IS und die Vergangenheit

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Moderator: Barbarossa

Spartaner
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Die Sunniten sehen die ersten vier Kalifen als die 4 rechtgeleiteten Kalifen an.
http://www.ansary.de/Islam/Gesch%204%20Kalifen.html
Einige Schiiten sehen Ali als rechtmässigen Nachfolger des Propheten Mohammeds an und negieren die rechtmässige Nachfolge der ersten drei Kalifen. Man muss aber annehmen das Ali die Wahl des ersten Kalifen mitgetragen hat . Zumindest gibt es keine Überlieferungen, dass er den Kalifen Abu Bakr angezweifelt hat. Bei der Wahl des dritten Kalifen gab es Unstimmigkeiten . Hier war Ali als Kalif favorisiert. Er gab aber bei der Ernennung des dritten Kalifen die falsche Antwort und Uthman wurde zum dritten Kalifen. Für die Sunniten bzw. IS werden die ersten drei Kalifen als die Figuration der alten Normensordnung gedeutet und so beschrieben, als wären sie reale Herrscher im Sinne der alten Ordnung, die nun auf die Jetztzeit übertragen werden soll.
Ali war aus dem direkten Umfeld von Mohammed. Für die Schhiiten gilt deshalb Ali und dessen Familie von Anfang an als legitimiert die Führung der Muslimen. Allerdings war Abu Bakr der erste Kalif auch ein Gefährt von Mohammed und wird nicht von allen Schiiten abgelehnt.
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dieter
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Spartaner hat geschrieben:
Karlheinz hat geschrieben:Über die Geschichte des Islam gibt es in diesem Forum viele hervorragende Artikel, geschrieben von Mitgliedern. Zu finden sind sie unter:
Nachschlagewerk - Das Mittelalter – Arabische Welt und Islam
http://geschichte-wissen.de/mittelalter ... islam.html
Welcher den von dir verlinkten Beiträgen bantwortet die Thread- Fragen genau ? Was hat das osmanische Reich damit zu tun?
Lieber Spartaner,
eine berechtigte Frage. :)
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dieter
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Triton hat geschrieben:Die Taktik des Frontalangriffs wählte auch "Lawrence von Arabien" und bezeichnete sie als "Bedu-Taktik" in Anspielung auf die Beduinen-Völker, aus denen er seine Truppen teilweise rekrutierte. Offenbar sehen sich die IS-Truppen in der Tradition der stolzen Araber/Beduinen.
Lieber Joerg,
da mußte sie erst ein Engländer wieder zur alt gewohnten Taktik bringen. :wink:
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Bei der Errichtung eines Kalifats geht es um eine neue Heilsordnung der islamischen Welt, die auf die islamische Frühzeit ausgerichtet ist. Man ist der Ansicht, dass ohne Kalifat unter den Muslimen nur Zwietracht herrscht. Drei bedeutende islamische Rechtsgelehrte beschäftigten sich mit Ansichten über das Kalifat. Als erster wäre zu nennen: al Mawardi ( 972-1058)
" Nach al Mawardi müssen die Wähler, die den Kalifen bestimmen, kluge, befähige Köpfe sein. Dem Wahlkriterium ist schon Genüge getan, wenn der neue Kalif vom Vorgänger designiert wird. Er muss eine guter Militärführer sein, politische Ränkespiele beherrschen und die Winkelzüge seiner Feinde zu kontern verstehen. Bei alledem darf der Kalif nicht vergessen, dass seine Herrschaft kein Selbstzweck ist. Auch als Politiker und Militär dient er Gott und steht unter sein Gesetz. Er darf sich weder in seiner weltlichen noch religösen Funktion,wie ein Despot verhalten. Er muss sich in der rauhen Welt des Krieges und der Politik (Sisaya) auskennen. Der Kalif muss aber auch den Gemeinschaftsgeist (Asabiyya) pflegen und fördern. Den Rat vor wichtigen Entscheidungen holt er von der Ulama ein."
