Nicht Geiz ist geil, Gier ist geil

Unternehmen, Verbraucherschutz, Konjunktur

Moderator: Barbarossa

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dieter
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Karlheinz hat geschrieben:Lieber Dieter,
du hast sicherlich gemerkt, dass „Gier ist geil“ nicht meine wahre Überzeugung ist, sondern als Provokation gedacht war. Meine persönliche Geschichte hat auch überhaupt nichts mit Gier zu tun, sondern eher mit dem Streben, eine halbwegs angenehme Existenz zu führen. Ich bin viel jünger als du, erst 1950 geboren, aber leider sind meine Eltern ganz früh verstorben, so dass ich mich lange zwischen Heim und verschiedenen Pflegeeltern bewegte. Nach Abschluss einer kaufmännischen Lehre studierte ich Volkswirtschaft, Betriebswirtschaft und Sozialwissenschaften und promovierte in Wirtschaftswissenschaften, war anschließend lange Zeit Geschäftsführer einer mittelständischen Unternehmung, friste seit einigen Jahren mein Brot an der Universität bis zur Rente. Aber mich hat nie die Gier angetrieben. Luxus habe ich mir nie geleistet, interessiert mich auch nicht, benötige ich nicht.
Lieber Karlheinz,
damit ist Dein Lebensweg nicht so anders wie der Meinige oder der Lebensweg meiner Lieben. Meinen Respekt dafür. Er beweist nur, dass es in unserer Gesellschaft möglich war durch Lernen und Arbeit voranzukommen. Ich hoffe nur, dass dies so bleibt und nicht durch Vetternwirtschaft abgelöst wird. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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dieter
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Barbarossa hat geschrieben:Ich muß einfach mal dazu anmerken - das erinnert mich ein wenig an eine frühere Diskussion, die hier mal lief.
Die hieß: "Könnten wir irgendwann das egoistische Denken ablegen?" - also mit der genau entgegengesetzen Themenstellung.
Könnt ihr euch ja auch mal durchlesen, wer will.
:wink:
Lieber Barbarossa,
egoistisches Denken ist dann in Ordnung, wenn es der Gesellschaft insgesamt zugute kommt und nicht nur einer bestimmten Gruppe. :wink:
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Peppone
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dieter hat geschrieben:egoistisches Denken ist dann in Ordnung, wenn es der Gesellschaft insgesamt zugute kommt und nicht nur einer bestimmten Gruppe. :wink:
Das ist dann aber Zufall. Egoistisches Denken soll per se erst einmal einer Person zu Gute kommen.
Profitieren dann auch andere davon, dann ist das ein Nebeneffekt, der so nicht beabsichtigt war.

Im Prinzip das Gleiche, wie ich es oben schon mal geschrieben hab. Gier und Geiz sind Charaktereigenschaften, die in erster Linie dem Individuum selbst nützen sollen. Sie können gesellschaftlich induziert sein und auch der Gesellschaft nutzen, sie müssen dies aber nicht.

Beppe
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Triton
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Wenn jeder nur an sich selbst denkt, dann ist an alle gedacht.

Beste Grüße
Joerg
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
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Peppone
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Triton hat geschrieben:Wenn jeder nur an sich selbst denkt, dann ist an alle gedacht.

Beste Grüße
Joerg
So isses.
:P :angel:
Beppe
Renegat
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Peppone hat geschrieben:
Triton hat geschrieben:Wenn jeder nur an sich selbst denkt, dann ist an alle gedacht.

Beste Grüße
Joerg
So isses.
:P :angel:
Beppe
Der Spruch ist wohl lustig gemeint oder zynisch, je nachdem. Eigentlich drückt Tritons Spruch ganz verkürzt die Triebfeder des Turbokapitalismus aus. Diese Theorie funktioniert aber nicht, weil die Möglichkeiten den eigenen Egoismus durchzusetzen sehr unterschiedlich sind.
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Peppone
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Renegat hat geschrieben:Der Spruch ist wohl lustig gemeint oder zynisch, je nachdem. Eigentlich drückt Tritons Spruch ganz verkürzt die Triebfeder des Turbokapitalismus aus.
Er ist so eine Art Entschuldigung für den eigenen Egoismus.
Wenn an jeden Gedacht ist, ist noch lange nicht jedem genutzt. Hier muss der Egoismus enden, wenn eine Gesellschaft funktionieren soll.
Notabene: Die ältesten Industrieunternehmen haben oft auch - und besonders in ihren Anfängen - auch dazu gedient, die soziale Ader Einzelner auszuleben. Bsp. Siemens, Bosch, auch Diesel (der ja immerhin eine sozialistisch mindestens angehauchte Schrift veröffentlicht hat und seinen Dieselmotor vor allem für Kleinunternehmer entwickelt hat).

