Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten

Kommunalwahlen, Meinungsumfragen, Konflikte, Religionen, Ereignisse

Moderator: Barbarossa

Renegat
Mitglied
Beiträge: 2045
Registriert: 29.04.2012, 19:42

Aktuell ist im Pegida bzw. Hogesa-Thread oft von Parallelgesellschaften die Rede http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... 252#p50252
Da klingt es manchmal so, als würden Migranten absichtlich in ein bestimmtes Stadtviertel ziehen, um dort eine Parallelgesellschaft zu gründen, weil das so schön gemütlich und das Viertel so nett ist.

Dabei ist das Wort Parallelgesellschaft eine relativ neue Wortschöpfung, für Umstände, die fast so alt sind wie die Menschheit. http://de.wikipedia.org/wiki/Parallelgesellschaft
Für mich sind dabei 2 Aspekte relevant.
1. Wohnviertel, Wohnungsmarkt,
heute überwiegend in privatwirtschaftlicher Hand. Das bedeutet, der Staat, die Kommune hat kaum noch Einfluß auf die Zusammensetzung von Wohnvierteln. Menschen der Unterschicht werden in bestimmte Viertel abgedrängt, weil sie woanders kaum eine von ihnen bezahlbare Wohnung finden. Das Wohnviertel bestimmt das Lebensumfeld, die Nachbarschaft, die Kindergärten und Schulen, die die Kinder besuchen müssen.

2. Subkultur
Die Kultur einer Gesellschaft ist nie einheitlich, sondern auch bei Einheimischen abhängig von den Lebensumständen, Interessen, der Gesellschaftsschicht und den Einkommensverhältnissen. Der jungdynamische Bänker wird kaum privaten Kontakt zu Putzfrauen und Schnellimbisslieferfahrern pflegen.

Viele Probleme, die in den oben erwähnten Threads diskutiert werden, ergeben sich aus den sehr verschiedenen Lebensumständen in unserer Gesellschaft. Die Verschiedenheit hat nicht nur etwas mit der Erziehung zu tun sondern auch mit dem sozialen Umfeld.
Ein deutsches Ober- und Mittelschichtkind hat heute kaum noch die Möglichkeit, sich draußen unbeaufsichtigt Spielkameraden aus allen Schichten auszuwählen und ganz zwanglos für sich selbst zu lernen, wie man mit anderen Kindern umgeht, Frendschaften schließt. Kinder in den Armenvierteln spielen zwangsläufig noch draußen, dort lernen sie mit anderen Kindern klar zu kommen, sich allein zu behaupten ohne den "Helikopterschutz" der Eltern.
Das sind zwei sehr unterschiedliche Lebenswelten, natürlich gibt es diverse Zwischenformen, die sich ins Erwachsenenalter fortsetzen und die soziale Kompetenz von Menschen prägen.
Spannend wird es, wenn beide Welten zusammenkommen, etwa am Arbeitsplatz, weil es doch immer wieder mal einer aus der Unterschicht schafft, eine Aufstiegsperspektive zu verfolgen.
Irgendwo habe ich neulich gelesen, dass sozial gemischte Teams erfolgreicher sind als einheitliche.
Lia

Neue Wortschöpfung für Vorgänge, die es in anderer Form auch früher gab.
Soziale Abgrenzung nach Wohngebiet und Stadtteilen ist- siehe Link nichts Neues, war aber in D am Ende immer leichter zu durchbrechen als heutzutage.

