Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten

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Moderator: Barbarossa

Renegat
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Renegat hat geschrieben:Wenn ich mich recht erinnere, wird im Museumsdorf in Lehde bei Lübbenau erklärt, dass Sorben die Eigenbezeichnung der deutschen Slawen sei und Wenden die Bezeichnung, die die Deutschsprecher den Slawischsprechern gaben, also die Außenbezeichnung. Fand ich damals logisch.
Sind denn die sprachlichen Unterschiede so groß? Wendenkönig hat den Unterschied mit geschlossenen Siedlungsgebiet der Sorben, im Gegensatz zum verstreuten der Wenden erklärt. Die Bezeichnung Sorben muß es aber schon länger geben, denn der erwähnte Vorfahr wurde familienmythologisch auch als Sorbe bezeichnet, obwohl er in Ostsachsen lebte.
Wendenkönig hat geschrieben:Wenn er aus Sachsen stammt ist er ja auch Sorbe, also ist es eine total richtige Bezeichnung. Den Begriff Sorben gibt es ebenfalls länger, zumindest im heutigen "Siedlungsgebiet".
Keine Ahnung, der hat den Namen um 1825 mit einer deutsch klingenden Endung versehen. Der wird seine Gründe gehabt haben, Bismarcks Kulturkampf war es jedenfalls noch nicht. Auf jeden Fall war er evangelisch. Vielleicht haben sich spätere Nachkommen, die Sorbengeschichte auch erst in der Nazizeit ausgedacht, damals haben ja alle Ahnenforschung betrieben. Auch die werden ihre Gründe gehabt haben.
Was immer er auch war, der Name blieb erhalten, aber irgendwelche kulturellen Besonderheiten sind nicht überliefert, auch keine sprachlichen. Und genau darauf wollte ich hinaus, irgendwann als die Dörfer verlassen wurden mit Beginn der Industriealisierung, vereinheitlichten sich Sitten, Gebräuche und Sprache. Das ist ein normaler Prozess.
Dazu kam noch das Schulwesen.

Wendenkönig hat geschrieben:Die Wenden kamen ja viel später in die Region. Naja und die Sprachen, die waren alle slavischen Ursprungs. Meine Mutter (Wendin) konnte sich russisch gut verständigen , unsere Nachbarin eine Sorbin, sprach fast akzentfreies Polnisch, ohne es zu wissen. Als das erste mal die Grenze zu Polen geöffnet wurde, traf sie mit einer polnischen Familie zusammen. Die polnische Frau fragte sie ob sie Polin sei. So unterschiedlich sind die Sprachen.
Wann kamen denn die Wenden?
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Marek1964
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Marek1964 hat geschrieben:Ich möchte jetzt alle bitten, das Thema Wenden und Sorben in diesem Thread

http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... 491#p50491

weiterzuführen.

Denn die Sorben wie die Wenden sind in Deutschland Minderheiten, die kaum eine echte Paralellgesellschaft darstellen - im Gegensatz zu anderen. Ich sehe sie wie Rätoromanen in der Schweiz - klein, angepasst, problemlos. Von der Mehrheitsgesellschaft nicht zu unterscheiden.
Wendenkönig
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Wann kamen denn die Wenden?

Mit der Völkerwanderung, da waren die Sorben bereits ein alteingesessenes Volk im Süden

Die Wenden kamen als Obodriten. So war ihr eigentlicher Name

Ich hab das was im Netz gefunden, nur als Bein Beispiel. Es kommt aus dem Wendland:

Über 1000 Jahre kann Borwin Herzog zu Mecklenburg seine Familiengeschichte zurückverfolgen: als Nachfahre des Obotritenkönigs Niklot repräsentiert er einen wendischen Stamm, dessen Fürsten bis 1918 im Land Mecklenburg regierten.
Sorben sind wir nicht, Wenden dürfen wir nicht sein also sind wir Deutsche (wendisches/ slavisches Sprichwort)
Renegat
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Wieso das denn? Das paßt doch alles. Barbarossa hatte erst gestern nach Absprache im Thread den Titel geändert.
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Marek1964
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Renegat hat geschrieben:Wieso das denn? Das paßt doch alles. Barbarossa hatte erst gestern nach Absprache im Thread den Titel geändert.
Mit dem eigentlich diskutierten Begriff "Paralellegesellschaften" und Ghetto und Subkultur hat es eigentlich nicht mehr viel gemein.

