Wer ist "Deutscher"?

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Moderator: Barbarossa

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Barbarossa
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:arrow: Der Pfad wird von einem anderen Thema fortgeführt: http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... 250#p60250

Auch das Thema >> Nationalstolz - nationale Identität in Deutschland << ist dazu vielleicht auch interessant.
Ruaidhri hat geschrieben:
(Ich könnte dann glatt dazwischenrufen: "Nein! So sehen Deutsche normalerweise eben nicht aus!")
Doch. So sehen Deutsche heutzutage aus, und warum auch nicht? Ist etwa der afrikanisch-stämmige Ehemann einer Bekannten ein schlechterer Deutscher? Abgesehen davon, dass es in GB, F, Dänemark auch nicht darauf ankommt, wie jemand aussieht, sondern wie er sich verhält..
Nein, ich mache einen Unterschied zwischen der deutschen Staatsbürgerschaft und der deutschen Nationalität. Die deutsche Staatsbürgerschaft kann man erlangen - eine deutsche Nationalität hat man von Geburt an oder eben nicht. Damit ist nicht gesagt dass der eine oder andere ein besserer Staatsbürger ist - alle sind natürlich gleichberechtigt. Aber einen deutschen Staatsbürger mit Migrationshintergrund nenne ich nicht einen "Deutschen", sondern bezeichne ihn eben auch als deutschen Staatsbürger und ich würde es gut finden, wenn sich diese Sichtweise inklusive Bezeichnung auch so durchsetzen würde. In den Medien wird ja übrigens genau das selbe gemacht, wenn von einem "Deutsch-Türken" oder "Deutsch-Libanesen" usw. gesprochen wird.
Ich hab das schon erklärt, warum ich den Unterschied mache und ich finde auch, man muss nicht jeden Migranten zwangsweise eindeutschen, insbesondere dann nicht, wenn derjenige sich mit Deutschland nicht völlig indentifiziert.
Für mich hat Nationalität etwas mit der persönlichen Identität und Herkunft bzw. Abstammung zu tun, während die Staatsbürgerschaft einfach nur die staatsrechtliche Zugehörigkeit definiert - im Unterschied zur Nationalität also nichts Emotionales.
Und damit kann ich dann auch leben.
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Wallenstein

Barbarossa

Nein, ich mache einen Unterschied zwischen der deutschen Staatsbürgerschaft und der deutschen Nationalität. Die deutsche Staatsbürgerschaft kann man erlangen - eine deutsche Nationalität hat man von Geburt an oder eben nicht. Damit ist nicht gesagt dass der eine oder andere ein besserer Staatsbürger ist - alle sind natürlich gleichberechtigt. Aber einen deutschen Staatsbürger mit Migrationshintergrund nenne ich nicht einen "Deutschen", sondern bezeichne ihn eben auch als deutschen Staatsbürger und ich würde es gut finden, wenn sich diese Sichtweise inklusive Bezeichnung auch so durchsetzen würde. In den Medien wird ja übrigens genau das selbe gemacht, wenn von einem "Deutsch-Türken" oder "Deutsch-Libanesen" usw. gesprochen wird.
Ich hab das schon erklärt, warum ich den Unterschied mache und ich finde auch, man muss nicht jeden Migranten zwangsweise eindeutschen, insbesondere dann nicht, wenn derjenige sich mit Deutschland nicht völlig indentifiziert.
Für mich hat Nationalität etwas mit der persönlichen Identität und Herkunft bzw. Abstammung zu tun, während die Staatsbürgerschaft einfach nur die staatsrechtliche Zugehörigkeit definiert - im Unterschied zur Nationalität also nichts Emotionales.
Solch eine Einteilung würde ich für völlig falsch halten. Solche Bezeichnungen wie Deutsch-Türke werden im Laufe der Zeit ohnehin an Bedeutung verlieren. Sind Hugenotten Deutsch-Franzosen, die Polen, die in der Kaiserzeit eingewandert sind und seit Generationen im Ruhrgebiet leben, sind das Deutsch-Polen? Dann gibt es wohl auch noch Deutsch-Dänen, Deutsch-Holländer, Deutsche jüdischen Glaubens usw.? Schon Ende der fünfziger Jahre sind eine ganze Reihe Italiener nach Süddeutschland eingewandert, sind schon halbe Bayern, aber jetzt plötzlich Deutsch-Italiener? Gibt es „nationale“ und „nicht nationale“ Deutsche? Worin soll das festgemacht werden?

