Die Araber erobern Jerusalem 638 n. Chr.

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Moderator: Barbarossa

Wallenstein

Kommt man heute in die von Mauern umgebene Altstadt von Jerusalem, sieht man schon weitem die goldene Kuppel von dem Felsendom, dessen Bau 691 n.Chr. von dem Kalifen Abdelmalik Ibn Marwan in Auftrag gegeben worden war, eines der Heiligtümer des Islam. Er befindet sich dort, wo früher der jüdische Tempel stand, von dem nur auf der Westseite des Tempelberges Reste erhalten sind, die sogenannte Klagemauer. Vom Felsendom aus sieht man auf die zum Greifen nahe Basilika der christlichen Grabeskirche. Drei Heiligtümer der abrahamitischen Religionen liegen hier dicht nebeneinander. Wie war es dazu gekommen?

Seit den Tagen, als der Wanderprediger Jesus, den einige seiner Anhänger später als Sohn Gottes bezeichneten, durch das Land gezogen war, hatte sich vieles zum Schlechten geändert. In dem Jüdischen Krieg 67-70 n.Chr. in dem sich die Juden zunächst erfolgreich gegen die Römer erhoben hatten, dann aber eine blutige Niederlage erlitten, wurde der jüdische Tempel, errichtet unter Herodes, von dem Feldherren und späteren Kaiser Titus völlig zerstört bis auf die Klagemauer. Auf der Kuppe des Berges errichteten die Sieger einen Jupitertempel.

Noch schlimmer erging es den Juden nach ihrem Aufstand unter Bar Kochba 132-135 n. Chr. Kaiser Hadrian nahm grausame Rache. Eine Million Menschen sollen getötet, an die 900.000 als Sklaven verschleppt worden sein. Judää wurde umbenannt nach den Feinden Israels, den Philistern, in „Philisterland“, später in Palästina. Jerusalem hieß von nun an Aelia Capitolina und wurde bevölkert von Römern, Griechen und Syrern, kein Jude durfte hier mehr wohnen, das Betreten der Stadt war ihnen bei Todesstrafe verboten. Auf dem Tempelberg stand eine riesige Statue von Kaiser Hadrian. Ein Großteil der Juden ging in die Diaspora.

Eine Veränderung trat erst unter Kaiser Konstantin ein. Das Toleranzedikt von Mailand 315 n. Chr. stellte ihre Religion den anderen gleich und Jerusalem hieß nun nicht mehr länger Aelia Capitolina. Die X. Legion rückte ab. Doch das Betreten der Stadt war den Juden weiterhin untersagt. Die Mutter von Konstantin, Helena, wollte Jerusalem in eine chrsitliche Stadt umwandeln. Sie befahl, alle heidnischen Tempel abzureißen, über einem Venustempel ließ sie die heutige Grabeskirche errichten. Der Jupitertempel auf dem Tempelberg zerfiel, übrig blieb für die nächsten Jahrhunderte ein Schutthaufen. Gleichzeitig wurden aber schon wenig später wieder zahlreiche Gesetze erlassen, die eine Gleichstellung der Juden mit den anderen Bevölkerungsgruppen verhindern sollten. Diese fortgesetzte Diskriminierung wurde vor allem von Kaiser Justinian I fortgesetzt.

Doch in den nächsten Jahrhunderten schienen sich trotz Verbot wieder zunehmend Juden in Jerusalem angesiedelt zu haben. Nach einer langen Friedenszeit begann 613 n.Chr. eine mörderische Auseinandersetzung zwischen Byzanz und dem persischen Reich der Sassaniden. Die Juden begrüßten die Eroberer aus dem Osten als Befreier. 614 n. Chr. wurde Jerusalem von den Iranern eingeschlossen und anschließend erobert. Juden sollen angeblich den Persern die Tore geöffnet haben. Als deren Truppen in die Stadt eindrangen, fielen Perser und Juden gemeinsam über die Christen her, 60.000 – 90.000 von ihnen sollen massakriert worden sein. Die Juden hofften, dass sie von den Persern nun bevorzugt behandelt werden, die überlegten es sich aber anders, und wiesen sie aus der Stadt aus. Die Christen durften ihre zerstörten Kirchen wieder aufbauen.