Eigentlich kann man den ganzen Thread "Slawische Minderheiten in Deutschland" benennen. Wenn es dem Threaderöffner aber so recht ist - dann solls mir auch Recht sein.
Renegat
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Es ging mir darum, moderne Begriffe mit geschichtlichem Leben zu füllen. Auch vom Ende her kann man Geschichte betrachten. Die Jahrhunderte alten parallel nebeneinander existierenden slawischen und deutschen Kulturen veranschaulichen einen modernen, soziologischen Begriff. Hatte ich alles schon gestern geschrieben.
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Marek1964
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Ein aus meiner Sicht wichtiger Begriff einer Parallelgesellschaft ist die Bildung eines "Staates im Staate", der eine eigene Wertordnung hat, die der Leitkultur durchaus auch im Widerspruch stehen kann.

Es geht sicher nicht darum, dass man vielleicht mehrere Sprachen spricht, wie es in diesem Thread thematisiert wurde geschichte-wissen.de/forum/viewtopic.php?f=34&t=5004& sondern eher hier: geschichte-wissen.de/forum/viewtopic.php?f=15&t=4202&

Interessant ist aber auch das Judentum in dieser Hinsicht Jahrhunderte, ja Jarhtausende lang eine Paralellgesellschaft zu bildem im Stande war, aber ohne wirklich für die Leitkultur eine wirkliche Gefahr gewesen zu sein, im Gegenteil, zu vielen herausragenden Leistungen fähig.
Renegat
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Marek1964 hat geschrieben: Interessant ist aber auch das Judentum in dieser Hinsicht Jahrhunderte, ja Jarhtausende lang eine Paralellgesellschaft zu bildem im Stande war, aber ohne wirklich für die Leitkultur eine wirkliche Gefahr gewesen zu sein, im Gegenteil, zu vielen herausragenden Leistungen fähig.
Juden kamen zur slawisch-deutschen Nachbarschaft hinzu, von Seite 1
Renegat hat geschrieben:Die slawisch-deutsche Nachbarschaft in großen Teilen Ds über viele Jahrhunderte ist ein interessantes Thema. Ob das dörferweise Parallelgesellschaften waren, schwer zu sagen, da der soziologische Begriff zu neu ist. Bis Ende des 19. Jhdt. war das im Osten die Regel, in einem Dorf lebten evangelische Deutschsprecher, im nächsten katholische Slawischsprecher und dann gab es noch ev. Slawischsprecher und diverse andere Kombinationen. Ehepartner lernte man beim Kirchgang oder Dorffest kennen, wenn man nicht die Nachbarstochter heiratete, also blieb man weitgehend unter sich. So ähnlich stelle ich mir das auch bei den Donauschwaben vor.
Spaßeshalber habe ich mal ein wenig Ahnenforschung betrieben, meine deutschesten Vorfahren, erkennbar an Name u. Religion lebten am weitesten im Osten. Westlich, im heutigen D lebte ein Vorfahr, der seinen Namen bei der Hochzeit eingedeutscht hatte, klang vorher slawisch, ob nun wendisch, sorbisch oder polnisch kann ich nicht beurteilen.
Was wir heute Parallelgesellschaften nennen, war also früher die Regel, auch innerhalb der Stadtgesellschaft. Neulich habe ich gelesen, dass bis in die frühen 30er ca 10 % der Bevölkerung Juden waren. Das Judentum mit Synagogen aber auch als Nachbarn, Freunde, Kollegen, Geschäften war also so präsent, wie wir uns das heute gar nicht mehr vorstellen können. Es sei denn, man läuft über Stolpersteine oder liest Gedenktafeln an alten Häusern.
Ob 10 % der Bevölkerung Ds moslemischen Glaubens sind, weiß ich gar nicht genau, könnte sein. Wenn das mit den Deutschen jüdischen Glaubens funktioniert hat und es hat idR funktioniert, gerade im späten 19. und frühen 20 Jhdt. waren die Juden gut integriert, gerade in der Zeit lösten sich die wohnräumlichen Beschränkungen auf, das Reformjudentum bildete sich. Warum soll es mit den deutschen Moslems nicht klappen?
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Nemeth
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Diese vier Oberbegriffe beinhalten sehr viele Unterpunkte, die auch noch miteinander vernetzt sind.
Parallelgesellschaft, wie schon angesprochen , spielen nur die 1 bis zwei Generationen, die es unmittelbar betrifft, eine Rolle.
(zB. Polen im Bergbau im Ruhrgebiet)
Sobald der "Nachschub" aus den Heimatländern versiegt, kann es nur noch die Frage der Anpassung an die Mehrheitsbevölkerung gebe.
Als Beispiel möchte ich die Russlanddeutschen und Vietnamesen in den neuen Bundesländern erwähnen.
Wenn auch die Gründe der Nichtanpassung wegfallen (Glauben, wirtschaftlicher Erfolg, Heirat untereinander ) geht die Integration sehr schnell.
Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen
Lia