Eine frühere Freundin von mir hatte einen italienischen Vater und eine deutsche Mutter, ist in Hamburg geboren und aufgewachsen. Was ist sie jetzt, deutsch, italienisch, Deutsch-Italienerin oder italienische Deutsche? Hat sie nun die deutsche Nationalität oder nicht? Und was ist ein „richtiger“ ein „nationaler“ Deutscher? Der Nachweis deutschen „Blutes“? Ein Arierpaß? Und soll man Deutsch-Türke sagen, aber nicht Deutsch-Holländer? Ist der Begriff „Russland Deutscher“ zulässig?
Wir sollten nicht anfangen, hier wieder Unterschiede zu machen. Wenn in den Medien so etwas öfters gemacht wird, okay, aber das ist immer ziemlich willkürlich. Unseren ehemaligen Wirtschaftsminister Rösler hat man meines Erachtens nie als Deutsch-Vietnamesen bezeichnet. Warum macht man das mal ja und mal nicht? Entweder einheitlich oder gar nicht. Privat kann das natürlich jeder handhaben, wie er lustig ist, das muss jeder selber wissen, aber dabei sollte es dann auch bleiben.
Und was heißt Nationalität ist etwas Emotionales? Mag ja sein, aber ein Kind von Migranten, welches hier geboren wurde, hat auch eine emotionale Zuwendung zu Deutschland. Zählt das nicht? Sorry, aber ich kann mit diesen Dingen nichts anfangen und halte davon auch nicht viel.
Ruaidhri
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Die deutsche Staatsbürgerschaft kann man erlangen - eine deutsche Nationalität hat man von Geburt an oder eben nicht. Damit ist nicht gesagt dass der eine oder andere ein besserer Staatsbürger ist - alle sind natürlich gleichberechtigt. Aber einen deutschen Staatsbürger mit Migrationshintergrund nenne ich nicht einen "Deutschen", sondern bezeichne ihn eben auch als deutschen Staatsbürger und ich würde es gut finden, wenn sich diese Sichtweise inklusive Bezeichnung auch so durchsetzen würde. In den Medien wird ja übrigens genau das selbe gemacht, wenn von einem "Deutsch-Türken" oder "Deutsch-Libanesen" usw. gesprochen wird.
Typisch deutsch- und imho und in Einigkeit mit Wallenstein eben falsch, viele "fremdblütige" Deutsche betreffend.
Ob nun türkische, russische, französische, italienische, griechische oder sonstige Wurzeln betreffend, ist genau diese Differenzierung ein Hindernis zur Integration und Identifikation.
Abstammung darf kein Gesichtspunkt für Deutsch oder nicht Deutscher sein. In die wievielte Generation willst Du das dann fortsetzen?
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LG Ruaidhri
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Barbarossa
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Wallenstein hat geschrieben:Solch eine Einteilung würde ich für völlig falsch halten. Solche Bezeichnungen wie Deutsch-Türke werden im Laufe der Zeit ohnehin an Bedeutung verlieren. Sind Hugenotten Deutsch-Franzosen, die Polen, die in der Kaiserzeit eingewandert sind und seit Generationen im Ruhrgebiet leben, sind das Deutsch-Polen? Dann gibt es wohl auch noch Deutsch-Dänen, Deutsch-Holländer, Deutsche jüdischen Glaubens usw.? Schon Ende der fünfziger Jahre sind eine ganze Reihe Italiener nach Süddeutschland eingewandert, sind schon halbe Bayern, aber jetzt plötzlich Deutsch-Italiener? Gibt es „nationale“ und „nicht nationale“ Deutsche? Worin soll das festgemacht werden?
...
Und was ist ein „richtiger“ ein „nationaler“ Deutscher? Der Nachweis deutschen „Blutes“? Ein Arierpaß?
Das Entscheidende ist dabei die Frage, wie sich jeder selbst definiert. Hier mal ein Beispiel dazu:
In einer Fernseh-Doku bezeichnete sich ein sieben- oder achtjähriger Junge in der Schule selbst als "Albaner". Seine Lehrerin meinte daraufhin, er sei hier in Deutschland geboren, also sei er "Deutscher". Er mochte sich aber ganz offensichtlich gar nicht selbst so sehen und beharrte auf seine Nationalität als Albaner.

Das ist das, was ich als "zwangsweise eindeutschen" meinte. Warum lässt man nicht jeden das sein, was er sein möchte? Mein Beispiel zeigt, man ist eben nicht unbedingt automatisch "Deutscher", nur weil man hier geboren ist, sondern es ist eine Frage der eigenen Betrachtung <-- und das ist dabei das Entscheidende und nicht, in welche Schublade einen andere stecken möchten. Damit erübrigen sich dann auch solche perversen Absurditäten, wie ein "Arierpass", wie er in der NS-Zeit existierte.
Übrigens: Wann werden wir diese schreckiche Zeit denn mal ad acta legen können?

Genau so verhält es sich auch bei den anderen von dir genannten Beispielen:
Wallenstein hat geschrieben:Eine frühere Freundin von mir hatte einen italienischen Vater und eine deutsche Mutter, ist in Hamburg geboren und aufgewachsen. Was ist sie jetzt, deutsch, italienisch, Deutsch-Italienerin oder italienische Deutsche? Hat sie nun die deutsche Nationalität oder nicht? Und soll man Deutsch-Türke sagen, aber nicht Deutsch-Holländer? Ist der Begriff „Russland Deutscher“ zulässig?
...
Unseren ehemaligen Wirtschaftsminister Rösler hat man meines Erachtens nie als Deutsch-Vietnamesen bezeichnet.
Rösler berichtete ja selbst, dass er als vietnamesisches Adoptivkind nach Deutschland kam. Wie er sich heute selbst sieht, ließ er dabei meines Wissens offen - ich also auch. (Besonders böse Zungen in Ostdeutschland werden ihn sicher einen "Fidschi" nennen, aber das ist dann tatsächlich offener Rassismus!)
Bei deiner früheren italienischen Freundin stellt sich dann die Frage, welche Nationalität sie favorisierte - die des italienischen Vaters oder der deutschen Mutter, also: wie definierte sie sich selbst. Eher als Deutsche? Oder eher als Italienrin? Beides wäre in dem Fall ok.
Bei der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein ist die Sache dagegen völlig klar - sie sind dänischer Nationalität (bei deutscher Staatsangehörigkeit) und sie sehen sich auch selbst so. Ein weiteres Beispiel wären auch die Sorben und Wenden in der Lausitz, die ihre eigene Identität und Nationalität besitzen.
Hugenotten gibt es heute meines Wissens so gut wie nicht mehr (Ich habe gehört, in Berlin treffen sich gelegentlich heute noch einige wenige Leute, die sich noch als "Hugenotten" bezeichnen). Sie kamen ja im 17. Jh. nach Deutschland und sind im Grunde vollständig im deutschen Volk aufgegangen - ebenso, wie die Niederländer, die etwa zur gleichen Zeit in die Mark Brandenburg kamen. Aber schon vor 400 Jahren gab es Befürchtungen der damals einheimischen Bevölkerung bezüglich einer Überfremdung. Vermutlich liegt hier eine Überreaktion gegenüber einer Entwicklung vor, die man nicht überschauen kann. Dass man solche Migrationswellen aber eigentlich entspannt sehen kann, hat ja die Geschichte gezeigt. Die Nachkommen der ursprünglich Fremden blieben nicht fremd, sondern assimilierten sich und gingen im deutschen Volk auf.
Genauso bringen die heutigen Migranten zwar ihre eigene Identität und auch Religion mit, ihre Nachkommen werden sich aber irgendwann soweit assimiliert haben, dass auch sie sich als Deutsche betrachten - und dann sind sie es auch.
Wallenstein hat geschrieben:Und was heißt Nationalität ist etwas Emotionales?
Und ja, die Frage der eigenen nationalen Identität ist für mich sogar eine hochemotionale Angelegenheit.
Und es ist dabei so, wie mit allen Emotionen - man kann sie einfach nicht so richtig beschreiben. Sie sind einfach da.
:wink:

Zur Emotionalität in dieser Sache noch ein Gedanke:
Die viel gescholtene Pegida-Bewegung scheint aus genau dieser von mir beschriebenen Überreaktion gegen eine befürchtete Überfremdung einerseits und der vermutlich auch von diesen Leuten so gesehene emotionale Frage der eigenen Identität andererseits heraus entstanden zu sein. Insofern dürfte zumindest die Denkweise, die zur Pegida-Bewegung führte, dauerhaften Bestand haben, selbst, wenn sich die Bewegung an sich irgendwann selbst zerlegen sollte. Denn diese Denkweise (eigene Identität + Angst vor Überfremdung im Zuge von Migrationswellen) scheint schon sehr alt zu sein - viel älter, als die Zeit des Nationalismus, der erst im 19. Jh. so richtig aufkam und dagegen noch eine relativ junge Bewegung ist.
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Paul
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Ganz einfach ist das mit der Identifikation nicht. 95 % der rätoromanischen Muttersprachler sind auch deutsche Muttersprachler. Das gilt in anderen Anteilen auch für andere "Minderheiten". Deutschschweizer meint auch meist etwas anderes, als oben in Bezug auf Migranten bzw. ihren Nachfahren erwähnt. In Russland waren die Einwanderer aus der Schweiz auch einfach Russlanddeutsche. Die Deutschen in Paraquay bzw. ihre Vorfahren haben oft schon einen langen Weg hinter sich:
Friesland, Westpreußen, Russland, USA, Paraquay.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
Wallenstein

Barbarossa..
Du bringst hier zwei Dinge durcheinander. Es ist natürlich ein Unterschied wie jemand
1.) Von der Gesellschaft angesehen wird und
2.) Wie er sich selber sieht.

Aber wenn du schreibst: „Aber einen deutschen Staatsbürger mit Migrationshintergrund nenne ich nicht einen "Deutschen", sondern bezeichne ihn eben auch als deutschen Staatsbürger und ich würde es gut finden, wenn sich diese Sichtweise inklusive Bezeichnung auch so durchsetzen würde.“

Dann heiß das ja nichts anderes, als das du Wert darauf legst, das die Gesellschaft eine solche Klassifizierung vornehmen soll, unabhängig davon, wie die Person sich selber fühlt.

Wenn sich die betroffene Person aber als Deutsche fühlt, wie meine frühere Freundin, die sich als Deutsche mit italienischen Wurzeln begreift, dann wäre es nun aber aberwitzig, nun großen Wert darauf zu legen, sie als Deutsch-Italienerin zu bezeichnen, als ob das so furchtbar wichtig wäre. Und was sie auch selber nicht will.

(Übrigens, einen albanischen Jungen von acht Jahren als Beispiel zu nenne, das ist nicht besonders glücklich. Der soll erst einmal älter werden. Ich weiß nicht, ob ihm klar ist, worüber überhaupt geredet wird).

Also, ich finde diese Diskussion völlig absurd. Wenn jemand von sich selber sagt, er ist Deutscher mit jugoslawischen Wurzeln, dann ist das völlig okay. (Und in Einwandererländern wie USA ist es selbstverständlich, dass die Menschen sagen, meine Vorfahren kommen aus Deutschland, Japan oder wie auch immer. Deshalb sind sie trotzdem gute Amerikaner und zwar in erster Linie Amerikaner).

Und wenn jemand hier Wert darauf legt, aus welchem Land seine Vorfahren einmal gekommen sind und er gewisse Traditionen pflegt und stolz auf sie ist, dann ist dies auch in Ordnung.

Das ist aber etwas ganz anderes, als das was du willst: du legst Wert darauf, dass die Gesellschaft nun unbedingt darauf hinweisen soll, das sie fremde Vorfahren haben, egal, ob die Betroffenen das nun wollen oder nicht. Was soll das? Das führt nur zu Trennungen und Verwerfungen und zu einer künstlichen Spaltung in „echte“ Deutsche und in Deutsche, die nur „dazugekommen“ sind.