Das Kriegsglück wendete sich. Der byzantinische Kaiser Heraklius eroberte 630 n. Chr. die Stadt zurück. Perser und Byzantiner hatten sich aber gegenseitig so geschwächt, dass sie die heranrückenden Heere aus Arabien nicht bemerkten, bzw. nicht für ernst nahmen.

Byzanz war auf den Angriff aus der Wüste nicht vorbereitet. Nun rächte es sich, dass sie die arabischen Stämme, die von ihnen als Söldner benutzt wurden, schon seit langer Zeit nicht mehr bezahlt hatten. Ohnehin waren die Oströmer im Nahen Osten wegen ihrer immensen Steuerforderungen unbeliebt. Massenweise wechselten die Araber die Fronten. Sie waren monophysitische Christen – sie glaubten Jesus sei allein göttlicher Natur gewesen. Der islamischen Propaganda war es gelungen, sie davon zu überzeugen, ihr Glaube werde von den Moslems eher geteilt als vom oströmischen Kaiser.

Im Herbst 636 wurde Jerusalem eingeschlossen. Zu Kämpfen kam es kaum, die Araber hatten keine Erfahrung mit Belagerungstechniken. Sie wollten die Stadt aushungern. Die Stadt wurde regiert von dem Patriarchen Sophronius. Dieser erkannte schnell die aussichtslose Situation von Jerusalem und bot die Kapitulation an. Der Kalif Omar, Befehlshaber der Armee, nahm diese  im Frühjahr 637 an. Er unterschrieb einen Vertrag, in dem es hieß: „Im Namen Allahs, des Allbarmherzigen. Der Kalif Omar lässt die Bewohner von Aelia wissen, dass ihr Leben und das ihrer Kinder geschützt ist. Sie sollen ihren Besitz und auch ihre Kirchen behalten dürfen. Nichts soll beschlagnahmt oder zerstört werden.“ Offensichtlich wurde immer noch der römische Name für Jerusalem benutzt.

Omar war der zweite Kalif nach Mohammeds Tod 632. Abu Bakr, der erste Kalif und Schwiegervater Mohammeds war 634 gestorben. Omar (634 – 644)  gehörte wie Mohammed zum Stamm der  Quraisch, hatte den Propheten ursprünglich bekämpft, wurde dann aber sein Anhänger. Mohammed war es gelungen, die großen sozialen Gegensätze in Mekka mit seiner neuen Religion, die auf sozialen Ausgleich setzte, abzumildern. Die mekkanische Gesellschaft war aber vollständig abhängig vom translokalen Handel. Der Islam war allerdings keine lokale Stammesreligion, sondern universalistisch angelegt, jeder konnte beitreten. Damit gelang es, sowohl Städter als auch Nomaden und Halbnomaden in eine Gemeinschaft (umma) zu integrieren. Eine militärische Expansion bot allen eine spezifische Aufgabe: Ruhm und Macht Allahs zu vergrößern und schon im Diesseits eine angemessene Belohnung zu empfangen, nämlich Beute. Mit zunehmender Expansion verwandelte sich der Islam aus einem eschatologisch inspirierten Reformprogramm in eine ständisch orientierte Kriegerreligion. Ziel waren vor allem Tribute, an eine Bekehrung der Unterworfenen war nicht gedacht. Die arabischen Eroberungen unterschieden sich zunächst nicht von den früheren Feldzügen der Assyrer, Babylonier, Perser oder Makedonen.

Im Frühjahr 638 zog Omar in Jerusalem ein. Seine Soldaten waren diszipliniert und marschierten vermutlich über die Via Dolorosa in die Stadt, es kommt zu keinen Plünderungen. Der Patriarch Sophronius zeigte ihm die Sehenswürdigkeiten von Jerusalem. Der Kalif berichtete ihm, das die Stadt auch für die Moslems eine große Bedeutung habe, denn Mohammed hätte ihm erzählt, das er einst in einer Vision in einer Nacht von Jerusalem aus in den Himmel gefahren sei und dann wieder auf die Erde zurückkehrte. Im Koran steht in der 17. Sure: „Lob und Preis sei Allah, der seinen Diener bei Nacht vom nahen Ort der Anbetung zum weit entfernten Ort der Anbetung geführt hat. Diese Reise haben wir gesegnet, damit wir ihm unser Zeichen zeigen. Allah hört und sieht alles.“

