Wer ist "Deutscher"?

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Moderator: Barbarossa

Paul
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Ich habe einen Nachbarn, der als ethnischer Armenier in Georgien geboren wurde. Er sprach also neben armenisch auch georgisch und russisch. Jetzt spricht er auch fast perfekt deutsch. Seine Kinder mit einer Russlanddeutschen sind Deutsche. Er hat jetzt auch die Deutsche Staatsangehörigkeit. Jetzt hat er eine Armenierin geheiratet und bekommt mit ihr ein Kind. Dieses Kind ist armenischstämmig und wird mit der Deutschen Staatsangehörigkeit in Deutschland aufwachsen und hat deutsche Geschwister.
Der Nachbar sieht sich ethnisch sicherlich als Armenier, mit starkem Bezug zu Deutschland, Georgien und Russland.
Seine 2 älteren Kinder sind Deutsche, ihre Cousinen auch, sein jüngstes Kind wird sich vielleicht als Deutsch-Armenierin sehen?
Sein Bruder hat auch Kinder mit einer Russlanddeutschen und hat jetzt eine Georgierin aus Abhasien geheiratet. Seine jüngeren Kinder werden also wahrscheinlich kaum armenisch lernen. Sie werden dann wohl als normale Deutsche aufwachsen mit etwas Bezug zu Armenien und Georgien/Abhasien.

Die Abstammungskriterien kann man vielleicht als überholt sehen, noch sind sie aber eine reale Bezugsgröße.
Sie sind ein Grund dafür, das sich Russlanddeutsche leicht integrieren, auch wenn sie kaum deutsch sprachen und ist ein wichtiger Grund, warum sich Türkischstämmige mit der Integration teilweise in der 3. Generation schwerer tun.
viele Grüße

Paul

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Ruaidhri
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Die Abstammungskriterien kann man vielleicht als überholt sehen, noch sind sie aber eine reale Bezugsgröße.
Diese Klassifizierung gibt es in anderen Ländern nicht und ich finde sie als Qualifikationsmerkmal untauglich, wenn sie von außen kommt und besagt, dass eben jemand deutscher Nationalität eben doch wegen andere Gene nicht wirklich deutsch sein kann.
Sie sind ein Grund dafür, das sich Russlanddeutsche leicht integrieren, auch wenn sie kaum deutsch sprachen und ist ein wichtiger Grund, warum sich Türkischstämmige mit der Integration teilweise in der 3. Generation schwerer tun.
Das sehe ich aus live-Erleben durchaus anders, bzw. differenzierter. So manche Russlanddeutschen haben die Gesellschaft, in die sie kamen, viel weniger akzeptiert als Du es schilderst, und mühevoller als manche hier geborenen, sozialisierten "Ausländer" ohne "Stammverwandtschaft, mit deutschem Pass.
warum sich Türkischstämmige mit der Integration teilweise in der 3. Generation schwerer tun.
Andere Seite der Medaille: Wenn Du als Deutscher, der seinen Wehrdienst oder Zivildienst abgeleistet hat, bestens integriert lebst, und dann immer noch zu hören bekommst, Du seiest eben nicht Deutscher, sondern doch Türke, wenigstens Deutschtürke, jedenfalls aber kein echter Deutscher, ist das auch nicht so verwunderlich, dass sich viele hilflosere Gemüter eben dann gegen nicht mehr so mit dem Land identifizieren.
Ein ewiger und überflüssiger Kampf, der nicht nur von türkischer Seite ausgeht.
In Frankreich fragt niemand, ob der Herr Garcia oder Sarkozy denn nun "echter" Franzose sei. Und kein Garcia oder Rybas schwafelt so über die irgendwann mal ethnisch- kulturelle Zugehörigkeit oder wird darauf angesprochen.
Wie gefährlich die Sache mit der ethnischen / biologischen Abstammung werden kann, ist bekannt. Ethnisch/ biologische Kriterien sind allerletzte, was als Maßstab angelegt werden darf, wer Deutsche(r) ist und sich komplett als solch(r) fühlen darf.
Egal, ob er genetisch mehr auf Pasta oder Döner programmiert ist, so lange er deutsche/ europäische Werte vertritt und verteidigt.
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Barbarossa
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Dazu habe ich dann doch eine etwas andere Ansicht.
Mal abgesehen von der regionalen Zugehörigkeit (z. B. in Schleswig-Holstein) ist im 19. Jh. - in Ansätzen auch schon etwas früher - eine Deutsche Kulturnation entstanden, die die regionale Zugehörigkeit überlagerte und sich über eine Vielzahl von Kleinstaaten erstreckte. Wer deutsch als Muttersprache sprach, war Deutscher. Dies führte dann auch zur staatlichen Einheit Deutschlands 1871. Und dieses Zusammengehörigkeitsgefühl konnte auch nach dem 2. WK. trotz erneuter Teilung der Nation nicht zerstört werden - zumindest im Ostteil Deutschlands nicht. Wir waren vor allem Deutsche und erst danach - viel weiter danach, mit großem Abstand - DDR-Bürger. Es ist ein wichtiger Aspekt der deutschen Geschichte, ohne den die Einheit Deutschlands nicht von langer Dauer gewesen wäre. Man sollte also dieses Identifikationsmerkmal nicht einfach über den Haufen werfen, nur weil man fälschlich meint, es sei Teil rechter Gesinnung - das ist mitnichten so, sondern es ist wichtiger Teil deutscher Geschichte. Nationen wie Frankreich, die Schweiz oder die USA haben eine ganz andere Geschichte, denn sie sind als Staatsnationen entstanden - d. h. der Staat war als Bindung vor der Identifikation da. In Deutschland war das umgekehrt.
Darum ist es auch meine Denkweise, Staatangehörigkeit und Nationalität strikt zu trennen. Migranten können ja deutsche Staatsbürger werden, wenn sie es wollen - mit allen Rechten und Pflichten - hab ich nichts dagegen. Aber Deutsche im ursprünglichen Sinne sind dadurch noch lange nicht. Da muss erst über mehrere Generationen ein Assimilierungsprozess durchlaufen werden.