Also, wenn jemand von sich selber sagt, ich bin Deutsch-Afghane, dann ist das okay und dann kann man das auch so übernehmen und ihn so bezeichnen. Ich kenne aber Afghanen, die sich jetzt vor allem als Deutsche fühlen, weil sie hier geboren wurden oder als Kleinkinder hierher kamen. Und sie empfinden es als unangenehm, wenn man sie auf ihre afghanischen Eltern hinweist, weil sie glauben, dass sie in erster Linie als Fremde angesehen werden, die nicht zu Deutschland dazu gehören. Und deshalb soll die Gesellschaft nicht sagen: „Er ist zwar Deutscher, aber eigentlich ist er ja …..“.
Wenn er das nicht will, dann sollten wir das auch nicht tun und ständig alle Leute mit der Nase darauf stoßen lassen.
Ruaidhri
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Man kann richtig gut Deutscher sein und dennoch gleichzeitig z.B. türkisch fühlen, auch nach so manch türkischem Brauch leben- und wieder nach deutschem.
Man kann auch lange als Staatenloser in diesem Land gelebt haben, russisch- ukrainische Eltern (gehabt) haben, die hie russisch prägten, dort aber wieder die deutsche Lebensweise genauso pflegten, und irgendwann später die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen und mit wei Kulturen leben und daraus schöpfen.
Auch das ist heute. außer in Deutschland- ein bekannter Vorgang, das eine mit dem anderen zu verbinden und daraus eine neue Identität zu schöpfen.
Passt aber nicht zum Schubladen- und Schwarz-Weiß-Denken.
insbesondere dann nicht, wenn derjenige sich mit Deutschland nicht völlig indentifiziert.
Für mich hat Nationalität etwas mit der persönlichen Identität und Herkunft bzw. Abstammung zu tun, während die Staatsbürgerschaft einfach nur die staatsrechtliche Zugehörigkeit definiert - im Unterschied zur Nationalität also nichts Emotionales.
Ich habe keinen Migrationshintergrund, definiere und identifiziere mich aber ganz sicherlich nicht völlig mit diesem Deutschland. Emotionale Bindung? Selten, meine "Liebe", wenn schon Emotionen ins Feld geführt werden, ist da sehr geteilt. Mag daran liegen, dass ich lange in Nachbarländern gelebt und gearbeitet habe und in Familien verkehre, wo zweierlei Kultur gepflegt wird. Ein bisschen Spanierin wird eine gute Bekannte immer bleiben.
Ich finde es, mit Verlaub, ungeheuer peinlich, wenn fließend Deutsch sprechende, hier lebende Afrikaner oder Türken immer wieder gefragt werden, warum sie so gut Deutsch sprechen und woher sie kommen.
Völlig egal, in Deutschland geboren, hier integriert, aber nicht komplett Sauerkraut- und Eisbein assimiliert, sondern mit einem neuen Hintergrund, der gelebt wird und in Zukunft eben auch Deutschland ist.
Muttersprache: Deutsch Vaterland: Keins. Heimat: Europa
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Nemeth
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Ich weiß nun wirklich nicht, ob meine Ausführung zur Klärung solcherart Diskussionen dient.
Selbst bin ich in Ungarn geboren und durch die Politik des Deutschen Reiches und Ungarns
heimatlos geworden. So wurden wir als "Volksdeutsche" die wir sprachlich waren, vom ungarischen Nachkriegsstaat
von unserer Staatbürgerschaft "befreit" und ohne Papiere in hungernde Deutschland deportiert.Nach 250 Jahren Aufbauarbeit in Ungarn.
Dort angekommen-ohne Willkommenkultur- waren wir die ungarischen Zigeuner. (das ist aber alles nicht mehr wahr )
So stellten wir nach einiger Zeit fest, daß die "Einheimischen" die Flüchtlinge nach Regionen klassifizierten.
Es gab Sudetendeutsche, Bukowinadeutsche, Ostpreußen, Wohlhyniendeutsche, Ungarndeutsche und viele andere.
Diese "Einteilung" hat sich längere Zeit gehalten, nachdem die Alten weggestorben waren und wir, die Jungen sich
total angepasst hatten, hatte es sich sogut wie erledigt.
Auf meinen ausländischen Geburtsort angesprochen antworte ich scherzhaft:
Eine Katze, die im Fischgeschäft jungt, bekommt auch keine Karpfen.

Die andere Seite ist, wie man sich selbst fühlt. Wir, die jüngere Generation der Deportierten fühlen uns 100% -zige
Deutsche, während die Älteren so ab Jahrgang 1935 immer noch ein rot-weiß-grünes Band (ungarisches)Band ums
Herz geschlungen haben.
Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen
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Orianne
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Ich möchte mich als "Nicht Eidgenossin" noch äussern, Eidgenössin oder Eidgenosse ist man in gewissen Kreisen nur wenn man beide Elternteile aus der Schweiz hat, so bin ich also nur Schweizerin;-), in Frankreich wird man als Elsässerin als Deutsche tituliert, so ist es meiner Mutter in Paris an der Uni ergangen, gut, das war gegen Ende der 60er Jahre, aber besser soll es in Paris nicht geworden sein. In der Mitte von Frankreich sind z.B. dunkle Franzosen noch mehr Ressentiments ausgesetzt. Ich habe meinem Pass aus Frankreich nicht mehr verlängert, aber ob ich immer noch Französin bin, dass konnten sie mir auch auf dem Konsulat nicht sagen, ja man fände nichts im Gesetzbuch. Für mich existieren Ausdrücke wie Eidgenosse oder Schweiztürke nicht, für mich sind eingebürgerte MitbürgerInnen den "Eingeborenen" gleicht gestellt, ja wer um Aufnahme ins Bürgerrecht ersucht, der wird in Staatskunde so geprüft wie kein hier lebender Schweizer, so ein Einbürgerungstest stellt doch gewisse Anforderungen.