Diese Text ist vieldeutig. Als naher Ort wurde später Mekka bezeichnet, als ferner Ort Jerusalem. Die moslemische Legende interpretierte dies später so, dass Mohammed auf seinem Pferd Al Burak (der Blitz) in einer Nacht des Jahres 621 durch die Luft nach Jerusalem geritten sei. An der Klagemauer hätte er sein Pferd angebunden, vom Tempel Berg aus sei er dann von einem Heiligen Felsen aus, der sich jetzt im Felsendom befindet, zur Himmelfahrt angetreten. Das steht zwar alles nicht im Koran; taucht aber in der Hadith Literatur auf, ist offensichtlich aber eine erst später entstandene Legende.

Als mittags die Stunde des Gebetes nahte, fragte Omar, wo er dies tun könnte. Der Patriarch bot ihm die Grabeskirche an, doch Omar lehnte dies ab, denn dann könnten spätere Moslems diesen Ort für sich beanspruchen. Also betete er vor der Kirche.

Der Kalif suchte nun nach einem Ort für den Bau einer Moschee. Angeblich hätte ihm ein zum Islam übergetretener Jude namens Kaab empfohlen, diese auf dem Tempelberg zu errichten, dort befand sich damals nur ein großer Schutthaufen.

Der christliche Chronist Eutychios hingegen schreibt, das Sophronius den Tempelberg vorgeschlagen hatte. Er soll gesagt haben: „Gebieter der Gläubigen, ich werde dir einen Platz zeigen, auf dem du die Moschee erbauen wirst, einen Platz, den die griechischen Könige nicht bebauen konnten. Es ist dies jener Felsen, auf dem Gott mit Jakob sprach und Jakob nannte ihn die „Pforte des Himmels“, die Israeliten aber „Allerheiligstes“. Die Griechen ließen den Tempelberg verkommen, denn in den Evangelien hieß es: „Siehe, euer Haus soll euch wüst gelassen werden“.

Omar ließ ein schlichtes Gebetshaus errichten. Erst unter dem Kalifen Abdelmalik (687-691) wird der prächtige Kuppelbau errichtet.

Jerusalem gehörte nun dem Islam. Die größten Nutznießer waren indes die Juden. Sie konnten sich nun ungehindert in der Stadt ansiedeln. Alle diskriminierenden Gesetze der Byzantiner wurden aufgehoben. Die neuen Herrscher begnügten sich mit einer Kopfsteuer für Juden und Christen, griffen aber sonst in das Innenleben der Stadt nicht weiter ein. An der Missionierung zum Islam hatten sie kein Interesse. Doch wahrscheinlich sind im Verlaufe von Generationen sukzessive Familien zu der neuen Religion übergetreten, um an den Privilegien der Moslems teilzuhaben.

 In den nächsten Jahrhunderten kümmerten sich die neuen Herren nicht weiter um Jerusalem, die Stadt hat für sie keine weitere Bedeutung mehr. Den Christen und Juden war dies nur lieb, so konnten sie ungehindert ihren Geschäften nachgehen.

Im Westen suchte  inzwischen das Karolinger Reich unter Karl dem Großen einen Ausgleich mit dem berühmten Kalifen Harun ar-Raschid in Bagdad. Der sicherte den Pilgern den ungehinderten Zutritt nach Jerusalem zu, Karl dem Großen wurde zugesprochen, für alle Belange der Grabeskirche zuständig zu sein und bekam symbolisch den Schlüssel für die Kirche zugesendet. In den nächsten Jahrhunderten blieb es friedlich in dieser Region. Das änderte sich erst, als um 1.000 nach Christus der geisteskranke Kalif Hakim in Ägypten an die Macht kommt und den Frieden der Konfessionen stört. Das hatte auch Folgen für Jerusalem, aber das ist ein anderes Kapitel.
 
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Wallenstein hat geschrieben:...