Man kann die Sache übrigens auch von der Seite der Migranten her sehen. Warum sollen sie eigentlich ihre Wurzeln (= Herkunft) verleugnen und sich zwanghaft als "Deutsche" titulieren, die sie nunmal nicht sind? Sie sind (ggf.) deutsche Staatsbürger mit türkischer, arabischer, armenischer, georgischer, dänischer, sorbischer/wendischer (oder was auch immer) Nationalität.
Was ist daran so schlimm? Behindert es die Integration? Nicht von meiner Warte aus, denn ich behandle jeden erst mal als Menschen. Denn dass er ein Mensch ist, das kann ich sehen - welche Herkunft derjenige hat, müsste ich erst erfragen, sofern ich denjenigen überhaupt näher kennen lerne.

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Paul
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Ruaidhri hat geschrieben:Diese Klassifizierung gibt es in anderen Ländern nicht und ich finde sie als Qualifikationsmerkmal untauglich, wenn sie von außen kommt und besagt, dass eben jemand deutscher Nationalität eben doch wegen andere Gene nicht wirklich deutsch sein kann.
Selbst in den USA gibt es ein sehr ausgeprägtes Herkunftsbewußtsein. Sie sehen sich dann oft noch als Deutschamerikaner o. Italo-Amerikaner, obwohl die deutsche Sprachfähigkeit selbst in Dakota o. Pensylvenia stark zurückgegangen ist. In vielen mehrsprachigen Staaten ist das noch stärker ausgeprägt.
Deutschland ist vielleicht noch eines der Staaten, in denen die Integration bisher noch besser funktionierte als in anderen Staaten.

Wir reden also von verschiedenen Stufen der Integration. Vollständige Integration ist das Aufgehen in die Deutsche Ethnie.
Oft vollzieht sich Integration über eine binationale Generation o. es bilden sich regional sogar besondere Übergangsdialekte wie es Masurisch, Kaschubisch und Oberschlesisch waren.
95 % der Rätoromanen in Graubünden identifizieren sich auch als Deutschschweizer. Sie sind Doppel-Muttersprachler.
viele Grüße