Renegat hat geschrieben:.....gerade im späten 19. und frühen 20 Jhdt. waren die Juden gut integriert, gerade in der Zeit lösten sich die wohnräumlichen Beschränkungen auf, das Reformjudentum bildete sich. Warum soll es mit den deutschen Moslems nicht klappen?
Auch, wenn es derzeit kaum jemand hören oder lesen will: Es funktioniert auch schon beieiner Vielzahl von Moslems, die deutsche Mitbürger muslimischen Glaubens sind.
Wendenkönig
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Lia hat geschrieben:
Renegat hat geschrieben:.....gerade im späten 19. und frühen 20 Jhdt. waren die Juden gut integriert, gerade in der Zeit lösten sich die wohnräumlichen Beschränkungen auf, das Reformjudentum bildete sich. Warum soll es mit den deutschen Moslems nicht klappen?
Auch, wenn es derzeit kaum jemand hören oder lesen will: Es funktioniert auch schon beieiner Vielzahl von Moslems, die deutsche Mitbürger muslimischen Glaubens sind.
...und bei Muslimen die eingewandert sind und in gutem Einvernehmen, mit ihren deutschen Mitmenschen, leben.
Sorben sind wir nicht, Wenden dürfen wir nicht sein also sind wir Deutsche (wendisches/ slavisches Sprichwort)
Renegat
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Nemeth hat geschrieben:Diese vier Oberbegriffe beinhalten sehr viele Unterpunkte, die auch noch miteinander vernetzt sind.
Parallelgesellschaft, wie schon angesprochen , spielen nur die 1 bis zwei Generationen, die es unmittelbar betrifft, eine Rolle.
(zB. Polen im Bergbau im Ruhrgebiet)
Sobald der "Nachschub" aus den Heimatländern versiegt, kann es nur noch die Frage der Anpassung an die Mehrheitsbevölkerung gebe.
Im Prinzip ja, jedenfalls was die Städte betrifft und wenn die Arbeitssituation keine übergroßen Schranken aufbaute. Die Polnischsprecher im Ruhrgebiet kamen übrigens überwiegend aus Gebieten mit preußischer Oberhoheit.