Der zweite wichtige islamische Rechtsgelehrte war: al Ghazali (1058-1111). Er unterschied im Kalifat zunächst zwischen den des Imams(religöser Führer) und dem Sultan(weltlicher Herrscher)
Theortisch sollte der Kalif, so al Ghazali zwei Aufgaben erfüllen: die des Imams, das heisst die Exekutive einer Herrschaftsordnung. Letzte Funktion aber habe er nicht persönlich auszuüben, sondern an Sultane und Fürsten zu delegieren, die sich wiederum vertraglich zur Anerkennung des Kalifen verpflichten sollten.
http://books.google.de/books?id=PVlFAwA ... at&f=false
Der dritte wichtige islamische Rechtsgelehrte zu diesem Thema ist al-Dschuwainī (1028-1058)
In der "Ġiyāṯ al-umam fī iltiyāṯ aẓ-ẓulam ("Hilfe für die Völker in der Wirrnis der Dunkelheiten"), abgefasste staatsrechtliche Abhandlung, trägt er die Auffassung vor, dass die Tauglichkeit (kifāya) des Herrschers und seine "Inangriffnahme der schwierigen Angelegenheiten" (al-istiqlāl bi-ʿazāʾim al-umūr) noch wichtiger sind als seine Abkunft von den Quraisch und seine Kenntnis der gottgewollten Ordnung. Besitze der Herrscher die Tauglichkeit, könne er sogar als Imam angesehen werden. Wichtig sei nur, dass er bei Problemen das Gutachten eines Rechtsgelehrten einhole."
http://de.wikipedia.org/wiki/Al-Dschuwain%C4%AB
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Das Kalifat erlitt in den spätern Nachfolgejahrhundert eine regelrechte Inflation. Um das Jahr 1000 nach Chr. gab es drei Kalifate gleichzeitig. Das abasidische Kalifat von Bagdad , das ismailitisch-schiitische Kalifat von Kairo und das umayyadische Kalifat von Cordoba. In späterer Zeit wurden auch immer mehr Schattenkalifen von den Machthabern eingesetzt. Der Kalif hatte nur noch den Status als Mittel zum Zweck, zur Legitimation der Herrschaft der Eroberer.
1258 wurde Bagdad von den Mongolen unter Hülegü erobert .
"Zwei Abbasidenabkömmlingen gelang aber die Flucht nach Ägypten. Mit Hilfe der Mamluken, die über Ägypten herrschten, versuchten sie, Bagdad zurückzuerobern. Nachdem dieser Versuch misslungen war, erhob der az-Zahir Baibars, der nun unangefochtene Anführer der Mamluken in Ägypten, den einzig noch verbliebenen Abbasiden zum Kalifen und ließ sich umgekehrt von ihm den Sultanstitel verleihen. Auf diese Weise erhielt er die religiös-politische Legitimation, die ihm aufgrund seiner Herkunft als Militärsklave noch fehlte. Die Abbasidenprinzen aus dieser Linie versahen in den folgenden Jahrhunderten ihr weitgehend formales Amt, ein Kalifat ohne herrscherliche Machtbefugnisse, das den Mamlukensultanen jedoch jeweils die notwendige islamische Legitimität verlieh. "
http://de.wikipedia.org/wiki/Kalifat#Da ... _von_Kairo
Einer dieser Flüchtlinge war al Hakim.
"Al-Hakim überlebte 1258 das Massaker an den Abbasiden, das der Mongolenherrscher Hülegü nach der Eroberung von Bagdad angeordnet hatte. In Syrien schloss er sich dem Gefolge des Mamluken-Offiziers Aqqusch al-Burli an, der sich im Sommer 1261 der Stadt Aleppo bemächtigt hatte und von dort aus gegen Sultan Baibars I. opponierte. Im Juni 1261 wurde al-Hakim von Aqqusch zum Kalifen proklamiert, in Nachfolge des 1258 untergegangenen Kalifats von Bagdad. Von Baibars wurde dies folglich nicht anerkannt, weshalb dieser in Kairo einen anderen Abbasiden als al-Mustansir II. zum Kalifen proklamieren ließ."
http://de.wikipedia.org/wiki/Al-Hakim_I.

