Stalin - wie wird er in Russland, Georgien heute gesehen?

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Marek1964
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Orianne hat geschrieben:
Titus Feuerfuchs hat geschrieben: "Ein Mensch ein Problem, kein Mensch, kein Problem."
Das passt zu 100 %!
Ein toter Mensch, eine Tragödie, 1 Million Toter, Statistik.

Joža.

Womit wir wieder beim Thema wären.
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Marek1964
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Lia hat geschrieben:Wie Stalin hie und Gorbatschow dort von Menschen gesehen wird, hängt nicht zuletzt vom Wissenstand ab.
Und/ oder von der persönlichen Lebenserfahrung, die mit der jeweiligen Epoche verknüpft sind.
Vieles, was wir schon ganz sachlich von Historikern im Westen zu Stalin erarbeitet wurde, blieb in Russland unbekannt, und so manche Quelle überraschte die Familie meines Schülers durchaus.
Die Aufarbeitung ist in Russland noch lange abgeschlossen, geschweige denn so öffentlich in der Diskussion wie bei uns.
Das ist leider genau mein Eindruck, den ich gerne widerlegt haben möchte, aber nur wenns stimmt.
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Marek1964
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Titus Feuerfuchs hat geschrieben:
Marek1964 hat geschrieben:[...]

Welche ihrer Meinung nach vereinbart worden war? Von wegen. In Jalta wurde zumindest über Polen offener Dissens klar - aber Stalin wusste ohnehin, dass er in Ländern, die von der Roten Armee besetzt worden sind, machen kann was er will. In Jalta wurden zudem Prozentsätze des Einflusses vereinbart, wie hier nachzulesen ist:

http://de.wikipedia.org/wiki/Konferenz_von_Jalta
Rumänien: Russland 90 % – die anderen 10 %
Griechenland: Großbritannien 90 % – Russland 10 %
Jugoslawien: 50 % – 50 %
Ungarn: 50 % – 50 %
Bulgarien: Russland 75 % – die anderen 25 %
[...]
Weißt du, wie es in Jalta bzgl der Tschechoslowakei aussah? Die Karpatoukraine wurde ja von der SU annektiert.Der Wiki-artikel gibt da nicht viel her.
Die Tschechoslowakei wurde auf Jalta nicht verhandelt, weil sich da schon Stalin, der Weiseste aller Weisen (aber das sagte ich glaube ich schon), seiner Sache sicher war. Das hatte mit verschiedenen Dingen zu tun, die ich gerne mal in eine Thread oder vielleicht Redaktionsbeitrag erläutern werde. Die Tschechoslowakei, d.h. die Exilregierung unter Beneš, hatte im Dezember 1943 einen Bündnisvertrag mit der Sowjetunion geschlossen, der zwar nichts wirklich besonderes hatte, aber Stalin, wie auch sonst Beneš´s Politik, sicher sein liess, dass er in Bezug auf die Tschechoslowakei sich seiner Sache recht sicher sein konnte, also keinen Segen der Westmächte brauchte. Leider.
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Orianne
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Lia hat geschrieben:Wie Stalin hie und Gorbatschow dort von Menschen gesehen wird, hängt nicht zuletzt vom Wissenstand ab.
Und/ oder von der persönlichen Lebenserfahrung, die mit der jeweiligen Epoche verknüpft sind.
Vieles, was wir schon ganz sachlich von Historikern im Westen zu Stalin erarbeitet wurde, blieb in Russland unbekannt, und so manche Quelle überraschte die Familie meines Schülers durchaus.
Die Aufarbeitung ist in Russland noch lange abgeschlossen, geschweige denn so öffentlich in der Diskussion wie bei uns.
Genau so ist es, der Wissensstand ist doch sehr bedenklich, dass sieht man aber auch in den Staaten, die Geschichte dort wird glorifiziert, eine kritische Auseinandersetzung mit Vietnam oder Grenada findet nicht statt, wer als Lehrkraft das wagt, der wird die Stelle verlieren. Wie ich schon einmal schrieb, durfte ich als Austauschschülerin den Unterricht an einer High School besuchen, die Lehrer redeten vorne, und hinten wurde gelesen und Quatsch gemacht. Eine Disziplin wie wir sie in den Klassenzimmern halten, gibt es nur in Privatschulen, was wiederum heisst, dass die "richtige" Bildung nur der vermögenden Schicht vorbehalten ist.
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Aneri

Titus Feuerfuchs hat geschrieben:
Aneri hat geschrieben:
Titus Feuerfuchs hat geschrieben:Es ist völlig unnötig, permanent darauf hinzuweisen, dass nicht 100% der Russen Stalinverehrer sind, genausowenig, wie es unnötig ist, permanent drauf hinzuweisen, dass nicht 100% der Österreicher gute Schifahrer sind. :crazy:
Ja, braucht man nicht hinzuweisen. Dann aber sich nicht aufregen, wenn Russen die Ukrainer als Faschisten bezeichnen. Sie nur nicht hinweisen, dass es höchstens 10% Ukrainer betrifft, bzw. ein klein Teil der Bevölkerung, der die extrem chauvinistische Einsichten hat.
Was tut das in diesem Zusammenhang und in diesem Thread zur Sache? :?:
Vielleicht müsstest du ansehen, wie dieser Thread begann, um die Zusammenhang nachvollziehen zu können. Marek hat zur meiner Erwiderung auf seinen Beitrag in Chustchow-Thread neue Thread unter diesem Thema geöffnet. Mir ging aber einzig und allein um ein Verallgemeinerung. Das Thema finde ich wichtig.