Paul

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Ruaidhri
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Grundsätzlich sind sie aber Amerikaner- und da wird denn nicht gefragt, ob der Mr. Nielsen nun "Schwede" sei.
Sie sehen sich dann oft noch als Deutschamerikaner o. Italo-Amerikaner, obwohl die deutsche Sprachfähigkeit selbst in Dakota o. Pensylvenia stark zurückgegangen ist. In vielen mehrsprachigen Staaten ist das noch stärker ausgeprägt.
Letztendlich ist es aber piepegal, welche Pigmentierung jemand mitbringt- wie sonst auch, wenn er sich zu einer Nationalität bekennt.
Sorry, aber in den USA wirst Du nicht jedesmal sofort dämlich gefragt, wenn Du besten Südstaaten-Akzent sprichst, ob Du Deutscher, Norweger, Italiener, Inder oder sonstwas bist, weil Dein Name so klingt.
Alle sind in erster Linie Amerikaner- und dann mal so nebenbei mit Vorfahren von irgendwoher. Die deutsche Brauchtumspflege ist streckenweise lustig- zumal den "Deutsch-Amerikanern" gar nicht klar ist, dass diese Bräuche nur noch als Folklore im Mutterland stattfinden.
Äh, ne, und kein deutschstämmiger Ami, auch kein Italiener oder Spanier hat sich in Gesprächen je als "xxxAmerikaner bezeichnet, und die ursprüngliche Herkunft war nie sofort Gesprächsthema, wenn überhaupt.
Das ist in anderen Staaten auch so ähnlich, wenn sich denn nicht Auffälligkeiten ergeben. Man hätte mich wohl in GB oder Frankreich ziemlich blöd angesehen, wenn ich in meinen Familien einen Gast am Tisch gefragt hätte, ob er "Araber" oder "Spanier" ist. Oder woher er aus Afrika kommt, wenn er eben schwarze Hautfarbe hatte. Nö, Kollege oder Kollegin mit dem britischen oder französischen Pass.
Das wäre mal ganz gut, wenn wir das langsam auch lernten, ganz einfach mal zu akzeptieren, dass es nichts zu diskutieren und nicht zu hinterfragen gibt, wenn jemand anders aussieht als der Durchschnittsdeutsche, die Sprache als Muttersprache spricht und letztlich lebt, arbeitet und im Shanty-Chor singt, dass er Deutscher ist. Punkt.
Deutschland ist vielleicht noch eines der Staaten, in denen die Integration bisher noch besser funktionierte als in anderen Staaten.
Nein. Ohne die Integrationsunwilligen zu entschuldigen. Immer noch müssen die Leute beweisen, erklären, sich rechtfertigen, sich distanzieren, so einfach nur ordentlicher deutscher Bürger zu sein, ist schwierig. Sogar für Erfolgreiche. Siehe Fußball, wo sich Massen aufregen, dass ein Gündogan, Khedira, Odonkor in der Nationalmannschaft spiel(t)en.
Barbarossa hat geschrieben:Dies führte dann auch zur staatlichen Einheit Deutschlands 1871. Und dieses Zusammengehörigkeitsgefühl konnte auch nach dem 2. WK. trotz erneuter Teilung der Nation nicht zerstört werden - zumindest im Ostteil Deutschlands nicht. Wir waren vor allem Deutsche und erst danach - viel weiter danach, mit großem Abstand - DDR-Bürger. Man sollte also dieses Identifikationsmerkmal nicht einfach über den Haufen werfen, nur weil man fälschlich meint, es sei Teil rechter Gesinnung -
Muss nicht gleich die rechte Gesinnung dahinter stehen, die unterstelle ich nichtmal, aber das Modell-bzw. dieses Kriteruium ist inzwischen doch überholt- mag sein, dass man das mit Sozialisation im Westen eher so sehen kann.
Aber Deutsche im ursprünglichen Sinne sind dadurch noch lange nicht. Da muss erst über mehrere Generationen ein Assimilierungsprozess durchlaufen werden.
Das ist eine viel zu pauschale Annahme, die so nicht stimmt und die durchaus verletztend ist für diejenigen, die hier sprachlich und im Zusammenleben heimisch sind, und sei es, dass sie nur hier geboren, aufgewachsen sind und in einer Generation in jeder Hinsicht
eingedeutscht sind. Sorry, aber mit manchen Russland-Deutschen habe ich kulturell und und zivisatorsch viel weniger gemeinsam als
mit den Bürgern2. Klasse aus nicht deutschsprachigen Gegenden, zu denen Du sie machst.
Warum sollen sie eigentlich ihre Wurzeln (= Herkunft) verleugnen und sich zwanghaft als "Deutsche" titulieren, die sie nunmal nicht sind?
Viele haben gar keinen Bezug zu ihrer "Herkunft" und der dortigen Kultur mehr, schon nach einer Generation.
Sie müssen nicht und sie sollen nicht. Wer will, kann und ist und bleibt Deutscher mit xx-Ursprung.. Aber das wieder passt vielen Deutschen auch nicht.
Das ist eine inzwischen überholte Definition- und gerade mal wieder mit den Aufklärern und Idealisten beschäftigt, auf die wir berechtigt stolz sind, nicht so wirklich das, was sie wollten.
Wobei es sowieso die Frage ist, ob wir derartige Definitionen mit negativen Abgrenzungen und Unterscheidungen noch brauchen, für einen nicht ganz kleinen Teil der einstigen Migrantenfamilien, die inzwischen Deutsche sind, ist das überflüssig bis diskriminierend- ausschließend, wo sich die Menschen gar nicht ausschließen wollen.
Behindert es die Integration? Nicht von meiner Warte aus, denn ich behandle jeden erst mal als Menschen.
Ja. Wobei Deine Warte schonmal ein guter Ansatz im Sinne von Kant, Herder, Goethe und Co sind.
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Dietrich
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Ich denke, man sollte hier keine Sonderfälle konstruieren.