Wenn die Migration dagegen in separate neu gegründete Dörfer erfolgte, konnten sich kulturelle, religiöse Unterschiede u.U. sehr lange halten. Dafür ist doch gerade die Südostsiedlung ein Beispiel, Nemeth. Teilweise haben sich dort Bräuche erhalten, die es im deutschen Ursprungsgebiet nicht mehr gab. Vielleicht ein typisches Diaspora-Verhalten. Du hast dazu bestimmt Beispiele, ich kenne mich mit Donauschwaben nicht so aus.
Nemeth hat geschrieben:Als Beispiel möchte ich die Russlanddeutschen und Vietnamesen in den neuen Bundesländern erwähnen.
Wenn auch die Gründe der Nichtanpassung wegfallen (Glauben, wirtschaftlicher Erfolg, Heirat untereinander ) geht die Integration sehr schnell.
Da bin ich nicht so sicher, es gibt in jeder Gruppe Menschen, die für den sozialen Aufstieg alles tun und sehr offen die andere Kultur annehmen. Genauso gibt es Menschen, die da nicht so offen sind und sich in der Fremde Freunde aus ihrer alten Heimat suchen. Die Vielzahl von russischen oder fernöstlichen Läden in Großstädten zeigt, dass es einen Bedarf an Waren aus der alten Heimat gibt. Essgewohnheiten sind sehr konservativ. Bringen Einwanderer der 1. Generation eine religiöse Bindung mit, kann die Kirchengemeinde Heimat sein. Viele christliche und jüdische Gemeinden in deutschen Großstädten halten ihre Mitgliedszahlen nur mit Ostmigranten auf einem vor Kirchenschließung bewahrenden Stand. Buddhistische Tempel gibt es auch schon einige.
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Nemeth
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Renegat hat geschrieben:
Wenn die Migration dagegen in seperate, neugegründete Dörfer erfolgte.....................................,
du hast bestimmt Beispiele.................................. .

Ja, habe ich. Nur ich möchte übersichtshalber dem Thema bezüglich der "Donauschwaben" nicht vorgreifen.
So will ich Schritt um Schritt die Geschichte der Donauschwaben veranschaulichen.
Das besondere, wenn nicht gar einmalige ist daran, daß sich Ungarn vom Gastgeber, Verbündeten zum Vertreiberstaat
mutierte und seine Verantwortung der jüngeren Geschichte relativiert.
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Lia

Renegat hat geschrieben:m Prinzip ja, jedenfalls was die Städte betrifft und wenn die Arbeitssituation keine übergroßen Schranken aufbaute. Die Polnischsprecher im Ruhrgebiet kamen übrigens überwiegend aus Gebieten mit preußischer Oberhoheit.
Sprachen Polnisch und waren katholisch, was in mehrheitlich protestantischen Vierteln schon fast automatisch zu Leben in Parallel- Gesellschaften führte. Da die Kinder deutsche Schulen besuchten und weil man sich aufm Pütt, in der Kokerei und am Hochofen verständigen können musste, lernten Väter und ältere Brüder halt auch Deutsch.
Die alte polnische Schreibweise der Namen wurde oft verdeutscht, die Aussprache gleichfalls, man lebte nebeneinander, aber getrennt voneinander abseits der Arbeit.
Im Krieg wieder war egal, wie man hieß, man war im Dreck aufeinander angewiesen.
Nicht das, was man sich wünscht, gewiss nicht.
Gemeinsame Arbeit, im Revier dann Fußball- Gruß nach Schalke und Brieftauben-Passion ließen die einstigen Grenzen schwinden, endgültig aber wohl erst in den 60er Jahren.
Renegat
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Lia hat geschrieben: Sprachen Polnisch und waren katholisch, was in mehrheitlich protestantischen Vierteln schon fast automatisch zu Leben in Parallel- Gesellschaften führte.
Den konfessionellen Unterschied kann man nicht hoch genug einschätzen, bei den historischen Parallelgesellschaften.
Bei mir um die Ecke steht eine katholische Kirche aus der Gründerzeit, gebaut für Arbeiter, die man damals aus dem katholischen Eichsfeld angeworben hatte. Deutsch sprachen die sicher, so weit ist das Eichsfeld gar nicht, aber sie waren eben katholisch. Da man die Arbeiter brauchte, baute ihnen der Fabrikbesitzer eine Kirche, Arbeitersiedlungen neben der Fabrik waren damals sowieso üblich.
Inzwischen ist die Fabrik geschlossen, die Arbeiterhäuschen in schicke, teure Reihenhäuschen umgewandelt und die katholische Kirche hat mit dem gleichen Besucherschwund zu kämpfen wie alle Kirchen.
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