Ich stimme da mit Paul, Ruaidhri, Wallenstein und Nemeth überein. Wie ich vielleicht schon einmal schrieb habe ich Verwandte in den Staaten, und dort in Texas in der kleinen Stadt ist man in erster Linie Texaner (war ja schliesslich einmal ein souveräner Staat), und dann Amerikaner, und woher man legal eingewandert ist, es interessiert sich kaum ein Mensch dafür. Leider ist ist dort aber immer noch die Angelegenheit mit den Schwarzen und auch mit den Latinos, Ihr seht ich widerspreche meinen Zeilen oben, aber kaum läuft etwas leicht aus dem Ruder, dann spielt die Herkunft doch wieder eine Rolle, in den Grenzstaaten New Mexico, Arizona und Kalifornien sind die Leute noch extremer.
Grant stood by me when I was crazy, and I stood by him when he was drunk, and now we stand by each other.

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Renegat
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Nemeth hat geschrieben:Ich weiß nun wirklich nicht, ob meine Ausführung zur Klärung solcherart Diskussionen dient.
Es ist ja eines der Dauerthemen in diesem Forum, in unzähligen Threads wurde es diskutiert, ohne dass man irgendwo zu einen Abschluss gekommen wäre.
Wahrscheinlich wird das auch diesmal nicht passieren, denn es scheint doch sehr persönlich zu sein.
Deinen Beitrag finde ich sehr interessant, weil er zeigt, wie sich die Abstammungszugehörigkeit auswirkte, die in der Vergangenheit oft zugehörigkeitsbestimmend war.
Nemeth hat geschrieben:Selbst bin ich in Ungarn geboren und durch die Politik des Deutschen Reiches und Ungarns
heimatlos geworden. So wurden wir als "Volksdeutsche" die wir sprachlich waren, vom ungarischen Nachkriegsstaat
von unserer Staatbürgerschaft "befreit" und ohne Papiere in hungernde Deutschland deportiert.Nach 250 Jahren Aufbauarbeit in Ungarn.
Die Geschichte ist mir in groben Zügen bekannt. Würde man ein ähnliches Prozedere im heutigen D durchführen und z.B. allen seit den 60ern eingewanderten Türken und deren Nachkommen bis zum deutschen Enkelkind, die deutsche Staatsangekhörigkeit entziehen und alle in die Türkei ausweisen, würden die sich dort genauso fremd fühlen wie du oder deine Eltern. Du warst bei der Ausweisung ein Kind und hast dich eingelebt, Kindern fällt das meist leichter.
Ein junger Vater aus meinem Bekanntenkreis spricht mit seiner kleinen Tochter immer englisch. Zuerst dachte ich, er möchte ihr damit einen Bildungsvorsprung verschaffen aber er hat andere Gründe. Es ist seine Kindheitsumgebungssprache, weil er mit 2 deutschen Eltern teilweise in Kanada aufgewachsen ist, wahrscheinlich in einer prägenden Phase, in der das Umfeld wichtiger und prägender war als das Elternhaus.
Nemeth hat geschrieben:Dort angekommen-ohne Willkommenkultur- waren wir die ungarischen Zigeuner. (das ist aber alles nicht mehr wahr )
So stellten wir nach einiger Zeit fest, daß die "Einheimischen" die Flüchtlinge nach Regionen klassifizierten.
Es gab Sudetendeutsche, Bukowinadeutsche, Ostpreußen, Wohlhyniendeutsche, Ungarndeutsche und viele andere.
Diese "Einteilung" hat sich längere Zeit gehalten, nachdem die Alten weggestorben waren und wir, die Jungen sich
total angepasst hatten, hatte es sich sogut wie erledigt.
Eine Erfahrung die wahrscheinlich auch die meisten Vertriebenen in der BRD gemacht haben, die ersten Jahre müssen hart gewesen sein, man blieb deshalb oft unter sich und organisierte sich in Vertriebenenvereinen. Aber schon für die in den 50ern reichlich geborenen Kinder galt das nicht mehr. Da lagen keine 10 Jahre zwischen Flucht/Vertreibung und Integration.
Nemeth hat geschrieben:Auf meinen ausländischen Geburtsort angesprochen antworte ich scherzhaft:
Eine Katze, die im Fischgeschäft jungt, bekommt auch keine Karpfen.
Als Scherz ganz nett, für mich passt der Spruch nicht auf die Erfahrungen beim Menschen.
Nemeth hat geschrieben:Die andere Seite ist, wie man sich selbst fühlt. Wir, die jüngere Generation der Deportierten fühlen uns 100% -zige
Deutsche, während die Älteren so ab Jahrgang 1935 immer noch ein rot-weiß-grünes Band (ungarisches)Band ums
Herz geschlungen haben.
Dann bist du wohl doch ein Karpfen trotz der Katzeneltern. :D
Renegat
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Nemeth hat geschrieben:Ich weiß nun wirklich nicht, ob meine Ausführung zur Klärung solcherart Diskussionen dient.
Es ist ja eines der Dauerthemen in diesem Forum, in unzähligen Threads wurde es diskutiert, ohne dass man irgendwo zu einen Abschluss gekommen wäre.
Wahrscheinlich wird das auch diesmal nicht passieren, denn es scheint doch sehr persönlich zu sein.
Deinen Beitrag finde ich sehr interessant, weil er zeigt, wie sich die Abstammungszugehörigkeit auswirkte, die in der Vergangenheit oft zugehörigkeitsbestimmend war.
Nemeth hat geschrieben:Selbst bin ich in Ungarn geboren und durch die Politik des Deutschen Reiches und Ungarns
heimatlos geworden. So wurden wir als "Volksdeutsche" die wir sprachlich waren, vom ungarischen Nachkriegsstaat
von unserer Staatbürgerschaft "befreit" und ohne Papiere in hungernde Deutschland deportiert.Nach 250 Jahren Aufbauarbeit in Ungarn.
Die Geschichte ist mir in groben Zügen bekannt. Würde man ein ähnliches Prozedere im heutigen D durchführen und z.B. allen seit den 60ern eingewanderten Türken und deren Nachkommen bis zum deutschen Enkelkind, die deutsche Staatsangekhörigkeit entziehen und alle in die Türkei ausweisen, würden die sich dort genauso fremd fühlen wie du oder deine Eltern. Du warst bei der Ausweisung ein Kind und hast dich eingelebt, Kindern fällt das meist leichter.
Ein junger Vater aus meinem Bekanntenkreis spricht mit seiner kleinen Tochter immer englisch. Zuerst dachte ich, er möchte ihr damit einen Bildungsvorsprung verschaffen aber er hat andere Gründe. Es ist seine Kindheitsumgebungssprache, weil er mit 2 deutschen Eltern teilweise in Kanada aufgewachsen ist, wahrscheinlich in einer prägenden Phase, in der das Umfeld wichtiger und prägender war als das Elternhaus.
Nemeth hat geschrieben:Dort angekommen-ohne Willkommenkultur- waren wir die ungarischen Zigeuner. (das ist aber alles nicht mehr wahr )
So stellten wir nach einiger Zeit fest, daß die "Einheimischen" die Flüchtlinge nach Regionen klassifizierten.
Es gab Sudetendeutsche, Bukowinadeutsche, Ostpreußen, Wohlhyniendeutsche, Ungarndeutsche und viele andere.
Diese "Einteilung" hat sich längere Zeit gehalten, nachdem die Alten weggestorben waren und wir, die Jungen sich
total angepasst hatten, hatte es sich sogut wie erledigt.
Eine Erfahrung die wahrscheinlich auch die meisten Vertriebenen in der BRD gemacht haben, die ersten Jahre müssen hart gewesen sein, man blieb deshalb oft unter sich und organisierte sich in Vertriebenenvereinen. Aber schon für die in den 50ern reichlich geborenen Kinder galt das nicht mehr. Da lagen keine 10 Jahre zwischen Flucht/Vertreibung und Integration.
Nemeth hat geschrieben:Auf meinen ausländischen Geburtsort angesprochen antworte ich scherzhaft:
Eine Katze, die im Fischgeschäft jungt, bekommt auch keine Karpfen.
Als Scherz ganz nett, für mich passt der Spruch nicht auf die Erfahrungen beim Menschen.
Nemeth hat geschrieben:Die andere Seite ist, wie man sich selbst fühlt. Wir, die jüngere Generation der Deportierten fühlen uns 100% -zige
Deutsche, während die Älteren so ab Jahrgang 1935 immer noch ein rot-weiß-grünes Band (ungarisches)Band ums
Herz geschlungen haben.
Dann bist du wohl doch ein Karpfen trotz der Katzeneltern. :D
Paul
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Es gibt nicht nur die Sprache, Staatsangehörigkeit und identifikation. Die Sprache umfasst auch ein sehr großes Spektrum von Dialekten und "Nebensprachen".
Die Sprachwissenschaftler ordnen das Niederländische, Afrikans, Plattdeutsche und Jiddische als deutsche Nebensprachen ein.
viele Grüße