Die Schattenkalifen wurden von den neuen Machthabern einzig und allein mit dem Ziel eingesetzt neue und grössere Allianzen schmieden zu können. Denn schon damals war das Kalifat nur noch ein Instrument, Allianzen zwischen den Einflußreichen und Mächtigen der Region, als symbolische Bindung an einem Kalifen zu bilden. Herrschaftliche Macht hatte jedoch der Kalif nicht mehr. Er war nur noch eine Marionette zum Zweck.
Der letzte dieser Schattenkalifen wurde 1517 von türkischen Sultan Selim I. abgesetzt und hies al Mutawakill III.
http://www.eslam.de/begriffe/m/mutawakkil_3.htm
"Sicher scheint zu sein, dass der letzte Abbasiden-Kalif 1517, nachdem Ägypten vom osmanischen Sultan erobert worden war, von Kairo nach Istanbul verbracht wurde, wo sich seine Spur in den Folgejahren (spätestens nach 1543) jedoch ebenso verliert wie die der Abbasiden überhaupt. Der Transfer des Kalifen nach Istanbul könnte als Gefangenschaft, aber auch als anfängliche Absicht der Osmanen gedeutet werden, ihn auf ähnliche Weise als Titular-Kalifen zu benutzen, wie dies die Mamluken bisher in Kairo getan hatten. Allerdings wurde diese Absicht dann offenbar früher oder später fallengelassen"

Im späten 18. Jahrhundert entdeckten die osmanischen Sultane, das Kalifat neu und nutzten es um mehr Einfluß auf die muslimische Gemeinschaften nehmen zu können, die nicht mehr unter ihrer Herrschaft standen.
" Dem Abendland gegenüber trat der osmanische Sultan Abdülhamid I. erstmals 1774 in den Verhandlungen zum Friede von Küçük Kaynarca als Kalif auf - mit dem Anspruch, als Oberhaupt der gesamten sunnitischen Welt respektiert zu werden, und um so zu beeindrucken. Der „Befehlshaber der Gläubigen“ musste jedoch einen Frieden unterzeichnen, der ihn zunächst faktisch zum Vasallen der russischen Zarin machte. Immerhin aber wurde ihm formal das Recht zugestanden, auch Beschützer der Muslime in Russland und der Muslime auf der Krim zu sein."

"Erst 1876 wurde der Anspruch auf das allislamische Kalifat in der neu eingeführten, 1878 faktisch suspendierten und 1908 wieder in volle Gültigkeit gesetzten, Verfassung des Osmanischen Reiches offiziell festgeschrieben. Die Sultane Abdülhamid II. (1876–1909) und Mehmed V. (1909–1918) versuchten diesen Anspruch dann auch im politischen Alltag geltend zu machen: Der erste wollte den Kalifentitel als islamischen Integrationsfaktor für das vom Zerfall bedrohte Reich nutzen, der zweite als propagandistisches Motiv zur Entfachung eines pro-osmanischen islamischen Aufstands in den Kolonialreichen der Kriegsgegner im Ersten Weltkrieg. Beides hatte eher geringen Erfolg."
http://de.wikipedia.org/wiki/Osmanisches_Kalifat
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Agrippa
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Orianne hat geschrieben:Die Terrormiliz spielt auf die Zeit an, als der Islam entstand und die Araber die halbe Welt eroberten.
Mit diesem einen Satz sprichst Du den Kern des Problems an.

Wer zurück zu den Anfängen geht, und sein Leben an den allerersten Ur-Christen orientieren möchte, der muss absoluter Pazifist werden.

Wer dagegen Muslim ist, und sein Leben an den allerersten Ur-Muslimen ausrichten will, der muss ein Krieger werden.
Das ist der entscheidende Unterschied.

Nach seiner Vertreibung aus Mekka zog sich Mohammed nach Medina zurück und sammelte Banditen um sich, um die Karawanen zu überfallen, die nach Mekka unterwegs waren oder von dort kamen.
Als die Mekkaner dagegen militärisch vorgingen, kam es zu mehreren Schlachten mit wechselndem Ausgang. Schlussendlich gelang es Mohammed, die Stadt Mekka zu erobern, die dortigen Götzenbilder zu beseitigen und seinen eigenen Glauben zu etablieren.

