Festnahme eines ehemaligen SS-Mannes

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Moderator: Barbarossa

Harald
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RS, ich muß dir ausnahmsweise mal widersprechen (Vorsicht, Ironie).
Dem Grass glaube ich kein Wort. Wenn einer jahrzehntelang vergessen hat, daß er bei der Waffen-SS war, dann fällt mir zu diesem Pharisäer nichts ein.
Wer ist Ratzinger? Der Papst?

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Triton
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Harald hat geschrieben:Wer ist Ratzinger? Der Papst?[ Post made via iPad ] Bild
Nein, der Ex-Papst.
Keine Ahnung, woher das Gerücht kommt, er sei in der Waffen-SS gewesen. Papa Ratzi war bei Ende des Krieges gerade 18 geworden und als Flakhelfer eingesetzt.

Ich habe wenig Mitleid mit einem Massenmörder, der beinahe 70 Jahre unbehelligt und frei ein Leben führen konnte, das ihn 93 Jahre alt werden ließ. Wenn er jetzt ein wenig vor Gericht sitzen muss und er ist prozessfähig, was hat er zu befürchten? Da lacht er doch drüber.
Justitia hat eine Augenbinde, ein Schwert aber auch eine Waage - das Leid der Opfer darf nicht unberücksichtigt bleiben.
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Balduin
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Mir ging es auch nicht um die individuelle Schuld dieses KZ Arztes Triton, sondern um die Tendenz, jetzt die letzten Verbliebenen vor Gericht zu zerren, weil sich ein Wandel in der Politik abzeichnet.
Das halte ich eben für verfehlt.
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He has called on the best that was in us. There was no such thing as half-trying. Whether it was running a race or catching a football, competing in school—we were to try. And we were to try harder than anyone else. We might not be the best, and none of us were, but we were to make the effort to be the best. "After you have done the best you can", he used to say, "the hell with it". Robert F. Kennedy - Tribute to his father
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Balduin
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dieter hat geschrieben: Lieber Ralph,
mir stellt sich eine andere Frage, was hat unsere Justiz die ganze Zeit gemacht, dass sie jetzt erst damit rauskommen :?:
Es hat sich eben der politische Umgang verändert. Bundespräsident Gauck entschuldigt sich in Griechenland für begangene deutsche Kriegsverbrechen. Anscheinend möchte man nun noch mehr zu seiner Vergangenheit stehen (ich sehe das auch etwas im Hinblick auf die aktuelle deutsche Rolle in der Eurokrise, wo immer mehr antideutsche Ressentiments aufkommen).

Ich kann das nicht so ganz nachvollziehen. Die Zeitspanne vom Kriegsende zu jetzt beträgt ein Menschenleben. Das hätte man in den 70iger/80iger Jahren machen müssen, da war aber Deutschland wohl noch nicht so weit.
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Ralph hat geschrieben:Mir ging es auch nicht um die individuelle Schuld dieses KZ Arztes Triton, sondern um die Tendenz, jetzt die letzten Verbliebenen vor Gericht zu zerren, weil sich ein Wandel in der Politik abzeichnet.
Das halte ich eben für verfehlt.
Das ist aber starker Tobak für unsere Justiz. War der Festgenommene und seine Vergangenheit den Behörden lange bekannt? Und jetzt, weil der Herr Gauck in Griechenland und Israel von winkenden Kindern empfangen werden will, schleppt man ihn vor Gericht?
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Das ist aber starker Tobak für unsere Justiz. War der Festgenommene und seine Vergangenheit den Behörden lange bekannt? Und jetzt, weil der Herr Gauck in Griechenland und Israel von winkenden Kindern empfangen werden will, schleppt man ihn vor Gericht?
So wie du das schilderst, klingt das nach Verschwörungstheorie. Ich sehe da aber schon einen Zusammenhang - jetzt ist der politische Wille da, kommt aber eben ein paar Jahrzehnte zu spät.

http://www.spiegel.de/international/eur ... 59577.html
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Triton
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Soviel ich weiß, war die Nach-68er-Justiz keine Schlußstrich-Justiz mehr. Die milden Urteile (durch ehemalige NS-Richter) fielen doch in die 50er und frühen 60er. In den 70ern wurden etliche Prozesse neu aufgerollt.
Ich sehe da keine Verschwörung. Die Justiz muss doch bei nachgewiesenem Völkermord ermitteln und anklagen. Der Fall im Spiegel, mit einem Namen auf einer Liste im Zusammenhang mit Oradour-sur-Glane ist auch was anderes als der eines KZ-Sanitäters.
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Barbarossa
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Ralph hat geschrieben:In diesem Thema herrscht ja anscheinend Konsens, was mich ein wenig wundert. Neben dem Fall dieses SS-Arztes wurde im Spiegel berichtet, dass Ermittler jetzt gegen ein ehemaliges Mitglied der Waffen-SS (damals Anfang 20) Anklage erheben, der beim Massaker von Oradour eingesetzt war.

