Zur inneren Situation der SPD

Parteitage, Richtungsentscheidungen, Personalien, Strategien

Moderator: Barbarossa

elysian
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segula hat geschrieben:@ elysian !
Danke für deine freundliche und sachliche Antwort! Und doch widerspreche ich, wenn man aus dem Privatleben eines Politikers Rückschlüsse auf seine Politik zieht. Wenn es so wäre, dann hätte Hitler, der angeblich Vegetarier war, doch kein Fleisch töten lassen.
Da bringst Du etwas durcheinander. Ich ziehe keine Rückschlüsse aus seinem Privatleben auf seine Politik. Dies wäre in der Tat verfehlt. Aber ich stelle seinem (politischen) Reden sein (tatsächliches) Handeln gegenüber. Und da komme ich zu dem Sprichwort: Wasser predigen, Wein saufen!
Um aufs Thema zurück zu kommen ( Lafontaine als letzter ehrlicher Sozi): Lafontaine gab sein Amt auf, weil er als Finanzminister der BRD Geld für den Auslandseinsatz deutscher Truppen bereitstellen sollte. Geld, dass deutsche Bürger viel nötiger hatten. Da war er dagegen, sein Herz schlägt inks!
Es stimmt zwar, dass er die NATO gering achtet und dass er gegen den Kosovokrieg war und ist, aber offiziell begründete er seinen Rücktritt m.W.n. mit "schlechtem Mannschaftsspiel". Seine wahren Gründe sind zumindest unklar.
http://de.wikipedia.org/wiki/Oskar_Lafo ... nzminister
http://www.wsws.org/de/1999/mar1999/oska-m16.shtml
Nun ist die Bundeswehr seit Jahren im Ausland aktiv. Und? Hat dort im Ausland jemand einen Arbeitsplatz erhalten? Eher einen Heldensarg!
Nun, ich halte sehr viel von der Ansicht, dass man sich in dieser Welt engagieren muss und das gegebenenfalls auch mit der Waffe. Die Gegenposition ist rührselig, aber wenn man sie an einem historischen Maßstab misst, z.B. an der Aggression durch das Dritte Reich, versagt sie. Deutschland sollte Verantwortung übernehmen und nicht selbstbezogen und egoistisch sein.
Warum ich Lafontaine als letzten ehrlichen Sozi bezeichne: Er sagt auch unbequeme Sachen - bevor die schrecklichen Fakten eintreten. Dafür erhält er immer mehr Wählerstimmen im Gegensatz der Schleimer um Münte und Genossen.
Zugegeben, er kündigt selten erst das Eine an und macht dann das Andere. Allerdings vermeidet er auch konsequent, größeren Wählergruppen Nachteile in Aussicht zu stellen, selbst wenn dies notwendig wäre. Da waren Münte und Schröder ganz anders. Allerdings liegt darin durchaus ein Problem. Man kann mit guten Gründen auf die Agenda 2010 schimpfen, aber sie hat bestimmte Dinge in Deutschland durchaus verbessert. Lafontaine hätte hier ideologisch auf seiner Position beharrt und damit Deutschland geschädigt.
Was Ehrlichkeit und Wählerstimmen angeht, so hat die Union damit schlechte Erfahrungen gemacht.
Es ist schon eine crux, einerseits sollen Politiker ehrlich und glaubwürdig sein, andererseits straft der Wähler für Botschaften ab, die er nicht hören will.
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Danke elysian für die faire und und im Gegensatz zu anderen Foren sachlich nette Art zu diskutieren. Wir haben unsere Meinung dargeboten, und es haben die Politiker nicht verdient - ( die verdienen eh genug :wink: ) dass wir darüber ins Streiten kommen. Mehr möchte ich zu diesem Thema nicht los werden. Vielleicht, dass wir an anderer Stelle wieder so Höflich aneinander geraten.
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segula hat geschrieben:Danke elysian für die faire und und im Gegensatz zu anderen Foren sachlich nette Art zu diskutieren. Wir haben unsere Meinung dargeboten, und es haben die Politiker nicht verdient - ( die verdienen eh genug :wink: ) dass wir darüber ins Streiten kommen. Mehr möchte ich zu diesem Thema nicht los werden. Vielleicht, dass wir an anderer Stelle wieder so Höflich aneinander geraten.
Immer wieder gern. :)
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Barbarossa
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Schonungslose Bestandsaufnahme:
Gabriel erwartet keine rasche Erholung der SPD