Wer deutsch spricht, sich der hiesigen Kultur zugehörig fühlt und somit eine deutsche Identität ausgebildet hat, ist ethnisch ein Deutscher. Bei Zugewanderten aus anderen Völkern tritt das meist erst nach drei oder vier Generationen ein. Ein gutes Beispiel sind die https://de.wikipedia.org/wiki/Ruhrpolen, die Ende des 19. Jh. zu zehntausenden ins Kaiserreich bzw. ins Ruhrgebiet kamen, das damals händeringend Arbeitskräfte suchte. Noch heute gibt es im Ruhrpott massenhaft die Tibulski, Majewski, Schimanski, Kowalski usw. usw. Keiner würde heute mehr auf Idee kommen, sie ethnisch als Polen zu bezeichnen. Sie haben deutsche Sprache, Kultur und Identität angenommen und sind somit ethnische Deutsche geworden.

Ob das jemals bei den Türken oder anderen muslimischen Zuwanderern geschieht, ist zweifelhaft. Die islamische Religion bildet da eine gewaltige Sperre, ganz anders als die ehemals katholischen Ruhrpolen.
Paul
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Dietrich hat geschrieben:Ich denke, man sollte hier keine Sonderfälle konstruieren.

Wer deutsch spricht, sich der hiesigen Kultur zugehörig fühlt und somit eine deutsche Identität ausgebildet hat, ist ethnisch ein Deutscher. Bei Zugewanderten aus anderen Völkern tritt das meist erst nach drei oder vier Generationen ein. Ein gutes Beispiel sind die https://de.wikipedia.org/wiki/Ruhrpolen, die Ende des 19. Jh. zu zehntausenden ins Kaiserreich bzw. ins Ruhrgebiet kamen, das damals händeringend Arbeitskräfte suchte. Noch heute gibt es im Ruhrpott massenhaft die Tibulski, Majewski, Schimanski, Kowalski usw. usw. Keiner würde heute mehr auf Idee kommen, sie ethnisch als Polen zu bezeichnen. Sie haben deutsche Sprache, Kultur und Identität angenommen und sind somit ethnische Deutsche geworden.

Ob das jemals bei den Türken oder anderen muslimischen Zuwanderern geschieht, ist zweifelhaft. Die islamische Religion bildet da eine gewaltige Sperre, ganz anders als die ehemals katholischen Ruhrpolen.
Die Menschen die damals ins Ruhrgebiet zogen und einen slawisch klingenden Namen hatten, waren nur zum kleineren Teil Polen und überwiegend gemischt- und Mehrsprachige Deutsche Staatsangehörige Masuren, Kaschuben und Oberschlesier, deren Vorfahren seit Jahrhunderten in dieser Übergangszone lebten. Übrigens sind viele masurische Namen pruzzischen Ursprungs. Die gemischte Sprache in Westpreußen und Ostpreußen hat sich möglicherweise schon bei der Einwanderung von Slawen in das gotische Siedlungsgebiet gebildet. Die meisten dieser Einwanderer hatten schon eine deutsche Identifikation, als sie ins Ruhrgebiet zogen.
viele Grüße