Denke da gerade an die Großstädte des Ruhrgebiets. Zu den Kindern der polnischen Migranten, die mein Großvater unterrichtete, hatte meiner Mutter relativ wenig Kontakt. dauerte, bis beide Welten zu einer wurden, und das lag nicht nur an den Deutschen.
War es Jahrzehnte später in meiner Generation wesentlich anders? Auch da prägte der Stadtteil, in dem geboren wurde und aufwuchs.
Beide Seiten, DU-Mitte und Kaiserberg und andere, von Industrie und Arbeiterschaft geprägte Stadtteile waren sehr unterschiedliche Welten.
Hannes Wader- "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern" traf auf deutsche Nachkriegsverhältnisse durchaus zu.
Nur waren diese Schranken letztlich zu duchbrechen, ganz friedlich, von unten nach oben und umgekehrt.
Auch, weil es Arbeit und Aufstiegsmöglichkeiten gab, weil es eigentlich normal war, sich aus den bescheidenen verhältnissen mit eigener Kraft lösen zu wollen statt zu warten, dass die " Gesellschaft" die Probleme löst.
Spannend wird es, wenn beide Welten zusammenkommen, etwa am Arbeitsplatz, weil es doch immer wieder mal einer aus der Unterschicht schafft, eine Aufstiegsperspektive zu verfolgen.
Gerade das hat in der ersten Zeit der Migration vielleicht vieles einfacher gemacht, die gemeinsame Arbeit. Das fehlt heute als soziales und kommunikatives Element.
Nun geht es ja hauptsächlich um kulturelle/ reliöse und oft auch sprachliche Parallelgesellschaften.
Diese gegenseitige und von vielen bewusst und vehement gewählte Abgrenzung zu durchbrechen, wird schwierig. Genau da stehe ich vor ganz konkreten Fragen, wie man jene Teile der Gesellschaft erreicht, die ansonsten schon ziemlich abgekoppelt sind.
Mit Zwang und Wohnraumzuweisung, sodass Viertel" durchmischt" werden, jedenfalls nicht.
Cherusker
Mitglied
Beiträge: 2068
Registriert: 02.04.2014, 21:51
Wohnort: Weserbergland im ehemaligen Gebiet der Cherusker

Renegat hat geschrieben:Aktuell ist im Pegida bzw. Hogesa-Thread oft von Parallelgesellschaften die Rede http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... 252#p50252
Da klingt es manchmal so, als würden Migranten absichtlich in ein bestimmtes Stadtviertel ziehen, um dort eine Parallelgesellschaft zu gründen, weil das so schön gemütlich und das Viertel so nett ist.
Das ist so nicht von der Hand zu weisen. In einer norddeutschen Stadt wurden ganze Häuserzeilen aufgekauft. D.h. die Käufer wollen unter sich bleiben. :wink:
Und wer einmal über den großen Teich schaut, der kann in New York die Stadtteile noch heute erkennen, z.B. Little Italy, Chinatown, .... . Dort haben sich die Einwanderer, je nach Herkunft, in bestimmte Stadtteile angesiedelt. Schön getrennt nach Iren, Italiener, Deutsche, Chinesen, usw.
Und müssen wir sowas in Deutschland auch haben? Teilweise existiert es schon....
Paul
Mitglied
Beiträge: 2739
Registriert: 29.04.2012, 18:44
Wohnort: Mittelhessen an der Loganaha

[/quote]Nun geht es ja hauptsächlich um kulturelle/ reliöse und oft auch sprachliche Parallelgesellschaften.
Diese gegenseitige und von vielen bewusst und vehement gewählte Abgrenzung zu durchbrechen, wird schwierig. Genau da stehe ich vor ganz konkreten Fragen, wie man jene Teile der Gesellschaft erreicht, die ansonsten schon ziemlich abgekoppelt sind.
Mit Zwang und Wohnraumzuweisung, sodass Viertel" durchmischt" werden, jedenfalls nicht.[/quote]

Die Wohnungsbaugesellschaften können die Mieter auch ohne Zwang mischen. Sie müssen die Wohnungen nur entsprechend vermieten. Die Nachfrage ist ja da.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
Wendenkönig
Mitglied
Beiträge: 118
Registriert: 30.12.2014, 15:18
Wohnort: im Osten ...Grenzgebiet zu Polen