In einem Brief an Parteimitglieder findet der designierte Parteichef deutliche Worte: Er sieht die SPD in «katastrophalem Zustand», geht mit dem Kurs seiner Vorgänger scharf ins Gericht und erwartet eine lange Durststrecke...
weiter lesen: http://www.netzeitung.de/politik/deutsc ... 99219.html
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Barbarossa hat geschrieben:
Schonungslose Bestandsaufnahme:
Gabriel erwartet keine rasche Erholung der SPD

In einem Brief an Parteimitglieder findet der designierte Parteichef deutliche Worte: Er sieht die SPD in «katastrophalem Zustand», geht mit dem Kurs seiner Vorgänger scharf ins Gericht und erwartet eine lange Durststrecke...
weiter lesen: http://www.netzeitung.de/politik/deutsc ... 99219.html
Die SPD befindet sich nach Einschätzung des künftigen Parteichefs Sigmar Gabriel in «einem katastrophalen Zustand». so das Zitat. Ich meine, Herr Gabriel merkt aber auch alles. War er nicht die ganze Zeit mit in der Führungsriege dieser Partei und hat seine Pfründe gepflegt? Jetzt will er sich natürlich von seinen ehemaligen Mitgeniesern ( nicht Mitgenossen!) etwas abgrenzen.
Irgendwie erinnert mich das an das Beispiel der SED 1989 in der DDR, als Egon Krenz nach Honeckers Ablösung als dessen Ziehsohn eine "Wende" einleiten wollte. Das Ende der Partei war das Ergebnis.
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Barbarossa
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segula hat geschrieben:...Irgendwie erinnert mich das an das Beispiel der SED 1989 in der DDR, als Egon Krenz nach Honeckers Ablösung als dessen Ziehsohn eine "Wende" einleiten wollte. Das Ende der Partei war das Ergebnis.

Nö, das stimmt so nicht. Die SED wurde nie aufgelöst, sondern nur mehrfach umbenannt und als Partei "Die Linke" wächst und gedeiht sie gerade wieder "prächtig": http://www.geschichte-wissen.de/forum/v ... ?f=14&t=37
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Barbarossa hat geschrieben:
segula hat geschrieben:...Irgendwie erinnert mich das an das Beispiel der SED 1989 in der DDR, als Egon Krenz nach Honeckers Ablösung als dessen Ziehsohn eine "Wende" einleiten wollte. Das Ende der Partei war das Ergebnis.

Nö, das stimmt so nicht. Die SED wurde nie aufgelöst, sondern nur mehrfach umbenannt und als Partei "Die Linke" wächst und gedeiht sie gerade wieder "prächtig": http://www.geschichte-wissen.de/forum/v ... ?f=14&t=37
Das ändert aber nichts an der Tatsache. Ob Gabriel oder Steinmeier - sie sind alte borstenlose Besen und meinen, sie fegen besser als neue. Diese Postenkleber ruinieren endgültig das Vertrauen in diese Partei.

Aber mal ein Gedanke nebenher:

Sind Parteien nicht das Ergebnis des Marxschen Verständnissses des 19. Jahrhunderts? Siehe Komm. Manifest! Ist daraus nicht die erste Partei der Sozialdemokratie entstanden? Und inzwischen sind diese Parteien in gewissenlose Karriere-Klubs verwandelt worden. Mit dem Untergang des Kommunismus, oder was zuletzt dafür ausgegeben wurde, ist meines Erachtens nach auch die Parteienfrage erledigt. Was macht denn eine Partei heutzutage noch! - Macht erstreben, mehr nicht! Die SPD hat es im diesjährigen Wahlkampf mit keinem Wort erwähnt, dass sie die fälschlicherweise erhobene Mehrwertsteuererhöhung der letzten Wahl zurücknehmen will. Es ist also zu sehen, dass die Parteien kein Programm haben, sondern nur taktieren: "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern!" Da wundern sie sich, wenn die Wähler wegbleiben oder radikal wählen.
Staaten im Tierreich werden auch regiert - aber zum Vorteil des Staates und ihrer Bewohner! Manch Allgewaltigem empfehle ich mal, geraume Zeit einen Ameisenhaufen zu beobachten.