Beppe

PS: Ausnahmen wie Krupp oder Ford bestätigen die Regel, imho...
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dieter
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Peppone hat geschrieben:
Renegat hat geschrieben:Der Spruch ist wohl lustig gemeint oder zynisch, je nachdem. Eigentlich drückt Tritons Spruch ganz verkürzt die Triebfeder des Turbokapitalismus aus.
Er ist so eine Art Entschuldigung für den eigenen Egoismus.
Wenn an jeden Gedacht ist, ist noch lange nicht jedem genutzt. Hier muss der Egoismus enden, wenn eine Gesellschaft funktionieren soll.
Notabene: Die ältesten Industrieunternehmen haben oft auch - und besonders in ihren Anfängen - auch dazu gedient, die soziale Ader Einzelner auszuleben. Bsp. Siemens, Bosch, auch Diesel (der ja immerhin eine sozialistisch mindestens angehauchte Schrift veröffentlicht hat und seinen Dieselmotor vor allem für Kleinunternehmer entwickelt hat).
Beppe
Lieber Beppe,
das war auch bei Karl Zeiss und Ernst Abbé so.
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dieter
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Peppone hat geschrieben:
dieter hat geschrieben:egoistisches Denken ist dann in Ordnung, wenn es der Gesellschaft insgesamt zugute kommt und nicht nur einer bestimmten Gruppe. :wink:
Das ist dann aber Zufall. Egoistisches Denken soll per se erst einmal einer Person zu Gute kommen.
Profitieren dann auch andere davon, dann ist das ein Nebeneffekt, der so nicht beabsichtigt war.
Beppe
Lieber Beppe,
egoistisches Denken braucht nicht nur der eigenen Person zu dienen, sondern die Person kann in die Gesamtheit vieler Menschen eingebunden sein und dient somit auch der Allgemeinheit. Zum Beispiel bei den Gewerkschaften. :wink:
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RedScorpion

"Gier" und "Geiz" ist aber kein Gegensatzpaar,

und auch Mandevilles Fabel geht's nicht um Gier, sondern um Zusammenspiel der Kräfte und Befriedigung der Grundbedürfnisse (also eher Maslow als Gierschlund-, Heuschrecken- und Turbokapitalismus), wobei es aber bei Mandeville 2 verschiedene Enden der Stories hat, wenn ich mich recht erinnere.


Bez. schon wieder "Fleiss" (Protestantismus?), Unternehmergeist u.ä. in Schwaben bzw. Württemberg tät' ich ein dickes Fragezeichen hintermachen. Württemberg war jahrhundertelang Armenhaus (und die ach so tollen Städte Süddeutschland im Vergleich zur Hanse z.B., der Rheinschiene oder Norditalien eine Häufung von armseligen Kuhkäffern) und profitierte v.a. von der stragischen Lage nach 1945 und nahm damit ein bisschen den Braindrain auf (Neugablonz und so) und die Position ein, die bis 1945 jahrhundertelang von Sachsen und Böhmen (heute +- verbrannte Erde) besetzt war.

Und Erfindungen hatte und hat es woanders auch.

P.S. War Siemens nicht bis 1945 in Berlin anstatt in München?
Und Audi nicht in Zwickau anstatt dem provinziellen Ingolstadt?

Ich will BW und BY auch nicht herunterreden; aber ohne WWII, ohne angrenzende Regionen mit Erfolg, ohne NATO und ohne Infrastruktur gingen nicht nur in Süddeutschland die Lichter aus.
Sprich es ist eher das Zusammenspiel vieler Kräfter als angeblicher Arbeitsethos, ein Sichberufen auf Tugenden usw.





LG
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Triton
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Bayern war lange ein armer Landstrich Deutschlands, agrarisch geprägt. Erst durch die Industriewende weg von Kohle/Stahl sowie ein breitangelegtes Subventionsprogramm vor allem im militärischen/rüstungsindustriellen Bereich oder auch in der Atomindustrie wurde Bayern allmählich zu einem Geberland im Länderfinanzausgleich.

Volkswirtschaftliche Binsenweisheit: Die gesamtwirtschaftliche Investition ist gleich der gesamtwirtschaftlichen Ersparnis (in einer geschlossenen Volkswirtschaft). Die Ersparnis kommt aus dem privaten Sektor, die Investitionen erfolgen typischerweise im industriellen Sektor. Das bedeutet, je mehr eine Gesellschaft spart, desto mehr kann sie investieren.

Beste Grüße
Joerg
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dieter
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Triton hat geschrieben:Volkswirtschaftliche Binsenweisheit: Die gesamtwirtschaftliche Investition ist gleich der gesamtwirtschaftlichen Ersparnis (in einer geschlossenen Volkswirtschaft). Die Ersparnis kommt aus dem privaten Sektor, die Investitionen erfolgen typischerweise im industriellen Sektor. Das bedeutet, je mehr eine Gesellschaft spart, desto mehr kann sie investieren.

Beste Grüße
Joerg
Lieber Joerg,
hoffentlich macht dies dann die Gesellschaft auch und verplempert nicht das Geld. :wink:
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ehemaliger Autor K.

Triton:
Wenn jeder nur an sich selbst denkt, dann ist an alle gedacht.