Hallo, ist sehr interessant, welche Gedankengänge sich hier treffen. Eines aber haben sie gemeinsam. Alle beziehen sich auf "Aussiedler", Umsiedler, Flüchtlinge aus Krisengebieten ...
Soweit ich das kennengelernt habe sind hier die Abgrenzungen, teilweise, sehr massiv. In den Städten in meiner unmittelbaren Umgebung gibt es teils auch schon gewisse "Viertel", wo sich bevorzugr Vietnamesen, Türken oder Russlanddeutsche niederlassen. Trotzdem kann ich aber auch sagen, dass die "Wohnraumlenker", doch schon gut eingreifen und die Wohnungsvergabe mit "sanfter" Hand gelenkt wird. In diesen Fällen sind die Ausländer, egal welcher Nation zwar innerhalb der deutschen Mieter angesiedelt, werden aber von diesen nicht recht anerkannt. Genauso verhalten sich aber auch, verständlicherweise, die "Fremden". Sie meiden den Kontakt und bleiben unter sich. Sie pflegen ihre eigenen, oft sehr fremdartigen, Bräuche, essen anders und feiern anders als die alteingesessenen Deutschen. Das ist, zu mindest in meinem Umfeld, die Gegenwart.

Anders sieht es bei den einheimischen Minderheiten, zu der ich ja auch gehöre, aus.
Im Großen und Ganzen werden wir kaum noch als solche angesehen. Man verdrängt einfach, dass wir nicht zur deutschen "Rasse" gehören. Von Seiten der Wenden und Sorben sieht es ja nicht viel anders aus.
Sehen wir von den, auch heute noch, von älteren Frauen meist, getragener Tracht und gesprochener Sprache ab, verschwinden diese in der großen Masse.
Wie ich schon im Vorstellungsthreat herausgelesen habe, ist den meisten Deutschen nicht bewusst, dass sie es hier mit zwei verschiedenen Gruppen des slavischen Volkes zu tun haben.
Die Sorben sind ein alteingesessenes Volk in der heutigen Niederlausitz. Sie haben sich tatsächlich nicht weit verbreitet und im großen Teil ihrem Gebiet treu geblieben.
Anders die Wenden. Die Wenden sind ein Volk von Fischern und Handwerkern und stammen aus den nördlichen Gebieten des heutigen Deutschlands und Polens. Im Laufe der Völkerwanderung, verbunden mit Kriegen und Verfolgung, kamen sie vor über 1000 Jahren in das Gebiet der heutigen Niederlausitz, des Spreewaldes im großen germanische Reich. Diese Gegend war für die Germanen damals uninteressant da es sich um unwirtschaftliches Moorland handelte. Ein Teil der Wenden blieb in diesem Gebiet über viele Jahrhunderte unbehelligt und konnte sich so betätigen, wie es ihrer Natur entsprach. (Fischfang in den Seen und Wasserläufen, Körbe wurden geflochten, Landwirtschaft in bescheidenem Maße betrieben und man konnte seinen alten Bräuchen und Riten, unbehelligt, nachgehen).
Ein Teil zog aber auch weiter und siedelte im heutigen Süden Polens, den tschechischen und slovakischen Republiken und stießen bis ins Karpatenbecke vor, wo sie sich im süden Ungarns niederließen.

Die Sprache beider Völker (slavisch) ähnelte sich und deshalb werden die Sorben und Wenden bis heute in einen Topf geworfen. Wer allerdings in diesem Kulturkreis aufgewachsen ist erkennt die Unterschiede. Die Sorben sind der größere, da einheitlich gebliebene, Teil dieser slavischen Bevölkerung, die Wenden sind auf grund ihrer (Weiter)wanderung der kleine Teil im beinahe gleichen Gebiet, Verstreut in kleineren Gruppen aber, in fast ganz Süd-/ Osteuropa

****
Ich werde meinen Beitrag fortführen um zum eigentlichen Thema "Parallelgesellschaft, Subkultur, Armenviertel, Ghetto" zurück zu kommen. Auf einen Ritt wird es zu umfangreich. Ich bitte um Verständnis. Vielleicht werfen sich aber auch für diesen ersten Teil Fragen oder Bemerkungen auf? Ich bin gern bereit auch diesen ersten Teil zu diskutieren oder Fragen zu beantworten ...
Sorben sind wir nicht, Wenden dürfen wir nicht sein also sind wir Deutsche (wendisches/ slavisches Sprichwort)
Benutzeravatar
Orianne
Mitglied
Beiträge: 3147
Registriert: 11.06.2014, 21:14
Wohnort: Suisse
Kontaktdaten:

Rätoromanisch ist neben Französisch, Deutsch und Italienisch die vierte Landessprache der Schweiz. Von den knapp 9 Millionen in der Schweiz sprechen vielleicht 40'000 Menschen die Sprache, die Tendenz ist aber wieder steigend. Ich vergleiche gerne die Rätoromanen mit den Sorben, sie sind etwas was den Kanton Graubünden in der Schweiz einmalig macht, denn dieser Kanton hat 3 Landessprachen.
Grant stood by me when I was crazy, and I stood by him when he was drunk, and now we stand by each other.