Entgegen der weit verbreiteten Meinung war Mohammed kein Prediger wie Jesus, der durch die Lande zog und zu den Menschen sprach. Mohammed war ein erfolgreicher Feldherr, der von einem göttlichem Sendungsbewusstsein beseelt war.

Wenn ein radikaler Iman junge Muslime für den Dschihad begeistern möchte, so muss er nur aus dem Koran zitieren. Ein gewisser Erfolg ist ihm sicher.
Glücklicherweise sind die meisten Muslime in der Lage, diese Aussagen im Koran zu relativieren und die unmenschliche Gewalt des 7.Jhs. n.Chr. nicht wörtlich zu nehmen.
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Agrippa hat geschrieben:
Wenn ein radikaler Iman junge Muslime für den Dschihad begeistern möchte, so muss er nur aus dem Koran zitieren. Ein gewisser Erfolg ist ihm sicher.
Glücklicherweise sind die meisten Muslime in der Lage, diese Aussagen im Koran zu relativieren und die unmenschliche Gewalt des 7.Jhs. n.Chr. nicht wörtlich zu nehmen.
Hier spielt die Al-Azhar-Univeristät in Kairo eine wichtige Rolle. Es ist das bedeutendste intellektuelle Zentrum der Weltreligion, die der Prophet Mohammed vor über 1300 Jahren begründete die älteste Universität der Welt, die einflussreichste Moschee des sunnitischen Islams.
"Keine Fatwas finden mehr Beachtung als jene der al-Azhar, und kaum jemand hat mehr Autorität in der islamischen Welt als die Gelehrten der Hochschule." Während christliche Kirchen sich im Mittelalter dem verbrennen auf dem Scheiterhaufen zuwandten, wandten sich die Geistlchen der Al-Azhar-Univeristät in Kairo der Forschung zu.
"Al-Azhar ist die Bewahrerin des ausgewogenen Glaubens."
"Der Großscheichs der al-Azhar, Ahmad Sayyed Tantawi, " erkannte den palästinensischen Selbstmordattentätern den Märtyrerstatus ab, wenn sie Zivilisten zum Ziel nahmen. Er gestand ferner der französischen Regierung das Recht zu, das islamische Kopftuch zu verbieten, und forderte Musliminnen auf, sich daran zu halten. Prediger bat er außerdem, Juden und Christen nicht mehr als "Nachfahren von Affen und Schweinen" zu bezeichnen. Nicht alle Wortmeldungen Tantawis blieben ohne Widerspruch; er ist zudem permanent dem Vorwurf ausgesetzt, vom ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak ferngesteuert zu sein. Doch die eine Zeitlang befürchtete Unterwanderung der Universität durch Radikale hat sich nicht bewahrheitet. "
Viele Geistliche verurteilen die Gewalt gegen Christen und gegen alle wehrlosen Menschen. Sie verurteilen die Verbrechen der IS und erklären sie nicht in Einklang zu dem Koran.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/a ... 00017.html