Paul

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Wallenstein

Ruaidhri hat geschrieben: I
Ich finde es, mit Verlaub, ungeheuer peinlich, wenn fließend Deutsch sprechende, hier lebende Afrikaner oder Türken immer wieder gefragt werden, warum sie so gut Deutsch sprechen und woher sie kommen.
Es gibt eine herrliche Parodie zu diesem Thema von Anke Engelke "Deutschkurs für Türken"
https://www.youtube.com/watch?v=r_Pf7Lycm2E
Ruaidhri
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Nemeth und Renegat sprachen es an: Deutschsein ist eines, sich jedoch landsmannschaftlich gegen die Masse der Deutschen abzugrenzen, der abgegrenzt zu werden, ist- oder war üblich.
So gibt es in den meisten Großstädten die Nachkriegsneu-Siedlungen, wo Straßennamen und Herkunft der Bewohner ziemlich übereinstimmen. Übereinstimmten, heute ist es gleich, wer dort lebt.
Die Sudetendeutschen waren sicherlich beste Deutsche in Barbarossas Sinn, wollten aber eben auch "Sudetendeutsche" als Spezifikation haben. Dafür gibt es viele Gründe, in der Entwurzelung brauchte man Identifiaktionsmerkmale, Sudentendeutscher, Ostpreuße, Pommer, Schlesier zu sein beinhaltete gleichzeitig auch den inneren Anspruch oder die Hoffnung, in die alte Heimat zurückkehren zu können.
Zur folgenden Generation:
Renegat hat geschrieben:Eine Erfahrung die wahrscheinlich auch die meisten Vertriebenen in der BRD gemacht haben, die ersten Jahre müssen hart gewesen sein, man blieb deshalb oft unter sich und organisierte sich in Vertriebenenvereinen. Aber schon für die in den 50ern reichlich geborenen Kinder galt das nicht mehr. Da lagen keine 10 Jahre zwischen Flucht/Vertreibung und Integration.
Stimmt, aber es wurde der Elterngeneration schon hart, wenn die Kinder sich als Lübecker, Schleswig-Holsteiner etc. empfanden und bezeichneten.