Es ist doch bemerkenswert, wie öffentliche Meinung gebildet wird. Man muss einfach ein Teil der Masse nachvorne bringen Hintergrund einzunebeln und diese Teil als die Ganzheit einzureden.

Die Lügen in unsere politischen Umwelt beruhen meistens nicht auf eine nicht-wahre-Behauptung. Meistens ist es wahr. Nur wird alles andere ausgeblendet, als unbedeutend gemacht. Dadurch erhält man doch ein verzerrtes - also falsches Bild von Realität.
Lia

Die Lügen in unsere politischen Umwelt beruhen meistens nicht auf eine nicht-wahre-Behauptung. Meistens ist es wahr. Nur wird alles andere ausgeblendet, als unbedeutend gemacht. Dadurch erhält man doch ein verzerrtes - also falsches Bild von Realität.
Richtig, und diese Taktik beherrsch(t)en alle Diktaturen und Diktatoren immer noch in viel größerer Perfektion, schon ob des Monopols in der Meinungsbildung, als es im immer noch pluralistischen Westen möglich war und ist.
Das ist ein Aspekt, der andere ein sehr menschlicher. Viel zu hinterfragen, war erstens nicht ungefährlich, zweitens hatte man mit dem eigenen Alltag viel mehr zu kämpfen, als dass man noch Zeit für Fragen gehabt hätte.
Aneri

Es ist ein menschlicher Aspekt, der in der Wahrnehmungsmechanismus verankert ist. Man könnte es so ausdrucken: man hört das was man hören will. Wir beobachten die Welt nicht objektiv. Wir beobachten mit einer Erwartung, die schon ein Gefälle der eingehenden Datenströmung bildet. Es ist ein Mechanismus, der in der Neurowissenschaft beschrieben wird. Aber das, was auf Ebene der Sinne gilt, gilt auch auf höheren Interpretationsebene - Sprachebene.

So etwa eine Feministin und ein Islamist schon bei Wort Kopftuch eine Denkgefälle (wenn man so ausdrucken kann)haben, das in entgegengesetzte Richtungen geneigt ist, so dass man nie zu gleichem Denkergebnis kommen wird. Auch hier bestimmte Bedeutungen sperren uns den Hintergrund und verzerren das gesamte Bild.
Renegat
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Aneri hat geschrieben:Es ist ein menschlicher Aspekt, der in der Wahrnehmungsmechanismus verankert ist. Man könnte es so ausdrucken: man hört das was man hören will. Wir beobachten die Welt nicht objektiv. Wir beobachten mit einer Erwartung, die schon ein Gefälle der eingehenden Datenströmung bildet. Es ist ein Mechanismus, der in der Neurowissenschaft beschrieben wird. Aber das, was auf Ebene der Sinne gilt, gilt auch auf höheren Interpretationsebene - Sprachebene.

So etwa eine Feministin und ein Islamist schon bei Wort Kopftuch eine Denkgefälle (wenn man so ausdrucken kann)haben, das in entgegengesetzte Richtungen geneigt ist, so dass man nie zu gleichem Denkergebnis kommen wird. Auch hier bestimmte Bedeutungen sperren uns den Hintergrund und verzerren das gesamte Bild.
Du hast die subjektive Wahrnehmungsebene gut erklärt, bes. das Kopftuchbeispiel gefällt mir. Den Feministen und Islamisten würde ich aber noch den Islamophoben hinzufügen. Da Stalin aber kein Kopftuch trug, ist es hier OT.
Aneri

Renegat hat geschrieben: Da Stalin aber kein Kopftuch trug, ist es hier OT.
Der Beispiel mit Kopftuch kann auch auf Stalin anwenden. Man sieht in der Person Stalin verschiedenes, weil man verbindet mit der Person verschiedenes.
Ich hier bewusst aus der Diskussion über seine Persönlichkeit zurückhalte. Für mich ist es nicht diskussionswürdig, weil ich habe dazu ganz feste Einstellung: er war ein psychisch labiler Mensch, der an der Macht kam und für die Massenmorde verantwortlich ist.
Mit dieser Einstellung für ihn als Persönlichkeit will ich aber die Umwelt nicht zu verlieren, die ihn zur Macht verholfen hat und dann an seine Taten mitgewirkt hat. Wie ich schon mal sagte, man hat den Führer, den man verdient hat. Ob es Russen oder Deutsche sind, ist egal. Warum die Personenkult so stark verwurzelt ist - dass ist für mich von der Bedeutung, da es immer wieder sich auf ganze Welt widerholt.
Aber Entschuldigung, ich bin schon wieder von Thema abgewichen...
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Orianne
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Ich denke, man kann Stalin aus den Köpfen der Leute nicht hinaus prügeln, wie ich schon schrieb gab es merkwürdigerweise so um den Koreakrieg herum eine kleine wirtschaftlich Hausse, an die sich viele Leute nach langer Zeit der Not immer noch erinnern können, sie erzählten das ihren Kindern und die ihren Enkeln und schon gibt es neue AnhängerInnen.