Ich bin der Meinung, die Länder sollten von wirklich fähigen Leuten regiert werden, deren Auswahl demokratisch erfolgt und die ein schlüssiges Programm bieten. Da kann eben nicht ein gewesener Innenminister in der nächsten Legislatur den Finazminister stellen und in der übernächsten den Aussenminister. Da ist doch von vornherein Inkompetenzangesagt!
elysian
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Sind Parteien nicht das Ergebnis des Marxschen Verständnissses des 19. Jahrhunderts? Siehe Komm. Manifest! Ist daraus nicht die erste Partei der Sozialdemokratie entstanden?
Ja und nein.
Parteien gab es lange, bevor Marx auch nur geboren war.
http://de.wikipedia.org/wiki/Politische ... Geschichte
http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte ... eutschland
Sicherlich leistete das Manifest seinen Beitrag hinsichtlich einer politischen Vereinigung der Arbeiterschaft.
Aber es war nicht eine notwendige Voraussetzung.
Was macht denn eine Partei heutzutage noch! - Macht erstreben, mehr nicht!
Nun, ich verstehe Deinen Kritikpunkt nicht. Denn das haben die Parteien jedweder Art schon immer getan.
Das Streben nach Macht ist in meinen Augen denn auch nicht problematisch.
Die Probleme beginnen m.M.n. dann, wenn eine Partei die Macht erlangt hat und sie verwenden muss, soll oder will.
Es ist also zu sehen, dass die Parteien kein Programm haben, sondern nur taktieren: "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern!"
Das würde ich so nicht sehen. Sicherlich handeln Politiker, wie übrigens alle Menschen, mitunter nach diesem Motto. Doch daraus kann man noch nicht ableiten, dass es kein Programm gäbe. Zwar konzentrierte sich die SPD zu sehr darauf, Schwarz-Gelb zu verhindern. Insoweit könnte man durchaus sagen, dass es nicht wirklich ein Programm gab.
Dass liegt jedoch daran, dass z.B. der Deutschlandplan, der in meinen Augen sehr wohl ein Programm darstellt, diesem Ziel völlig untergeordnet und nicht in den Vordergrund gerückt wurde.
Auch der Union kann man eine gewisse Inhaltsarmut vorwerfen, allerdings auch keine Inhaltsleere. Zu einigen, wenn auch wenigen, Punkten gab es klare Aussagen.
Hinsichtlich Hartz4 waren alle Parteien bemüht, Vorschläge für Korrekturen zu unterbreiten.
Ich finde jedoch auch, dass sie die Programme nicht zu sehr Reaktionen auf die jeweils letzte Wahl sein sollten. Sie sollten Anhaltspunkte liefern, wie unsere Zukunft ausschaut oder ausschauen könnte.
Gleichwohl muss man wissen, dass von der jeweils "reinen Lehre" vor allem in unserem Parteiensystem, aber auch sonst nach der Wahl Abstriche gemacht werden müssen.
Ich bin der Meinung, die Länder sollten von wirklich fähigen Leuten regiert werden, deren Auswahl demokratisch erfolgt und die ein schlüssiges Programm bieten. Da kann eben nicht ein gewesener Innenminister in der nächsten Legislatur den Finazminister stellen und in der übernächsten den Aussenminister. Da ist doch von vornherein Inkompetenzangesagt!
Ich teile Deine Meinung, dass die fähigen Leute regieren sollten und welche Voraussetzungen gegeben sein müssen.
Allerdings sehe ich diese Voraussetzungen in unserem System sehr wohl erfüllt.
Das Wahlvolk wählt seine Vertreter, diese Vertreter setzen den Kanzler ein und der Kanzler stellt seine Mannschaft zusammen.
Dass die Bevölkerung jeden Minister einzeln wählen könnte, ist zwar eine interessante Idee, aber für die notwendige Geschäftsführung innerhalb einer Regierung eher nicht geeignet. Wieso sollte etwa der Kanzler den Kompetenzbereich eines Ministers erweitern oder beschränken können (von der Frage des Ob eines Ministeriums mal abgesehen; Stichwort "Superministerium"!), wenn dieser nicht minder demokratisch legitimiert ist? Aus diesem Grund wird ja bereits der Bundespräsident nicht direkt gewählt. Zudem müsste dann über die Entlassung aus dem Amt jeweils bundesweit abgestimmt werden. Das erscheint mir wenig praktikabel.
Auch sehe ich nicht das Risiko von Inkompetenz so wie Du. Natürlich sind Politiker keine allrounder. Aber sie können sich bei ihrer Arbeit auf die hochqualifizierten Fachkräfte in ihren Ministerien stützen (und tun dies auch regelmäßig).
Daher ist es m.M.n. nicht problematisch, wenn jemand erst Innenminister und dann Finanzminister wird.
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Barbarossa
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Auch wenn ich dir sonst im Grunde weitgehend zustimme, muß ich dich in einer Sache berichtigen:
segula hat geschrieben:...Aber mal ein Gedanke nebenher:

Sind Parteien nicht das Ergebnis des Marxschen Verständnissses des 19. Jahrhunderts? Siehe Komm. Manifest! Ist daraus nicht die erste Partei der Sozialdemokratie entstanden?

Politische Parteien sind keine "Erfindung" von Marx und die SPD ist auch nicht die erste in Deutschland existierende Partei. Sie ist lediglich die älteste heute noch existierende politische Partei Deutschlands, die sich seit ihrer Fusion von ADAV (ab 1863) und SDAP (ab 1869) im Jahre 1875 (zunächst als SAP, seit 1890 als SPD) im Gegensatz zu anderen Parteien trotz mehrfacher Verbote nie aufgelöst hat. Das ist ein Unterschied. Die SPD (und dessen Vorgängerparteien) waren die Interessenvertretung der Arbeiter, die im Kaiserreich auch im Reichstag saß und sich 1918 an die Spitze der Noveberrevolution stellte.
http://de.wikipedia.org/wiki/SPD#Geschichte

Die erste Politische Partei in Deutschland war mit der 1861 gegründeten "Deutschen Fortschrittspartei" (DFP) eine liberale Partei.
http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_F ... ittspartei
und
http://www.liberalismus-portal.de/parte ... chland.htm

Überhaupt waren Liberalen die "Erfinder" unserer modernen Demokratie.
Das "Verdienst" von Marx war die Begründung der kommunistischen Ideolgie in dessen Ergebnis zunächst die von ihm beeinflußte SDAP, später dann der kommunistische "Spartakusbund" und im Jahre 1918 die KPD gegründet wurde.

Edit:
Da fällt mir ein - eigentlich könnte man ja mal eine historische Abhandlung über die Entsehung unserer Demokratie erstellen - oder? Was haltet ihr davon?
:mrgreen:
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Hallo elysian, da wären wir schon wieder aneinander geraten :D !
Deiner Auffassung nach ist mit unserer Parteienlandschaft und Demokratie alles in Butter, heißt "weiter so!".
Die Realitäten sehen aber anders aus. Die Wahlbeteiligung geht doch nicht aus Bequemlichkeit der Bürger zurück, sondern ist überwiegend eine (in meinen Augen falsche) Protesthaltung gegenüber den Vertretern der Obrigkeit. Die Widersprüche der Politik der Herrschenden steht immer mehr im Gegensatz zu den Erwartungen des Volkes. Deshalb haben bei Wahlen die regierenden Parteien meist Stimmverluste zu verkraften und oppositionelle Parteien Stimmzuwächse. Kommt es dann zu einem Machtwechsel, beginnt das Spiel von neuem. Damit werden aber die Probleme nicht grundlegend gelöst, sondern nur neu definiert. Nun ist aber auch die Demokratie der Bundesrepublik nicht frei von der Dialektik nach Hegel und Marx, die vereinfachend besagt, dass sich verschärfende Gegensätze und Widersprüche solange bedingen, bis sie eine Qualität erreicht haben, wo das Problem gelöst wird (werden muss) und ein neues Niveau entsteht.
Das haben wir am Untergang der DDR gesehen. Damals war dem Sozialismus in der DDR immer der Sozialismus an sich im Wege. Die Führung hat den Gegensatz zum Volk nicht wahrhaben wollen, aber er wurde gelöst und führte zum neuen Niveau - der Wiedervereinigung.
Bis diese Widersprüche in der jetzigen Demokratie aufbrechen, kann es noch eine Weile dauern. Aber aufbrechen werden sie, das ist gewiss. Und dann bin ich auf das neue Niveau gespannt.

@Barbarossa
Gute Idee, das mit der Entstehung unserer Demokratie zu behandeln.