General William Tecumseh Sherman
Bild
Paul
Mitglied
Beiträge: 2739
Registriert: 29.04.2012, 18:44
Wohnort: Mittelhessen an der Loganaha

Orianne hat geschrieben:Rätoromanisch ist neben Französisch, Deutsch und Italienisch die vierte Landessprache der Schweiz. Von den knapp 9 Millionen in der Schweiz sprechen vielleicht 40'000 Menschen die Sprache, die Tendenz ist aber wieder steigend. Ich vergleiche gerne die Rätoromanen mit den Sorben, sie sind etwas was den Kanton Graubünden in der Schweiz einmalig macht, denn dieser Kanton hat 3 Landessprachen.
Weil sich viele Rätoromanen/Zweisprachler geweigert hatten ihre Kinder in rein rätoromanische Schulen zu schicken wurde der Schultyp geändert, so das jetzt wieder mehr Leute ihre Kinder in "Rätoromanische" (bilinguale) Schulen schicken. Ausschlaggebend war, das eine Gemeinde, die vorher offiziell als Rätoromanisch galt sich per Volksabstimmung zur deutschen Gemeinde erklärte, um einen anderen Schultyp zu erhalten. Wenn noch 40 % der Bevölkerung die angestammte Sprache der Gemeinde "auch" sprechen gilt sie als z.B. Rätoromanisch, zwischen 20 und 40 % gilt sie als Zweisprachig.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
Wendenkönig
Mitglied
Beiträge: 118
Registriert: 30.12.2014, 15:18
Wohnort: im Osten ...Grenzgebiet zu Polen

Naja :) , mit so vielen Sprachen, sagen wir mal "Ursprachen"für ein Gebiet, können wir nicht aufwarten. Die Sorben haben ihren Kernpunkt, wie schon geschrieben, in der sorbischen Oberlausitz im Land Sachsen, wobei die Wenden ja hauptsächlich im brandenburgischen leben. Überall ist deutsch aber die erste Sprache und sorbisch als auch wendisch nur nebenher, die zweite Sprache.
Auch wenn in letzter Zeit immer mehr interessiert, vor allem Jugendliche, sich den Minderheiten- Sprachen zuwenden. Ich finde das auch gut. So wird die Sprache hoffentlich nicht verschwinden sondern bleibt weiter bestehen. Meine Generation wird kaum noch in der Lage sein, unsere eigentliche Muttersprache zu erlernen und damit zu erhalten. Ich kenne die Melodie dieser Sprache, wendisch, noch gut aber leider nicht der Worte Bedeutung. Nur rudimentäre Fragmente sind noch in meinem Gedächtnis. Ich persönlich bedauere das sehr.
Sorben sind wir nicht, Wenden dürfen wir nicht sein also sind wir Deutsche (wendisches/ slavisches Sprichwort)
Renegat
Mitglied
Beiträge: 2045
Registriert: 29.04.2012, 19:42