Man wird eine andere Definition des Deutsch-Seins finden müssen, wenn das auf längere Sicht überhaupt noch sinnvoll und notwendig ist. In jedem Fall nicht so unlogisch und platt auf Abstammung bezogen, das ist unerträglich.
Sonst sind wir, in Fortsetzung dessen, was Rechtsaußen-Hohlköpfe am Rande von Pegida röhren, bald wieder bei Halb- und Vierteltürken/ Griechen/ Spaniern oder Deutschen 2. Klasse.
Gleich, ob die in unserer Gesellschaft sozialisiert wurden und friedlich in ihr, mit ihr und für sie leben. Man kann dennoch dem Ursprungsland und Traditionen der vorherigen Generation(en) auf besondere und auch emotionale Weise verbunden sein.
Genau das lernen z.B. mein Großneffe und seine Schwester, die Möglichkeit des Gleichzeitigen jenseits irgendwelcher Definitionen, was Deutsch zu sein hat. Will man die demnächst als Vierteltürken einstufen, obwohl Papa hier geboren und sozialisiert wurde? Obwohl er Deutscher ist, nur halt nicht blond und blauäugig?
Weil auch noch auch türkische Traditionen in die Familie gehören, ebenso wie Weihnachten und jetzt gerade St. Martin?
In vielen Familien mit türkischen Wurzeln üblich, auch dort, wo man noch muslimischen Glaubens ist.
Viele Kinder, in meiner Großfamilie sowieso, aber auch hier auf dem Dorf, werden viel weltoffener erzogen als Generationen vorher, und das ist auch gut so.
Deutschsein ist nichts Schlechtes, nichts, was besser wäre als andere Prägungen, aber es ist eben eine Option unter anderen, die
geboten werden.
Multi-kulti kann prima funktionieren, wird es auch müssen, in anderen als in den bisher gedachten Abgrenzungen von deutscher Sitte hoher Wacht und umgekehrten Abgrenzungen, die Zuwanderer selber schaffen möchten.
Hoffentlich wird es für die jüngeren Generationen zusätzliche, andere Identifikationsmuster geben als die tatsächliche und gefühlte Nationalität, Ethnie, Religion.
Muttersprache: Deutsch Vaterland: Keins. Heimat: Europa
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Wallenstein hat geschrieben:Du bringst hier zwei Dinge durcheinander. Es ist natürlich ein Unterschied wie jemand
1.) Von der Gesellschaft angesehen wird und
2.) Wie er sich selber sieht.

Aber wenn du schreibst: „Aber einen deutschen Staatsbürger mit Migrationshintergrund nenne ich nicht einen "Deutschen", sondern bezeichne ihn eben auch als deutschen Staatsbürger und ich würde es gut finden, wenn sich diese Sichtweise inklusive Bezeichnung auch so durchsetzen würde.“