MfG segula
elysian
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segula hat geschrieben:Hallo elysian, da wären wir schon wieder aneinander geraten :D !
Deiner Auffassung nach ist mit unserer Parteienlandschaft und Demokratie alles in Butter, heißt "weiter so!".
Die Realitäten sehen aber anders aus. Die Wahlbeteiligung geht doch nicht aus Bequemlichkeit der Bürger zurück, sondern ist überwiegend eine (in meinen Augen falsche) Protesthaltung gegenüber den Vertretern der Obrigkeit. Die Widersprüche der Politik der Herrschenden steht immer mehr im Gegensatz zu den Erwartungen des Volkes. Deshalb haben bei Wahlen die regierenden Parteien meist Stimmverluste zu verkraften und oppositionelle Parteien Stimmzuwächse. Kommt es dann zu einem Machtwechsel, beginnt das Spiel von neuem. Damit werden aber die Probleme nicht grundlegend gelöst, sondern nur neu definiert. Nun ist aber auch die Demokratie der Bundesrepublik nicht frei von der Dialektik nach Hegel und Marx, die vereinfachend besagt, dass sich verschärfende Gegensätze und Widersprüche solange bedingen, bis sie eine Qualität erreicht haben, wo das Problem gelöst wird (werden muss) und ein neues Niveau entsteht.
Das haben wir am Untergang der DDR gesehen. Damals war dem Sozialismus in der DDR immer der Sozialismus an sich im Wege. Die Führung hat den Gegensatz zum Volk nicht wahrhaben wollen, aber er wurde gelöst und führte zum neuen Niveau - der Wiedervereinigung.
Bis diese Widersprüche in der jetzigen Demokratie aufbrechen, kann es noch eine Weile dauern. Aber aufbrechen werden sie, das ist gewiss. Und dann bin ich auf das neue Niveau gespannt.
MfG segula
Nun, wie die Realität wirklich ausschaut, lassen wir besser mal dahin gestellt. ;)
Sonst wirds noch zu grundsätzlich.

Ich bin in der Tat mit unserem aktuellen politischen System im Prinzip zufrieden. Weniger mit den Akteuren innerhalb dieses Systems. Meiner Meinung nach wird zu wenig differenziert zwischen diesen beiden Aspekten. Ein System kann gut sein und seine Protagonisten dennoch geringen Zuspruch ernten. Umgekehrt kann man das Dritte Reich anführen, dessen System schlecht war bei gleichzeitig guten Werten für die Protagonisten.

Natürlich gibt es auch in meinen Augen Punkte, die besser sein könnten. So hätte ich gerne mehr Möglichkeiten für Nichtparteimitglieder in die Parlamente gewählt zu werden und dort zu arbeiten. Hineinkommen ist schon schwer und wenn man als "Freier" drin ist, hat man gegenüber den "Fraktionellen" einige Nachteile.
Ferner stoße ich mich an dem Ausmaß, welches der Fraktionszwang annimmt. Amerikanische Parlamentarier nehmen sich vergleichsweise mehr Freiheiten raus. Das ist mir sehr sympathisch.

Die steigende Zahl an Nichtwählern ist sicherlich ein Problem. Nicht dagegen, dass die Regierenden regelmäßig an Stimmen verlieren. Das war in Demokratien in normalen Zeiten immer schon so. Und es ist doch auch leicht verständlich. Innerhalb einer Gesellschaft gibt es unglaubliche viele Interessen und Interessengruppen (weshalb ich meine, dass es "die Vorstellungen des Volkes" so nicht gibt), die oft genug gegeneinander stehen und arbeiten. Wer immer an der Regierung ist, tritt notwendigerweise hier und dort jemandem auf den Fuß. Allerdings hilft auch Nichtstun nicht weiter, sondern schädigt über kurz oder lang.
Natürlich könnte man als Strategie vorschlagen, immer nur das zu tun, was zu tun die Mehrheit der Gesellschaft als richtig ansieht. Nur ist die voluntee de tout auch nicht unfehlbar (und wie wäre dies mit Deiner Forderung nach einem Regieren durch die Besten vereinbar?) und wenn die entsprechenden Entscheidungen falsch sind, wird die Mehrheit die Regierung dafür trotzdem zur Verantwortung ziehen.... ;)
Dabei lasse ich noch außer Betrachtung, wie schwierig es wäre, jeweils diesen Mehrheitswillen tatsächlich zu bestimmen.