Paul

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Ruaidhri
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Die Menschen die damals ins Ruhrgebiet zogen und einen slawisch klingenden Namen hatten, waren nur zum kleineren Teil Polen und überwiegend gemischt- und Mehrsprachige Deutsche Staatsangehörige Masuren, Kaschuben und Oberschlesier, deren Vorfahren seit Jahrhunderten in dieser Übergangszone lebten.
Nein. War so nicht. Der tatsächliche polnische Anteil war nicht " der kleinere".
@ Dietrich:
Der 1. Weltkrieg sorgte dafür, dass die Unterschiede schwanden, und wer gemeinsam malocht oder im Krieg im Dreck legt, vergisst vieles, was sonst wichtig war. Gab aber lange umgekehrt das Vorurteil: Polnischer Name= nicht gymnasialfähig.
Ob das jemals bei den Türken oder anderen muslimischen Zuwanderern geschieht, ist zweifelhaft.
"Die Türken" gibt es nicht. Bei vielen ist das durchaus geschehen, leider sind es eben nicht genug, für so so manchem ehemaligen Vietnamesen, Libanesen, Syrer und Iraner gilt das ebenso.
Nur eben: Nicht genug, die das auch in der Öffentlchkeit so vertreten.
Warum auch, mehr als: "Kann gar nicht sein!" kommt doch eh nicht!
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Barbarossa
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Ruaidhri hat geschrieben:
Aber Deutsche im ursprünglichen Sinne sind dadurch noch lange nicht. Da muss erst über mehrere Generationen ein Assimilierungsprozess durchlaufen werden.
Das ist eine viel zu pauschale Annahme, die so nicht stimmt und die durchaus verletztend ist für diejenigen, die hier sprachlich und im Zusammenleben heimisch sind, und sei es, dass sie nur hier geboren, aufgewachsen sind und in einer Generation in jeder Hinsicht eingedeutscht sind. Sorry, aber mit manchen Russland-Deutschen habe ich kulturell und und zivisatorsch viel weniger gemeinsam als mit den Bürgern2. Klasse aus nicht deutschsprachigen Gegenden, zu denen Du sie machst.
Gerade das mache ich ja eben nicht. Wenn du aufmerksam liest, was ich so schreibe, dann merkst du das auch.
Ich denke, es ist einfach eine Definitionsfrage, wann jemand als "Deutscher" im tatsächlichen Sinne gesehen wird und wann lediglich als jemand mit deutscher Staatsbürgerschaft. Und da scheint die Definition hier im Osten sehr verbreitet doch eine andere zu sein, als im Westen. Eine Bekannte von mir schrieb auch kürzlich auf Facebook: "Das sind keine Deutschen, auch wenn sie hier geboren sind."
Und Definitionen sind feststehend, wenn man sich erst einmal festgelegft hat. Und die Definition diesbezüglich hier im Osten hat nunmal den genannten Hintergrund - er ist Teil der eigenen Biographie und damit auch Teil des eigenen Weltbildes - übrigens, wie geschildert auch meines Weltbildes. Darum halte ich auch nicht so viel davon, wenn jemand kommt und Veränderungen daran fordert. Und übrigens ginge das ja imho auch schon wieder in die Richtung - wir Einheimischen sollen und den Migranten anpassen. Das sehe ich auch in diesem Punkt nicht ein.
Aber ich sehe schon die Problematik, dass sich die Menschen hier im Osten mit der Integration von Migranten möglicherweise auch aus diesem Grund besonders schwer tun. Das ist vielleicht ein Teil der Erklärung dafür.
Aber: Schon mal gar nicht bin ich dafür, das amerikanische Modell für den Nationenbegriff zu übernehmen. Den Amis in allem nachzuäffen - da bin ich nun ein ganz großer Gegner davon. Sie sind für mich kein Vorbild (mehr).
Ruaidhri hat geschrieben:Das ist eine inzwischen überholte Definition- und gerade mal wieder mit den Aufklärern und Idealisten beschäftigt, auf die wir berechtigt stolz sind, nicht so wirklich das, was sie wollten.
Kann etwas, was historisch überhaupt erst so entstanden und gewachsen ist, jemals überholt sein?
Ruaidhri hat geschrieben:Wobei es sowieso die Frage ist, ob wir derartige Definitionen mit negativen Abgrenzungen und Unterscheidungen noch brauchen, für einen nicht ganz kleinen Teil der einstigen Migrantenfamilien, die inzwischen Deutsche sind, ist das überflüssig bis diskriminierend- ausschließend, wo sich die Menschen gar nicht ausschließen wollen.
Wie gesagt, ich erkenne die Problematik schon. Und es könnte sogar sein, dass junge, hier geborene Muslime mit Migrationshintergrund dadurch Probleme mit ihrer eigenen Identifikation haben. Was sind sie nun? Z. B. Türken? Meistens eigentlich nicht mehr, weil sie vielleicht die Sprache gar nicht mehr sprechen. Als Deutsche werden sie aber auch noch nicht (an-)erkannt. Der Ausweg, der ihnen bleibt, ist dann wohl die Religion, als Identifikationsmerkmal - sie sind Moslems in Deutschland. Und der eine oder andere radikalisiert sich dabei, weil der Koran das durchaus auch hergibt.
Kann man natürlich auch mal drüber nachdenken.
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Ruaidhri
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Und Definitionen sind feststehend, wenn man sich erst einmal festgelegft hat.
Ds besagt noch nicht, dass sie richtig und allgemein anerkannt und verbindlich sind.
Kann etwas, was historisch überhaupt erst so entstanden und gewachsen ist, jemals überholt sein?
Ja, denn es wächst weiter,die Welt verändert sich und auch manche Auffassung passt sich an.
wir Einheimischen sollen und den Migranten anpassen. Das sehe ich auch in diesem Punkt nicht ein.
Das sehe ich auch in vielem nicht ein, wobei es jedem selbst überlassen bleiben muss, ob er den Samowar oder Teebeutel benutzt.
Ich will aber nicht eine Anpassung im öffentlichen Bereich, ob Burka oder brunftige Männer, die die Grenzen nicht respektieren oder mit anderen Gepflogenheiten ( die oft europäische sind) nicht klar kommen. Müssen sie lernen. Punkt! Aus! Basta!
Wer aber will und ganz bewusst genau dieses Land mit seiner Geschichte und seiner (Hoch) Kultur will, und davon kenne ich viele, ist Deutscher. Ohne irgendwelche Einschränkungen.
Vielleicht fehlt im Osten genau das Stück des Hineinwachsens, der dann vielen intensiven und häufigen Begegnungen wie die schlichte Einsicht, dass mancher, den Du als deutschen Staatsbürger benennst, weit über dem Level vieler Deutscher die Sprache beherrscht, über Geschichte, Literatur, Kultur sehr viel mehr weiß als wieder der Durchschnittsdeutsche- und wer bereit ist, dieses Land auch im Dienste der Bundeswehr zu verteidigen, der ist immer noch kein Deutscher?
ann ich nicht im Geringsten anchvollziehen- ausgelebter Erfahrung und vom Denken her nicht. "Echte Deutsche von Geburt mit elterlichem Ariernachweis bin ich anders erzogen und geprägt- und vielleicht fremdel ich auch, aber nicht nur, oft deswegen immer mit dem Land, in dem ich vieles zu schätzen weiß, das ich unter bestimmten Bedingungen in seinen Werten auch tatsächlich mit Waffe verteidigen würde- in all dem, was seine Kultur und Werte ausmacht. Gleich, ob gegen fanatische Muslime oder fanatische Nazis. Die Werte allerdings sind nunmal nicht rein deutsch, sondern gemeinsames europäisches Erbe, mühsam erstritten, oft gegeneinander, aber am Ende sind es die grundlegenden Prinzipien und Werte Europas.
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Barbarossa
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Na ja - "Ariernachweis" ist quatsch. Den Blödsinn haben sich die Nazis damals einfallen lassen.
Ansonsten gibt es natürlich Abstufungen, was die Integrationswilligkeit angeht und ich für meinen Teil bin da auch bereit zu differenzieren.

