Rußland kämpft gegen den Zerfall des Rubel

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Moderator: Barbarossa

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Gontscharow
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Heute hat die russische Zentralbank den Leitzins drastisch von 10,5 auf 17 % angehoben ....
Hintergrund ist der starke Verfall der russischen Währung. Seit Jahresbeginn hatte der Rubel
48 % seiner Kaufkraft gegenüber dem US-Dollar sowie 42 % gegenüber dem Euro eingebüßt,
am gestrigen Montag wurde die bisher stärkste Abwertung dieses Jahres verzeichnet.

Gründe für den Verfall der russischen Währung sind die Sanktionen aufgrund des Ukrainekonflikts
sowie der starke Fall des Ölpreises. Rußlands Propagandasender "RT" behauptet sogar,
der Verfall des Ölpreises sei eine Verschwörung westlicher Geheimdienste, um Putin in die Knie zu zwingen...
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Gontscharow
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Diejenigen, die in diesem Forum regelmäßig mitlesen, werden wissen, daß ich
in diesem Konflikt die ukrainische Seite vertrete und parteiisch bin.
Ich war lange Zeit sehr bedrückt und traurig, weil ich geglaubt hatte, daß sich Rußland
wieder einmal mit Gewalt durchsetzt und kurzen Prozess mit der Ukraine macht ....
Und daß der Westen zu wenig tun kann / will, um der UA zu helfen.

Inzwischen habe ich wieder mehr Hoffnung. Putin hat hoch gepokert und wie es jetzt scheint,
wird er doch verlieren .... Vielleicht endet dieser Konflikt mit einem starken Gesichtsverlust Rußlands,
im schlimmsten Fall müßte Moskau sogar die Krim wieder herausgeben ( glaube ich aber eher nicht,
in einem Kompromiß wird die Krim russisch bleiben, Donezk und Lugansk werden geräumt werden).

Die Beweggründe für Putins Handeln sind vielfätig, Ein Grund war aber auch die Unzufriedenheit weiter Teile
der russischen Bevölkerung mit den Verhältnissen im Land : der allgegenwärtigen Korruption, Rechtsunsicherheit, der
schreiend ungerechten Verteilung des Nationaleinkommens, dem Umstand daß Rußland in so gut wie gar keinem
Bereich mit dem Westen mithalten kann und in dieser Hinsicht auch nichts sichtbar besser wurde.
Da ist so eine Aggresion nach außen eine wunderbare Ablenkung, um die Bevölkerung wieder um sich zu scharen,
ein Ventil für die zahlreichen Frustrationen zu schaffen. Denn daß Rußland als Nation ständig gedemütigt wurde -
diesen Eindruck hatten seit dem Fall der SU die allermeisten Russen.

Putin war unvorsichtig genug, die Büchse der Pandora zu öffnen ... wie es scheint, verliert er und mit ihm erneut
ganz Rußland. Man könnte fast Mitleid haben.
Paul
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Warum bekämpft Russland die Abwertung des Rubels? Es kann doch so besser exportieren und das hatte Putin auch ausdrücklich so erklärt.
Ehrlich gesagt kann doch so ein Bruderkrieg für alle beteiligten Regierungen nur schädlich sein. Sie verlieren im Volk an Ansehen, weil er nur von einer Minderheit mit getragen wird.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
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dieter
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Lieber Paul,
Diktatoren haben sich noch nie um den Willen des Volkes gekümmert. Du als Geschichtsinteressierter wirst wissen, dass Russland und die Ukraine durch die schwedischen Waräger entstanden sind, die sich Rus nannten, das Slawentum kam erst dadurch zustande, dass die Frauen der Waräger, die Slawinnen waren sich natürlich mit ihren Kindern auf slawischen sprachen. Also von wegen gemeinsames Slawentum. :roll:
Putin und Russland geschieht es recht. Putin, weil er zu hoch gepokert hat und den Russen, weil sie einem Schaumschläger nachgelaufen sind. :wink: :mrgreen:
Selbst, wenn sich die beiden ukrainischen Ostprovinzen Russland anschließen sollten, so wird der Aufbau von Lugansk und Donezk soviel kosten, dass Russland dann endgültig Pleite wäre, durch die Kampfhandlungen die dort stattgefunden haben. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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Gontscharow
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Vorgestern meldete "Spiegel online", daß Putin sich Sorgen wegen des stark angestiegenen
Wodkapreises mache ....
Vielleicht amüsiert diese Meldung manche hier bei uns im Westen und paßt ins Klischeebild vom trinkfreudigen Russen, ich halte sie für
ein weiteres ziemlich sicheres Anzeichen dafür, daß Putins Macht wackelt.
Sehr viele Russen ertränken Kummer und Sorgen traditionell in Wodka, nicht erst seit gestern
sondern schon seit vielen Jahrhunderten. Der Wodka ist also ein Ventil, um Dampf abzulassen.
Die Herrschenden im Kreml wissen das und haben jeweils dafür gesorgt, daß Wodka reichlich,
einfach zugänglich und kostengünstig zu haben war. Das war auch in SOwjetzeiten so.
"Genosse Mineralsekretär" Gorbatschow wollte das mal ändern und ist damit übelst gescheitert.

Putin macht sich Sorgen um den Wodkapries heißt also er macht sich Sorgen um seinen Machterhalt.
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Orianne
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Wollte Putin den Wodkakonsum nicht unter Strafe stellen?

