Teddy Kollek – Bürgermeister von Jerusalem

Informationen und Diskussionen zu Geschehnissen in Asien und Australien

Moderator: Barbarossa

ehemaliger Autor K.

In den früheren Jahrzehnten bin ich häufiger aus geschäftlichen Gründen nach Israel gefahren und habe aus dieser Zeit noch Bekannte, Juden und Araber, mit denen ich gelegentlich korrespondiere.

Anfang der neunziger Jahre lernte ich den damaligen Bürgermeister von Jerusalem, Teddy Kollek, kennen. Der Grund war: mein früherer Chef erhielt die Auszeichnung: „ Freund der Stadt Jerusalem“ verliehen und ich durfte bei den Feierlichkeiten dabei sein.

Teddy Kollek (1911 geb. gestorben 2007) war von 1965 – 1993 ein sehr beliebter Bürgermeister von Jerusalem gewesen (von Alt- und Neu-Jerusalem). Er hatte eine abenteuerliche Biographie hinter sich. Geboren in Ungarn lebte seine Familie später in Wien. Er flüchtete dann in den dreißiger Jahren vor den Nazis nach Palästina, gehörte der Untergrundbewegung Hagana an und lebte zeitweilig in einem Kibbuz. Zusammen mit Ben Gurion zählte er zu den Begründern von Israel. Wie die meisten Mitglieder der israelischen Arbeiterpartei gehörte er zum linken Mitglied der Zionisten und vertrat sozialistische Auffassungen.

Während der Feierlichkeiten hatte ich Gelegenheit, kurz mit ihm zu sprechen. Er erzählte gerade über den speziellen jüdischen Sozialismus, der allerdings weniger mit Marx zu tun hat, sondern mehr auf den Vorstellungen des Alten Testaments basierte und den dort geäußerten Ideen des Gemeineigentumes. Unversehens geriet ich mit ihm in eine Diskussion über die Marxsche Werttheorie aus dem Kapital und da ich mich damit ein wenig auskenne, haben wir ungefähr 10 Minuten über ein spezielles Problem darüber debattiert.

Juden lieben gelehrte Diskussionen und es macht immer unglaublich Spaß, mit ihnen zu debattieren. Es heiß ja auch: drei Juden, vier Meinungen.

Teddy Kollek wurde auch von den Arabern sehr geschätzt, da er auf Ausgleich und Versöhnung wirkte.

Das kann man von seinem Nachfolger Olmert aus dem Likud-Block, der nach ihm Bürgermeister wurde, leider nicht sagen. Er war ein Chauvinist, träumte von einem großen Israel und lehnte jede Konzession mit den Arabern ab. Seitdem hat sich die Situation im arabischen Jerusalem erheblich verschärft. Die Soldaten haben dort unbegrenzte Vollmachten und können jeden Passanten anhalten, durchsuchen und verhaften. Für einen männlichen Araber ist es fast unmöglich, nicht wenigstens einmal in seinem Leben für kurze Zeit in einem Polizeigefängnis zu landen. Das ist nahezu jedem passiert. Die Bewohner der Altstadt dürfen nicht mehr auf die Westbank fahren und nur schwer nach Israel einreisen. An den unzähligen Checkpoints benehmen sich die Soldaten wie früher die DDR- Grenzer im Kalten Krieg.

Inzwischen wohnen jüdische Siedler auch in der Altstadt und terrorisieren die Einwohner. Sie werfen ihren Müll vor die Häuser der Araber und beschmieren deren Häuser. Die Kinder der Siedler bewerfen Araber mit Abfall und manchmal mit Steinen. Die vielen Soldaten greifen nie ein und gucken beiseite.

Kürzlich sprach ich mit einem israelischen Bekannten und sagte ihm: „ Wenn ich Araber wäre, ich könnte diese täglichen Demütigungen nicht ertragen. Ich würde auch zur Hamas gehen.“

Teddy Kollek sagte einmal: „Ich möchte kein Araber in Jerusalem sein.“ Er wollte aber die Lage verbessern und hat viel geleistet.

Das konnte man von seinen Nachfolgern leider nicht sagen. Auch der jetzige Bürgermeister Barkat von den Liberalen muss noch mehr Profil zeigen und zu den Orthodoxen auf Distanz gehen.
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Agrippa
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Da gebe ich Dir recht. Politiker vom Schlage eines Teddy Kollek müsste es mehr geben. Auf beiden Seiten.
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