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Ruaidhri
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Man wäre schn ein wesentliches Stück weiter, wenn man die Teile der gelungenen, gewollten Intergration und bewussten Teilhabe an dieser Gesellschaft eben auch als ein positiven Aspekt deutscher jüngster Geschichte mal ganz einfach akzeptieren würde- ohne irgendwelche Abstufungen, wer wann woher kam und seit wievielen Generationen die Familie im Lande ist.
Daraus ergeben sich dann durchaus Erkenntnisse, wie man es geschickt anstellt, den Willigen den Weg zu erleichtern, sich mit Land, Leuten, Kultur, Werten und eben auch der Vielfalt zu identifizieren.
Vielfalt in dem Sinne, dass eben auch- wie unter Deutschen üblich, spezifische Bräuche und Lebensgewohnheiten nicht untergehen müssen.
Aber immherhin, dann werde ich einer Freundin demnächst mal beipuhlen, dass sie ja gar keine echte Deutsche sein kann, weil sie italienische Vorfahren/ Großeltern hat.
Sicherlich ist es unter Europäern einfacher, einerseits die eigenen Wurzeln zu wahren, ohne den anderen abzuwerten und ausschließlich an seinen Maßstäben zu werten. War auch gut belebend so, nur gewiss im Westen einfacher, langsam hineinzuwachsen- für Einheimische wie Zuzügler und zunehmende Miteinander als eben auch ein Stück der neuen, eigenen Tradition zu sehen.
( Was nicht, aber mal gar nicht auf die Parallelgesellschaften bezieht, sondern ausschließlich auf die, woher auch immer, die ganz einfach Deutsche sind und sein wollen.
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Barbarossa hat geschrieben:Und es könnte sogar sein, dass junge, hier geborene Muslime mit Migrationshintergrund dadurch Probleme mit ihrer eigenen Identifikation haben. Was sind sie nun? Z. B. Türken? Meistens eigentlich nicht mehr, weil sie vielleicht die Sprache gar nicht mehr sprechen. Als Deutsche werden sie aber auch noch nicht (an-)erkannt. Der Ausweg, der ihnen bleibt, ist dann wohl die Religion, als Identifikationsmerkmal - sie sind Moslems in Deutschland. Und der eine oder andere radikalisiert sich dabei, weil der Koran das durchaus auch hergibt.
Kann man natürlich auch mal drüber nachdenken.
Umgangssprachlich hat sich der Begriff "Deutschtürken" eingebürgert. Hat ein Türke die deutsche Staatsbürgerschaft, ist er natürlich zunächst "Deutscher". Erklärenderweise ist es auch üblich, "Deutscher türkischer Herkunft" zu sagen. "türkischstämmiger Deutscher" ist ebenfalls eine von mehreren Bezeichnungen.