(Kleine Erklärung: Oradour ist ein französischer Ort, an dem sich wirklich verstörendes abspielte: Die gesamte Bevölkerung wurde durch die Waffen-SS ermordet (642 Todesopfer). Frauen und Kinder wurden in einer Kirche zusammengetrieben, die angezündet wurde. Hintergrund waren Vergeltungsmaßnahmen gegen die Resistance. Bundespräsident Joachim Gauck besuchte mit dem französischen Staatspräsidenten den Ort).

Es ist erkennbar, dass die deutschen Ermittlungsbehörden in den letzten Jahren verstärkt gegen Kriegsverbrecher vorgehen - nachdem jahrzehntelang nichts geschah.
Dabei begegnet den Ermittlern ein unlösbares Problem: Dass die Täter wegsterben, entsprechend werden immer jüngere Menschen angeklagt (Soldaten, die damals jünger als 20 Jahre waren).

Mich stört dabei folgendes: Teilweise wurden Kriegsverbrecher, Kriegstreiber und Profiteure in der frühen Bundesrepublik sehr milde behandelt: Krupp, Flick, Speer, Globke. Deren Schuld wiegt sehr stark.
Demgegenüber werden jetzt damals junge Männer angeklagt, die keinerlei Kommandogewalt hatten (bloße Befehlsempfänger), die sich mMn auf Befehlsnotstand berufen können. Richter urteilen, die diese Zeit nicht miterlebt haben, die Beweislage ist oft lückenhaft und wird auf Erinnerungen gestützt, die nach 70 Jahren nicht mehr genau sein können.