Die slawisch-deutsche Nachbarschaft in großen Teilen Ds über viele Jahrhunderte ist ein interessantes Thema. Ob das dörferweise Parallelgesellschaften waren, schwer zu sagen, da der soziologische Begriff zu neu ist. Bis Ende des 19. Jhdt. war das im Osten die Regel, in einem Dorf lebten evangelische Deutschsprecher, im nächsten katholische Slawischsprecher und dann gab es noch ev. Slawischsprecher und diverse andere Kombinationen. Ehepartner lernte man beim Kirchgang oder Dorffest kennen, wenn man nicht die Nachbarstochter heiratete, also blieb man weitgehend unter sich. So ähnlich stelle ich mir das auch bei den Donauschwaben vor.
Spaßeshalber habe ich mal ein wenig Ahnenforschung betrieben, meine deutschesten Vorfahren, erkennbar an Name u. Religion lebten am weitesten im Osten. Westlich, im heutigen D lebte ein Vorfahr, der seinen Namen bei der Hochzeit eingedeutscht hatte, klang vorher slawisch, ob nun wendisch, sorbisch oder polnisch kann ich nicht beurteilen.
Was wir heute Parallelgesellschaften nennen, war also früher die Regel, auch innerhalb der Stadtgesellschaft. Neulich habe ich gelesen, dass bis in die frühen 30er ca 10 % der Bevölkerung Juden waren. Das Judentum mit Synagogen aber auch als Nachbarn, Freunde, Kollegen, Geschäften war also so präsent, wie wir uns das heute gar nicht mehr vorstellen können. Es sei denn, man läuft über Stolpersteine oder liest Gedenktafeln an alten Häusern.
Ob 10 % der Bevölkerung Ds moslemischen Glaubens sind, weiß ich gar nicht genau, könnte sein. Wenn das mit den Deutschen jüdischen Glaubens funktioniert hat und es hat idR funktioniert, gerade im späten 19. und frühen 20 Jhdt. waren die Juden gut integriert, gerade in der Zeit lösten sich die wohnräumlichen Beschränkungen auf, das Reformjudentum bildete sich. Warum soll es mit den deutschen Moslems nicht klappen?
Wendenkönig
Mitglied
Beiträge: 118
Registriert: 30.12.2014, 15:18
Wohnort: im Osten ...Grenzgebiet zu Polen

Paul hat geschrieben:
Orianne hat geschrieben:Rätoromanisch ist neben Französisch, Deutsch und Italienisch die vierte Landessprache der Schweiz. Von den knapp 9 Millionen in der Schweiz sprechen vielleicht 40'000 Menschen die Sprache, die Tendenz ist aber wieder steigend. Ich vergleiche gerne die Rätoromanen mit den Sorben, sie sind etwas was den Kanton Graubünden in der Schweiz einmalig macht, denn dieser Kanton hat 3 Landessprachen.
Weil sich viele Rätoromanen/Zweisprachler geweigert hatten ihre Kinder in rein rätoromanische Schulen zu schicken wurde der Schultyp geändert, so das jetzt wieder mehr Leute ihre Kinder in "Rätoromanische" (bilinguale) Schulen schicken. Ausschlaggebend war, das eine Gemeinde, die vorher offiziell als Rätoromanisch galt sich per Volksabstimmung zur deutschen Gemeinde erklärte, um einen anderen Schultyp zu erhalten. Wenn noch 40 % der Bevölkerung die angestammte Sprache der Gemeinde "auch" sprechen gilt sie als z.B. Rätoromanisch, zwischen 20 und 40 % gilt sie als Zweisprachig.

Im Wendenland weigerte man sich nicht die Kinder in wendische Schulen zu schicke. Hier war es so, dass diese Schulen verboten wurden und alle hatten deutsch zu sprechen. Viele der damaligen Kinder mussten also in der Schule deutsch sprechen, was sie eigentlich gar nicht richtig verstanden. Zu hause wurde nur Muttersprache gesprochen. Dieses "Kauderwelsch" führte auch dazu, dass man bis in die jüngste Vergangenheit die Wenden an ihrem seltsamen Akzent erkannte. Sie wurden belächelt und als minderwertig in der Bildung eingeschätzt. Allerdings waren diese "neuen Wenden und Sorben" die Dolmetscher für die Eltern in den "strammen" deutschen Amtsstuben.

Heute entstehen wieder rein sorbisch/wendische Kindergärten und Schulen, neben den Bilingualen Schulen in denen ein Teil des Unterrichts die sorbische Sprache als Fremdsprachenunterricht erfolgt.