OT:Ich weiss von einer Familie in Waldshut Ba-Wü, die feierten bis tief in die 90er Jahre im Partykeller alle Nazigedenktage, sie sind nun aber gestorben, und die Tochter verkaufte das Haus mit all dem Zeug, das man nach dem 9. Mai 1945 bei der Französischen Militärverwaltung hätte abgeben sollen. OT aus.

Wenn man durch das System profitierte, dann weint man ihm und dem Führer schon nach, das ist eine begreifliche Tatsache.
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Renegat
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Für das Führerthema habe ich ein neues Thema eröffnet. http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... =27&t=4366
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Titus Feuerfuchs
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Orianne hat geschrieben:[...]

Wenn man durch das System profitierte, dann weint man ihm und dem Führer schon nach, das ist eine begreifliche Tatsache.

Sehe ich nicht so, denn wenn man seinen Verstand und seine sieben Sinne beisamen hat, sollte man fähig sein, zu abstrahieren, dh nicht von der eigenen Situation a priori auf die gesamtpolitische zu schließen.
MfG,
Titus Feuerfuchs
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Orianne
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Titus Feuerfuchs hat geschrieben:
Orianne hat geschrieben:[...]

Wenn man durch das System profitierte, dann weint man ihm und dem Führer schon nach, das ist eine begreifliche Tatsache.

Sehe ich nicht so, denn wenn man seinen Verstand und seine sieben Sinne beisamen hat, sollte man fähig sein, zu abstrahieren, dh nicht von der eigenen Situation a priori auf die gesamtpolitische zu schließen.
Sehe ich wiederum nicht so, auch ein Profiteur, mit allen Sinnen beisammen, trauerte dem System nach, und ich schrieb ja nicht von der
Gesamtbevölkerung, ein guter Einblick bildet das Buch über Monsignore Karl Morgenschweiss (Gefängnispfarrer von Landsberg).

Anton Posset: „Kronzeuge“ Morgenschweis

Der Fall Oswald Pohl

http://www.buergervereinigung-landsberg ... eneral.pdf


Hermann Wilhelm Göring: "Wenigstens 12 Jahre anständig gelebt".
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Aneri

Orianne hat geschrieben:Wenn man durch das System profitierte, dann weint man ihm und dem Führer schon nach, das ist eine begreifliche Tatsache.
Ich denke nicht, dass die Profiteuer trauten nach. Es war zu viel Angst um Stalin herum.

Ich denke, das es mit tiefgründigen Bedürfnis des Menschen an Idealen zusammenhängt. Die verehrte Person ist ein s. z. "greifbares" Symbol für Ideale.

Man kann s. z. Empathie entwickeln, wenn man selbst so etwas ähnliches erlebt hat. Die Schulbildung - und damit offizielle Ideologie und ihre Ideale haben mich geprägt. Einen gewissen Abstand dazu zu halten, hat mir die Familiengeschichte geholfen (Familie von Vater war vor dem Krieg in Sibirien repatriiert und er selbst 3 Jahre in Stalinslager verbracht hat). Auch allgemein war bei uns ein Widerstand gegen Moskauer Macht zu spüren, wenn auch es meistens in Küchen-Gesprächen mündete.

Mit dem Allem, hatte ich irgendwie eine Vorstellung, dass alles JETZT ist schlecht, weil es nicht nach Lenin Vorstellungen gegangen ist. Er war s. z. Unfehlbarer, der verraten war. Ja man kann lachen, aber wenn man vorstellt, dass man schon in der Kinderkrippe Onkel Lenin auf der Wand sieht, irgendwie wird es im geist abgelagert. Wie auch immer, aber in der Zeit der Perestrojka hatte ich bewusst sich mit dem Thema befasst. Mit dem System abzurechnen war mir relativ einfach, Grundsteine dazu waren schon gelegt. Dennoch mit Lenin als Person... MEINE ERFAHRUNG: es ist schon fast körperlich schmerzhaft von einem Ideal abschied zu nehmen.

Jetzt stelle ich mir einen Mensch in der Tiefe der Russlands, der hat bzw. hatte den Stalin auf dem Wand... Er und in seiner Umgebung hatten ihn keinerlei Stütze gegeben, die ich z. B. hatte. Wie soll er von seinem Ideal verabschieden?
Es muss s. z. aus freier Wille passieren. Wenn man aber fühlt sich in die Ecke getrieben, dann wird ihm gerade sein Ideal zur notwendigen Stütze. Die gibt er nicht so einfach ab.
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Orianne
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Gut Aneri, ich schrieb da aber über A.H., bevor Renegat einen neuen Thread eröffnete, Deine Einwände über Stalin und Deine Familienerlebnisse zeigen da natürlich ein anderes Bild.
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