Das arabische Wort Dschihad ( Jihad ) bedeutet "Bemühung" oder "Anstrengung". Heiliger Krieg ist eine mißverständliche Übersetzung. Historisch wird der Dschihad -Begriff politisch instrumentalisiert. Von der klassischen machtorientierten Interpretation sind die meisten Geistlichen abgerückt. Niemand vertritt von den vielen Geistlichen dieser Universität den Dschihad so zu vertreten, dass das islamische Territorium gewaltsam zu erweitern ist.
Dschihad wird irrtümlicher Weise deshalb mit dem "Heiligen Krieg " gleichgesetzt. Das ist jedoch falsch und anders zu verstehen. Zum einen gibt es den großen Dschihad gegen die eigenen schlechten Eigenschaften im Menschen. Hier ist jeder Gläubige aufgerufen den Koran zu studieren und ihn richtig auf sein eigenes Verhalten anzuwenden. Leider ist das bei vielen nicht der Fall. Viele die sich zum Islam bekennen und ihn radikal auslegen, haben nicht einmal den Koran vollständig durchgelesen und können ihn nicht auf den Alltag kopieren bzw. interpretieren. Auch nicht die Hassprediger und kriminellen Subjekte, die die Weisheit des Korans für sich gepachtet haben wollen und Unschuldige umbringen lassen.
Zum anderen gibt es den kleinen Dschihad im Sinne des Kampfes gegen Aggressoren. Der Abwehrkampf dürfte aber keinesfalls selbst zur Aggressíon ausufern.
Zitat:
"Der "größte oder große Dschihad" [al-dschihad al-akbar oder al-dschihad al-athim, الجهاد الأعظم] ist der Kampf gegen das Böse im Herzen des eigenen Ich, die Anstrengung gegen eine niedrige Stufe der Seele, die zum Bösen gebietet [al-nafs al-ammara]. Dabei wird die innere Läuterung zur moralischen Vervollkommnung angestrebt. Mittel bei diesem schweren Einsatz sind die zahlreichen Riten des Islam, wie auch z.B. das Bittgebet und vieles andere mehr. Allheilmittel gegen Krankheiten der Seele ist unter anderem die Dankbarkeit sowie die Buße.
Der "kleine" oder "äußere Dschihad" [al-dschihad al-asghar, الجهاد الأصغر] besteht in jeder Form der zulässigen Verteidigung von Muslimen. "
http://www.eslam.de/begriffe/a/anstrengung.htm
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Agrippa
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Spartaner hat geschrieben: Während christliche Kirchen sich im Mittelalter dem verbrennen auf dem Scheiterhaufen zuwandten, wandten sich die Geistlchen der Al-Azhar-Univeristät in Kairo der Forschung zu.
So, jetzt muss ich mal einschreiten.

Dass das christliche Mittelalter finster und rückständig war, während der Orient das Zentrum des Wissens und der Weisheit darstellte, ist klischeehafter Unsinn, gegründet auf einer romantischen Verklärung des 19.Jhs.

Sicher haben muslimische Gelehrte die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Antike weiter gepflegt. Man darf jedoch nicht vergessen, dass die Schriften der griechischen und römischen Gelehrten uns nur überliefert sind, weil sie in christlichen Klöstern von Mönchen abgeschrieben und erhalten wurden. Das widerspricht dem Klischee von einer wissensfeindlichen christlichen Kirche im Mittelalter.

Es ist ebenso unbestritten, dass beispielsweise die Bewässerungssysteme der Muslime in Andalusien jenen im nördlichen Europa weit voraus waren. Wenn es bei uns aber den ganzen Tag regnet, braucht man sich über die künstliche Bewässerung der Felder nicht den Kopf zu zerbrechen. In der europäischen Landwirtschaft des Mittelalters gab es andere Aufgaben, wie z.B. die Rodung von Wäldern und die Entwicklung der Dreifelderwirtschaft.

Betrachten wir einmal die Architektur:
Im späten 12. Jh. entwickelte sich von Frankreich ausgehend die Gotik, die ihre größte Aufgabe im Kathedralenbau fand. Die Kathedralen des christlichen Mittelalters sind statisch betrachtet hoch komplexe Bauwerke. Ohne ein fundiertes Wissen über Mathematik, Geometrie, Mechanik und Statik wäre die Errichtung dieser auch für heutige Verhältnisse unglaublich filigranen und hohen Gebäude nicht möglich gewesen. Der Kathedralbau konnte nicht auf antike Vorbilder zurückgreifen; er ist eine reine typologische Erfindung des Mittelalters. In der muslimischen Welt gab es nichts auch nur annähernd Vergleichbares.

Soviel zum kulturellen und technischen Stand der Wissenschaften im Mittelalter.

Und wie war es mit der Betrachtung der Welt?
Klischeehaft glauben manche bis heute, die Kirche des Mittelalters hätte die Erde als Scheibe betrachtet und wäre erst von Kolumbus eines besseren belehrt worden. Das ist Hollywood-Schwachsinn!