Dass es im Verlauf der Entwicklung nur zu Neudefinitionen käme, kann ich nicht ersehen und es ergibt sich auch nicht schlüssig aus Deinem Vortrag. Vielmehr fallen mir einige historische Beispiele ein, welche man für das Gegenteil anführen kann.
Auch kann man die Dialektik von Hegel und Marx nicht so einfach in einen Topf werfen. Sie weisen schon erhebliche Differenzen auf, wenngleich sie auch Gemeinsamkeiten haben. Aber das nur nebenbei.
Dass Konflikte ein, wenn nicht das Treibmittel sind und dass bis zur Konfliktlösung immer ein Prozess notwendig ist, ist keine bahnbrechende Erkenntnis. Die entscheidende Frage ist aber dann doch, wie der Prozess und die Lösung gestaltet werden.

Einer Meinung bin ich mit Dir, dass bloßes Nichtwählen wegen Unzufriedenheit nicht förderlich ist. Wer unzufrieden ist, sollte die Möglichkeiten unseres Systems nutzen. Er sollte sich Gleichgesinnte suchen, mit denen er sich politisch engagiert und für die eigene Anschauung nach Mehrheiten in der Gesellschaft suchen. Unter anderem durch das Antreten bei Wahlen. Die Grünen und jüngst die Piratenpartei haben diesen Weg mit mehr oder weniger großem Erfolg eingeschlagen.

Ein Steigern und Aufbrechen von Widersprüchen im Sinne der marxistischen Geschichtsideologie sehe ich hingegen nicht. Hierfür bietet die DDR nur bedingt ein Beispiel, sicher aber kein Vorbild für die aktuelle Situation. Insbesondere unsere Situation ist ja gerade durch den Pluralismus geprägt, dem hinreichend Raum zur Entfaltung gegeben wird. Das war in der DDR ganz anders.
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elysian hat geschrieben:...Ich bin in der Tat mit unserem aktuellen politischen System im Prinzip zufrieden. Weniger mit den Akteuren innerhalb dieses Systems. Meiner Meinung nach wird zu wenig differenziert zwischen diesen beiden Aspekten. Ein System kann gut sein und seine Protagonisten dennoch geringen Zuspruch ernten. Umgekehrt kann man das Dritte Reich anführen, dessen System schlecht war bei gleichzeitig guten Werten für die Protagonisten.
Wie bitte? Oder habe ich dich jetzt falsch verstanden? Du bezeichnest die Machthaber der Nazis nicht wirklich als "gut" oder?
elysian hat geschrieben:Dabei lasse ich noch außer Betrachtung, wie schwierig es wäre, jeweils diesen Mehrheitswillen tatsächlich zu bestimmen...
Der Volkswille wäre z. B. durch eine Volksabstimmung bestimmbar.
:wink:
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Barbarossa hat geschrieben:
elysian hat geschrieben:...Ich bin in der Tat mit unserem aktuellen politischen System im Prinzip zufrieden. Weniger mit den Akteuren innerhalb dieses Systems. Meiner Meinung nach wird zu wenig differenziert zwischen diesen beiden Aspekten. Ein System kann gut sein und seine Protagonisten dennoch geringen Zuspruch ernten. Umgekehrt kann man das Dritte Reich anführen, dessen System schlecht war bei gleichzeitig guten Werten für die Protagonisten.
Wie bitte? Oder habe ich dich jetzt falsch verstanden? Du bezeichnest die Machthaber der Nazis nicht wirklich als "gut" oder?
elysian hat geschrieben:Dabei lasse ich noch außer Betrachtung, wie schwierig es wäre, jeweils diesen Mehrheitswillen tatsächlich zu bestimmen...
Der Volkswille wäre z. B. durch eine Volksabstimmung bestimmbar.
:wink:
Du missverstehst den Satz in der Tat.
Ich brösel es noch einmal auf:
-System entweder gut oder schlecht
-Grad der Zustimmung durch die Bevölkerung für die Protagonisten
Man muss anerkennen, dass die nationalsozialistische Diktatur und ihre Protagonisten ein schlechtes System installierten und dennoch (oder gerade deswegen?) viel Zustimmung genossen, als sie an der Regierung waren.

Was den Mehrheitswillen angeht, so sagte ich ja nicht "unmöglich" sondern "schwierig". Es ist schlicht nicht praktikabel, jede politische Entscheidung zur Abstimmung zu stellen und dabei vorher über die Fakten und Positionen aufzuklären.
Das Gesetzgebungsverfahren würde hierdurch erheblich in die Länge gezogen, schnelle Handlungen der Exekutive auf bestimmte Ereignisse hin unmöglich und das Ganze würde ausgesprochen teuer. Das Internet ist hier keine Option, da es schlicht zu einfach ist, online zu manipulieren.