Ausserdem will er ja Getreidezoll auf die Ausfuhr erheben:
Um angesichts der Währungsverluste die Versorgung im eigenen Land zu sichern, treibt Russland statt eines Exportverbots nun für jede ausgeführte Tonne Getreide mindestens 35 Euro an Zollabgaben ein. Die Abgabe wurde per Dekret beschlossen, sie wird zum Februar für fünf Monate eingeführt.
Grant stood by me when I was crazy, and I stood by him when he was drunk, and now we stand by each other.

General William Tecumseh Sherman
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Aneri

Na ja, in sowjetische Zeit hatte man die existentielle Ängste, die man in Wodka ertrinken sollte, nicht. Eher Gegenteil, es war Langeweile, die ertrinken sollte. Wenn ich hier nach Deutschland kam, war für mich das Prägendste neben der Toleranz (die übrigens, wie ich später entdeckt habe, täuschte oft Gleichgültigkeit vor) die soziale-kulturelle Institutionen, die Menschen Zuflucht in ihrer Freizeit gab. Ich meine verschiedene ehrenamtliche Tätigkeiten, Vereine etc., die den Erwachsenen einen erweiterten sozialen Umfeld und Beschäftigung gibt. Die ehrenamtliche Tätigkeit erfährt zur Zeit ein Bruch. dennoch ist Internet entstanden, wo man soziale Kontakte pflegen kann und auch seinen Interessen nachgehen (wobei sie keine handwerkliche und oder vergleichbare körperliche Leistung fordernde Tätigkeit sein darf)

Bei uns war nichts Vergleichbares. Soziale Kontakte der Erwachsenen sind nur durch gemeinsamen Ess-und Trinktisch aufrechtgehalten. Dazu noch die Sitte das Essen ganze Zeit auf Tisch zu haben, so dass man viel mehr Alkohol vertilgen kann (berühmte "Sakuska"). Auch die Sitte anderen zu zwingen zu trinken, wenn man selbst trinkt, fand ich unerträglich.

In Großstadt war es noch halbwegs erträglich, da gibt es Theater, Musseen... In der Provinz sah es düster aus.

PS: Was Putin angeht, ich wünsche, dass ihre Erwartungen zutreffen werden und wir "besseren" Russlands-Führer bekommen werden. Dennoch fürchte ich, dass wir ein bösen Überraschung erleben werden... Und dann mit Russland-Amoklauf werden auch wir hingerissen...
Renegat
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Dein Eindruck von außen über die hiesigen, sozialen Netze wie Vereine, Ehrenamt und sonstige Freizeitbeschäftigungen finde ich sehr interessant, Aneri.
Beziehen sich deine Kenntnisse nur auf den Vergleich mit Rußland?
Mich würde allgemein interessieren, wie der weltweite Umgang mit freier Zeit ist. Also evtl. ein eigener Thread, wenn es Interesse am Thema gibt.
Aneri

Hm-m-m, ich glaube nicht, dass es ein Thema ist, unter der man viel diskutieren kann. Wobei ein Vorschlag machen möchte ich, wenn jemand als separates Thema diskutieren möchte (ich habe zurzeit anderen Schwerpunkt). Es ist, das Thema mit der Tradition der Stiftungen zu verbinden. Ich denke es gibt hier Verknüpfungen mit ehrenamtlichen Tätigkeiten, die später auch auf andere Bereiche übersprungen (erste was mir in Kopf kommt ist es freiwillige Feuerwehr).

Vor ein Paar Jahren war ich in Würzburg und war erstaunt über das Alter des Bürgerspitals zum HL Geist - seit 1316!!! Auch Juliusspital von über 400 Jahren Geschichte braucht sich nicht zu schämen. Es ist für mich ein Phänomen, den ich bis dahin überhaupt nicht kannte. Und so Weingenuss half mir auf dem Sprung :P
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Gontscharow
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Ja Aneri, was die Langeweile während der Sowjetzeit betrifft, stimme ich dir zu.
Und diese Langeweile ist in den meisten Gegenden Rußlands immer noch nicht vergangen,
sie haben allerdings Existenzängste hinzubekommen, was in Kombination wohl den
Alkoholabusus begünstigen dürfte.
Die russischen Propagandastaatsmedien lügen, daß sich die Balken biegen ( ok, die ukrainischen auch )
und deshalb ist die Bevölkerung zwar leicht beunruhigt, sich aber der Konsequenzen dieser Putinschen
Politik des Großmacht spielens noch nicht bewußt. Sie haben allenfalls eine leichte Ahnung und Befürchtung
dessen, was geschehen könnte.
Und ich teile auch deine Befürchtung hinsichtlich dessen, was auf Rußland und uns zukommen mag,
wenn Putin fällt. Es ist nicht vorhersehbar, wer dann an die Macht kommt ....
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dieter
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Lieber Gontscharow,
es ist doch gut, wenn die Sanktionen so wirken, dass kein Krieg zu führen ist. :wink: Schlechter als bei Putin kann es für uns auch nicht werden. Putin war beim KGB fand den Zusammenbruch der SU als die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Er ist viel zu gut behandelt worden, weil er von Anfang an vor hatte, sich die Gebiete der SU zurückzuholen. Das russ. Volk war durch die Anexion der Krim vom Nationalismus so besoffen, dass es sich über die Folgen, die nun eintreten nicht wundern darf. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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