Bevor Kolumbus aufbrach, schuf Martin Behaim seinen berühmten „Erdapfel“, als wahrscheinlich ersten Globus (natürlich fehlten Nord-und Südamerika noch). Auch diese Darstellung der Welt widerspricht dem Klischee einer bornierten, verschlossenen Christenheit. Oder gibt es einen muslimischen Globus, der noch älter ist?

Und da wir dabei sind:
Die großen Entdeckungsfahrten seit dem frühen 15.Jh. wurden von christlichen Seefahrern unternommen. Es entwickelte sich ein wirtschaftliches Interesse aber auch eine Neugier, was es „jenseits des Tellerrandes“ zu entdecken gab.
Dagegen war die muslimische Seefahrt sehr eingegrenzt auf Arabien, die Ostküste Afrikas und die Westküste Indiens.
War es nicht die Expedition des Fernando Magellan, die als erste die Welt umsegelte?

Jenseits unreflektierter Klischees verliert das Bild vom finsteren Abendland und strahlenden Orient schnell an Substanz.

Eigentlich wäre das ein eigenes Thema wert, weil es nichts mehr mit dem IS zu tun hat.
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Agrippa
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Spartaner hat geschrieben: Prediger bat er außerdem, Juden und Christen nicht mehr als "Nachfahren von Affen und Schweinen" zu bezeichnen.
Oh, das ist aber sehr großzügig von ihm.
Allein die Tatsache, dass dieses explizit erwähnt werden muss, ist schon traurig genug.
Stephan
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Etwas OT, aber da angesprochen:
Orianne hat geschrieben:Die Angriffstaktik des IS, so liest man, habe gewisse Ähnlichkeiten mit derjenigen der arabischen Eroberer des 7. und 8. Jahrhunderts. Der blitzartige Angriff auf breiter Front mit ihren Humwees, auf denen MGs montiert sind, gleiche den Kavallerieattacken, welche die Muslime gegen die römischen und fränkischen Heere geritten hätten.
Triton hat geschrieben:Die Taktik des Frontalangriffs wählte auch "Lawrence von Arabien" und bezeichnete sie als "Bedu-Taktik" in Anspielung auf die Beduinen-Völker, aus denen er seine Truppen teilweise rekrutierte.

Der Frontalangriff stellt die geringsten Anforderungen an Ausbildung und Führung der Truppe, Aufklärung des Gefechtsfeldes, Planung und Koordination. Man kann auch sagen, es ist die dümmste Form des Angriffs.

Trifft sie auf einen erfahrenen und gut ausgerüsteten Gegner, endet sie in einem Blutbad für die Angreifer. Diese Erfahrungen mussten bereits die Germanen gegenüber den Römern machen, über die Engländer 1916 an der Somme bis zu den zahllosen Sturmangriffen der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg.
Freundliche Grüsse
Stephan
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Agrippa
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Stephan hat geschrieben: Der Frontalangriff stellt die geringsten Anforderungen an Ausbildung und Führung der Truppe, Aufklärung des Gefechtsfeldes, Planung und Koordination. Man kann auch sagen, es ist die dümmste Form des Angriffs.

Trifft sie auf einen erfahrenen und gut ausgerüsteten Gegner, endet sie in einem Blutbad für die Angreifer. Diese Erfahrungen mussten bereits die Germanen gegenüber den Römern machen, über die Engländer 1916 an der Somme bis zu den zahllosen Sturmangriffen der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg.
Danke. Endlich ist mal jemand hier, der wirklich Ahnung von militärischer Taktik hat.
Mit einem massiven Frontalangriff haben die Römer, obwohl zahlenmäßig weit überlegen, gegen Hannibal bei Cannae 216 v.Chr. verloren. Die Schlacht gilt bis heute als Lehrbeispiel dafür, wie man einen tumben Frontalangriff von den Flanken her umfasst.
Cherusker
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Stephan hat geschrieben:
Der Frontalangriff stellt die geringsten Anforderungen an Ausbildung und Führung der Truppe, Aufklärung des Gefechtsfeldes, Planung und Koordination. Man kann auch sagen, es ist die dümmste Form des Angriffs.