Dann heiß das ja nichts anderes, als das du Wert darauf legst, das die Gesellschaft eine solche Klassifizierung vornehmen soll, unabhängig davon, wie die Person sich selber fühlt.
Nein, ich denke, es ist eher ein Zusammenspiel von beidem.
Wenn sich Migranten hier in Deutschland ansiedeln, ggf. auch die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen, dann ist es selbstverständlich, dass sie ihre ausländischen Wurzeln nicht verleugnen, denn natürlich ist es ein Teil ihrer Identität. Davon gehe ich grundsätzlich erst einmal aus.
Wallenstein hat geschrieben:(Übrigens, einen albanischen Jungen von acht Jahren als Beispiel zu nenne, das ist nicht besonders glücklich. Der soll erst einmal älter werden. Ich weiß nicht, ob ihm klar ist, worüber überhaupt geredet wird).
Die ausländischen Wurzeln können auch durch Erziehung an den Nachwuchs weitergegeben werden. Dies ist anscheinend bei dem albanischen Jungen der Fall und wird von dessen Eltern wohl auch in Zukunft fortgeführt werden. Voraussichtlich wird er sich also auch in Zukunft eher einen "Albaner" nennen und nicht als "Deutscher".
Bei der Identität ist der Aspekt, welche Vorfahren man hatte, nur ein Teilaspekt. Ein anderer Aspekt ist eben auch, was an die Kinder weitergegeben wird - die Erziehung also. Bei einem Rösler, der zwar als sehr junges vietnamesisches Adoptivkind nach Deutschland kam, kann sich eine Identität als Deutscher durchaus stark ausgeprägt haben. Er spricht ja auch völlig akzentlos Deutsch.
Wallenstein hat geschrieben:Wenn sich die betroffene Person aber als Deutsche fühlt, wie meine frühere Freundin, die sich als Deutsche mit italienischen Wurzeln begreift, dann wäre es nun aber aberwitzig, nun großen Wert darauf zu legen, sie als Deutsch-Italienerin zu bezeichnen, als ob das so furchtbar wichtig wäre. Und was sie auch selber nicht will.
Hm, dann ist es für die betreffende Person eben eher unwichtig. Jeder so, wie er meint...
Wallenstein hat geschrieben:Und wenn jemand hier Wert darauf legt, aus welchem Land seine Vorfahren einmal gekommen sind und er gewisse Traditionen pflegt und stolz auf sie ist, dann ist dies auch in Ordnung.
Das ist natürlich in Ordnung. Aber dann pflegt er eben Traditionen, die nicht Teil deutscher Kultur sind. Aber das ist natürlich auch nichts verwerfliches.
Wallenstein hat geschrieben:Also, ich finde diese Diskussion völlig absurd. Wenn jemand von sich selber sagt, er ist Deutscher mit jugoslawischen Wurzeln, dann ist das völlig okay. (Und in Einwandererländern wie USA ist es selbstverständlich, dass die Menschen sagen, meine Vorfahren kommen aus Deutschland, Japan oder wie auch immer. Deshalb sind sie trotzdem gute Amerikaner und zwar in erster Linie Amerikaner).
Amerika und Deutschland sind nun aber so gar nicht miteinander vergleichbar. Deutschland ist als Kulturnation auf den Territorien einer Vielzahl von Kleinstaaten entstanden, während bei den USA der Bundesstaat am Anfang stand, der zudem durch Migration überhaupt zu dem wurde, was er heute ist. Für mich sind da fast ausschließlich Gegensätze erkennbar.
Wallenstein hat geschrieben:Das ist aber etwas ganz anderes, als das was du willst: du legst Wert darauf, dass die Gesellschaft nun unbedingt darauf hinweisen soll, das sie fremde Vorfahren haben, egal, ob die Betroffenen das nun wollen oder nicht. Was soll das? Das führt nur zu Trennungen und Verwerfungen und zu einer künstlichen Spaltung in „echte“ Deutsche und in Deutsche, die nur „dazugekommen“ sind.
Oliver Welke - Moderator der "heute-show" - hat auf satirische Art auch darauf hingewiesen, wenn man Migranten ausgrenzt, dann wird das nichts mit der Integration.
Auch solche Sendungen (oder vielleicht gerade solche) können zum Nachdenken anregen. Und ich stimme Welke zu, Ausgrenzungen behindern sowohl die Integration von Migranten, wie auch die Ausgrenzung der Ostdeutschen ein wirkliches Zusammenwachsen Deutschlands bis zum heutigen Tag behindert hat. Ich glaube, das ist ein Aspekt des Frustes, der hier im Osten herrscht, dass es bis heute politisch auch gar nicht gewollt ist, dass in ganz Deutschland völlig gleiche Lebensbedingungen herrschen - selbst bei den gesetzlichen Mindestlöhnen wird ja immer noch starr ein Unterschied zwischen Ost und West gemacht, statt z. B. in ganz Deutschland nach Regionen zu unterscheiden. Nein, man will politisch nach wie vor diese starren sozialen Ost-West-Unterschiede. Und da wundert sich noch irgend jemand daüber, dass es hier im Osten eine Frustration gibt, die sich in einem noch größeren Widerstand gegen Asylbewerber entlädt, als im Westen? Mich wundert das überhaupt nicht, wenn man auch 25 Jahre nach der Einheit immer noch in jeder Hinsicht quasi zum Deutschen 2. Klasse gestempelt wird.
Fazit: Man kann nicht Migranten aus völlig fremden Ländern schnell integrieren wollen, während es sogar innerhalb Deutschlands noch reichlich "Baustellen" - sprich: Benachteiligungen - gibt. Das führt zu weiteren sozialen Verwerfungen, die sich böse rächen werden.

Aber ich will die soziale Ost-West-Spaltung jetzt gar nicht als Totschlagsargument vorschieben. Ich finde nur, man kann Migranten in die Gesellschaft und ins Berufsleben integrieren, ohne ihn seiner Identität und Herkunft zu berauben und jeden zwanghaft zum "Deutschen" im ursprünglichen Sinne machen wollen, was sowieso nicht geht. Nur, wenn sich daraus dann Ressentiments herausbilden, dann beweist es, dass unsere Gesellschaft unfähig ist, ethnische Unterschiede zu respektieren.
Ich glaube, hier liegt bei mir auch eigentlich der "Hase im Pfeffer": Ich wehre mich gegen die Veränderung der ursprünglichen Bedeutung der deutschen Identität. Das muss aber als Meinungsäußerung zumindest auch legitim sein, dass man da dagegen ist.
Wallenstein hat geschrieben:Also, wenn jemand von sich selber sagt, ich bin Deutsch-Afghane, dann ist das okay und dann kann man das auch so übernehmen und ihn so bezeichnen. Ich kenne aber Afghanen, die sich jetzt vor allem als Deutsche fühlen, weil sie hier geboren wurden oder als Kleinkinder hierher kamen. Und sie empfinden es als unangenehm, wenn man sie auf ihre afghanischen Eltern hinweist, weil sie glauben, dass sie in erster Linie als Fremde angesehen werden, die nicht zu Deutschland dazu gehören. Und deshalb soll die Gesellschaft nicht sagen: „Er ist zwar Deutscher, aber eigentlich ist er ja …..“.
Wenn er das nicht will, dann sollten wir das auch nicht tun und ständig alle Leute mit der Nase darauf stoßen lassen.
Das ist richtig - das wäre dann so, wie bei Rösler - s.o.
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