Auswandererland Deutschland – Ziel: Australien

Informationen und Diskussionen zu Geschehnissen in Asien und Australien

Moderator: Barbarossa

Wallenstein

Derzeit ist Deutschland zu einem Einwandererland geworden. Lange Zeit waren wir aber eine typische Auswanderernation gewesen und es lohnt sich, einmal nachzuschauen, was aus den Emigranten und ihren Nachfahren geworden ist und welchen Beitrag sie für ihre neue Heimat geleistet haben. In einem anderen Forum haben wir darüber diskutiert und ich habe dazu einige Beiträge geschrieben. Hier etwas über Australien, weil ich dieses Land ein wenig besser kenne.

„Gegenwärtig wird der Kontinent von deutschen Touristen und Gastarbeitern überschwemmt. In Cairns, am Great Barrier Reef, erfolgen Durchsagen in Englisch und Deutsch. Die Taxifahrerin am Flughafen, eine Deutsche, eine Münchnerin, die junge Dame in der Hotelrezeption stammte aus Thüringen, der junge Mann, der uns mit der Fähre zum Riff brachte, auch ein Deutscher, aus Rostock. Die Ossis ziehen zu den Aussies. Warum auch nicht? Klingt ja ähnlich.

In Sydney, in der Nähe der Blue Mountains, gibt es eine Seilbahn, die großen Kabinen, immer vollbepackt mit deutschen Touristen. Der Kabinenführer fragte verzweifelt: Gibt es hier überhaupt irgendeinen Menschen, der nicht aus Deutschland kommt? Nein, es gab keinen. Überall in den Hotels und Straßen erklingt das vertraute Idiom. Vor allem junge Leute zieht es dorthin, zum Arbeiten, zum Studieren, aus Abenteuerlust. Mit Travelworks besteht die Möglichkeit, eine vorübergehende Arbeitserlaubnis zu erhalten und dafür gibt es auch Jobvermittlungen. Allerdings, viel mehr als Eisverkäufer, Obstpflücker oder Küchenhilfe ist auf diese Weise nicht drin.

Deutsche Einwanderer sind in Australien weiterhin sehr beliebt. Sie sind qualifiziert, assimilieren sich sofort, sprechen in der Regel sehr gut Englisch, sie lassen ihre Nationalität nicht heraushängen, ihre Kultur ist mit der australischen eng verwandt, die Integration bereitet keine Probleme.

Die ersten Deutschen kamen 1838 nach Australien, preußische Altlutheraner mit einem Pastor, es folgten bald weitere Gruppen. Zielort war das heutige Adelaide in Südaustralien. Siedlungsschwerpunkt bildete das dortige Barossa Valley (Neu-Schlesien), wo ihnen Land zugeteilt wurde. Hier produzieren sie bis heute den australischen Wein (meistens die Sorte Shiraz, gibt es auch bei uns in Supermärkten) und man kann auch eine Weintour in dem Tal unternehmen. (lohnt sich nicht). Die Leute sprachen Barossa Deutsch, eine Mischung aus Englisch und Hochdeutsch, jetzt praktisch ausgestorben.
Beispiel: „Der rabbit ist über den fence gejumpt und hat die carrots abgenibbelt“ (Der Hase ist über den Zaun gehüpft und hat die Karotten abgenagt). http://www.welt.de/welt_print/article13 ... alien.html

Der große Goldrausch 1850 spülte auch viele Deutsche in den Kontinent. Bis 1914 lebten dort 45.000 von Ihnen, meist Handwerker und Kleinbauern. Im Ersten Weltkrieg gerieten sie heftig unter Druck, galten als innere Feinde, deutsche Namen wurden verboten.

Zwischen den Kriegen gab es kaum noch Einwanderer, bis auf einige Tausend jüdische Flüchtlinge und Emigranten.

In den Nachkriegsjahren waren die Deutschen wieder gern gesehene Einwanderer. Während 1945 weniger als 15000 in Deutschland geborene Personen gezählt wurden, waren es 1954 schon wieder über 65000, und 1961 erreichte ihre Zahl knapp 110000, etwas über ein Prozent der Gesamtbevölkerung. Insgesamt sind in der Zeit von 1945 bis 1975 rund 135000 Deutsche nach Australien ausgewandert. Der überwiegende Teil dieser Immigranten wurde bei ihrer Übersiedlung von der australischen Regierung finanziell unterstützt. Die Australier zahlten den Deutschen die Überfahrt. Diese mussten sich im Gegenzug verpflichten, mindestens zwei Jahre zu bleiben.