Trifft sie auf einen erfahrenen und gut ausgerüsteten Gegner, endet sie in einem Blutbad für die Angreifer. Diese Erfahrungen mussten bereits die Germanen gegenüber den Römern machen, über die Engländer 1916 an der Somme bis zu den zahllosen Sturmangriffen der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg.
Wenn Du Germanen durch Kelten ersetzt, dann stimmt das. Die Germanen kannten Scheinangriffe und Rückzugstaktiken. Die Kelten dagegen meist nur den Frontalangriff mit aller Gewalt. Wenn das nicht zum Erfolg führte, so hatten manche keltischen Krieger die Lust am Kampf schnell verloren. Als das die Römer erkannten, war es nur eine Frage der Zeit bis sie die Kelten in Europa besiegt hatten.
Und genauso sind die heutigen IS-Angriffe leicht berechenbar. Wenn es erst einmal zu größeren Niederlagen kommt, dann werden einige fanatische Kämpfer auch recht schnell in Zweifel kommen. :wink:
Stephan
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Cherusker hat geschrieben:
Stephan hat geschrieben:
Der Frontalangriff stellt die geringsten Anforderungen an Ausbildung und Führung der Truppe, Aufklärung des Gefechtsfeldes, Planung und Koordination. Man kann auch sagen, es ist die dümmste Form des Angriffs.

Trifft sie auf einen erfahrenen und gut ausgerüsteten Gegner, endet sie in einem Blutbad für die Angreifer. Diese Erfahrungen mussten bereits die Germanen gegenüber den Römern machen, über die Engländer 1916 an der Somme bis zu den zahllosen Sturmangriffen der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg.
Wenn Du Germanen durch Kelten ersetzt, dann stimmt das.


Seit wann zählen die Kimbern und Teutonen zu den Kelten?
Dieser Erfolg ermutigte Gaius Marius sich den Teutonen bald zur entscheidenden Schlacht zu stellen. Am Morgen des dritten Tages ließ er seine Legionen sich vor ihrem auf einem Hügel gelegenen befestigten Nachtlager zu einer offenen Feldschlacht formieren. Die längst ungeduldigen Teutonen stürmten sogleich den Hügel hinauf und eröffneten die Schlacht. Bis zum Mittag wurde heftig gekämpft und nur die ungewohnte provencalische Hitze schien den Teutonen zu schaffen zu machen. Als ihre Reihen schließlich zu schwanken begannen, brachte wohl ein Haufen römischer Tross-Knechte die Entscheidung, der mit gewaltigen Geschrei aus dem Wald im Rücken der Teutonen hervorstürmte und diese in Panik versetzte. Die Formation der Teutonen brach völlig auseinander, viele von ihnen wurden getötet oder gefangengenommen und versklavt.
aus http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_von_Aquae_Sextiae
Freundliche Grüsse
Stephan
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Agrippa
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Hallo,

ich glaube, Cherusker störte sich an der zu allgemeinen Formulierung. Die leider weit verbreitete Meinung, Germanen hätten gegen Römer nur bei Hinterhalten, nicht jedoch in offenen Feldschlachten eine Chance gehabt, lässt sich anhand einiger Beispiele leicht widerlegen.

Zum Beispiel haben die bereits oben erwähnten Kimbern und Teutonen im Jahr 105 v.Chr. in einer offenen Feldschlacht bei Arausio zwei konsularische Heere komplett vernichtet. Man geht von mind. 60 000 getöteten Römern aus.

Nichtsdestotrotz war das römische republikanische Heer, insbesondere nach der Heeresreform des Marius, das organisierteste, disziplinierteste und flexibelste seiner Zeit. Die Römer verstanden es, trotz zahlreicher militärischer Rückschläge und Niederlagen, sich auf die Waffengattungen und Kampfweisen ihrer Feinde einzustellen. Sie lernten aus ihren eigenen Fehlern und suchten die Schwachstellen ihrer Gegner.
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Marek1964
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Stephan hat geschrieben:Etwas OT, aber da angesprochen:
Da kann man doch einen eigenen Thread eröffnen!

http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... =31&t=4587

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