Inwieweit es irgendwann zu einer vollständigen Identifikation mit Deutschland kommt - so wie die irischen, deutschen, polnischen oder englischen Einwanderer Amerikas längst "Amerikaner" sind - sei dahingestellt.
Paul
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Dietrich hat geschrieben:Inwieweit es irgendwann zu einer vollständigen Identifikation mit Deutschland kommt - so wie die irischen, deutschen, polnischen oder englischen Einwanderer Amerikas längst "Amerikaner" sind - sei dahingestellt.
Lange haben die deutschstämmigen Amische die englischsprachigen als Engländer bezeichnet. Jetzt werden wohl auch sie immer mehr anglisiert? Es gab sogar Auswanderungsbewegungen. Deutschsprachige Mennoniten sind aus den USA nach Mexiko, in die Karibik und Paraquay ausgewandert.
viele Grüße

Paul

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Paul hat geschrieben:
Lange haben die deutschstämmigen Amische die englischsprachigen als Engländer bezeichnet. Jetzt werden wohl auch sie immer mehr anglisiert? Es gab sogar Auswanderungsbewegungen. Deutschsprachige Mennoniten sind aus den USA nach Mexiko, in die Karibik und Paraquay ausgewandert.
Die Glaubensgemeinschaft der Amish in den USA ist sicher ein extremer Sonderfall und nicht vergleichbar mit den nach Deutschland eingewanderten Türken oder anderen asiatischen oder afrikanischen Gruppen.

Es zeigt sich allerdungs, dass ein fundamentalistisches religiöses Konzept nit vorgeschriebenen Lebensformen einer Integration im Wege steht. Und somit werden alle Muslime, die derart strenggläubige Praktiken und Gebote befolgen, nie zu integrieren sein. Dazu zählen auch alle muslimischen Bevölkerungsgruppen, die sich im Dunstkreis des Salafismus bewegen. Wie groß dieser Anteil bei den gegenwärtig einwandernden Muslimen ist, lässt sich schwer beurteilen.
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