Bei der Volkszählung 1991 gaben knapp 112000 Personen als Geburtsland Deutschland an.
Verglichen mit anderen Einwanderergruppen zeichneten sich die Deutschen aber weniger dadurch aus, dass sie gemeinsame Siedlungsgebiete bildeten und ihre Sprache pflegten. Es gibt aber einige deutschsprachige Zeitschriften.
Nach einer Volkszählung 2006 zählen heute 4% der Bevölkerung (821.540) als deutschstämmig, was bedeutet, dass zumindest einer ihrer Vorfahren aus dem Land stammt. Doch nur noch 10% von ihnen bezeichnen Deutsch als Muttersprache, auch Einwanderer aus jüngerer Zeit sprechen nach kurzer Zeit nur noch Englisch und benutzen Deutsch sehr selten. Auch deren Kinder sprechen in der Regel kein Deutsch mehr. (Was mich immer gewundert hat. Sie werden meist nicht zweisprachig erzogen und haben auch kein Interesse an der deutschen Sprache).

Ein Schwerpunkt der Deutschen ist Melbourne, wo sich viele angesiedelt haben. Sie sollen angeblich durchgesetzt haben, dass sich das Leben dort und anderswo in Australien gelockert hat. Früher waren die Pubs immer nur von 18.00 – 21.00 geöffnet und Samstag und Sonntag geschlossen, sonst ständig brechenvoll, extrem ungemütlich und voll von Besoffenen. Frauen war der Zutritt verboten.

Am Wochenende wurden die Bürgersteige hochgeklappt, und es war absolut nichts los in den Städten. Bis auf die „Marching Girls“, Schulmädchen in militärischen Uniformen, die durch die Städte zu Marschmusik marschierten und deren besondere Attraktion die extrem kuren Röcke waren.

Das hat sich inzwischen alles geändert, angeblich hätten das die Deutschen geschafft durch viele Ausnahmeregelungen für ihre zahlreichen Bier – und Weinfeste. Sie zivilisierten auch die Kneipenkultur und sorgten für vernünftige Öffnungszeiten.

Was die Australier laut Umfrage einer Zeitung an den Deutschen besonders schätzen:
1.) Ihren Humor (?) 2. ihr Bier und 3.) ihren Wein.
Die üblichen Tugenden, die man den Deutschen oft nachsagt, wie Disziplin, Ordnungsliebe, Fleiß, Pünktlichkeit werden nicht erwähnt. Vielleicht weil die freizeitorientierten Australier so etwas nicht sehr schätzen.

Die Deutschen halten ihre Nationalität nicht hoch und pflegen sie auch nicht. Anders als etwa die Iren, die am St. Patricks Day groß aufmarschieren mit der irischen Flagge und immer ihre Heimatverbundenheit zeigen, gibt es so etwas bei den Deutschen nicht.

Sie feiern allerdings gerne Feste, vor allem natürlich das Oktoberfest wie z.B. in Melbourne. Hier gibt es dann auch ein wenig Lokalkolorit, vor allem mit Rücksicht auf die Australier, die so etwas gerne sehen.

In Übersee glaubt man, dass Deutschland identisch ist mit Bayern. Deshalb gehören zu einem „typisch“ deutschen Fest immer Männer in Lederhosen, Frauen in Dirndlkleidung, Bier aus Maßkrügen, Leberkäse, Weißwurst und bayerische Blasmusik. Das ist angeblich „original deutsch“ und alle deutschen Feste weltweit laufen nach diesem Muster ab.

Na ja, warum nicht. Sicherlich sympathischer als preußische Pickelhauben, Stechschritt und Marschmusik. (Diese „bösen“ Deutschen gibt es übrigens auch und zwar in diversen einfältigen Fernsehproduktionen, die glücklicherweise bei uns nicht gezeigt werden. Da sind die Deutschen immer Nazis). Deshalb sind für die Australier die Deutschen entweder fiese Nazis oder gemütliche Bayern. Ein recht simples Weltbild."
Renegat
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Ja, stimmt, D war in der Vergangenheit eher Auswanderungs- als Einwanderungsland. D.h. so genau weiß ich das gar nicht, wäre interessant, die jeweiligen Phasen und Zahlen gegenüberzustellen.
Nach dem 2.WK in den 50ern war der Trend definitv weg aus D. Direkt nach dem Krieg bis zur Währungsreform leicht nachvollziehbar, zu der Zeit kann man die Situation in D mit aktuellen Krisengebieten vergleichen.
Der Trend hielt aber bis weit in 50er und noch länger an bzw. verstärkte sich noch. Nicht nur Australien war Ziel, auch Südafrika, USA, Kanada, Südamerika. Es mag auch exotischere Ziele gegeben haben, die aber durch die ebenfalls in den 50ern beginnende Befreiung von der Kolonialherrschaft nicht so vielversprechend gewesen sein mögen.
Vom Hörensagen kenne ich viele Auswanderungsgeschichten aus den 50ern, teilweise haben die spätestens als Rentner noch mal die alte Heimat, Verwandte und Bekannte besucht. Deren Kinder haben idR kein Interesse und keinen Bezug mehr zu der Heimat ihrer Eltern.
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