Es gibt keine Gleichheit im Unrecht ja, aber diese Tendenz betrachte ich doch kritisch. Die Chance, mit den Mitteln der Justiz, diese Verbrechen aufzuarbeiten und ein Stück weit Gerechtigkeit zu schaffen, wurde vor 40 Jahren vertan.
Mag im Grunde richtig sein, dass man sehr lange einfach so gut wie nichts getan hat. Das ist durchaus kritisch zu sehen, insbesondere die Weiterverwendung von ehemaligen Nazis im Staatsdienst. Wie soll Adenauer damals gesagt haben?
"Man schüttet kein schmutziges Wasser weg, wenn man noch kein neues hat."
Aber genau diese Philosophie hatte logischerweise zur Folge, dass die Nazi-Verbrecher in Deutschland oder auch im Ausland lange nichts zu befürchten hatten. Sie waren ja entnazifiziert oder geflohen und das Interesse, die eigenen ehemaligen Parteifreunde vor Gericht zu bringen, war denkbar gering. Und das ist genau das, was vor allem kritisiert werden muss - dass ehemalige Nazis einfach weitermachen durften. Das hätte nicht sein dürfen.
Bei solchen Verhältnissen dann irgendwann "die Kurve zu kriegen", ist schwierig und ist eigentlich nur im Zuge eines Generationwechsels zu lösen, wenn die Befangenen nicht mehr im Dienst sind. Und das dauert dann eben so lange, dass man jetzt im besten Fall noch Greise vor Gericht bringen kann.
Die Lehre aus dieser Historie kann nur die konsequente Entfernung belasteter Leute aus dem Staatsdienst nach dem Zusammenbruch eines autoritären/totalitären Regimes sein.
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Renegat
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Barbarossa hat geschrieben: "Man schüttet kein schmutziges Wasser weg, wenn man noch kein neues hat."
Aber genau diese Philosophie hatte logischerweise zur Folge, dass die Nazi-Verbrecher in Deutschland oder auch im Ausland lange nichts zu befürchten hatten. Sie waren ja entnazifiziert oder geflohen und das Interesse, die eigenen ehemaligen Parteifreunde vor Gericht zu bringen, war denkbar gering. Und das ist genau das, was vor allem kritisiert werden muss - dass ehemalige Nazis einfach weitermachen durften. Das hätte nicht sein dürfen.
Bei solchen Verhältnissen dann irgendwann "die Kurve zu kriegen", ist schwierig und ist eigentlich nur im Zuge eines Generationwechsels zu lösen, wenn die Befangenen nicht mehr im Dienst sind. Und das dauert dann eben so lange, dass man jetzt im besten Fall noch Greise vor Gericht bringen kann.
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Mmh, wer heute 93 ist, ging vor 30 Jahren in Rente. Das war in den 80ern. Die Frage war ja, ob diese beiden Fälle erst jetzt entdeckt wurden oder warum sonst sie nicht schon in den 70/80ern vor Gericht gestellt wurden?
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Barbarossa
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Renegat hat geschrieben: Mmh, wer heute 93 ist, ging vor 30 Jahren in Rente. Das war in den 80ern. Die Frage war ja, ob diese beiden Fälle erst jetzt entdeckt wurden oder warum sonst sie nicht schon in den 70/80ern vor Gericht gestellt wurden?
Ich schätze, es wird am bekannten Grundsatz "wo kein Kläger, da kein Richter" liegen.
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dieter
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Barbarossa hat geschrieben:
Renegat hat geschrieben: Mmh, wer heute 93 ist, ging vor 30 Jahren in Rente. Das war in den 80ern. Die Frage war ja, ob diese beiden Fälle erst jetzt entdeckt wurden oder warum sonst sie nicht schon in den 70/80ern vor Gericht gestellt wurden?
Ich schätze, es wird am bekannten Grundsatz "wo kein Kläger, da kein Richter" liegen.
Lieber Barbarossa,
als Beamter der Deutschen Rentenversicherung kenne ich mich ein Wenig aus. Wenn jemand in der Waffen-SS war bekam er diese Zeit als Ersatzzeit angerchnet, nur wenn er ein KZ-Bewacher gewesen wäre, dann würde diese Zeit nicht angerechnet.
Es bestand von uns aus keine Verpflichtung, SS-Anghörige der Staatsanwaltschaft zu melden. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Paul
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Harald hat geschrieben:RS, ich muß dir ausnahmsweise mal widersprechen (Vorsicht, Ironie).
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Grass ist überhaupt nicht zu verstehen. Es war doch völlig unnötig zu verschweigen, das er als 17 Jähriger zur Waffen SS gegangen ist. Das hätten ihm doch nur wenige vorgeworfen. Schlieslich wollte er die Eroberung Deutschlands und speziell auch seiner heimat Westpreußen aufhalten und keine Verbrechen begehen. Es war doch schon angekündigt worden, das Westpreußen wieder anektiert und viele Menschen vertrieben werden sollten. Es war auch klar, das dabei viele Zivilisten sterben würden. Sein Kampfeinsatz war sinnlos, aber nicht vorwerfbar.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
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Triton
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Selbst Papst Benedikt wurde im Ausland vorgeworfen, Nazi gewesen zu sein, weil er in der HJ war.
Waffen-SS kann man erst recht nicht verklickern, beim Stichwort SS ist jede Erklärung vergebens. Ich nehme ihm auch nicht ab, dass er es "vergessen" hatte, verstehe aber sehr gut, dass er es nicht an die große Glocke gehängt hat. Wahrscheinlich wäre er nicht Literaturnobelpreisträger geworden, wenn der Fakt bekannt gewesen wäre.
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dieter
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Ralph hat geschrieben:
dieter hat geschrieben: Lieber Ralph,
mir stellt sich eine andere Frage, was hat unsere Justiz die ganze Zeit gemacht, dass sie jetzt erst damit rauskommen :?:
Es hat sich eben der politische Umgang verändert. Bundespräsident Gauck entschuldigt sich in Griechenland für begangene deutsche Kriegsverbrechen. Anscheinend möchte man nun noch mehr zu seiner Vergangenheit stehen (ich sehe das auch etwas im Hinblick auf die aktuelle deutsche Rolle in der Eurokrise, wo immer mehr antideutsche Ressentiments aufkommen).

Ich kann das nicht so ganz nachvollziehen. Die Zeitspanne vom Kriegsende zu jetzt beträgt ein Menschenleben. Das hätte man in den 70iger/80iger Jahren machen müssen, da war aber Deutschland wohl noch nicht so weit.
Lieber Ralph,
da gab es noch zuviele Nazis. Hatte zu meiner Schulzeit als Lehrer fast alles ehemalige Nazis, die aus ihrer Gesinnung kein Hehl gemacht haben oder ehemalige Offiziere. :wink:
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Balduin
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Aber in den 80er Jahren war ja längst die Generation der Söhne in Amt und Würden @Dieter.
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