Wendisch hatte noch ein Manko, nämlich die nicht vorhandene Schrift. Heute wird viel improvisiert und aus anderen, verwanten, slavischen Sprachen übernommen. Jetzt können sich auch Wenden schriftlich ausdrücken. :)
Zuletzt geändert von Wendenkönig am 01.01.2015, 13:58, insgesamt 1-mal geändert.
Sorben sind wir nicht, Wenden dürfen wir nicht sein also sind wir Deutsche (wendisches/ slavisches Sprichwort)
Wendenkönig
Mitglied
Beiträge: 118
Registriert: 30.12.2014, 15:18
Wohnort: im Osten ...Grenzgebiet zu Polen

Renegat hat geschrieben: Bis Ende des 19. Jhdt. war das im Osten die Regel, in einem Dorf lebten evangelische Deutschsprecher, im nächsten katholische Slawischsprecher und dann gab es noch ev. Slawischsprecher und diverse andere Kombinationen. Ehepartner lernte man beim Kirchgang oder Dorffest kennen, wenn man nicht die Nachbarstochter heiratete, also blieb man weitgehend unter sich.

Stimmt genau! Allerdings kann man hier schon die Sorben von den Wenden unterscheiden.
Sorben= katholisch (hauptsächlich)
Wenden = evangelisch (hauptsächlich)
und natürlich die Dörfer wo sich Wenden, Deutsche und Sorben mischten

Man darf hier auch nicht vergessen, dass gerade zwischen diesen klerikal unterschiedlichen Dörfern, die Landesgrenze zwischen Sachsen und Brandenburg/Preußen verlief.

Mein Dorf z.B. hat auch schon ein paar Jahrhunderte auf dem Buckel. Regierungsmässig unterstanden wir immer mal jemand anderem. Sachsen herrschte über uns , genauso wie Böhmen, es hat auch schon ein ungarischer König mitgemischt als dieser auch Böhmen regierte, bis wir dann Ende des 19. Jahrhunderts endgültig (zumindest bis heute :wink: ) preußisches und dem zu Folge heute, brandenburgisches Recht erhielte.
Sorben sind wir nicht, Wenden dürfen wir nicht sein also sind wir Deutsche (wendisches/ slavisches Sprichwort)
Lia

Das Thema Minderheiten ist ein anderes als das der Parallel-Gesellschaften, Subkulturen, Ghettos, denke ich.
Wobei Parallel nicht immer stimmt, weil es durchaus "Gegengesellschaften" sind.
Dort haben sich die Einwanderer, je nach Herkunft, in bestimmte Stadtteile angesiedelt. Schön getrennt nach Iren, Italiener, Deutsche, Chinesen, usw.
Diese Abgrenzungen sind normal, könnte ich Dir im Mikrokosmos Dorf wie in den größeren Städten des Umlandes, vor allem in Lübeck, auch aufzeigen. Trotzdem funktioniert das Dorf doch wieder in Gemeinschaft, wenn es nötig ist.
Flüchtlinge und Einheimische nach dem Krieg: Auch nicht gerade ohne gegenseitiges Misstrauen und Ablehnung gewesen. Man blieb lange Zeit gern unter sich, andererseits war man sozusagen zu Kontakten gezwungen, ob wegen der Kinder, beim Einkaufen, bei Dienstleistungen. Irgendwo hatte man auch ein gemeinsames Ziel: Raus aus der Not. Je mehr Flüchtlinge und DPs in Lohn und Brot kamen, desto weniger spielte noch die Herkunft wirklich eine Rolle.
(* Doch, aber anders als heute.)
Amerika als der einst idealisierte "melting pott of nations" ist durchaus differenziert zu betrachten.
Wobei ein irishstämmiger US-Bürger und ein Italo-US-Bürger mit einem asiatischen Mitbürger doch wieder anders unter dem Dach USA lebt als es Angehörige hiesiger Parallelgesellschaften tun und wollen.
Und müssen wir sowas in Deutschland auch haben? Teilweise existiert es schon....
Schon soweit, dass viele integrierte, bewusst und als Deutsche mit allen Pflichten und Rechten lebende Zuwanderer just aus jenen Vierteln fliehen.
In diesen Fällen sind die Ausländer, egal welcher Nation zwar innerhalb der deutschen Mieter angesiedelt, werden aber von diesen nicht recht anerkannt. Genauso verhalten sich aber auch, verständlicherweise, die "Fremden". Sie meiden den Kontakt und bleiben unter sich. Sie pflegen ihre eigenen, oft sehr fremdartigen, Bräuche, essen anders und feiern anders als die alteingesessenen Deutschen. Das ist, zu mindest in meinem Umfeld, die Gegenwart.
Das ist leider mehrheitlich so- auf beiden Seiten bedürfte es da mehr Entgegenkommen, Erklärung von Sitten und Bräuchen, um besser zu verstehen, und vielleicht auf der Hilfe von außen.
Benutzeravatar
dieter
Mitglied
Beiträge: 10152
Registriert: 29.04.2012, 09:48
Wohnort: Frankfurt/M.