Seit den Tagen, als der Wanderprediger Jesus, den einige seiner Anhänger später als Sohn Gottes bezeichneten, durch das Land gezogen war, hatte sich vieles zum Schlechten geändert. In dem Jüdischen Krieg 67-70 n.Chr. in dem sich die Juden zunächst erfolgreich gegen die Römer erhoben hatten, dann aber eine blutige Niederlage erlitten, wurde der jüdische Tempel, errichtet unter Herodes, von dem Feldherren und späteren Kaiser Titus völlig zerstört bis auf die Klagemauer. Auf der Kuppe des Berges errichteten die Sieger einen Jupitertempel.

Noch schlimmer erging es den Juden nach ihrem Aufstand unter Bar Kochba 132-135 n. Chr. Kaiser Hadrian nahm grausame Rache. Eine Million Menschen sollen getötet, an die 900.000 als Sklaven verschleppt worden sein. Judää wurde umbenannt nach den Feinden Israels, den Philistern, in „Philisterland“, später in Palästina.
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Hierzu einemal eine kurze Anmerkung:
In meinem Aufsatz über die Geschichte Israels habe ich auch kurz die Jahrtausendealte Vorgeschichte mit angeschnitten und habe über die Zerschlagung Iudäas folgendes herausgearbeitet:
Seit der Unterwerfung der seit dem 15./14. Jh. v. Chr. ansässigen Juden durch die Römer im Jahre 63 v. Chr. sowie vor allem nach dem „Jüdischen Krieg“ und dem Verkauf von etwa 70.000 Juden in die Sklaverei im Jahre 70 n. Chr. und weiteren jüdischen Aufständen in den Jahren 115-117 und 132-135 waren Juden zunächst über alle römischen Provinzen – später auch im übrigen Europa, Asien und in Amerika verstreut. Auch im eigenen Land wurden die Juden nun zu einer Minderheit. Nach dem letzten Aufstand der jüdischen Bevölkerung tilgen die Römer auch den Begriff „Iudaea“ von der Landkarte und benannten im Jahre 135 die Provinz zunächst in „Syria Palaestina“ und ab 193/194 nach der Teilung der Provinz in „Palaestina“ um.  Damit entstand die Bezeichnung Palästina für diese Region – benannt nach den im 12. Jh. v. Chr. dort ansässigen Philistern.
Quelle: http://geschichte-wissen.de/blog/geschichte-israels/

Eine römische Provinz „Philisterland“ ist mir nicht bekannt - sehr wohl war der Name "Palästina" an die alten Philister angelehnt.
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Paul
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Die Südaraber, die die Provinz Palestina eroberten praktizierten Frauenraub, so das ihr Anteil sehr schnell auf Kosten der anderen Bevölkerungsgruppen zunahm. Die Palestinenser stammen also überwiegend von der einheimischen Bevölerung ab. Das waren mal Juden, von denen viele das Christentum annahmen und die durch den Raub ihrer Vormütter dann Moslems wurden.
viele Grüße

Paul

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Barbarossa
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Ja, von der Abstammung her mag das ja stimmen. Aber die Juden identifizieren sich ja vor allem über ihren Glauben. In dem Moment, wo ein Jude eine andere Religion annimmt, ist er kein Jude mehr.
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Barbarossa hat geschrieben:Ja, von der Abstammung her mag das ja stimmen. Aber die Juden identifizieren sich ja vor allem über ihren Glauben. In dem Moment, wo ein Jude eine andere Religion annimmt, ist er kein Jude mehr.
Es gibt eine eigne Identifikation und die wird meist zugrunde gelegt. Es gibt auch eine objektive Fremdsicht. Von der aus gehörten die Menschen in Palestina, wie auch im Libanon und den Nachbarländern um Chr. Geburt bis vor der südarabischen Eroberung zur aramäischen Sprachnation.
Auch heute gibt es die Aramäer noch. Die meisten sind Christen, aber es gibt auch aramäische Juden und aramäische Möslems. Sie leben in Syrien, Libanon, Israel/Palestina, Irak und der Türkei, sowie weltweit in der Diaspora.
viele Grüße

Paul

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