modernen Nationalstaates, da die Könige 1.) über ein Gebiet und 2.) über eine Staatsbevölkerung herrschten, vor allem aber, da sie 3.) über das Machtmonopol verfügten, da alle konkurrierenden Gewalten beseitigt wurden.

Die Herrschaftssysteme in Nazideutschland oder in der Sowjetunion oder die römischen Cäsaren haben einen anderen Ursprung gehabt, andere Klassenverhältnisse, weisen eine andere Dynamik auf. Deshalb ist es sinnvoll, sie anders zu benennen, auch wenn sie natürlich rein formal dem Absolutismus gleichen.
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Marek1964
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Schön, Dich hier wiederzusehen, Karlheinz.

Wenn ich also Deine Einlassung für unseren Schüler zusammenfassen darf: Von der Wortdefinition kann man jeden Alleinherrscher, der soviel Macht hat, dass er durch keine andere mehr kontrolliert werden kann, als absolutistisch bezeichnen, die historische Konvention dies aber für die europäische Epoche nach dem 16. Jahrhundert reserviert.

Sage ich es aber richtig, dass in GB (aber wohl auch in der Schweiz) es in dem Sinne keine absolutistische Epoche gab - und deshalb auch die Revolutionen wie 1789, 1848, 1870, 1918 wie auch Faschismus und Nationalsozialismus ausblieben?

P.S. - Gratulation zum magischen 1111. Beitrag.
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Marek1964
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dieter hat geschrieben: Glaube kaum, dass sich Hitler oder Stalin auf Gott berufen haben. :wink:
Hitler berief sich ja gerne auf die Vorsehung, Stalin wieder auf den Marxismus und liess sich ja Gott-ähnlich vereehren.
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Triton
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Hitler hatte wohl absolute Macht, weil er Exekutive und Armee auf seine Person vereidigen ließ. Deshalb war auch klar, dass nur der Tod Hitlers das NS-Regime stürzen hätte können.
Bei Stalin war es nicht so, oder nicht immer so, obwohl er de facto vielleicht sogar noch mächtiger war. Stalin kontrollierte neben den staatlichen Institutionen auch die gesamte Wirtschaft, was im Dritten Reich anders war. Es gab im Sowjetkommunismus durchaus eine Kontrolle durch Gruppen, nicht umsonst standen an der Spitze des Staates dort "Politbüros" oder "Staatsräte".

Ansonsten stimmt es wohl, dass der Absolutismus zuerst mehr Rechtssicherheit für den Normalbürger brachte als die Willkür regionaler Herrscher, die auf niemand Rücksicht nehmen mussten.
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
ehemaliger Autor K.

Marek1964
Wenn ich also Deine Einlassung für unseren Schüler zusammenfassen darf: Von der Wortdefinition kann man jeden Alleinherrscher, der soviel Macht hat, dass er durch keine andere mehr kontrolliert werden kann, als absolutistisch bezeichnen, die historische Konvention dies aber für die europäische Epoche nach dem 16. Jahrhundert reserviert.
Das ist vollkommen richtig. Beim Übergang vom Mittelalter in die neue Zeit entstanden in Europa überall die modernen Zentralstaaten, aber nicht in jedem Land konnte sich der Absolutismus richtig durchsetzen.

1. In England und in den Niederlanden haben die Parlamente ihr Übergewicht über die Krone behalten. Der Absolutismus konnte sich hier nicht auf Dauer durchsetzen. In der Schweiz gab es von vornherein keine Monarchie.

2. In Staaten wie Ungarn, verschiedenen deutschen Landesherrschaften wie Württemberg oder die mecklenburgischen Herzogtümer war der Erfolg der Parlamente deutlich geringer und die Position der Landesherren stärker.

3. In anderen Staaten wurden die Ständevertretungen abgeschafft oder einfach nicht mehr einberufen. Dazu gehören Spanien, Portugal, Neapel, Piemont, Sardinien, die spanischen Niederlande (Belgien), die meisten deutschen Staaten wie Brandenburg-Preußen, außerdem in Frankreich und noch eine Reihe weiterer Staaten. Zwischen diesen Ländern gab es natürlich Abstufungen, nicht überall war die Position des Königs so stark wie in Frankreich.