Auch habe ich den Eindruck gewonnen, dass nicht jeder Nichtwähler aus Protest nicht wählt.
Ich habe in meinem bisherigen Leben schon einige Menschen getroffen, denen die Politik einfach egal ist.
Diese Menschen informieren sich bewusst nicht und wollen mit Politik nicht behelligt werden.
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elysian hat geschrieben:Du missverstehst den Satz in der Tat.
Ich brösel es noch einmal auf:
-System entweder gut oder schlecht
-Grad der Zustimmung durch die Bevölkerung für die Protagonisten
Man muss anerkennen, dass die nationalsozialistische Diktatur und ihre Protagonisten ein schlechtes System installierten und dennoch (oder gerade deswegen?) viel Zustimmung genossen, als sie an der Regierung waren.
Aha - ok, das mag für die Zeit nach der letzten demokratisch durchgeführten Wahl sogar stimmen.
elysian hat geschrieben:Was den Mehrheitswillen angeht, so sagte ich ja nicht "unmöglich" sondern "schwierig". Es ist schlicht nicht praktikabel, jede politische Entscheidung zur Abstimmung zu stellen und dabei vorher über die Fakten und Positionen aufzuklären.
Das Gesetzgebungsverfahren würde hierdurch erheblich in die Länge gezogen, schnelle Handlungen der Exekutive auf bestimmte Ereignisse hin unmöglich und das Ganze würde ausgesprochen teuer. Das Internet ist hier keine Option, da es schlicht zu einfach ist, online zu manipulieren.
Nicht jede Entsheidung, das halte ich auch für nicht praktikabel, aber besonders wichtige Entscheidungen könnte man schon abstimmen lassen. Die Schweiz bietet hierfür ein gutes Beispiel.
:wink:
elysian hat geschrieben:Auch habe ich den Eindruck gewonnen, dass nicht jeder Nichtwähler aus Protest nicht wählt.
Ich habe in meinem bisherigen Leben schon einige Menschen getroffen, denen die Politik einfach egal ist.
Diese Menschen informieren sich bewusst nicht und wollen mit Politik nicht behelligt werden.
Diesen Eindruck hatte ich auch schon des öfteren. Und nicht nur auf Grund von Desinteresse, sondern gerade bei einigermaßener Zufriedenheit über die Politik beteiligt sich ein besonders großer Anteil der Wähler nicht an der Wahl. Anders ist es nicht erklärbar, daß die Wahlbeteiligungen steigen, wenn eine unpopuläre Regierung abgewählt wird. Gerade da gehen dann besonders viele Leute zur Wahl.
:wink:
Die Diskussion ist eröffnet!

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Barbarossa hat geschrieben:
elysian hat geschrieben:Was den Mehrheitswillen angeht, so sagte ich ja nicht "unmöglich" sondern "schwierig". Es ist schlicht nicht praktikabel, jede politische Entscheidung zur Abstimmung zu stellen und dabei vorher über die Fakten und Positionen aufzuklären.
Das Gesetzgebungsverfahren würde hierdurch erheblich in die Länge gezogen, schnelle Handlungen der Exekutive auf bestimmte Ereignisse hin unmöglich und das Ganze würde ausgesprochen teuer. Das Internet ist hier keine Option, da es schlicht zu einfach ist, online zu manipulieren.
Nicht jede Entsheidung, das halte ich auch für nicht praktikabel, aber besonders wichtige Entscheidungen könnte man schon abstimmen lassen. Die Schweiz bietet hierfür ein gutes Beispiel.
:wink:
Ja und nein. Es gibt besonders wichtige Entscheidungen, deren Komplexität es nicht wenigen Personen schlicht unmöglich macht, überhaupt zu verstehen, um was es geht. Abgesehen von den zur Wahl stehenden Möglichkeiten natürlich. Die Leute entscheiden sich dann für eine Maßnahme, deren Folgen sie nicht abschätzen können. Zumal solche Abstimmungen gerade für Populisten ein äußerst erfolgreiches Betätigungsfeld darstellen. Da wird dann gelogen, dass sich die Balken biegen. Da halte ich das jetzige System mit Fachpolitikern, vergleichsweise kleinen Expertenfragerunden usw. einfach für besser.
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