Bedenken sollte man auch. dass weite Gebiete Deutschlands einen slawischen Hintergrund haben. Man kann mit Schleswig-Holstein anfangen, wonach der Name "Holstein" sich auf den slawischen Stamm der Holsten bezieht. Das Wendland mit Ihren Runddörfern, wo augenblicklich die Atomabfälle liegen ist natürlich auf das slawische Volk der Wenden zurückzuführen. Die Obodriten saßen in Meck-Pomm. Der Name Lausitz ist auf die slawischen Liutizen zurückzuführen, die ein Bündnis mit dem deutschen Kaiser gegen die Polen hatten.
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Wendenkönig
Mitglied
Beiträge: 118
Registriert: 30.12.2014, 15:18
Wohnort: im Osten ...Grenzgebiet zu Polen

Das Thema Minderheiten ist ein anderes als das der Parallel-Gesellschaften, Subkulturen, Ghettos, denke ich.
Wobei Parallel nicht immer stimmt, weil es durchaus "Gegengesellschaften" sind.


Ich denke auch, "Gegengesellschaften" ist richtiger, sollte aber in Gemeinschaft mit Parallel- Gesellschaft genannt werden. Warum? Egal ob Chinesen, Türken, Vietnamesen, Wenden oder Sorben, bilden doch ein Gegengewicht zur "angestammten" Gesellschaft, sind immer eine Minderheit und stellen sich als solche dagegen. Trotz allem müssen sie sich parallel zur "Hauptgesellschaft" bewegen. Ein totaler Ausbruch ist wohl nicht möglich.
Sorben sind wir nicht, Wenden dürfen wir nicht sein also sind wir Deutsche (wendisches/ slavisches Sprichwort)
Wendenkönig
Mitglied
Beiträge: 118
Registriert: 30.12.2014, 15:18
Wohnort: im Osten ...Grenzgebiet zu Polen

Liutizen, Namensgeber für die Lausitz? ...Einspruch! Auf Grund von Rivalitäten zwischen den Stämmen blieb den Wenden die Herausbildung eines dauerhaften staatlichen Gebildes verwehrt. So sehen sie sich bald von christlichen Herrschern aus dem Westen und von aufstrebenden Reichen im Osten bedrängt.
Unter dem Ansturm der christlichen Eroberer bildeten die Stämme schließlich einen Kampfbund, den man "Liutizenbund" nannte.
(Vikipedia)
Liutizen sind also ein Verbund wendischer Stämme, um sich gegen die Christianiserung zu wehren.

Der Name Lausitz bezieht sich auf den Stamm der Lusici, die weitestgehend in der wendischen Gesellschaft aufgegangen sind.
...im 4./5. Jahrhundert erfolgte wohl um 700 n. Chr. (bislang ältestes Dendrodatum von einer Plankenwand unter dem slawischen Burgwall von Lübbenau) und verstärkt im 8. Jahrhundert die Besiedlung der Niederlausitz durch slawische Gruppen. Auszug aus einem Vikipediabeitrag (eigener Zusatz: Lübbenau, Lübben und Burg sind die bekanntesten alten Gemeinden im Spreewald)
Sorben sind wir nicht, Wenden dürfen wir nicht sein also sind wir Deutsche (wendisches/ slavisches Sprichwort)
Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag

Zurück zu „Gesellschaft“