Viele Historiker unterscheiden zwischen einem westlichen und einem östlichen Absolutismus. Im westlichen Absolutismus wie in England und in Frankreich gab es ein mächtiges Bürgertum, welches sich dann in Revolutionen wie der englischen Revolution von 1642 und der französischen Revolution 1789 durchsetzen konnten. Die östlichen Staaten wie Preußen, Russland und Österreich waren ökonomisch viel primitiver und hier gab es nur ansatzweise ein Bürgertum. Hier finden wir den sogenannten aufgeklärten Absolutismus von Friedrich II, Katharina II und Joseph II. Der aufgeklärte Absolutismus versuchte, die archaische Gesellschaftsstruktur zu konservieren und oberflächlich zu modernisieren, um den Anschluss an den fortgeschrittenen Westen nicht zu verlieren. Aber auch die “aufgeklärten“ Monarchen waren absolutistische Herrscher, auch wenn sie sich selbst gewisse Selbstbeschränkungen auferlegten, aber auch sofort dagegen verstießen, wenn es zweckmäßig schien.
(Ich muss mich schon wieder verabschieden. Ich kann mich immer nur von Zeit zu Zeit melden.)
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dieter
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Marek1964 hat geschrieben:
dieter hat geschrieben: Glaube kaum, dass sich Hitler oder Stalin auf Gott berufen haben. :wink:
Hitler berief sich ja gerne auf die Vorsehung, Stalin wieder auf den Marxismus und liess sich ja Gott-ähnlich vereehren.
Lieber Marek,
was ist die Vorsehung :?: Wer sieht hier was vor :?:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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Marek1964
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Lieber Dieter, es gibt im Jahr 2014 n.Chr. google!

Aber gut, hier:

http://de.wikipedia.org/wiki/Vorsehung

Und dann:

Hier Hitlers Rundfunkrede am 21. Juli, 01.00 Uhr, nach dem Attentat, ein Ausschnitt:

"Die Bombe, die von dem Obersten Graf von Stauffenberg gelegt wurde, krepierte zwei Meter an meiner rechten Seite. Sie hat eine Reihe von mir teurer Mitarbeiter sehr schwer verletzt, einer ist gestorben. Ich selbst bin völlig unverletzt bis auf ganz kleine Hautabschürfungen, Prellungen oder Verbrennungen. Ich fasse das als eine Bestätigung des Auftrages der Vorsehung auf, mein Lebensziel weiter zu verfolgen, so wie ich es bisher getan habe."

Hier der ganze Text: http://www.1000dokumente.de/?c=dokument ... ation&l=de
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dieter
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Marek1964 hat geschrieben:Lieber Dieter, es gibt im Jahr 2014 n.Chr. google!

Aber gut, hier:

http://de.wikipedia.org/wiki/Vorsehung

Und dann:

Hier Hitlers Rundfunkrede am 21. Juli, 01.00 Uhr, nach dem Attentat, ein Ausschnitt:

"Die Bombe, die von dem Obersten Graf von Stauffenberg gelegt wurde, krepierte zwei Meter an meiner rechten Seite. Sie hat eine Reihe von mir teurer Mitarbeiter sehr schwer verletzt, einer ist gestorben. Ich selbst bin völlig unverletzt bis auf ganz kleine Hautabschürfungen, Prellungen oder Verbrennungen. Ich fasse das als eine Bestätigung des Auftrages der Vorsehung auf, mein Lebensziel weiter zu verfolgen, so wie ich es bisher getan habe."

Hier der ganze Text: http://www.1000dokumente.de/?c=dokument ... ation&l=de
Lieber Marek, Dein Link ist aber von Wikipedia, Google und Wikipedia ist aber auch im Jahr 2014 n. Chr. ein kleiner Unterschied. :wink: :mrgreen: (Vorsichr, Ironie)
Also ist es doch Gott, hat Hitler an einen Gott geglaubt :?: Wobei die Nazis alle aus der Kirche ausgetreten waren, man Opa mütterlicherseits auch. :wink:
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Marek1964
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dieter hat geschrieben: Lieber Marek, Dein Link ist aber von Wikipedia, Google und Wikipedia ist aber auch im Jahr 2014 n. Chr. ein kleiner Unterschied. :wink: :mrgreen: (Vorsichr, Ironie)
In einem anderen Forum würde man Dich jetzt wegen "sich dumm stellens" sperren (Vorsicht, keine Ironie).
dieter hat geschrieben:Also ist es doch Gott, hat Hitler an einen Gott geglaubt :?: Wobei die Nazis alle aus der Kirche ausgetreten waren, man Opa mütterlicherseits auch. :wink:
Ich weiss nicht, on und wann er das Wort Gott in den Mund nahm, er glaubte wohl eher an seine Bestimmung, sprach lieber von Schicksal oder eben Vorsehung, wohl auch um sich von den Christlichen Werten distanzieren zu können.
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