Dieter
egoistisches Denken ist dann in Ordnung, wenn es der Gesellschaft insgesamt zugute kommt und nicht nur einer bestimmten Gruppe.

Peppone
Das ist dann aber Zufall. Egoistisches Denken soll per se erst einmal einer Person zu Gute kommen.
Profitieren dann auch andere davon, dann ist das ein Nebeneffekt, der so nicht beabsichtigt war.
Im Prinzip das Gleiche, wie ich es oben schon mal geschrieben hab. Gier und Geiz sind Charaktereigenschaften, die in erster Linie dem Individuum selbst nützen sollen. Sie können gesellschaftlich induziert sein und auch der Gesellschaft nutzen, sie müssen dies aber nicht.

Adam Smith, der theoretische Begründer der Marktwirtschaft, hat in seinem monumentalem Werk „Untersuchungen über den Ursprung und Reichtum der Nationen“ (1776) die These formuliert, dass persönlicher Egoismus und das Wohl aller kein Gegensatz sind, sondern im Gegenteil, sich ergänzen und bedingen. Hier ein Zitat:

,Der Mensch ... braucht fortwährend die Hilfe seiner Mitmenschen, und vergeblich erwartet er diese von ihrem Wohlwollen allein. Er wird viel eher seine Ziele erreichen, wenn er ihr Selbstinteresse zu seinen Gunsten lenken und ihnen zeigen kann, dass sie auch ihrem eigenen Vorteil folgen, wenn sie für ihn tun, was er von ihnen haben will. Wer einem anderen ein Geschäft irgendwelcher Art anträgt, verfährt in diesem Sinne. Gib mir, was ich brauche, und du sollst haben, was du brauchst, und das ist der Sinn eines jeden solchen Aner¬bietens, und auf diese Weise erhalten wir voneinander den bei weitem größten Teil all der Dienste, auf die wir gegenseitig angewiesen sind. Nicht von dem Wohlwollen des Fleischers. Brauers oder Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern von der Rücksichtnahme auf ihr eigenes Interesse. Wir wenden uns nicht an ihre Menschenliebe. sondern an ihr Selbstinteresse und sprechen zu ihnen nie von unserem Bedarf, sondern von ihren Vorteilen...
Stets sind alle Menschen darauf bedacht, die für sie vorteilhafteste Anlage ihrer Kapitalien ausfindig zu machen In der Tat hat jeder dabei nur seinen eigenen Vorteil, nicht aber das Wohl der gesamten Volkswirtschaft im Auge. Aber dieses Erpichtsein auf seinen eigenen Vorteil führt ihn ganz von selbst - oder besser gesagt - notwendigerweise dazu, der¬jenigen Kapitalanlage den Vorzug zu geben, die zu gleicher Zeit für die Volkswirtschaft als Ganzes am vorteilhaftesten ist.“
(Adam Smith, Untersuchungen über Natur und Ursprung des Reichtums der Nationen, Frankfurt 1972, S.172)

Zum Beispiel. Ich will mit Kuchen Geld verdienen, bin egoistisch. Leider ist der Kuchen schlecht, keiner will ihn haben. Pech. Was mach ich nun? Ich backe besseren Kuchen. Nun ist er gut, alle wollen ihn haben. Was ist ökonomisch gesehen passiert? Ich befriedige meinen Egoismus, aber das gelingt nur, indem ich auch anderen einen Nutzen erweise. Ich freue mich über das Geld, die anderen genießen den Kuchen. Alle sind zufrieden. Der Markt zwingt mich dazu, dass ich meinen Egoismus nur befriedigen kann, indem ich auch anderen einen Gefallen erweise.
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dieter
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Lieber Karlheinz,
so sollte es sein, leider ist es in der Wirklichkeit nicht immer so. :roll:
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Peppone
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RedScorpion hat geschrieben:Und Erfindungen hatte und hat es woanders auch.

P.S. War Siemens nicht bis 1945 in Berlin anstatt in München?
Und Audi nicht in Zwickau anstatt dem provinziellen Ingolstadt?

Ich will BW und BY auch nicht herunterreden; aber ohne WWII, ohne angrenzende Regionen mit Erfolg, ohne NATO und ohne Infrastruktur gingen nicht nur in Süddeutschland die Lichter aus.
Sprich es ist eher das Zusammenspiel vieler Kräfter als angeblicher Arbeitsethos, ein Sichberufen auf Tugenden usw.
Zustimmung. Und auch für Ingolstadt war die Auto Union jahrzehntelang eher eine Belastung, weil man v.a. in den 60ern immer kurz vor dem Konkurs war. Erst mit der Wende von Audi hin zum Oberklassenhersteller ging es auch Ingolstadt entsprechend gut.
Dito München: Allein mit BMW - auch jahrzehntelang eine potentielle Pleitefirma - hätte der Nachkriegsaufschwung nie so geklappt. Aber ein florierender Autohersteller plus Siemens plus Allianz plus Olympische Spiele 1972 plus der MEdienhype mit vielen gutverdienenden Singles = florierendes München.

Beppe
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